Die Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten bei Demenz stellt eine besondere Herausforderung dar. Antipsychotische Medikamente (AP) werden häufig eingesetzt, um Symptome wie Agitation, Aggression, Wahnvorstellungen und Halluzinationen zu lindern. Es ist jedoch wichtig, die begrenzte Wirksamkeit dieser Medikamente gegen das Risiko von Nebenwirkungen, einschließlich erhöhter Mortalität und zerebrovaskulärer Ereignisse, abzuwägen.
Das Demenzsyndrom und seine Begleiterscheinungen
Das Demenzsyndrom ist durch den Verlust kognitiver Fähigkeiten gekennzeichnet. Affekt- und Verhaltensstörungen treten bei fast 90 % der Demenzkranken im Verlauf der Erkrankung auf und sind oft belastender als Gedächtnis- oder Orientierungsstörungen. Typische Symptome sind Apathie, sozialer Rückzug, Ängstlichkeit, Wahngedanken, Reizbarkeit, Enthemmung, Umherlaufen, Aggressivität und Handlungsstereotypien. Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Ursache für Demenz, gefolgt von der vaskulären Enzephalopathie (vaskuläre Demenz).
Behandlungsbedarf und der Einsatz von Antipsychotika
Der Bedarf an Behandlung von Verhaltensstörungen bei Demenz ist hoch. Studien zeigen, dass ein erheblicher Anteil der stationär behandelten Demenzpatienten Antipsychotika erhält, oft auch mehrere gleichzeitig. Auch ambulant behandelte Demenzkranke erhalten Antipsychotika, meist atypische. Atypische Antipsychotika wie Risperidon, Olanzapin, Aripiprazol und Clozapin verursachen seltener extrapyramidal-motorische Störungen als klassische Antipsychotika wie Haloperidol.
Nutzen von Antipsychotika bei neuropsychiatrischen Symptomen
Die Wirksamkeit von Antipsychotika bei der Behandlung von neuropsychiatrischen Symptomen bei Demenz ist begrenzt. Die Indikation für den Einsatz von AP wird symptombezogen gestellt.
Risperidon (1 mg/d) und Aripiprazol (2,5 bis 15 mg/d) können bei agitiertem Verhalten und Aggressionen wirksam sein. Quetiapin (bis 600 mg/d) und Olanzapin (bis 10 mg/d) sind in diesen Fällen weniger wirksam. Haloperidol (2 bis 3 mg/d) und Risperidon (bis 2 mg/d) werden bei Wahnvorstellungen und Halluzinationen bevorzugt. Quetiapin und Olanzapin sind bei diesen Symptomen weniger wirksam. Die Ergebnisse zu Aripiprazol sind in dieser Indikation widersprüchlich.
Lesen Sie auch: Parkinson-Medikamente: Was Sie beachten müssen
Apathie ist nicht mit Antipsychotika behandelbar. Die Wirksamkeit von AP bei anderen neuropsychiatrischen Symptomen wie Umherwandern, stereotype Bewegungsabläufe oder Schreien ist kaum untersucht.
In Deutschland ist lediglich Risperidon für die Behandlung von schweren chronischen Aggressionen und psychotischen Symptomen bei Demenz bei Alzheimerkrankheit zugelassen, wenn die Patienten sich selbst oder andere gefährden oder erheblich beeinträchtigt werden.
Nachteile und Risiken von Antipsychotika
Klassische Antipsychotika wie Haloperidol können extrapyramidalmotorische Bewegungsstörungen wie Akathisie, Parkinson-Syndrom und Dyskinesien verursachen. Atypische Antipsychotika haben ein geringeres Risiko für diese Nebenwirkungen, wobei Clozapin und Quetiapin als die sichersten gelten. Sedierung und Müdigkeit können sowohl erwünschte als auch unerwünschte Wirkungen von Antipsychotika sein.
Die Vorteile atypischer Antipsychotika gegenüber klassischen Antipsychotika wurden in Frage gestellt, nachdem eine erhöhte Mortalität aufgrund vermehrter zerebrovaskulärer Nebenwirkungen, einschließlich Schlaganfällen, bekannt wurde.
