Überall dort, wo Nerven durch Körperengen hindurchmüssen, kann es zu Beeinträchtigungen kommen. Schmerzen in den Armen und Beinen können aufgrund von Kompressionen der Rückenmarksnerven im Bereich der Wirbelsäule z.B. durch einen Bandscheibenvorfall oder einen Tumor auftreten.
Einführung
Das Karpaltunnelsyndrom (KTS) ist eine Schädigung des N. medianus im Karpalkanal der Hohlhand und das häufigste Engpasssyndrom eines peripheren Nervs. Das Karpaltunnelsystem ist mittlerweile als Berufskrankheit anerkannt. Der Karpaltunnel ist ein schmaler Kanal im Bereich der Handwurzel, durch den wichtige Nerven und Sehnen verlaufen. Wird dieser Kanal eingeengt - etwa durch Schwellungen oder Verdickungen von Sehnen - gerät der darin liegende Mediannerv unter Druck. Dieser Nerv steuert nicht nur die Beweglichkeit des Daumens, sondern ist auch für die Sensibilität der Finger zuständig. Durch die Einengung wird der Nerv gereizt, was zu den typischen Symptomen des Karpaltunnelsyndroms führt.
Ursachen der Kompression des Nervus Medianus
Die Ursachen der Kompression des N. medianus sind vielfältig.
Karpaltunnelsyndrom (KTS)
Die Inzidenz beträgt 3−10% der erwachsenen Bevölkerung. Auslöser können Schwellungszustände des Sehnengleitgewebes, Entzündungen sowie traumatische, posttraumatische oder überlastungsbedingte Ursachen sein. Wiederholte belastende Bewegungsabläufe, einseitige Tätigkeiten, die ständige Bewegungen oder Druck auf das Handgelenk erfordern, etwa beim Tippen, handwerklichen Arbeiten oder Sportarten wie Tennis, können das Syndrom begünstigen oder auslösen. Auch Wassereinlagerungen bei hormonellen Veränderungen während der Schwangerschaft, Schilddrüsenerkrankungen oder Übergewicht können den Druck auf den Karpaltunnel steigen lassen. Gelenkentzündungen, Schwellungen oder bestimmte Erkrankungen wie Rheuma, Diabetes mellitus, Arthritis oder Gicht erhöhen das Risiko für das Karpaltunnelsyndrom. Manche Menschen haben von Natur aus einen schmaleren Karpaltunnel, was das Risiko für Beschwerden erhöht.
Proximale Kompressionen des N. medianus
Im Bereich des Ellenbogens können verschiedene anatomische Strukturen für die Kompression des N. medianus verantwortlich sein, wie das Struther-Ligament, der Processus supracondylaris, der Lacertus fibrosus, der Pronator teres oder der M. flexor digitorum superficialis. Neben anatomischen Gegebenheiten sind insbesondere chronische Überlastungen durch forcierte Pro- und Supinationsbewegungen in Beruf oder Sport Ursachen der Kompression.
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Kompression des N. interosseus anterior
Der N. interosseus anterior ist ein rein motorischer Ast des N. medianus. Er kann durch den M. pronator teres oder den M. flexor digitorum superficialis komprimiert werden.
