Noch sind viele Krankenhäuser in Deutschland nur unzureichend auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Demenz vorbereitet. Aufgrund der demografischen Entwicklung gibt es zwar in immer mehr Kliniken Demenzbeauftragte, aber nur ein kleiner Teil der Häuser verfügt bislang über umfassende Konzepte und Projekte, die eine rundum gute und stressfreie Versorgung von Patientinnen und Patienten mit der Nebendiagnose Demenz gewährleisten. Um die Situation Demenzerkrankter in den Krankenhäusern wesentlich zu verbessern, müssen die Probleme von allen Beteiligten gemeinsam angegangen werden. Besonders wichtig sind dabei Verbesserungen in drei Bereichen: Information über die erkrankte Person und Kooperation mit den Angehörigen, Fachwissen über Demenzerkrankungen und angemessene Strukturen und Abläufe in den Krankenhäusern.
Herausforderungen und Auswirkungen eines Krankenhausaufenthalts
Für die Betroffenen bedeutet das oft: Krankenhausaufenthalte dauern oft länger als bei Patientinnen und Patienten ohne Demenz. Es kommt zu Einbrüchen bei den kognitiven Fähigkeiten und der Fähigkeit, sich selbst zu versorgen. Delirien treten vermehrt auf. Die Anfälligkeit für Krankenhausinfektionen steigt - und damit das Mortalitätsrisiko. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, nach der Entlassung wieder eingewiesen zu werden, weil das Therapieergebnis unbefriedigend ist. Menschen mit Demenz haben es in der ungewohnten Umgebung eines Krankenhauses schwer, sich zu orientieren. Wenn ein Krankenhausaufenthalt nicht vermieden werden kann, sollte er gut vorbereitet werden. Dabei kann es helfen, wenn Angehörige die Demenz-Betroffenen während des Aufenthalts begleiten und deren spezifischen Gewohnheiten mit dem Pflegepersonal absprechen. Ein Krankenhausaufenthalt ist für viele Menschen schwierig, erst recht für demenzkranke Menschen: Täglich mehrfacher Wechsel des Krankenhauspersonals (behandelnde Ärzte, Pflegekräfte, Reinigungskräfte), Wechsel der Bettenbelegung im Zimmer, unterschiedliche Behandlungen und Untersuchungen, evtl. Narkosen, fremde Umgebung, fehlende räumliche und zeitliche Orientierungsmöglichkeiten. Manchmal fällt erst bei einem Krankenhausaufenthalt auf, dass ein Mensch möglicherweise dement ist. In der gewohnten Umgebung gelingt es oft noch, auftretende Gedächtnisstörungen zu kompensieren ("überspielen"). Menschen mit einer fortgeschrittenen Demenz verstehen nicht, warum sie im Krankenhaus sind, was sie tun sollen, was all die fremden Menschen von ihnen erwarten.
Häufig müssen Patienten mit Demenz wegen anderer Erkrankungen oder nach einem Unfall im Krankenhaus behandelt werden - schon heute wird der Anteil Demenzkranker an älteren Krankenhauspatienten auf ca. 10-15 % geschätzt und wird sich auf jeden Fall in den nächsten Jahren noch erhöhen. Mit den straff organisierten Versorgungsabläufen in Krankenhäusern kommen diese Menschen oft nur schwer zurecht. Für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen aber bedeutet ein Krankenhausaufenthalt nicht selten eine Krisensituation. Vor allem die fremde Umgebung, der Einsatz sedierender Medikamente, das Fehlen vertrauter Bezugspersonen oder ungewohnte Tagesstrukturen können zu einer deutlichen Verschlechterung der kognitiven und funktionalen Fähigkeiten demenzkranker Menschen führen. Nicht selten wird nach dem Krankenhausaufenthalt eine Übersiedlung in ein Pflegeheim nötig. Auch für die im Krankenhaus Arbeitenden bedeutet die Behandlung und Pflege von Menschen mit Demenz eine große fachliche und emotionale Herausforderung, oft eine Überforderung. Für eine angemessene Versorgung dieser Patienten sind Konzepte erforderlich, die die speziellen Bedürfnisse von Menschen mit Demenz beachten. Dazu gehören Aspekte wie Tagesstrukturierung, Angehörigenarbeit, biografieorientierte Pflege, aber auch strukturelle Faktoren, wie eine räumliche Gestaltung, die den Patienten die Orientierung erleichtert und die Anpassung von Personal-einsatz und -qualifikation.
