Lymphom im Gehirn: Heilungschancen, Diagnose und Therapie

Maligne Lymphome sind bösartige Tumore, die vom lymphatischen System ausgehen, also etwa von den Lymphknoten oder der Milz. Fachleute unterscheiden zwischen Hodgkin-Lymphomen und Non-Hodgkin-Lymphomen. Der Begriff Lymphom bezeichnet bösartige Erkrankungen des lymphatischen Systems. Mitunter werden Lymphome als Lymphdrüsenkrebs oder Lymphknotenkrebs bezeichnet. Ja, die Begriffe Lymphknotenkrebs und Lymphdrüsenkrebs bezeichnen beide maligne Lymphome. Das Lymphsystem ist ein Netzwerk aus Lymphgefäßen und lymphatischen Organen, zu denen unter anderem die Lymphknoten, die Milz und das lymphatische Gewebe im Magen-Darm-Trakt gehören. Es ist Teil des Immunsystems.

Etwa 11.000 bis 14.000 Menschen erkranken in Deutschland jährlich an einem Lymphom, die meisten von ihnen an einem Non-Hodgkin-Lymphom. Männer erkranken etwas häufiger als Frauen. Die Häufigkeit einiger hämatologischer Erkrankungen wie zum Beispiel die Non-Hodgkin-Lymphome haben in den letzten Jahren immer stärker zugenommen. Die Gründe hierfür sind nicht genau bekannt. In Europa erkranken etwa 20 von 100.000 Menschen pro Jahr an einer dieser malignen hämatologischen Neubildungen. Damit sind sie die vierthäufigste bösartige Erkrankung.

Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über Lymphome im Gehirn, ihre Diagnose, Behandlungsmöglichkeiten und Heilungschancen. Er basiert auf den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Was ist ein Lymphom?

Lymphome sind bösartige Erkrankungen des Lymphsystems. Zu den Lymphomen gehören:

  • Morbus Hodgkin (Hodgkin-Lymphome)
  • verschiedene Non-Hodgkin-Lymphome

Wie entsteht ein Lymphom?

Ein Lymphom entsteht, wenn Lymphozyten (bestimmte weiße Blutkörperchen) entarten. Das passiert, wenn die Blutzellen mutieren, sich also plötzlich genetisch verändern. Die Aufgabe von Lymphozyten ist es eigentlich, Krankheitserreger wie Viren und Bakterien abzuwehren und den Körper vor Infekten zu schützen. Durch die Genveränderung vermehren sich die Zellen jedoch ungewöhnlich schnell. Sie verwandeln sich in Krebszellen und werden zur Gefahr für den Körper, indem sie gesundes, körpereigenes Gewebe verdrängen und schädigen. Anders als die meisten anderen Krebsarten beginnen Lymphome nicht als örtlich begrenzte Tumoren. Das Lymphsystem erstreckt sich - ähnlich wie die Blutbahnen - über den gesamten Körper.

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Hodgkin-Lymphome und Non-Hodgkin-Lymphome: Ein Überblick

Bei einem Hodgkin-Lymphom breiten sich in den betroffenen Lymphknoten und Organen bestimmte Krebszellen aus: die sogenannten Hodgkin-Zellen oder Reed-Sternberg-Zellen. Das sind große, auffällige Krebszellen, die unter dem Mikroskop sichtbar sind. Bei den Non-Hodgkin-Lymphomen kommen diese Zellen nicht vor. Fachleute verwenden die Bezeichnung "Non-Hodgkin" mittlerweile jedoch nur noch selten. Denn es gibt viele verschiedene Non-Hodgkin-Lymphome, die sich in ihrer Entstehung und ihrem Krankheitsverlauf sehr stark unterscheiden.

