Der Schlaganfall ist eine der Hauptursachen für Tod und Behinderung in Deutschland. Der ischämische Schlaganfall, der etwa 80 % der Fälle ausmacht, entsteht durch verstopfte Blutgefäße im Gehirn, was zu einer Mangeldurchblutung führt. Die mechanische Rekanalisation, insbesondere die Thrombektomie, hat sich als eine bahnbrechende Behandlungsmethode für schwere Schlaganfälle etabliert.
Was ist ein ischämischer Schlaganfall?
Ein ischämischer Schlaganfall tritt auf, wenn die Blutversorgung des Gehirns durch ein blockiertes Blutgefäß unterbrochen wird. Dies kann durch Blutgerinnsel (Thromben) oder Arteriosklerose verursacht werden, bei der sich Kalk- und Fettablagerungen an den Gefäßwänden bilden. Vorhofflimmern und Infektionen können das Risiko erhöhen.
Die Rolle der mechanischen Thrombektomie
Die mechanische Thrombektomie ist ein minimalinvasiver Eingriff, bei dem große Blutgerinnsel mithilfe eines Katheters zerstört oder aus dem Gefäß entfernt werden. Dieser Eingriff wird idealerweise in einer Stroke Unit von einem interdisziplinären Team aus Neurologen und Neuroradiologen durchgeführt.
Wie funktioniert die Thrombektomie?
Bei der Thrombektomie wird ein dünner Schlauch (Katheter) über ein Blutgefäß im Arm oder der Leiste eingeführt und bis zum Blutgerinnsel im Gehirn vorgeschoben. Je nach Lage und Größe des Gerinnsels kann es entweder abgesaugt oder mit einem Stent-Retriever erfasst und herausgezogen werden. Der Stent-Retriever ist ein feines Drahtnetz, das sich im Gefäß entfaltet, das Gerinnsel einfängt und es dann ermöglicht, es herauszuziehen.
Kombination mit Thrombolyse
Für eine bestmögliche Rekanalisation wird die Thrombektomie oft mit einer medikamentösen Thrombolyse kombiniert, einer sogenannten Bridging-Therapie.
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Die Revolution der mechanischen Thrombektomie
Obwohl die Technik der Thrombektomie schon länger bekannt war, sorgten Studien zur Effektivität und Zuverlässigkeit der mechanischen Thrombektomie im Jahr 2015 für eine Art „kleine Revolution“ in der Schlaganfallbehandlung. Dies lag vor allem an den Fortschritten bei endovaskulären Kathetern.
Die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und die Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie e. V. betonen die Bedeutung der Thrombektomie, da Medikamente größere Blutgerinnsel oft nicht auflösen können oder die Auflösung zu lange dauern würde.
Gefäßeröffnende Maßnahmen
Gefäßeröffnende Maßnahmen wie die Rekanalisation, der Einsatz von Stents und die perkutane transluminale Angioplastie (PTA) werden eingesetzt, um verengte Arterien zu erweitern, die Durchblutung zu verbessern und verschlossene Hirngefäße wieder zu eröffnen.
Gefäßverengungen der Halsgefäße, insbesondere der Arteria carotis, können operativ oder durch eine Stent-geschützte Ballondilatation behandelt werden. Die Mehrzahl der Gefäßverschlüsse im Gehirn wird durch Embolien aus dem Herzen oder anderen Körperregionen verursacht.
Medikamentöse Therapieverfahren
Medikamentöse Therapien zur Wiedereröffnung von Gefäßverschlüssen basieren vor allem auf fibrinolytisch aktiven Medikamenten, die das Blutgerinnsel auflösen. Diese Fibrinolyse (Lyse) ist jedoch nur innerhalb weniger Stunden nach dem Schlaganfall erfolgversprechend.
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Wenn die medikamentöse Therapie nicht ausreicht, wird in neuroradiologischen Abteilungen in Absprache mit Neurologen eine mechanische Thrombektomie durchgeführt.
Mechanische Rekanalisation im Detail
Die mechanische Rekanalisation verwendet spezielle neurointerventionelle Techniken, um blockierte Blutgefäße im Gehirn wieder zu eröffnen. Schnelligkeit ist entscheidend, da ein Schlaganfall immer ein Notfall ist. Bei plötzlichen Lähmungen sollte sofort der Rettungsdienst alarmiert werden.
Nicht jeder Schlaganfallpatient ist für diesen Eingriff geeignet. Eine Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) ist notwendig, um die Eignung für die Behandlung zu beurteilen. Während des Eingriffs wird der Patient in Vollnarkose oder Analgosedierung versetzt. Ein Katheter wird über die Leiste bis zum verschlossenen Gefäß im Kopf- oder Halsbereich vorgeschoben.