Prävalenz und Einweisungsgründe
Etwa die Hälfte der Patientinnen und Patienten in Allgemeinkrankenhäusern ist älter als 60 Jahre, etwa 12 Prozent sind von einer Demenzerkrankung betroffen. Ihr Anteil wird in Zukunft voraussichtlich erheblich steigen. Insgesamt weisen mehr als 40% aller über 65-jährigen Patienten in Allgemeinkrankenhäusern Gedächtnisbeeinträchtigungen auf, wie eine der wenigen Studien zu diesem Thema aus Deutschland berichtet. Derzeit leben in Deutschland etwa 1,7 Millionen Demenzkranke und jährlich gibt es ca. 300.000 Neuerkrankungen. Die Ergebnisse der Literaturanalyse zeigen Prävalenzraten, die von 3,4% bis 43,3% reichen. Die Wahrscheinlichkeit bzw. das Risiko, im Krankenhaus behandelt zu werden, ist für Menschen mit Demenz zwischen 1,4- und 3,6-mal größer als für nicht demenziell erkrankte Menschen. Auch die Einweisungsgründe sind für beide Gruppen unterschiedlich. Menschen mit Demenz werden häufiger wegen Infektionen, Frakturen oder ernährungsbedingter Störungen im Krankenhaus behandelt als Menschen, die nicht an Demenz erkrankt sind.
Die Rolle von Demenzbeauftragten im Krankenhaus
Damit der Krankenhausaufenthalt für Patientinnen und Patienten mit einer Demenz so angenehm und schonend wie möglich verläuft und auch die behandelnden Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte entlastet werden, benennen immer mehr Krankenhäuser Demenzbeauftragte. Diese kümmern sich um die besonderen Belange von Menschen mit Demenz und ihrer Angehörigen. Viele Demenzbeauftragte haben dafür eine besondere Fortbildung besucht und sind entsprechend geschult. Die Rolle und Aufgaben von Demenzbeauftragten können von Krankenhaus zu Krankenhaus unterschiedlich sein. Einige Demenzbeauftragte nehmen ihre Aufgabe direkt am „Patientenbett“ wahr. Das heißt, sie kümmern sich persönlich um die Patientinnen und Patienten mit Demenz und begleiten diese zum Beispiel zu Untersuchungen, bieten Betreuungs- und Beschäftigungsangebote an oder kümmern sich darum, dass die Räumlichkeiten demenzgerecht eingerichtet sind.
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In den meisten Fällen haben Demenzbeauftragte im Krankenhaus aber eine übergeordnete Rolle. Sie sind unter anderem dafür zuständig:
- an einer ganzheitlich ausgerichteten Versorgung mitzuwirken, die sich an den besonderen Bedürfnissen von Patienten mit Demenz orientiert
- dazu mit verschiedenen Fachabteilungen des Krankenhauses zusammenzuarbeiten
- entsprechende Projekte, Arbeitskreise oder Qualitätszirkel im Krankenhaus einzuführen und zu begleiten
- Krisen vorzubeugen und im Krisenfall zu intervenieren
- Angehörige, Pflegekräfte sowie Ärztinnen und Ärzte zu beraten
- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schulen und zu Multiplikatoren zu machen
- die Dokumentation und das Überleitungsmanagement weiterzuentwickeln und zu verbessern
- Ehrenamtliche für die direkte Patientenbegleitung zu schulen
- Informationsveranstaltungen durchzuführen.
Demenzbeauftragte können daher unterschiedlichen Abteilungen zugeordnet sein - vom Ärztlichen Dienst bis zur Pflege oder auch Verwaltung. Ob ein Krankenhaus Demenzbeauftragte hat, können Angehörige dem jeweiligen Internetauftritt entnehmen oder direkt bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Empfang erfragen.