Anzeichen und Symptome eines Lymphoms

Die ersten Anzeichen eines Lymphoms sind häufig unspezifisch. Ein für Lymphome typisches Symptom ist eine anhaltende Schwellung der Lymphknoten. Diese ist nicht schmerzhaft, geht jedoch häufig mit einem Druckgefühl im Hals- und Nackenbereich, in der Achselhöhle oder in der Leiste einher. Feste und schmerzlos vergrößerte Lymphknoten sind sowohl für Hodgkin-Lymphome als auch für Non-Hodgkin-Lymphome charakteristisch. Vor allem treten sie auf:

  • am Hals
  • in der Achsel
  • in der Leistengegend

Darüber hinaus können Lymphome unspezifische Symptome hervorrufen, die häufig auch bei anderen, harmlosen Erkrankungen wie bei einer Erkältung auftreten. Dazu gehören:

  • Appetitlosigkeit
  • Nachtschweiß
  • Fieber
  • Gewichtsverlust
  • Müdigkeit und Abgeschlagenheit
  • Rücken-, Kopf- oder Gliederschmerzen

Je nachdem, in welchem Organ oder Gewebe sich Lymphomzellen finden, können weitere Beschwerden auftreten, zum Beispiel:

  • Bauchschmerzen und Verdauungsstörungen
  • Husten, Atembeschwerden
  • Knochen- und Gelenkschmerzen

Die sogenannten B-Symptome sind allgemeine Krankheitssymptome, die häufig bei Lymphomen in Kombination miteinander auftreten: Fieber über 38 Grad Celsius, Nachtschweiß und Gewichtsverlust. Wichtig: All diese Symptome können auch harmlose Ursachen haben.

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Ursachen von Lymphdrüsenkrebs

Lymphome werden immer durch genetische Veränderungen hervorgerufen. Verschiedene Faktoren können diese begünstigen. Welche das sind, ist noch nicht endgültig geklärt. Bei einigen Lymphomen spielen offenbar bestimmte Viren eine Rolle. Infektionen mit HIV oder dem Epstein-Barr-Virus, Auslöser des pfeifferschen Drüsenfiebers, scheinen das Risiko für bestimmte Lymphome zu erhöhen. Genetische Veränderungen im Erbgut von Lymphozyten können aber auch auf andere Ursachen zurückzuführen sein.

Diagnose von Lymphomen

Bei Verdacht auf ein Lymphom wird der Arzt zunächst eine körperliche Untersuchung mit Begutachtung der Lymphknoten vornehmen. Die sichere Diagnose eines Lymphoms ist jedoch nur durch eine Biopsie möglich. Dafür wird unter örtlicher Betäubung eine Gewebeprobe genommen, beispielsweise von einem verdächtigen Lymphknoten. Bei auffälligen Symptomen, die auf eine vom Gehirn ausgehende Erkrankung schließen lassen, wird meist zunächst eine Computer-Tomographie (CT) durchgeführt. Fällt hierbei ein Tumor auf, muss Art und Ausmaß des Befalls im Rahmen eines sogenannten „Stagings“ vor der Therapie genau bestimmt werden. Hierzu gehört eine genaue neurologische Untersuchung, die Erfassung verschiedener Blutparameter, eventuell eine Entnahme von Hirnwasser und eine Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) des Kopfes sowie die Entnahme einer Tumorprobe mittels stereotaktischer Biopsie.

Stadien beim Lymphdrüsenkrebs: Die Ann-Arbor-Klassifikation

Ein Lymphom beginnt meist in einzelnen Lymphknoten. Die bösartig veränderten Lymphozyten können sich jedoch rasch ausbreiten, da sich das Lymphsystem - ähnlich wie die Blutbahnen - durch den gesamten Körper zieht. Das unterscheidet Lymphome von Tumorerkrankungen, die häufig erst nach Jahren oder Jahrzehnten "streuen", also Metastasen bilden. Fachleute nutzen die Ann-Arbor-Klassifikation, um das Krankheitsstadium anhand der Ausbreitung der Lymphome im Körper festzulegen:

  • Stadium I: Befall einer einzelnen Lymphknotenregion
  • Stadium II: Zwei oder mehr Lymphknotenregionen sind betroffen, aber nur auf einer Seite des Zwerchfells
  • Stadium III: Befall von Lymphknoten auf beiden Seiten des Zwerchfells
  • Stadium IV: Das Lymphom hat sich systemisch ausgebreitet, diffuser Befall von Organen außerhalb des Lymphsystems (z. B. Leber, Lunge, Knochenmark) und/oder des lymphatischen Systems

Eine weitere Einteilung erfolgt nach A- oder B-Stadium:

  • A bedeutet, dass keine weiteren Symptome auftreten
  • B bedeutet, dass die sogenannte B-Symptomatik (Fieber über 38 Grad Celsius, Nachtschweiß und Gewichtsverlust) vorhanden ist

Beim Hodgkin-Lymphom ist die Einteilung in Stadien wichtig für die Planung der Therapie.