Symptome einer Medianusnervkompression
Typische Symptome sind nächtliche Parästhesien (Brachialgia paraesthetica nocturna) der radialen 3½ Finger. Die Parästhesien können auch durch starre Handhaltungen (Radfahren, Autofahren, Zeitunglesen, Schreiben etc.) ausgelöst werden. Im fortgeschrittenen Stadium kommt es zu permanenten Missempfindungen mit belastungsabhängigen, einschießenden Schmerzen und Taubheit der Finger mit zunehmender Ungeschicklichkeit bei feinmotorischen Arbeiten. Die Beschwerden des Karpaltunnelsyndroms können schleichend beginnen und im Laufe der Zeit an Intensität zunehmen. Um eine dauerhafte Schädigung auszuschließen, sollten Sie bereits erste Beschwerden ärztlich abklären lassen. Meist treten zuerst Schmerzen in der dominanten Hand auf. Dort sind die Symptome stärker ausgeprägt als in der anderen Hand. Die Beschwerden bessern sich häufig durch Ausschütteln und Reiben der Finger, Pumpbewegungen der Finger, Stellungsänderung von Arm oder Hand oder Halten unter kaltem Wasser. Der Tastsinn und die Empfindlichkeit der Hand können sich zunehmend verschlechtern, wodurch Betroffene oft Schwierigkeiten haben, alltägliche Aufgaben wie das Zuknöpfen von Kleidung oder das Aufheben kleiner Gegenstände zu bewältigen. Im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung kann es zudem zu Lähmungserscheinungen kommen, die die Beweglichkeit der Finger weiter einschränken und die Handkraft deutlich vermindern. Teilweise können Schmerzen auch in der ganzen Hand auftreten oder bis in den Arm ausstrahlen. Insbesondere nach intensiver Belastung wie Gartenarbeit oder Putzen haben Betroffene Schmerzen. Im späteren Stadium können Beschwerden auch ohne ersichtlichen Anlass plötzlich ausgelöst werden. Unter Umständen kann sich schrittweise der Muskel des Daumens zurückbilden- erkennbar an einer sichtbaren Delle am Daumenballen. Bestimmte Funktionen wie das Abspreizen des Daumens sind dadurch stark eingeschränkt. Betroffenen fällt es schwer, etwas in die Hand zu nehmen oder eine Flasche zu umgreifen. In diesem Zustand ist der Nerv bereits stark geschädigt. Eine lebenslange Gefühlslosigkeit oder sogar Lähmung des Daumens können Folgen sein. Beim PTS treten keine nächtlichen Parästhesien auf. Zusätzlich kann eine Schwäche des Faustschlusses auftreten. Charakteristische klinische Befunde sind der lokale Druckschmerz über dem N. medianus in der Ellenbeuge und ein positives Hoffmann-Tinel-Zeichen an der vermuteten Kompressionsstelle. Flexion des Mittelfingers gegen Widerstand (M. Beim NIA finden sich keine sensiblen Ausfälle. Charakteristisch ist eine Beugeschwäche von Daumen und Zeigefinger im Endgelenk, mit der Unfähigkeit, ein „O“ zu formen. Stattdessen findet sich eine charakteristische Tropfenform (Pinzettengriff). Der Nagel-zu-Nagel-Kontakt fehlt.
Diagnose einer Medianusnervkompression
Im Initialstadium lassen sich Parästhesien durch klinische Tests, z.B. den Phalen-Test und das Hoffmann-Tinel-Zeichen, provozieren. Die elektrophysiologische Untersuchung mittels Elektromyografie (EMG) und Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) ist aussagekräftig für die Objektivierung und Differenzialdiagnostik. Bildgebende Verfahren wie die Neurosonografie und die Magnetresonanztomografie (MRT) ermöglichen es, Raumforderungen oder Anomalien des Karpaltunnels zu beurteilen. Die häufigsten Differenzialdiagnosen sind zervikale Radikulopathien der Wurzeln C6 und C7 und Polyneuropathien. Seltener sind proximale Kompressionsneuropathien oder Läsionen des N. Die Diagnose besteht aus der Anamnese und körperlichen Untersuchung der Hand beziehungsweise des Handgelenks. Ein Facharzt der Neurologie ist bei diesen Beschwerden der richtige Ansprechpartner. Bei der Untersuchung prüft der Arzt die Daumenballenmuskulatur, die Daumenfunktion, die Sensibilität beziehungsweise den Tast- und Empfindungssinn. Bestimmte Provokationstests wie der Klopftest, auch als Hoffmann-Tinel-Zeichen-Test bezeichnet, helfen Schmerzempfinden auslösen. Dabei wird der Karpaltunnel abgeklopft. Der sogenannte Pfahlen-Test, bei dem das Handgelenk gebeugt wird und Schmerzen auslöst, sichert ebenfalls den Verdacht auf das Karpaltunnelsyndrom. Entscheidend für die Diagnosestellung bildet die elektrophysiologische Untersuchung mithilfe der Elektroneurografie (ENG). Beim sogenannten Karpaltunnelsyndrom-Test wird gemessen, wie gut Nerven elektrische Impulse weiterleiten und ob eine eingeschränkte Funktion der Nerven vorliegt. Bildgebende Verfahren wie Ultraschall oder Röntgen sind weitere Möglichkeiten, eine sichere Diagnose zu erhalten. Weitere Untersuchungen zum Ausschluss von Diagnosen wie der Veränderung der Halswirbelsäule durch einen Bandscheibenvorfall und Erkrankungen des Nervensystems wie Polyneuropathien werden ebenfalls durchgeführt.
