Ein Schlaganfall ist ein einschneidendes Ereignis, das plötzlich und unerwartet auftreten kann. Er entsteht, wenn das Gehirn oder Teile des Gehirns plötzlich nicht mehr oder nicht ausreichend durchblutet werden. Die Auswirkungen können von vorübergehenden Beschwerden bis hin zu dauerhaften Behinderungen reichen. Daher ist es entscheidend, die Risikofaktoren zu kennen, frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Was ist ein Schlaganfall?
Von einem Schlaganfall oder Apoplex spricht man, wenn bestimmte Funktionen des Gehirns infolge einer Durchblutungsstörung oder einer Blutung ausfallen. Halten diese Ausfallerscheinungen länger als 24 Stunden an, liegt ein vollendeter Schlaganfall vor. Bestehen die beobachteten Ausfallerscheinungen nur vorübergehend, spricht man von einer transitorisch ischämischen Attacke (TIA).
Zahlen und Fakten zum Schlaganfall
- Alle zwei Minuten erleidet in Deutschland ein Mensch einen Schlaganfall.
- Je älter Menschen werden, desto größer ist ihr Schlaganfallrisiko. Bei den 75-84-Jährigen erleiden jährlich 1.200 pro 100.000 einen Schlaganfall.
- 15 Prozent der Schlaganfälle treten bei Menschen unter 55 Jahren auf. Das sind in Deutschland rund 30.000 Schlaganfälle pro Jahr.
- Schlaganfälle sind weltweit die zweithäufigste Todesursache. In Deutschland ist der Schlaganfall nach Herzinfarkt und Krebs die dritthäufigste Todesursache.
- Innerhalb des ersten Jahres nach einem Schlaganfall sterben ein Viertel bis ein Drittel der Patient*innen.
- Der Hirnschlag gehört darüber hinaus zu den häufigsten Ursachen von Behinderung im Erwachsenenalter. Bis zu 40 Prozent der Überlebenden des akuten Schlaganfalls sind im Alltag längerfristig eingeschränkt, wie zum Beispiel bei der Fortbewegung, der Körperpflege oder dem selbstständigen Ankleiden und Essen. Viele benötigen dauerhaft Hilfe im Alltag, manche auch Pflege.
Verschiedene Formen des Schlaganfalls
Der Schlaganfall ist keine einheitliche Erkrankung. Es werden zwei Hauptformen unterschieden:
- Ischämischer Schlaganfall (Hirninfarkt): Diese Form macht etwa 80 % aller Schlaganfälle aus. Er entsteht, wenn ein Blutgefäß im Gehirn verstopft, wodurch das Hirn nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird und Nervenzellen absterben. Ursache sind oft Einengungen oder Verschlüsse der hirnversorgenden Arterien. Man unterscheidet zwei Hauptursachen für den Gefäßverschluss: die Thromboembolie und die Gefäßverkalkung (Arteriosklerose).
- Thromboembolie: Hier bildet sich im Herzen oder den großen hirnversorgenden Gefäßen ein Blutgerinnsel (Thrombus), das sich ablöst und in die Hirngefäße geschwemmt wird, wo es diese verstopft.
- Arteriosklerose: Die Verstopfung entwickelt sich direkt im Hirngefäß oder den hirnversorgenden Halsgefäßen durch Ablagerungen an den beschädigten Innenseiten der Gefäßwände, die das Gefäß zunehmend verengen.
- Hämorrhagischer Schlaganfall (Hirnblutung): Diese Form macht etwa 20 % der Schlaganfälle aus. Dabei platzt ein Blutgefäß direkt im Gehirn und schädigt das Nervengewebe. Dies liegt oft daran, dass der Blutdruck in den Arterien zu hoch ist oder die Gefäßwände durch Arteriosklerose oder anderweitig geschädigt sind. Eine Hirnblutung kann auch durch Gefäßmissbildungen, sogenannte Aneurysmen, entstehen. Wenn es zum Platzen oder Reißen eines Blutgefäßes zwischen der mittleren Hirnhaut (Arachnoidea) und der weichen Hirnhaut kommt, spricht man von einer Subarachnoidalblutung. Sie ist mit zwei bis fünf Prozent der Fälle die seltenste Ursache für einen Schlaganfall.