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Behandlung von Lymphomen

Die Therapie richtet sich danach, an welcher Form von Hodgkin-Lymphom beziehungsweise Non-Hodgkin-Lymphom jemand erkrankt ist, und in welchem Stadium sich die Krebserkrankung befindet. Grundsätzlich stehen folgende Behandlungsformen zur Therapie von Lymphomen zur Verfügung:

  • Strahlentherapie
  • Chemotherapie
  • Antikörpertherapie
  • Stammzelltransplantation
  • CAR-T-Zell-Therapie

Behandlung von Hodgkin-Lymphomen

Die Behandlung eines Hodgkin-Lymphoms hängt vom Stadium der Krankheit ab und umfasst meist eine Kombination aus Chemotherapie und Bestrahlung. Falls die Standardbehandlung nicht anspricht oder ein Rückfall auftritt, kommen infrage:

  • Hochdosischemotherapie und autologe Stammzelltransplantation
  • eine Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren (z. B. Nivolumab, Pembrolizumab)
  • Antikörper-Wirkstoff-Kombinationen (z. B. Brentuximab Vedotin)

Behandlung von Non-Hodgkin-Lymphomen

Die Behandlung eines Non-Hodgkin-Lymphoms hängt davon ab, um welche Art es sich handelt:

  • hochmaligne (aggressive) Lymphome wachsen sehr schnell und müssen zügig behandelt werden. Sie können jedoch häufig geheilt werden. Zu ihnen zählen das diffus großzellige B-Zell-Lymphom (DLBCL) und Burkitt-Lymphom. Kommt es zu einem Rückfall oder spricht die Standardtherapie nicht an, kann eine CAR-T-Zell-Therapie in Betracht gezogen werden. Diese moderne Immuntherapie nutzt gentechnisch veränderte Abwehrzellen, um gezielt Tumorzellen zu erkennen und zu zerstören.
  • niedrig-maligne (indolente) Lymphome sind wenig aggressiv, wachsen langsam und bleiben lange symptomlos. Sie sind schwer heilbar, aber gut behandelbar.

