Metformin ist ein weit verbreitetes Medikament zur Behandlung von Typ-2-Diabetes und wird seit Jahrzehnten als Goldstandard in der Therapie eingesetzt. In den letzten Jahren hat sich das Interesse an den potenziellen zusätzlichen Vorteilen von Metformin, insbesondere im Hinblick auf das Demenzrisiko, verstärkt. Dieser Artikel untersucht die aktuelle Forschungslage zu diesem Thema und beleuchtet die komplexen Zusammenhänge zwischen Metformin, Diabetes und kognitiven Funktionen.
Diabetes und Demenz: Ein komplexer Zusammenhang
Demenzerkrankungen treten bei Menschen mit Diabetes häufiger auf als bei Menschen ohne Diabetes. Es wird angenommen, dass verschiedene Faktoren zu diesem erhöhten Risiko beitragen, darunter Hyperinsulinämie, Entzündungen, oxidativer Stress, Gefäßveränderungen, Insulinresistenz im Gehirn und ein gestörter Amyloid-Stoffwechsel.
Metformin: Ein vielversprechendes Medikament mit potenziellen neuroprotektiven Eigenschaften
Metformin ist ein Biguanid, das die Glukoseproduktion in der Leber reduziert, die Insulinempfindlichkeit der Muskulatur verbessert und die Glukoseaufnahme im Darm verzögert. Es senkt den Blutzuckerspiegel, ohne das Risiko einer Hypoglykämie zu erhöhen oder zu einer Gewichtszunahme zu führen.
Aufgrund seiner vielfältigen Wirkmechanismen wird Metformin auf seine potenziellen neuroprotektiven Eigenschaften hin untersucht. Es wird vermutet, dass Metformin Entzündungen reduzieren, die Insulinempfindlichkeit im Gehirn verbessern und die Blutgefäße schützen kann, was letztendlich das Demenzrisiko senken könnte.
Aktuelle Forschungsergebnisse: Widersprüchliche Ergebnisse und vielversprechende Hinweise
Die Forschungsergebnisse zum Zusammenhang zwischen Metformin und Demenz sind bisher widersprüchlich. Einige Beobachtungsstudien deuten darauf hin, dass die langfristige Einnahme von Metformin bei Menschen mit Typ-2-Diabetes mit einem geringeren Demenzrisiko verbunden ist. Andere Studien haben jedoch keine signifikanten Zusammenhänge gefunden oder sogar ein erhöhtes Demenzrisiko bei bestimmten Patientengruppen festgestellt.
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Beobachtungsstudien: Hinweise auf ein reduziertes Demenzrisiko bei Metformin-Anwendern
Mehrere Beobachtungsstudien haben ergeben, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes, die Metformin einnehmen, seltener an Demenz erkranken. Eine Studie untersuchte über 1000 Personen im Alter von 70 bis 90 Jahren über einen Zeitraum von 6 Jahren und fand heraus, dass Typ-2-Diabetiker, die Metformin einnahmen, einen langsameren geistigen Verfall zeigten und seltener an Demenz erkrankten als diejenigen, die Metformin nicht einnahmen. Eine weitere Studie zeigte, dass Menschen mit Diabetes, die kein Metformin einnahmen, ein 5-mal höheres Risiko hatten, an Demenz zu erkranken.
Eine große, internationale Studie aus Taiwan aus dem Jahr 2025 mit mehr als 450.000 übergewichtigen Menschen bestätigte diesen Zusammenhang. Über einen Zeitraum von zehn Jahren hatten Metformin-Anwender ein deutlich geringeres Demenz- und Sterblichkeitsrisiko als vergleichbare Personen ohne Metformin.
Assoziationsstudien: Vorsicht bei der Interpretation der Ergebnisse
Es ist wichtig zu beachten, dass Beobachtungsstudien und Assoziationsstudien keine Kausalität beweisen können. Sie können lediglich Zusammenhänge zwischen Metformin und dem Demenzrisiko aufzeigen. Es ist möglich, dass andere Faktoren, wie z. B. ein gesünderer Lebensstil oder eine bessere Blutzuckerkontrolle, für das geringere Demenzrisiko bei Metformin-Anwendern verantwortlich sind.
Eine Studie aus Australien verglich 480 Patienten mit Alzheimer-Demenz (AD) und 187 mit Vorstufen dieser Erkrankung (MCI) mit 687 Menschen ohne Demenz. Unter den Patienten mit AD und MCI waren 126 Diabetiker. Die Studie ergab, dass Patienten, die wegen eines Diabetes mit Metformin behandelt wurden, schlechtere Demenzwerte hatten als solche, deren Diabetes mit anderen Medikamenten behandelt wurde. Es handelte sich jedoch um eine Assoziationsstudie, die keine Kausalität beweist.
Heterogene Behandlungseffekte: Nicht alle Diabetiker profitieren gleichermaßen von Metformin
Eine aktuelle Studie untersuchte die heterogenen Behandlungseffekte von Metformin auf das Demenzrisiko bei Patienten mit Typ-2-Diabetes. Die Studie ergab, dass Metformin bei Diabetikern ohne neuropsychiatrische Störungen und ohne die Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) mit einem geringeren Demenzrisiko verbunden war. Bei Diabetikern mit neuropsychiatrischen Störungen erhöhte Metformin jedoch das Demenzrisiko.
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Absetzen von Metformin: Möglicherweise erhöhtes Demenzrisiko
Eine weitere Studie ergab, dass Typ-2-Diabetiker, die Metformin absetzten, ein höheres Risiko für eine Demenzerkrankung hatten. Dies deutet darauf hin, dass der schützende Effekt von Metformin über die reine Blutzuckerkontrolle hinausgeht.