Therapieoptionen bei Medianusnervkompression
Ziel der Behandlungen ist es, den Mittelnerv zu entlasten. Denn die Ursache der Schwellung ist meist nicht zu beheben. Je früher die Behandlung beginnt, desto größer ist die Chance, dass Schäden ausbleiben.
Konservative Therapie
Im Frühstadium der Erkrankung kommen konservative Behandlungsmethoden (Handgelenksschiene, Kortikoidpräparate, lokale Kortikoidinfiltration) infrage. Zu Beginn der Behandlung wird häufig erst einmal konservativ behandelt. Das heißt, dass in der Regel von einem operativen Eingriff abgesehen wird und eher Hilfsmitteln wie Bandagen, Medikamente oder Physiotherapie verschrieben werden. Dazu gehört die Handgelenksschiene, die nachts getragen wird und das Abknicken des Handgelenks verhindert. Betroffene sollten unbedingt Belastungen vermeiden. Auch eine Dehnbandage führt zur Druckentlastung des Mediannervs, da es das Karpalband dehnt. Die Bandage wird tagsüber für circa eine Stunde getragen und schränkt die Beweglichkeit des Handgelenks nicht ein. Bei starken Beschwerden können vorübergehende Kortisonspritzen Linderung verschaffen. Sie wirken abschwellend und entzündungshemmend. Aber: Kortisonspritzen haben keine langfristige Wirkung, da die Ursache der Schwellung damit nicht behoben wird. Zur Therapie kann zunächst eine Ruhigstellung in einer Oberarmschiene mit lokaler Kortisoninfiltration versucht werden.
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Operative Therapie
Eine dauerhafte Beschwerdefreiheit bringt im Allgemeinen nur eine operative Behandlung. Die Standardmethode ist die offene Retinakulumspaltung, die in der Regel ambulant unter Lokal- oder Leitungsanästhesie durchgeführt wird. Wenn konservative Maßnahmen nicht mehr ausreichen und die Gefahr einer dauerhaften Schädigung des Mediannervs droht, stehen verschiedene Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Bei diesem häufig ambulant durchgeführten Eingriff wird das Karpalband, das sich quer über den Handwurzelknochen spannt, durchtrennt und entlastet so den Mittelnerv. Die offene oder endoskopische Operation erfordert nur einen kleinen Hautschnitt und ist haut- sowie gewebeschonender. Der Eingriff erfolgt bei anhaltenden, starken Beschwerden. Insbesondere auch, wenn die Gefahr einer dauerhaften Schädigung des Mediannervs droht oder andere Maßnahmen nicht mehr helfen. Danach trainieren Betroffene ihre Handfunktion mittels physiotherapeutischer Übungen und sind dann beschwerdefrei. Allerdings kann die Rückbildung der Symptome unter Umständen mehrere Monate anhalten. Bei persistierenden Beschwerden besteht die Indikation zur Operation.
Weitere Therapieansätze
Diese Behandlung wird nach ärztlicher Entscheidung zur Linderung der Beschwerden eingesetzt. Dabei gibt ein Gerät Schallwellen mit hohem Druck von außen durch die Haut ab. Die gesetzliche Krankenkasse trägt die Kosten für diese Therapie nicht. Andere Behandlungsmöglichkeiten können unter anderem Akupunktur, Ultraschall- und Lasertherapie oder Magnetfeldtherapie sein. Die Einnahme von nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) sowie Vitamin-B6-Präparate zur Stärkung der Nerven sind ebenfalls möglich. Allerdings gibt es für ihre Wirksamkeit keine wissenschaftlichen Belege.