Weitere Therapieansätze

  • "Watch and Wait"-Strategie: Bei vielen indolenten, langsam wachsenden Lymphomen - vor allem in frühen Stadien - ist eine „watch and wait“-Strategie das Mittel der Wahl. So kann man zum Teil jahrelang eine unbeeinträchtigte Lebensqualität erhalten. In der „watch and wait“-Phase erfolgt eine sehr genaue und engmaschige Kontrolle der Erkrankung.
  • Strahlentherapie: Bei einer Strahlentherapie werden hochdosierte Röntgenstrahlen (oder andere hochenergetische Strahlen) direkt auf die befallenen Lymphknoten gerichtet. Ziel ist es, den Tumor möglichst komplett zu zerstören und dabei das umliegende Gewebe so wenig wie möglich zu schädigen. Ein Bestrahlungszyklus dauert in der Regel zwischen zwei und vier Wochen.
  • Chemotherapie: Medikamente, die das Krebswachstum hemmen oder Krebszellen abtöten, nennt man Zytostatika. Im Rahmen einer Chemotherapie können Zytostatika in Form von Tabletten, Injektionen oder Infusionen verabreicht werden. Der Wirkstoff verteilt sich durch das Blut über den ganzen Körper, hat also eine systemische Wirkung. Zytostatika greifen in der Regel schnell wachsende Zellen an. Dazu gehören neben den Tumorzellen aber auch bestimmte Körperzellen wie die Haarfollikel, Zellen im Knochenmark und Schleimhautzellen.
  • Antikörpertherapie: Therapeutisch angewendete, monoklonale Antikörper erkennen bestimmte Oberflächenstrukturen (Antigene) an den Lymphomzellen. Der meist verwendete therapeutische Antikörper ist Rituximab. Bei chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) können Obinutuzumab oder Ofatumumab eingesetzt werden. Ein Sonderfall der Antikörpertherapie ist die Radioimmuntherapie: An den Antikörper wird eine radioaktive Substanz gebunden.
  • Hochdosis-Chemotherapie mit Stammzelltransplantation: Bei einigen Lymphomarten wird bei einer Ausbreitung der Erkrankung (Progress) oder bei Rückfällen (Rezidiven) eine Hochdosis-Chemotherapie mit anschließender autologer Stammzelltransplantation durchgeführt. Dabei zerstört eine hochdosierte Chemotherapie (eventuell verbunden mit einer Bestrahlung) auch sehr widerstandsfähige Lymphomzellen, schädigt aber auch lebenswichtige Knochenmarkszellen. Um das Knochenmark wieder aufzubauen, werden dem Patienten vor der Chemotherapie Stammzellen entnommen und anschließend wieder zurückgegeben. Da die Stammzellen vom Patienten selbst stammen, handelt es sich um eine „autologe Transplantation“ (auto = selbst). Stammt das Knochenmark von einem Spender, spricht man von einer „allogenen Transplantation“ (allo = fremd). Die allogene Stammzelltransplantation kommt bei Lymphomen nur selten zum Einsatz.
  • Signalinhibitoren: Die Signalinhibitoren zeigen, dass immer neue Behandlungswege entdeckt werden. Sie wurden relativ neu entwickelt und sind vergleichsweise gut verträglich. Signalinhibitoren hemmen das Wachstum von Lymphomzellen, indem sie bestimmte Wachstumssignale ausschalten (inhibieren).
  • Alternative Therapiemethoden: Vorsicht ist allerdings bei alternativen Therapiemethoden geboten. Dazu gehören pflanzliche Mittel (zum Beispiel Mistel) oder auch Thymus- und andere biologische Präparate. Ihre Wirksamkeit konnte wissenschaftlich nicht bestätigt werden.

Lymphome des Gehirns: Eine Sonderstellung

Die Lymphome des Gehirns nehmen eine Sonderstellung innerhalb der hirneigenen Tumoren ein, da sie von Zellen abstammen, die nicht zu den eigentlichen Hirnzellen gehören. Vielmehr leiten sich diese Tumoren von Zellen des Immunsystems des Menschen her. Die Häufigkeit dieser Tumoren nimmt mit dem Alter deutlich zu. Etwa die Hälfte der Patienten ist älter als 60 bis 65 Jahre. Die primären Lymphome des Gehirns sind Tumoren, die gehäuft bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem auftreten.

Primäre ZNS-Lymphome (PZNSL)

Primäre ZNS-Lymphome (PZNSL) sind aggressive Non-Hodgkin-Lymphome (NHL), die ihren Ursprung in den Lymphozyten, einer Unterart der Leukozyten (weiße Blutkörperchen), haben. Je nach Auftreten wird zwischen primären und sekundären ZNS-Lymphomen unterschieden. Bei einem primären ZNS-Lymphom (PZNSL) tritt die Erkrankung zuerst im ZNS auf.

  • Epidemiologie:
    • seltene Erkrankung mit 0,5 Neuerkrankungen pro 100.000 Menschen pro Jahr
    • meist im Erwachsenenalter auftretend
    • gehäuftes Auftreten bei Patienten mit Immunschwäche (z.B. HIV oder nach Organtransplantationen)
    • Altersgipfel liegt zwischen 50. und 70. Lebensjahr
  • Symptome:
    • unspezifische und schnell progrediente Symptome
    • kognitive Störungen (z.B. Desorientiertheit, Gedächtnisprobleme)
    • Persönlichkeitsveränderungen
    • Zeichen eines erhöhten Hirndrucks (z.B. Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen)

Diagnose von ZNS-Lymphomen

Das wichtigste diagnostische Verfahren ist die Magnetresonanztomographie (MRT) des Schädels. Zusätzlich wird eine Nervenwasseruntersuchung durchgeführt, um eine Ausbreitung von Tumorzellen über die inneren Hohlräume des Gehirns (Ventrikel) auszuschließen. Zudem erfolgt eine augenärztliche Untersuchung, da die Augen häufig mitbetroffen sind, sowie eine Computertomografie von Lungen und Bauch sowie meistens eine Knochenmarksbiopsie, um einen Befall weiterer Organe auszuschliessen.

