Das menschliche Gehirn ist ein faszinierendes Organ, das uns ermöglicht, die Welt zu erleben, zu denken und zu handeln. Doch was, wenn das Gehirn "seinen eigenen Kopf hat"? Dieser Artikel beleuchtet verschiedene Aspekte dieser Frage, von der Hochsensibilität, die eine intensivere Wahrnehmung der Umwelt mit sich bringt, bis hin zu den unkontrollierten Gedankenströmen, die unser Bewusstsein prägen.
Hochsensibilität: Wenn die Welt zu laut wird
Hochsensibilität ist keine Krankheit, sondern eine Persönlichkeitseigenschaft, die schätzungsweise 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung betrifft. Hochsensible Menschen nehmen Sinneseindrücke intensiver wahr und haben Schwierigkeiten, Reize auszublenden. Lärm, starke Gerüche, Berührungen oder grelles Licht können für sie überwältigend sein.
Die Reizüberflutung im Alltag
"Es fühlt sich so an, als wäre mein Kopf ein Computer, bei dem hunderte Tabs gleichzeitig auf sind", beschreibt es eine Betroffene. Im Supermarkt beispielsweise nehmen hochsensible Menschen nicht nur den Temperaturunterschied wahr, sondern auch die Geräusche der Einkaufswagen, das Piepsen der Kassen, die Gespräche anderer Kunden, das Rascheln der Waren, die Musik und die Werbeslogans - alles gleichzeitig und in derselben Lautstärke. Auch Gerüche werden penetranter wahrgenommen, und das Licht der Neonröhren kann blenden.
Diese Reizüberflutung kostet hochsensible Menschen enorm viel Kraft. Veranstaltungen wie Konzerte oder Feiern sind besonders herausfordernd, da sie zu laut, zu voll und mit blinkenden Lichtern verbunden sind. Nach solchen Ereignissen kann es Tage dauern, bis sich hochsensible Menschen erholt haben.
Intensive Gefühle und soziale Kompetenzen
Hochsensible Menschen nehmen nicht nur Reize in ihrer Umgebung, sondern auch die Gefühle ihrer Mitmenschen sehr stark wahr. Dies führt zu einem intensiveren Gefühlsleben, das Betroffenen oft schon früh bewusst wird. Viele denken, dass mit ihnen etwas nicht stimmt, bis sie erkennen, dass es einen Namen für ihre Empfindungen gibt: Hochsensibilität.
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Die intensive Wahrnehmung der Stimmungen anderer Menschen führt in der Regel zu einem sehr einfühlsamen Umgang mit ihnen. Hochsensible Menschen fallen oft durch ihre Empathie und ihre Struktur auf.
Strategien für den Alltag
Um mit der Hochsensibilität im Alltag besser umzugehen, ist es wichtig, genügend Ruhephasen einzuplanen, um Reize zu verarbeiten und das Nervensystem zur Ruhe kommen zu lassen. Außerdem ist es wichtig, im Umfeld Verständnis zu erfahren und die Empfindungen offen thematisieren zu können.
Gedankenströme: Der innere Irrgarten
Unser Gehirn produziert ständig Gedanken. Es wird geschätzt, dass wir Menschen ca. 60.000 Gedanken am Tag haben sollen. Allerdings gibt es keine Studien, die diese Zahl belegen. Viele dieser Gedanken wiederholen sich immer wieder, sodass wir in einem Netz sich wiederholender Gedankenströme gefangen sind.
Selbstreferenzielle Systeme und die Bedeutung von Spiegelung
Gedanken können ein Irrgarten sein, in dem wir uns im Kreis drehen, ohne es zu merken. Manche Menschen, insbesondere solche, die von Traumata betroffen sind, trauen anderen Menschen so wenig, dass sie nur auf sich selbst hören. Solche selbstreferenziellen Systeme sind "operational geschlossen" und beziehen sich in ihren Prozessen nur auf sich selbst, ohne in ihre Umwelt hinauszugreifen.
