Michael Osterheider: Forschung, Kontroversen und ethische Fragen

Professor Michael Osterheider ist eine prominente Figur in der deutschen Psychiatrielandschaft, insbesondere in den Bereichen Forensische Psychiatrie, Sexualforschung und Prävention. Seine Arbeit umfasst ein breites Spektrum, von der Leitung von Forschungsprojekten zu sexuellem Missbrauch an Kindern bis hin zur Erstellung von Gutachten für Gerichte. Allerdings ist Osterheider auch wiederholt in die Kritik geraten, was Fragen nach seiner Unparteilichkeit, Sorgfalt und ethischen Integrität aufwirft.

Forschungsschwerpunkte und Projekte

Osterheider hat sich in verschiedenen Forschungsprojekten engagiert, die darauf abzielen, Einblicke in wichtige gesellschaftliche Probleme zu gewinnen und Präventionsstrategien zu entwickeln.

MiKADO-Studie

Ein Beispiel dafür ist die von ihm geleitete MiKADO-Studie (Missbrauch von Kindern: Ätiologie, Dunkelfeld, Opfer). Diese interdisziplinäre Studie, die in Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen in Finnland und Deutschland durchgeführt wurde, untersuchte die Häufigkeit, Ursachen, Bedingungen und Auswirkungen von sexuellen Grenzverletzungen an Kindern und Jugendlichen, einschließlich solcher, die in den neuen Medien stattfinden. Ziel der Studie war es, eine bessere empirische Basis für Präventionsempfehlungen zu schaffen. Die wissenschaftliche Arbeit wurde durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

Weitere Forschungsprojekte

Neben der MiKADO-Studie ist Osterheider an einer Reihe weiterer Forschungsprojekte beteiligt, die sich mit verschiedenen Aspekten der Sexualforschung und Prävention befassen. Dazu gehören Projekte zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit bei Übergewicht und Adipositas, zur Entwicklung digitaler Informations- und Schulungsangebote für Kinder und Jugendliche mit Geschlechtsinkongruenz, zur Entstigmatisierung ambulanter psychotherapeutischer Behandlungen von Menschen mit Pädophilie und einer pädophilen Störung sowie zur Evaluation der Sozialtherapeutischen Anstalt Hamburg.

Kontroversen und Kritik

Trotz seiner umfangreichen Forschungstätigkeit und seiner Rolle als gefragter Berater der Politik ist Osterheider wiederholt in die Kritik geraten. Die Vorwürfe reichen von Schlamperei und falschen Angaben vor Gericht bis hin zu einer einseitigen Sichtweise und mangelnder Unparteilichkeit.

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Fall "Horror-Haus von Höxter"

Besondere Aufmerksamkeit erregte Osterheiders Rolle im Prozess um das "Horror-Haus von Höxter". Dort soll er bei der Begutachtung des Hauptangeklagten Wilfried W. nicht nur schlampige Arbeit abgeliefert, sondern auch einen überhöhten Preis dafür verlangt haben. Zudem verstrickte er sich vor Gericht in Widersprüche und machte Aussagen, die sich nicht in seinem Gutachten fanden.

Einem Bericht zufolge soll Osterheider in seinem Gutachten sogar behauptet haben, er habe persönlich mit Wilfried W. in der JVA Detmold gesprochen, obwohl dies nachweislich nicht der Fall war. Stattdessen soll ein wissenschaftlicher Mitarbeiter das Gespräch geführt haben. Dies könnte nicht nur Auswirkungen auf die Bewertung des Gutachtens haben, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen für Osterheider nach sich ziehen.

Weitere Fälle fragwürdiger Gutachten

Der Fall "Horror-Haus von Höxter" ist jedoch nicht der einzige Fall, in dem Osterheiders Gutachten in die Kritik geraten sind. So wurde ihm beispielsweise in einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom Juli 2017 eine "sehr einseitige Sicht der Dinge" bescheinigt. In diesem Fall ging es um einen Lehrer, der wegen sexuellen Missbrauchs eines Schülers angeklagt, aber in zweiter Instanz freigesprochen worden war. Trotz des Freispruchs kam Osterheider in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass bei dem Lehrer mit einer Wahrscheinlichkeit von über 60 Prozent eine sexuelle Präferenzstörung als Unterform einer Pädophilie vorliege. Der Verwaltungsgerichtshof kritisierte, dass Osterheider entscheidende Argumente gegen das Vorliegen einer Pädophilie "unterschlagen" habe und dass sein Gutachten "den Makel des Parteigutachtens" trage.

Auch in einem anderen Fall vor dem Landgericht Landshut im Jahr 2012 soll Osterheider falsche Angaben gemacht haben. Dort behauptete er, die Gefängnisakten des Angeklagten angefordert und geprüft zu haben, obwohl er dies tatsächlich nicht getan hatte.

Kritik von Fachkollegen

Neben den konkreten Fällen fragwürdiger Gutachten gibt es auch allgemeine Kritik an Osterheiders Arbeitsweise. Der Strafrechtler Professor Jan Bockemühl kennt den Psychiater aus seiner langjährigen Praxis als Strafverteidiger und sagt: „In seinen Gutachten findet sich immer wieder dasselbe Muster: Aus dem Nichtvorliegen von entlastenden Umständen folgert er Anknüpfungstatsachen, die sich für die Betroffenen stets negativ auswirken.“ Osterheider pflege „eine sehr einseitige Sicht der Dinge“.

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Ethische Fragen

Die Kontroversen um Michael Osterheider werfen eine Reihe von ethischen Fragen auf, die für die Forensische Psychiatrie und die Gutachtertätigkeit von großer Bedeutung sind.

Unparteilichkeit und Objektivität

Ein zentrales ethisches Prinzip ist die Unparteilichkeit und Objektivität von Gutachtern. Gutachter müssen ihre Expertise unvoreingenommen und unabhängig von den Interessen der Auftraggeber einsetzen. Die Kritik an Osterheider legt jedoch nahe, dass er in einigen Fällen möglicherweise nicht unparteiisch gehandelt und stattdessen versucht hat, das von den Auftraggebern gewünschte Ergebnis zu liefern.

Sorgfaltspflicht

Ein weiteres wichtiges ethisches Prinzip ist die Sorgfaltspflicht. Gutachter müssen ihre Arbeit sorgfältig und gewissenhaft ausführen und alle relevanten Informationen berücksichtigen. Die Vorwürfe der Schlamperei und der falschen Angaben vor Gericht deuten jedoch darauf hin, dass Osterheider in einigen Fällen möglicherweise nicht die erforderliche Sorgfalt walten ließ.

Transparenz und Nachvollziehbarkeit

Ethische Gutachter zeichnen sich durch Transparenz und Nachvollziehbarkeit aus. Gutachten sollten die angewandten Methoden, die berücksichtigten Informationen und die Schlussfolgerungen klar und verständlich darlegen. Die Kritik an Osterheider legt jedoch nahe, dass seine Gutachten in einigen Fällen möglicherweise nicht transparent und nachvollziehbar waren.

Verantwortung und Konsequenzen

Ethische Gutachter übernehmen Verantwortung für ihre Arbeit und sind bereit, die Konsequenzen ihrer Fehler zu tragen. Die Tatsache, dass Osterheider sich nach Bekanntwerden der Vorwürfe krank gemeldet und die Gelegenheit zur Stellungnahme ungenutzt verstreichen ließ, wirft jedoch Fragen nach seiner Verantwortungsbereitschaft auf.

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