Therapie von ZNS-Lymphomen

Die Therapie der ZNS-Lymphome basiert heutzutage auf einer Kombination von Chemo- und Immuntherapie, in bestimmten Fällen ergänzt durch Strahlentherapie. Die Therapie der ZNS-Lymphome basiert heutzutage auf einer Kombination von Chemo- und Immuntherapie, in bestimmten Fällen ergänzt durch Strahlentherapie. Therapieprinzip: Induktion (Zurückdrängen des Tumors) und Konsolidierung (Rückfall vermeiden).

  • Induktion:
    • Chemotherapie: meist hochdosiertes Metothrexat und weitere Chemotherapeutika (z.B. Temozolomid, Cytarabin, o.a.); zusätzlich Rituximab
  • Konsolidierung:
    • Chemotherapie, Strahlentherapie oder ggfs. Stammzelltransplantation
  • bei unifokalem Auftreten, also einem einzelnen Tumorherd, ggfs. Resektion
  • Rezidiv-Therapie:
    • abhängig von der Primärtherapie

Anders als bei anderen Hirntumoren sollte eine komplette operative Entfernung des ZNS-Lymphoms nicht unbedingt angestrebt werden. Die Rolle der Chirurgie beschränkt sich bei den ZNS-Lymphomen überwiegend auf die Diagnosesicherung (siehe oben). Eine ausschließliche Bestrahlung, die früher bei Patient:innen mit einem primären ZNS-Lymphom als Standardtherapie galt, führt bei der Mehrzahl der Betroffenen innerhalb kurzer Zeit zu einem erneuten Auftreten der Erkrankung.

Für die chemotherapeutische Behandlung eines ZNS-Lymphoms ist es entscheidend, dass die verabreichten Substanzen die Blut-Hirn-Schranke durchdringen und damit im Gehirn wirken können. Bei der Blut-Hirnschranke handelt es sich um eine natürliche Barriere zwischen dem Blutkreislauf und dem zentralen Nervensystem. Sie hat die Funktion, das Gehirn vor im Blut befindlichen Krankheitserregern und Schadstoffen zu schützen. Als wichtigste Substanz hat sich hierbei Methotrexat (MTX) etabliert, das meist hoch dosiert und in Kombination mit anderen konventionellen Chemotherapeutika gegeben wird. Auch der Antikörper Rituximab gehört zur Standardtherapie.

Im Anschluss an diese Kombinationstherapie erfolgt bei geeigneten Patient*Innen eine Hochdosischemotherapie und autologe Stammzelltransplantation. Andere Optionen umfassen Erhaltungstherapien mit konventioneller Chemotherapie oder neueren zielgerichteten Substanzen oder Strahlentherapie. Im Rahmen dieser Studien werden häufig zusätzlich zur Routine noch weitere Blut- oder Rückenmarkwasserproben gewonnen, welche zur Grundlagenforschung genutzt werden.

Induktionstherapie

Hauptbestandteil der Induktionstherapie ist die Substanz Methotrexat, und zwar unabhängig vom Alter der Erkrankten. Dieses Chemotherapeutikum hat sich über die letzten Jahrzehnte in der Behandlung von Lymphomen des Gehirns etabliert und wird hoch dosiert verabreicht. Weitere wichtige Substanzen, die sehr gut im zentralen Nervensystem wirken, sind Cytarabin, Ifosfamid und Thiotepa. Wie bei anderen Lymphomen hat außerdem der Antikörper Rituximab Einzug in die Therapie gehalten. Bei dieser Form der Antikörpertherapie heftet sich der Wirkstoff gezielt an bestimmte Oberflächenstrukturen der Tumorzellen und leitet so deren Zerstörung ein. Eine Kombination aus Chemotherapie und Antikörpertherapie wird als Chemoimmuntherapie bezeichnet. Sie stellt bei der Induktionstherapie vielerorts die erste Wahl dar.