Es ist wichtig, offen dafür zu sein, die eigenen Gedanken, Rückschlüsse und Wahrheiten in Frage zu stellen und die Spiegelungen von anderen Menschen dabei zu berücksichtigen. Dies erfordert Mut und Ehrlichkeit mit sich selbst.
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Die Funktion des Gehirns: Bedeutung verleihen und Energie sparen
Unser Gehirn ist dafür da, unserem Leben und allem, was geschieht, Bedeutung zu verleihen. Es bewertet und denkt immer und versucht beständig, uns am Leben zu erhalten. Dabei greift es auf Informationen aus der Vergangenheit zurück und nutzt die Informationen, die es durch die Sinnesorgane bekommt.
Um Energie zu sparen, neigen wir dazu, nicht mehr in Frage zu stellen, was wir einmal gelernt oder als wahr abgespeichert haben. Oftmals ist uns nicht einmal bewusst, dass das so ist.
Kognitive Delfine: Die Metapher des Denkens
Was die meisten von uns als "unsere eigenen bewussten Gedanken" bezeichnen, sind in Wirklichkeit eher so etwas wie kognitive Delfine in unserem Kopf, die für kurze Zeit aus dem Ozean unseres Unterbewusstseins auftauchen, bevor sie wieder abtauchen. Die Zeitfenster, in denen sich diese Sprünge ins Bewusstsein entfalten, sind unterschiedlich groß.
Ähnlich wie Delfine die Wasseroberfläche durchbrechen, überschreiten Gedanken oft die Grenze zwischen bewusster und unbewusster Informationsverarbeitung, und zwar in beide Richtungen.
Der Mythos der mentalen Autonomie
Eines der interessantesten aktuellen Forschungsgebiete in den Neurowissenschaften und der experimentellen Psychologie ist der anscheinend ziellos umherschweifende Geist, das Tagträumen, die ungebetenen Erinnerungen und das automatische Planen. Dabei geht es um das permanente Auftreten anscheinend spontaner, aufgabenunabhängiger Gedanken, der sich täglich hundertfach wiederholende Verlust der Aufmerksamkeitskontrolle.
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Die empirischen Ergebnisse zeigen, dass stabile kognitive Kontrolle die Ausnahme ist, während ihr Fehlen die Regel ist. Das autonome "Selbst" als Initiator oder Ursache unserer kognitiven Handlungen ist ein weit verbreiteter Mythos. Betrachtet man den Traumzustand hinzu, dann besitzen Wesen wie wir geistige Autonomie nur für etwa ein Drittel unserer bewussten Lebenszeit. Die meiste Zeit denken wir, ohne überhaupt zu merken, dass wir gerade denken.
Die Rolle der Kultur und die Bedeutung kritischer Rationalität
Der soziokulturelle Kontext prägt die Art und Weise, wie wir über unsere eigenen inneren Erfahrungen berichten. Wenn wir Kindern schon früh sagen, dass sie für ihr eigenes Handeln voll verantwortlich sind, und wenn wir sie entsprechend bestrafen und belohnen, dann wird diese Annahme in ihr bewusstes Selbstmodell eingebaut.
Wer kritische Rationalität will, muss geistige Autonomie wollen. Rationalität kann man genauso trainieren wie innere Bewusstheit.
Das Gehirn im Gleichgewicht: Was es für die Seele braucht
Unser Gehirn arbeitet manchmal gegen uns. Es verzerrt und verschleiert die Wirklichkeit, führt uns in die Irre, ist eitel, emotional, unmoralisch, stur, voreingenommen und willensschwach. Doch wir sind dem eitlen Ego in unserem Oberstübchen nicht hoffnungslos ausgeliefert. Unser Gehirn ist das einzige Ding im bekannten Universum, das über sich selbst nachdenken kann und der Einflüsse gewahr werden kann, die es steuern.
Um als kritischer Beobachter ein Wörtchen mitzureden, ist es wichtig, das Gehirn im Gleichgewicht zu halten.