Tipps für Angehörige und Betreuer
Noch sind viele Krankenhäuser in Deutschland nur unzureichend auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Demenz vorbereitet. Umso wichtiger ist es, dass Angehörige und gesetzliche Betreuerinnen und Betreuer von Menschen mit Demenz den Krankenhausaufenthalt gut vorbereiten und dem Klinikpersonal wichtige Tipps zum Umgang mit ihren Angehörigen mit Demenz geben. Weisen Sie das Krankenhauspersonal explizit darauf hin, dass Probleme aufgrund einer Demenzerkrankung auftreten können. Hilfreich ist hierbei der „Informationsbogen für Patienten mit einer Demenz bei Aufnahme ins Krankenhaus“, auf dem besondere Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Erkrankten beschrieben werden können. Zu diesem Bogen gibt es das Begleitheft „Patienten mit einer Demenz im Krankenhaus“, das sich an das Personal der Kliniken wendet. Wechseln Sie sich dabei mit anderen Familienmitgliedern und weiteren vertrauten Personen ab. Fragen Sie nach der Möglichkeit zum Rooming-in, damit Sie auch über Nacht in der Klinik bleiben können. Manchmal lässt sich das auch als Einzelfalllösung umsetzen. Wenn ein Arzt oder eine Ärztin die medizinische Notwendigkeit der Begleitung im Krankenhaus bescheinigt, übernimmt die Krankenkasse die Kosten für das Rooming-in. Fragen Sie bei den zuständigen Ärztinnen und Ärzten nach, falls Sie den Eindruck haben, dass es der erkrankten Person plötzlich schlechter geht oder sie evtl. sedierende Medikamente erhält. Wenn Sie eine Vollmacht haben oder vom Gericht als Betreuerin oder Betreuer bestellt worden sind, haben Sie ein Recht auf Einsicht in die Krankenunterlagen.
Das Pflegepersonal über Gewohnheiten und Verhaltensauffälligkeiten informieren, z.B. zu Essgewohnheiten, Tagesrhythmus und Hauptbeschäftigung zu Hause. Ein aktueller Medikationsplan sollte vorliegen. Manche Krankenhäuser bieten das sog. Rooming-in an, bei dem ein Angehöriger rund um die Uhr im Krankenzimmer mit untergebracht ist, um zu unterstützen.
Demenzsensible Krankenhäuser und Projekte
Viele ältere Menschen kommen meistens mit akuten Erkrankungen in Kliniken, z. B. Knochenbrüche als Folge von Stürzen. Jeder Fünfte leidet zusätzlich an der Nebendiagnose Demenz. Es gibt einige Merkmale, die ein Krankenhaus als demenzgerecht qualifizieren. Diese orientieren sich am Praxisleitfaden „Demenz im Krankenhaus“ der Robert-Bosch-Stiftung. Die HESCURO KLINIK Bad Brückenau beteiligt sich am Projekt “Demenzsensibles Krankenhaus”. Ziel ist es, Patienten mit Demenz die bestmögliche Versorgung zu bieten. Bislang existieren in Deutschland nur wenig Akutkrankenhäuser mit solchen Angeboten. Die Versorgung von akut eingelieferten Patienten mit Demenz ist eine besondere Herausforderung. Das demenzsensible Krankenhaus möchte mit angepassten Versorgungsstrukturen und Abläufen sowie speziell ausgebildetem Personal die Behandlung dementer Menschen verbessern und mögliche Komplikationen vermeiden.
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Zahlreiche Projekte haben sich dem Problem, dass Krankenhäuser nicht immer optimal auf demenziell erkrankte Patienten vorbereitet sind, bereits angenommen und Lösungsvorschläge erarbeitet. Im Saarland haben sich fünf katholische Krankenhäuser an dem Modellprojekt Dem-i-K (Demenz im Krankenhaus), beteiligt, das eine bessere Versorgung von Demenzpatienten in Akutkrankenhäusern zum Ziel hat. Es wurden Konsiliar- und Liaisondienste eingerichtet, welche mit Fachärzten für Geriatrie, Psychiatrie und Neurologie sowie mit einer Fachaltenpflegekraft für Psychiatrie ausgestattet sind. Im Zentrum stand der Aufbau eines demenzbezogenen Hintergrundwissens beim ärztlichen und pflegerischen Personal sowie ärztliche Konsile zur Erkennung und besseren Behandlung von Demenzen und Delirien. Dieses Projekt wurde 2013 mit „Dem-i-k plus“ fortgeführt, das sich auf die sektorübergreifende Versorgung demenzkranker Patientinnen und Patienten nach einem Krankenhausaufenthalt durch aufsuchende und trägerübergreifende Dienste konzentrierte. „Menschen mit Demenz im Krankenhaus“, dritte Phase des Kooperationsprojekts mit zehn Kliniken (2014 bis 2017). In Nordrhein-Westfalen wird das Programm „Förderung der Umsetzung demenzsensibler Versorgungsprojekte“ / „Blickwechsel Demenz NRW“ vom Paritätischen NRW durchgeführt. Die Alzheimer Gesellschaft Niedersachsen e.V. und die Landesvereinigung für Gesundheit und Sozialmedizin e.V. haben seit 2006 Tagungen zum Thema veranstaltet. „Doppelt hilft besser bei Demenz“ Das Projekt wurde vom Krankenhaus Lübbecke sowie der regionalen Alzheimergesellschaft Leben mit Demenz - Alzheimergesellschaft Kreis Minden-Lübbecke e.V. durchgeführt. Das Krankenhaus Lübbecke ist Teil der Mühlenkreiskliniken, einem Verbund von insgesamt fünf Kliniken mit Standorten in Minden, Lübbecke, Rahden und Bad Oeynhausen. Wissenschaftlich begleitet wurde das Projekt im Zeitraum vom 1.1.2009 bis zum 31.12.2010 vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. in Köln.