Thrombektomie in Spezialkliniken
Die Thrombektomie wird in Spezialkliniken wie der München Klinik Bogenhausen und der München Klinik Harlaching durchgeführt. Diese Kliniken verfügen über die notwendige Expertise und Technologie, um diesen aufwendigen Eingriff erfolgreich durchzuführen. Studien haben gezeigt, dass die Thrombektomie bei Patienten mit großen Gefäßverschlüssen hochwirksam ist.
Herausforderungen und Lösungen
Eine Herausforderung besteht darin, dass nicht jede Klinik eine Thrombektomie anbieten kann, da der Eingriff spezielle Expertise erfordert und schnell durchgeführt werden muss. In ländlichen Gebieten fehlt oft das nötige Spezialwissen, was zu Verzögerungen bei der Behandlung führen kann.
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Das telemedizinische Schlaganfallnetzwerk TEMPiS bietet eine Lösung für unterversorgte Regionen, indem es eine schnelle Diagnostik ermöglicht und die Verlegung in ein Interventionszentrum organisiert. Pilotprojekte wie das „Flying Intervention Team“ zielen darauf ab, den Beginn der Behandlung zu beschleunigen, indem ein Interventionsteam per Helikopter in kleinere Kliniken eingeflogen wird.
Generelles zur mechanischen Thrombektomie
Die mechanische Thrombektomie ist die Wiedereröffnung eines Verschlusses der großen hirnversorgenden Arterien mit einem Katheter und Miniatur-Werkzeugen. Ein dauerhafter Gefäßverschluss kann zu einem ischämischen Infarkt führen, der Folge einer Blutarmut im Gehirn ist. Das Ausmaß der Schlaganfall-Folgen hängt vom Ort und Schweregrad der Hirnschädigung ab.
Indikation für die Thrombektomie
Eine mechanische Thrombektomie ist empfehlenswert, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
- Ein klinisch relevantes neurologisches Defizit besteht.
- Der Verschluss einer großen hirnversorgenden Arterie ist in der CT- oder MR-Angiographie nachgewiesen.
- Die Behandlung kann spätestens 6 Stunden nach Symptombeginn begonnen werden.
- Neuere Studien zeigen, dass die Thrombektomie bei ausgewählten Patienten auch später als 6 Stunden nach Symptombeginn wirksam sein kann.
Ablauf des Eingriffs
Der Eingriff wird unter Sedierung oder Narkose durchgeführt. Ein Katheter wird über die Leistenarterie in die Halsschlagader geführt und ein kleinerer Katheter an den Verschlussort platziert. Die Thrombektomie erfolgt durch Thrombusaspiration (Absaugen des Blutgerinnsels) und/oder Thrombusextraktion (Herausziehen des Blutgerinnsels). Beide Techniken können mehrmals wiederholt und miteinander kombiniert werden, um die Durchblutung wiederherzustellen.
Fazit
Die mechanische Thrombektomie ist bei Schlaganfallpatienten mit nachgewiesenem Gefäßverschluss die Therapie der Wahl, mit oder ohne vorherige Lyse-Therapie. Rasches Handeln und optimale Abläufe sind entscheidend, um die Therapie schnellstmöglich durchzuführen. Die Versorgung des akuten Schlaganfalls erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Neurologie, Neuroradiologie, Gefäßmedizin, Kardiologie und Neurochirurgie.
Interventionelle Behandlung mit Stent-Retrievern
Seit 2008 werden Thrombektomien mit Stent-Retrievern durchgeführt, die überlegene Rekanalisationsraten versprechen. Frühere mechanische Behandlungstechniken waren weniger überzeugend.
Aktuelle Studien zur Thrombektomie
Fünf randomisierte Studien (ESCAPE, EXTEND-IA, MR CLEAN, REVASCAT und SWIFT-PRIME) zeigten die klare Überlegenheit der endovaskulären Schlaganfallbehandlung in Kombination mit IVT gegenüber der alleinigen IVT. Das in den neuen Studien geprüfte Vorgehen bei der MT unterscheidet sich grundlegend von der intraarteriellen Fibrinolysetherapie.
MR CLEAN-Studie
Die MR CLEAN-Studie zeigte, dass die Wahrscheinlichkeit für ein gutes klinisch-funktionelles Ergebnis mit MT höher war als ohne MT. Die Rekanalisationsrate betrug 59 %.