Konsolidierungstherapie

Trotz guter Ansprechraten auf die Induktionstherapie kommt es häufig zu Rückfällen. Um dieses Risiko zu senken, wird eine Konsolidierungstherapie durchgeführt. Hier stehen prinzipiell die Strahlentherapie, die konventionelle Chemotherapie und die Hochdosis-Chemotherapie mit anschließender autologer Stammzelltransplantation (HDT-ASZT) zur Verfügung. Da es nach einer Ganzhirnbestrahlung oft zu neurologischen (Spät-)Folgen kommt, die die Gedächtnisleistung und die Lebensqualität beeinträchtigen, werden meist alternative Ansätze wie die konventionelle Chemotherapie und HDT-ASZT verfolgt. Die Ganzhirnbestrahlung sollte nur in Erwägung gezogen werden, wenn eine Konsolidierungstherapie mit systemischer Chemotherapie nicht möglich ist oder das ZNS-Lymphom auf die verabreichten Chemotherapeutika nicht angesprochen hat.

Die HDT-ASZT ist die intensivste Konsolidierungstherapie, die bei dafür geeigneten Patient:innen zu sehr guten Langzeitergebnissen führen kann. Bevor die Erkrankten eine hoch dosierte, das Knochenmark zerstörende, Chemotherapie erhalten, werden zunächst mittels eines speziellen Verfahrens Stammzellen aus ihrem Blut gesammelt (= Leukapherese). Diese werden in flüssigem Stickstoff tiefgefroren und nach dem Abschluss der Hochdosis-Chemotherapie aufgetaut und in den Blutkreislauf der Patient:innen zurückgegeben. Die Stammzellen siedeln sich danach im Knochenmark an und beginnen mit der Blutbildung. Etwa 10 bis 14 Tage nach der Rückgabe der Stammzellen ist das Blutbild so weit wieder hergestellt, dass keine schwere Infektions- und Blutungsgefahr mehr bestehen sollte.

Therapie von älteren Patient:innen

Etwa die Hälfte der Menschen mit einem primären ZNS-Lymphom ist bei der Erstdiagnose 60 Jahre oder älter. Auch wenn einige dieser Patient:innen fit genug für intensive Therapieansätze sein können, sind viele auch nicht für die oben beschriebenen intensiven Therapien inklusive HDT-ASZT geeignet. Abhängig von ihren Begleiterkrankungen und ihrem Allgemeinzustand kommen für diese besonders empfindlichen Patient:innen weniger aggressive Therapieprotokolle zum Einsatz, z.B. Methotrexat allein oder die Kombination von Methotrexat mit Procarbazin. Der Antikörper Rituximab (s.o.) ist in der Regel ebenfalls Teil der Kombination. Die kontinuierliche Verbesserung der Chemotherapieprotokolle, insbesondere auch durch die Kombination mit anderen Chemotherapeutika sowie Antikörpern, ist Gegenstand aktueller Studien. Nach Möglichkeit sollten alle Patient:innen in klinische Studien eingeschlossen werden.

Nachsorge

  • in den ersten beiden Jahren nach Abschluss der Therapie alle 3 Monate bildgebende Kontrollen (MRT)
  • danach alle 6 Monate Kontrollen (ab dem 6. Jahr: jährlich)

Heilungschancen und Prognose von Lymphomen

Das Spektrum reicht bei Lymphomen von langsamen Verläufen, die nicht therapiebedürftig sind, bis hin zu aggressiven, kaum therapierbaren Erkrankungen, die schnell zum Tod führen. Prognose und Heilungschancen hängen vor allem von der Form des Lymphoms ab:

  • Beim Hodgkin-Lymphom sind die Heilungschancen gut: Bei mehr als 80 von 100 Patient*innen verläuft die Behandlung erfolgreich. Zwar erkranken die Betroffenen innerhalb der ersten Jahre nach Abschluss der Therapie häufig erneut. In der Regel können sie jedoch wieder erfolgreich behandelt werden. Bleibt eine genesene Person innerhalb von fünf Jahren nach der Therapie gesund, ist ein Rückfall unwahrscheinlich.
  • Beim Non-Hodgkin-Lymphom sind die Heilungschancen unterschiedlich: Schlecht ist die Prognose beispielsweise beim seltenen und aggressiv wachsenden Mantelzell-Lymphom.