Mögliche Mechanismen: Wie Metformin das Gehirn schützen könnte
Die genauen Mechanismen, durch die Metformin das Gehirn schützen könnte, sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass Metformin mehrere positive Effekte auf das Gehirn hat:
- Verbesserung der Insulinempfindlichkeit: Metformin verbessert die Insulinempfindlichkeit und senkt den Blutzuckerspiegel. Dies kann das Gehirn vor schädlichen Prozessen schützen, die das Demenzrisiko steigern.
- Entzündungshemmende Wirkung: Metformin wirkt entzündungshemmend. Chronische Entzündungen spielen eine Rolle bei der Entstehung von Demenzerkrankungen.
- Förderung der Gefäßgesundheit: Metformin kann die Gesundheit der Blutgefäße fördern und so die Durchblutung des Gehirns verbessern.
- Direkte Schutzwirkung auf Nervenzellen: Frühere Laborstudien deuten auf eine direkte Schutzwirkung von Metformin auf Nervenzellen hin.
Klinische Studien: Auf der Suche nach dem Beweis für die Wirksamkeit von Metformin bei der Demenzprävention
Aktuell werden mehrere klinische Studien durchgeführt, um zu klären, ob Metformin auch Menschen ohne Typ-2-Diabetes vor einer Demenz schützen kann. Der Fokus liegt dabei vor allem auf Personen mit einem erhöhten Demenzrisiko, beispielsweise aufgrund einer leichten kognitiven Beeinträchtigung (Mild Cognitive Impairment, MCI) oder bestimmter genetischer Faktoren, wie dem ApoE4-Gen.
- USA (Columbia University, New York): Eine Phase-2/3-Studie untersucht, ob Metformin die Gedächtnisleistung bei Menschen mit amnestischem MCI stabilisieren oder verbessern kann.
- Australien (Garvan Institute of Medical Research, Sydney): Eine ähnliche Phase-3-Studie untersucht, ob Metformin das Fortschreiten von Gedächtnisstörungen bei Personen mit MCI und einem erhöhten Körpergewicht aufhält.
- Großbritannien (Imperial College London): Eine Studie untersucht, ob eine Kombination aus Lebensstilprogrammen und Metformin das Demenzrisiko bei älteren Menschen mit erhöhtem Demenzrisiko langfristig senken kann.
Die Ergebnisse dieser Studien werden in den kommenden Jahren erwartet und könnten wichtige Erkenntnisse über die Wirksamkeit von Metformin bei der Demenzprävention liefern.
Weitere potenzielle Vorteile von Metformin: Krebsprävention und kardiovaskulärer Schutz
Neben seinen potenziellen neuroprotektiven Eigenschaften wird Metformin auch auf seine möglichen Vorteile bei der Krebsprävention und dem Schutz vor Herzerkrankungen untersucht.
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Krebsprävention: Vielversprechende Hinweise aus Beobachtungsstudien
Einige Beobachtungsstudien deuten darauf hin, dass Metformin den Verlauf von Krebserkrankungen möglicherweise günstig beeinflussen kann. So überlebten Darmkrebs-Patienten, die mit Metformin behandelt wurden, in einer Studie länger im Vergleich zu Krebspatienten, die andere Antidiabetika erhielten.
Kardiovaskulärer Schutz: Schutz vor Herzinfarkt und Schlaganfall
Die UKPDS-Studie aus dem Jahr 2012 zeigte, dass Metformin Patienten mit Typ-2-Diabetes besser vor einem Herzinfarkt und einem Schlaganfall schützt als andere Medikamente gegen Diabetes, wie Sulfonylharnstoffe oder Insulin.
Einschränkungen und Risiken: Mögliche Nebenwirkungen und Kontraindikationen
Obwohl Metformin im Allgemeinen gut verträglich ist, kann es bei einigen Patienten zu Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden kommen. In seltenen Fällen kann Metformin eine Laktatazidose verursachen, eine potenziell lebensbedrohliche Stoffwechselstörung.
Metformin ist kontraindiziert bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz, Lebererkrankungen oder Herzinsuffizienz.
Fazit: Metformin - ein vielversprechendes Medikament mit weiteren Forschungsbedarf
Metformin ist ein vielversprechendes Medikament mit potenziellen neuroprotektiven Eigenschaften. Beobachtungsstudien deuten darauf hin, dass die langfristige Einnahme von Metformin bei Menschen mit Typ-2-Diabetes mit einem geringeren Demenzrisiko verbunden sein könnte. Die Forschungsergebnisse sind jedoch widersprüchlich, und es bedarf weiterer Studien, um die Wirksamkeit von Metformin bei der Demenzprävention zu bestätigen.
Aktuell laufende klinische Studien werden hoffentlich in den kommenden Jahren wichtige Erkenntnisse über die Rolle von Metformin bei der Vorbeugung von Demenzerkrankungen liefern. Bis dahin sollten die potenziellen Vorteile und Risiken von Metformin sorgfältig abgewogen werden, bevor es zur Demenzprävention eingesetzt wird.
Es ist wichtig zu betonen, dass ein gesunder Lebensstil, einschließlich einer ausgewogenen Ernährung, regelmäßiger körperlicher Aktivität und geistiger Stimulation, eine entscheidende Rolle bei der Vorbeugung von Demenzerkrankungen spielt. Metformin sollte nicht als Ersatz für einen gesunden Lebensstil betrachtet werden, sondern als potenziell ergänzende Maßnahme.