Verschiedene Krankenhäuser haben mittlerweile auf die Herausforderungen reagiert und im Rahmen von Praxisprojekten Konzepte entwickelt, die zur Verbesserung der Versorgungssituation von dementiell Erkrankten führen sollen. In der Studie des DZNE Witten werden diese exemplarischen Ansätze detailliert analysiert und verglichen. Dazu werden sowohl mit den Projektverantwortlichen als auch mit Vertretern sämtlicher Berufsgruppen, die an der Projektumsetzung beteiligt sind, Experteninterviews geführt. Das Ziel dieser Studie ist es, erstmals eine übergreifende und zusammenführende Analyse unterschiedlicher Versorgungsansätze und der jeweils erforderlichen strukturellen, fachlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen vorzustellen. Ausgehend von den Ergebnissen dieser Studie werden dringend benötigte Handlungsempfehlungen für die Entwicklung von Versorgungskonzepten für Menschen mit Demenz in Akutkrankenhäusern erarbeitet.
Informationen für Fachkräfte
Fachkräfte, die Demenzbeauftragte in ihrem Krankenhaus werden möchten, können sich zum Beispiel beim Institut „Aufschwung alt“ oder bei der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V. informieren.
Entlassungsmanagement und Palliativversorgung
Bei Demenz sollte eine frühzeitige Entlassung aus dem Krankenhaus angestrebt werden, wenn die häusliche Versorgung sichergestellt ist. Dazu müssen Klinikarzt, Sozialdienst, Angehörige, ambulante Pflegedienste und Hausarztpraxis zusammenarbeiten. Falls sich der körperliche und geistige Zustand verschlechtert oder Angehörige überlastet sind, und deshalb die bisherige häusliche Versorgung nicht fortgeführt werden kann, kann das den Krankenhausaufenthalt verlängern. Daher sollte die Entlassung frühzeitig geplant werden. Muss die Pflege zu Hause neu organisiert werden, kann vorübergehend eine Versorgung im Rahmen der Übergangspflege im Krankenhaus oder eine Kurzzeitpflege in Frage kommen. Menschen mit einer schweren Demenz können am Lebensende auch palliativ versorgt werden. Palliativversorgung konzentriert sich darauf, die Lebensqualität zu verbessern und Symptome zu lindern.
Initiativen und Strategien
Die steigende Zahl an Menschen mit Demenz ist eine gesellschaftliche Herausforderung. Immer mehr Krankenhäuser reagieren darauf durch Schulung des Personals und Einrichtung gerontopsychiatrischer Stationen. Wenn Angehörige die Wahl und die Zeit haben, sollten sie darauf achten, ob das Krankenhaus ggf. über eine Geriatrie-Station bzw. Die Nationale Demenzstrategie in Deutschland zielt darauf ab, die Lebenssituation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen zu verbessern. Hierzu zählt auch die Weiterentwicklung der medizinischen und pflegerischen Versorgung.
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Verbesserung der Situation im Krankenhaus
Diese Situation ist auch für viele Krankenhäuser unbefriedigend. Als Angehörige von Menschen mit Demenz können Sie Krankenhäuser dabei unterstützen, die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit der Nebendiagnose Demenz weiter zu verbessern, indem Sie mit den Verantwortlichen ins Gespräch gehen. Das Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft e. V. (iso) hat im Auftrag der Robert-Bosch-Stiftung die Projekte und weitere Quellen analysiert, Gelingensfaktoren und Barrieren für die Umsetzung von Demenzsensibilität im Krankenhaus identifiziert sowie strukturiert Handlungsansätze in einem umfassenden Praxisleitfaden zusammengestellt.
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