Viele Lymphome haben gute Heilungschancen. Je nach Lymphomart, dem Alter des Patienten und dem Stadium der Erkrankung liegen sie bei bis zu 90%. Die Therapie von Lymphomen hat sich dadurch so verbessert, dass ein ZNS-Lymphom heute als heilbar gilt. Knapp 90 Prozent der Patient:innen, die mit einer Hochdosischemotherapie und Stammzellentransplantation behandelt werden, haben auch nach fünf Jahren keinen Rückfall erlitten. Bei den aggressiven Non-Hodgkin-Lymphomen erreichen mit der bisherigen Standardchemotherapie von sechs bis acht Zyklen CHOP (Cyclophosphamid, Hydroxydauromycin, Oncovin, Prednison) in dreiwöchigem Abstand circa zwei Drittel aller Patienten eine komplette Remission und etwa ein Drittel der Patienten langfristige Heilungen.

Prognose von ZNS-Lymphomen

Die Prognose ist abhängig v.a. von Alter und Therapiemethode: je jünger die Betroffenen und je aggressiver die Therapie, desto besser die Prognose. Heilung kann durch aggressive Chemotherapie erreicht werden. Da es sich bei ZNS-Lymphomen in der Regel um sehr aggressive Lymphome handelt, die unbehandelt innerhalb einiger Wochen bis weniger Monate zum Tod führen, sollte ohne Verzögerung eine Therapie eingeleitet werden.

Fallbeispiel: Neeles Kampf gegen das ZNS-Lymphom

Ein bösartiges ZNS-Lymphom hatte sich in Neeles Gehirn eingenistet. Das Klinikum Stuttgart hat weltweit Standards in der Behandlung dieser seltenen Tumorart gesetzt. Neele ist eine lebenslustige, junge Frau. Sie spielte gerne Volleyball und hatte Spaß mit ihren Freundinnen auszugehen. Doch auf einmal hatte die Schülerin zu all dem keine Lust mehr. Außerdem plagten sie immer wieder Übelkeit und Schwindel. Dann kam dieser Tag im April, den Neele nie vergessen wird. Sie kam per Krankenwagen in ein Stuttgarter Krankenhaus, wo sie zwei Wochen von Kopf bis Fuß untersucht und für eine Hirnbiopsie in die Neurochirurgie des Klinikum Stuttgart verlegt wurde.

Prof. Dr. Gerald Illerhaus, Ärztlicher Direktor der Klinik, ist einer der führenden Spezialisten für ZNS-Lymphome. Er vermittelte der Patientin und ihren Eltern Zuversicht. Nach den Sommerferien würde Neele wieder zur Schule gehen. Doch erst einmal musste die Schülerin drei Chemotherapien, eine Hochdosischemotherapie und eine Stammzellentransplantation überstehen. Durch die Chemotherapien und die Gabe von Cortison hat sich ihr Zustand aber schnell verbessert. Besonders freut den Arzt, dass seine junge Patientin die Chemotherapie so gut gepackt hat.

Die junge Frau selbst hatte nach den Gesprächen mit Prof. Dr. Illerhaus nie Zweifel, dass sie wieder gesund werden würde. Ende Juli hatte sie nach drei Monaten Therapie endlich alles hinter sich und durfte nach Hause. Pünktlich zu Beginn des neuen Schuljahrs war sie wieder fit genug, um gemeinsam mit ihren Schulkameradinnen mit Vollgas Richtung Abi zu starten. Inzwischen ist über ein Jahr seit dem Ende der Therapie vergangen. Demnächst wird die junge Frau mit einer Freundin für zweieinhalb Monate nach Australien aufbrechen.

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