Eine Analyse der Datenlage zeigt, dass bei der Behandlung von 1000 Patienten mit Verhaltensstörungen bei Demenz mit atypischen Neuroleptika:
Lesen Sie auch: MS-Medikamente im Detail erklärt
- 91 bis 200 Patienten eine signifikante Besserung erfahren
- 10 zusätzliche Todesfälle eintreten
- 18 zusätzliche zerebrovaskuläre Nebenwirkungen auftreten, von denen die Hälfte schwer sein kann
Diese Schätzungen gelten für eine Behandlungsdauer von bis zu zwölf Wochen. Bei einer Antipsychotika-Gabe von mehr als zwei Jahren sind 167 zusätzliche Todesfälle wahrscheinlich. Das Mortalitätsrisiko ist für Haloperidol am höchsten, gefolgt von Risperidon, Olanzapin und Quetiapin. Die genannten Antipsychotika erhöhen die Mortalität um 3,5 % bei höherer Dosierung.
Praktisches Vorgehen bei der Behandlung von Verhaltensstörungen bei Demenz
- Identifizierung der behandlungsbedürftigen Symptome: Am Beginn jeder Behandlung steht die Definition des Zielsymptoms. Die Behandlungsindikation wird gegenüber dem Patienten gestellt, nicht gegenüber Angehörigen oder Betreuungspersonal.
- Analyse der Bedingungen: Die Pharmakotherapie sollte nicht an erster Stelle stehen. Zuerst sollte eine Verhaltensanalyse durchgeführt werden, um auslösende und aufrechterhaltende Bedingungen zu identifizieren. Diese können von schlechter Beleuchtung und räumlicher Enge über Harnverhalt und Schmerzen bis hin zu ungelösten Partnerkonflikten oder Personalmangel in Heimen reichen. Bauliche oder pflegerische Mängel lassen sich nicht durch Antipsychotika neutralisieren.
- Antipsychotika unter strenger Therapiekontrolle: Die Definition eines Zielsymptoms ist Voraussetzung für die Auswahl des Therapeutikums und die Therapiekontrolle. Die Behandlungsdauer ist zeitlich zu begrenzen. Antipsychotika wirken bei wirksamen Symptomen rasch, meist innerhalb von Tagen. Wenn das Zielsymptom nicht behoben wird, sollte die Antipsychotika-Gabe nicht fortgesetzt werden. Voraussetzung für die Beurteilung der Wirksamkeit ist eine ausreichend hohe Dosierung. Diese liegt für Demenzkranke deutlich unter der für jüngere Erwachsene. Es ist sinnvoll, mit der niedrigsten Dosis zu beginnen und diese langsam zu steigern. Bei fehlender Wirksamkeit kann ein Behandlungsversuch mit einer alternativen Substanz unternommen werden. Wissenschaftlich begründete Rangfolgen von Medikamenten gibt es nicht.
- Vermeidung von Polypharmazie: Die Kombination mehrerer Neuroleptika zur Behandlung von neuropsychiatrischen Störungen bei Demenz ist nicht zu begründen und erschwert die Abschätzung von Nebenwirkungen. Durch kurze Behandlungsdauer können die Risiken minimiert werden.
Bei der Auswahl eines Antipsychotikums stehen Wirksamkeit und Sicherheit in einem deutlichen Gegensatz. Quetiapin gilt als relativ sicher, ist aber in den wichtigen Indikationen nicht wirksam. Risperidon und Haloperidol sind wirksam, haben aber gefährliche Nebenwirkungen einschließlich einer erhöhten Mortalität. Risperidon ist dennoch das Mittel der Wahl bei Verhaltensstörungen bei Demenz, gefolgt von Aripiprazol.
Weitere Aspekte der Behandlung
Es ist wichtig zu beachten, dass aggressive Reaktionen bei Demenz auch durch Frustration, Schmerz oder Verwirrung ausgelöst werden können. Ein umfassender Behandlungsplan sollte daher nicht-medikamentöse Ansätze berücksichtigen, wie z. B.:
- Anpassung der Umgebung: Eine demenzgerechte Raumgestaltung kann dazu beitragen, Verwirrung und Agitation zu reduzieren.
- Schulung von Angehörigen und Pflegekräften: Geschultes Personal und Familienangehörige können Verhaltensänderungen besser verstehen und darauf reagieren.
- Beschäftigungstherapie und körperliche Aktivität: Aktivitäten, die sowohl stimulierend als auch beruhigend wirken, können helfen, Aggressionen zu reduzieren.
- Musiktherapie: Manche Demenzkranke reagieren positiv auf Musik.
- Tiergestützte Therapie: Der Umgang mit Tieren kann eine beruhigende Wirkung haben.
Lesen Sie auch: Medikamentenfreie Schmerzlinderung bei Nervenschmerzen
tags: #medikamente #gegen #aggressionen #bei #demenz #wirksamkeit