EXTEND-IA-Studie
Bei EXTEND-IA wurden CT-Perfusionsdaten für die Patientenselektion verwendet. Die endovaskuläre Therapie erfolgte mit dem Solitaire-Stent-Retriever. Die absolute Risikoreduktion für Behinderung und Tod war 31 %.
ESCAPE-Studie
Die ESCAPE-Studie schloss Patienten in einem großzügigen Zeitfenster bis 12 Stunden nach Symptombeginn ein. Die aRR für Behinderung und Tod lag bei 24 %.
SWIFT-PRIME-Studie
SWIFT-PRIME verwendete den Solitaire-Stent-Retriever und reproduzierte ähnliche klinisch-funktionelle Ergebnisse und Rekanalisationsraten wie EXTEND-IA.
REVASCAT-Studie
REVASCAT schloss Patienten mit fehlendem Ansprechen auf IVT oder Kontraindikationen für IVT ein. Die Behandlungsergebnisse der Gruppe mit zusätzlicher endovaskulärer Therapie waren überlegen.
Allen Studien gemeinsam ist, dass die Häufigkeit von symptomatischen intrakraniellen Blutungen durch die MT nicht erhöht wurde.
Selektionskriterien für die Thrombektomie
Von der MT profitieren nur Patienten mit Verschlüssen größerer hirnversorgender Arterien. Dazu gehören die distale Arteria carotis und die proximale Arteria cerebri media (M1-Segment). Hohes Alter allein ist kein Ausschlusskriterium.
Ein NIHSS von ≥ 9 im 3-Stunden-Fenster und ≥ 7 im Zeitraum von über 3-6 Stunden nach Symptombeginn kann als Indikation für die Verlegung in ein Zentrum zur MT dienen.
Prinzipien der neuroradiologischen Diagnostik
Beim ischämischen Schlaganfall kommt es zum kritischen Abfall des Perfusionsdrucks im Hirnparenchym. Die daraus resultierende Minderperfusion verursacht einen Ischämiekern mit irreversibler Zellschädigung, umgeben von einer Zone kritischer Minderperfusion (Penumbra) und einer Zone nichtkritischer Minderperfusion (Oligämie).
Wichtigster Aspekt der zerebralen Bildgebung ist der Ausschluss einer Blutung mittels nativem CT. Die Ausdehnung des Ischämiekerns wird anhand des ischämischen Ödems im nativen CT oder der diffusionsgewichteten Bildgebung (DWI) in der MRT bestimmt. Der Alberta Stroke Program Early Computerized Tomography Score (ASPECTS) wird verwendet, um die Ödemausdehnung standardisiert zu beschreiben.
Die multiparametrische CT-Diagnostik oder das multiparametrische MRT liefern wichtige Informationen zum Risikogewebe der Penumbra.
Konsequenzen für die bildgebende Diagnostik
Eine MT ist nur sinnvoll, wenn ein mittels Katheter erreichbares Gefäß verschlossen ist. Daher ist eine Gefäßdarstellung in der Akutphase notwendig. In den vorgestellten Studien musste ein proximaler Gefäßverschluss mittels CT- oder MR-Angiographie nachgewiesen sein.
Das PENUMBRA-System
Das PENUMBRA-System ist eine Methode, bei der Gerinnsel aus den Blutbahnen von Schlaganfall-Patienten quasi „rausgesaugt“ werden. Bei den in einer Studie aufgenommenen Patienten konnte bei ca. drei Viertel der Fälle das verschlossene Gefäß wieder eröffnet werden.
Das Herzstück des PENUMBRA-Systems ist der Reperfusionskatheter, der das Gerinnsel einsaugt. Der Katheter wird über die Leistenarterie eingeschoben und an die betroffene Hirnregion herangeführt. Das Absaugen des Gerinnsels erfolgt mit einem Unterdruck von rund 680 Millibar.
Der Name PENUMBRA-System bezieht sich auf das „Penumbra“ genannte Gewebe, dessen Blutversorgung durch einen Gefäßverschluss beeinträchtigt, aber nicht gänzlich abgeschnitten wurde. Dieses Gewebe kann sich erholen, wenn es rechtzeitig gelingt, den Blutfluss zu normalisieren.
Die erfolgreiche Wiedereröffnung des Gefäßverschlusses ist nur eine Seite der Medaille. Die andere ist der Faktor Zeit. Je mehr Zeit zwischen dem Auftreten des Schlaganfalls und der Behandlung vergeht, desto weniger „Penumbra“ ist vorhanden, die potentiell „gerettet“ werden kann.
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