Nach einem Schlaganfall ist die Behandlung mit gerinnungshemmenden Medikamenten, insbesondere bei Vorhofflimmern, ein wichtiger Bestandteil der Sekundärprävention. Die Wahl des geeigneten Antikoagulans und der Zeitpunkt des Therapiebeginns sind jedoch komplexe Entscheidungen, die sorgfältig abgewogen werden müssen. In den letzten Jahren hat sich die Landschaft der Antikoagulanzien erheblich verändert, wobei moderne nicht-Vitamin-K-abhängige orale Antikoagulanzien (NOAKs) zunehmend an Bedeutung gewonnen haben. Dennoch gibt es eine anhaltende Debatte über die optimale Therapie, insbesondere im Hinblick auf die Wirksamkeit und Sicherheit von Marcumar (Phenprocoumon) im Vergleich zu NOAKs.
Antikoagulanzien zur Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern
Patienten mit Vorhofflimmern haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Schlaganfälle, da diese Herzrhythmusstörung die Bildung von Blutgerinnseln im Herzen begünstigt, die ins Gehirn gelangen und dort eine Arterie verstopfen können. Antikoagulanzien spielen eine entscheidende Rolle bei der Reduzierung dieses Risikos. Sie verhindern die Bildung von Blutgerinnseln und senken somit das Schlaganfallrisiko erheblich. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle Menschen mit Vorhofflimmern Antikoagulanzien benötigen. Die Entscheidung für oder gegen eine solche Therapie hängt von einer individuellen Risikobewertung ab, die verschiedene Faktoren berücksichtigt, darunter das Vorhandensein anderer Risikofaktoren für Schlaganfall.
Die Renaissance von Marcumar?
Eine aktuelle Studie, die Patientendaten von 570.000 BARMER-Versicherten auswertete, hat überraschende Ergebnisse geliefert. Demnach zeigten Herz-Kreislauf-Erkrankte mit Schlaganfall- oder Thromboembolie-Risiko, die auf eine vorbeugende Blutverdünnung angewiesen sind, geringere Komplikationsraten mit dem Vitamin-K-Antagonisten Phenprocoumon (Marcumar) als mit NOAKs. Die Arbeitsgruppe um Prof. Holger Reinecke am Universitätsklinikum Münster (UKM) fand heraus, dass der in Marcumar enthaltene Wirkstoff mit einer höheren Überlebenswahrscheinlichkeit verbunden ist als NOAKs.
Diese Ergebnisse könnten eine Kehrtwende bei der Verordnung von Blutverdünnern in Deutschland bedeuten. Reinecke betonte, dass Marcumar, das bereits in den 1980er Jahren eingeführt wurde, in Bezug auf das Überleben möglicherweise überlegen ist. Er wies jedoch auch darauf hin, dass randomisierte, prospektive Studien erforderlich sind, um diese These zu bestätigen und die Wirksamkeit von Phenprocoumon im Vergleich zu den einzelnen Wirkstoffen der neueren NOAKs zu untersuchen.
Vorteile und Nachteile von Marcumar und NOAKs
Marcumar (Phenprocoumon)
Vorteile:
- Potenziell höhere Überlebenswahrscheinlichkeit: Die BARMER-Studie deutet auf eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit im Vergleich zu NOAKs hin.
- Geringere Kosten: Marcumar ist deutlich kostengünstiger als NOAKs.
- Wirksamkeit seit Jahrzehnten bewährt: Marcumar wird seit vielen Jahren erfolgreich zur Schlaganfallprävention eingesetzt.
Nachteile:
- Regelmäßige Blutkontrollen erforderlich: Die Blutgerinnung muss engmaschig überwacht werden, idealerweise wöchentlich.
- Einfluss von Vitamin-K-haltigen Lebensmitteln: Der Konsum von Vitamin-K-reichen Lebensmitteln kann die Blutgerinnung beeinflussen und die Einstellung erschweren.
- Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten: Phenprocoumon hat ein hohes Potenzial für Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten.
NOAKs (Nicht-Vitamin-K-abhängige orale Antikoagulanzien)
Vorteile:
- Einfache Anwendung: NOAKs erfordern weniger ärztliche Überwachung und sind für Patienten einfacher anzuwenden.
- Schneller Wirkungseintritt: NOAKs wirken bereits nach wenigen Stunden.
- Weniger Wechselwirkungen mit Lebensmitteln: Die Wirkung von NOAKs wird weniger stark von der Ernährung beeinflusst.
Nachteile:
- Höhere Kosten: NOAKs sind deutlich teurer als Marcumar.
- Möglicherweise geringere Überlebenswahrscheinlichkeit: Die BARMER-Studie deutet auf eine potenziell geringere Überlebenswahrscheinlichkeit im Vergleich zu Marcumar hin.
- Hohe Einnahmetreue erforderlich: Nach einer ausgelassenen Dosis steigt das Thromboserisiko schnell wieder an.
Der Zeitpunkt des Therapiebeginns nach einem Schlaganfall
Der Zeitpunkt, wann nach einem Schlaganfall mit der gerinnungshemmenden Therapie begonnen werden sollte, ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Einerseits ist das Risiko für einen erneuten Schlaganfall in den ersten Tagen nach dem Ereignis besonders hoch, andererseits erhöht jede Form der Blutverdünnung das Blutungsrisiko, insbesondere im geschädigten Hirngewebe.
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Die aktuellen Leitlinien empfehlen, mit der Behandlung zwischen 4 und 14 Tagen nach dem Schlaganfall zu beginnen. Eine neue Studie deutet jedoch darauf hin, dass ein früherer Therapiebeginn das Risiko für einen Folgeschlaganfall reduzieren könnte, ohne das Risiko für Hirnblutungen zu erhöhen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass diese Ergebnisse noch nicht als Grundlage für eine generelle Empfehlung für einen frühen Therapiebeginn dienen können.
Weitere Aspekte der Schlaganfallprävention
Neben der medikamentösen Therapie gibt es weitere wichtige Maßnahmen zur Schlaganfallprävention, darunter:
- Kontrolle von Risikofaktoren: Bluthochdruck, Diabetes mellitus, hohe Cholesterinspiegel und Übergewicht sollten behandelt werden.
- Gesunder Lebensstil: Verzicht auf Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum, eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung.
- Operative oder interventionelle Verfahren: In bestimmten Fällen können ein Verschluss des Foramen ovale oder des linken Vorhofohrs das Schlaganfallrisiko senken.
Die Rolle der Telemedizin
Die Telemedizin kann eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der Qualität der Antikoagulationstherapie spielen. Eine Studie hat gezeigt, dass eine telemedizinisch unterstützte Gerinnungsüberwachung die Qualität der oralen Antikoagulation mit Phenprocoumon verbessern kann.
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