Prävention
Damit es erst gar nicht zu einem Karpaltunnelsyndrom kommt, können bestimmte präventive Maßnahmen das Risiko mindern. Bestimmte Vorerkrankungen wie Entzündungen, Schilddrüsenüber- und unterfunktion, Diabetes mellitus sowie Übergewicht können das Syndrom begünstigen. Achten Sie auf eine ausgewogene, gesunde Ernährung und nehmen Ihre Vorsorgeuntersuchungen regelmäßig wahr. Vermeiden Sie einseitige und monotone Bewegungen und Haltungen. Gelenkschoner helfen, Beschwerden zu lindern oder zu verhindern. Gewöhnen Sie sich an entlastende Bewegungsabläufe. Auch eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung verringert das Risiko. Haben Sie bereits Beschwerden, vermeiden Sie Bewegungen, die die Schwellung fördern, wie Stricken, langes Fahrrad fahren oder Gartenarbeit. Auch Kalt- und Warmwasserbäder sind hilfreich. Halten Sie Ihre Hände warm und lassen frühzeitige Anzeichen unbedingt ärztlich abklären.
Iatrogene Nervenläsionen
Iatrogene Nervenläsionen, also Nervenschäden, die durch medizinische Eingriffe verursacht werden, sind eine wichtige Ursache für Nervenkompressionssyndrome. Während operativer Eingriffe können Nerven durchtrennt, gequetscht, durch Cerclagen komprimiert, von Schrauben durchbohrt und aufgedreht, aber auch bei der Entfernung von Osteosynthesematerial lädiert werden. Sie können außerdem durch Retraktoren gedehnt, mit einem elektrischen Messer durchtrennt oder durch aushärtenden Knochenzement oder durch Koagulation thermisch geschädigt werden. Nerven können auch deshalb durchtrennt werden, weil sie im Operationsfeld nicht dargestellt oder nicht als Nerv erkannt, sondern als Sehne oder Gefäß verkannt wurden. Oder sie können zusammen mit einem Nervenscheidentumor oder einem Lymphknoten entfernt werden.
Gefährdende Eingriffe
Chirurgische Maßnahmen, die häufiger Nervenläsionen verursachen, sind Osteosynthese und Osteotomie, Arthrodesen, Lymphknotenbiopsie im hinteren Halsdreieck, Karpaltunneloperation, Varizenentfernung und Leistenhernien-Operation. Besonders gefährdet sind der Karpalkanal und das Handgelenk sowie das hintere Halsdreieck und der Bereich des Knies einschließlich der Kniekehle. Hier liegen die Nerven oberflächlich, nahe beieinander oder in der Nähe der Zielstruktur, zum Beispiel eines Lymphknotens oder einer Bakerzyste.
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Häufig betroffene Nerven
Der N. medianus ist der am häufigsten betroffene Nerv bei iatrogenen Nervenläsionen, insbesondere bei Karpaltunneloperationen. Dabei waren die Verletzungen im Rahmen einer endoskopischen Operation etwas häufiger als nach einer offenen Medianusdekompression.
Diagnose und Behandlung
Besteht bei einem vorher in dieser Hinsicht asymptomatischen Patienten nach einer ärztlichen Maßnahme, vor allem nach einer Operation, ein neurologisches Defizit, dann steht dieses Defizit in den meisten Fällen mit dieser Handlung in Zusammenhang. Es sollten umgehend die folgenden Fragen geklärt werden: Um welche Art der Schädigung handelt es sich (Durchtrennung, Druck, Dehnung)? Wo ist der Ort der Läsion? Was ist zu tun? Voraussetzung für die richtige Diagnose und die daraus zu ziehenden Schlüsse sind eine gute Anamnese und die klinisch-neurologische Untersuchung durch einen in diesen Dingen erfahrenen Neurologen oder Chirurgen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt. Ein während einer Operation scharf durchtrennter Nerv sollte möglichst sofort (primär) oder im Rahmen einer frühen Sekundärversorgung 2-3 Wochen nach dem Trauma rekonstruiert werden.
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