- „Leichte“ Schlaganfälle: Insbesondere nachts während des Schlafs können sich auch sogenannte stumme oder stille Hirninfarkte ereignen. Das sind Schlaganfälle, die von den Betroffenen nicht bemerkt werden, weil sie bei ihrem Auftreten schlafen und die stillen Hirninfarkte als leichte Schlaganfälle keine starken oder auffälligen Beschwerden verursachen. Diese stummen leichten Schlaganfälle lassen jedoch kleine Schäden im Gehirngewebe zurück. Wenn sich die stummen Hirninfarkte häufiger ereignen, sammeln sich die Schäden im Gehirn an und rufen im Laufe der Zeit doch Beschwerden hervor. Eine weitere leichte Form des Schlaganfalls ist die transitorisch ischämische Attacke (TIA). Bei einer TIA treten vorübergehend Schlaganfallsymptome auf. Sie hinterlässt keine bleibenden Beschwerden und Einschränkungen. Die TIA kann jedoch ein Warnzeichen für einen bevorstehenden schweren Schlaganfall sein. Tatsächlich berichtet fast die Hälfte der Schlaganfall-Patient*innen, dass sie im Vorfeld ihres Apoplexes vorübergehende Ausfallerscheinungen oder andere Schlaganfallsymptome hatten. Selbst wenn der TIA kein vollendeter Apoplex folgt, ist sie ein wichtiges Alarmsignal, das auf keinen Fall ignoriert werden darf, denn die TIA weist daraufhin, dass es im Gehirn Probleme mit der Blutversorgung gibt, die dringend behandelt werden müssen.
Risikofaktoren für einen Schlaganfall
Die Risikofaktoren für einen Schlaganfall lassen sich in zwei Kategorien einteilen: veränderbare und nicht veränderbare Faktoren.
Veränderbare Risikofaktoren
Diese Faktoren können durch einen gesunden Lebensstil und medizinische Behandlung beeinflusst werden:
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- Anhaltend hoher Blutdruck: Hoher Blutdruck schädigt die Gefäßwände und erhöht das Risiko für Blutungen und Gefäßverschlüsse. Ein systolischer Zielwert von 120-129 mmHg wird angestrebt, sofern dieser gut vertragen wird.
- Rauchen: Rauchen schädigt die Gefäße und erhöht die Blutgerinnungsneigung.
- Fettstoffwechselstörungen (Hypercholesterinämie): Erhöhte Cholesterinwerte, insbesondere ein hoher LDL-Cholesterinspiegel, fördern die Ablagerung von Plaques in den Gefäßen (Arteriosklerose).
- Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus): Diabetes schädigt die Gefäße und erhöht das Risiko für Arteriosklerose.
- Koronare Herzerkrankung: Verengungen oder Verstopfungen der Herzkranzgefäße erhöhen das Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln, die ins Gehirn gelangen können.
- Vorhofflimmern: Diese Herzrhythmusstörung erhöht das Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln im Herzen, die einen Schlaganfall auslösen können.
- Übergewicht und Adipositas: Übergewicht erhöht das Risiko für Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen.
- Bewegungsmangel: Mangelnde körperliche Aktivität erhöht das Risiko für Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen. Empfehlenswert sind Wandern, Joggen, Schwimmen und Radfahren. Ein gutes Pensum ist dreimal pro Woche eine halbe Stunde Sport.
- Übermäßiger Alkoholkonsum: Hoher Alkoholkonsum kann den Blutdruck erhöhen und das Risiko für Herzrhythmusstörungen steigern.
- Einnahme der Antibabypille: Die Einnahme der Antibabypille kann das Risiko für Blutgerinnselbildung erhöhen, insbesondere bei Raucherinnen und Frauen mit anderen Risikofaktoren.
Nicht veränderbare Risikofaktoren
Auf diese Faktoren hat man keinen Einfluss:
- Fortgeschrittenes Lebensalter: Das Schlaganfallrisiko verdoppelt sich alle zehn Jahre nach dem 55. Lebensjahr.
- Geschlecht: Männer haben ein höheres Schlaganfallrisiko als Frauen.
- Genetische Vorbelastung: Das Risiko ist erhöht, wenn Verwandte ersten Grades einen Schlaganfall hatten.
Symptome eines Schlaganfalls
Es ist wichtig, die Symptome eines Schlaganfalls zu kennen, um schnell handeln zu können. Charakteristisch ist der plötzliche Ausfall von Gehirnfunktionen. Die Symptome können je nach betroffenem Hirnareal variieren, aber einige häufige Anzeichen sind:
- Kurzfristige Lähmung, Schwäche oder Taubheit einer Körperhälfte
- Kurzfristige Sehstörungen bis hin zum vorübergehenden Erblinden eines Auges
- Vorübergehende Sprachstörungen: Sowohl das Verstehen von Sprache als auch das Sprechen können gestört sein.
- Gangunsicherheit, Gleichgewichtsstörungen, Drehschwindel, plötzliche Stürze
- Erstmals und plötzlich auftretende, extrem starke Kopfschmerzen
- Vorübergehende Bewusstseinsstörungen oder Desorientierung in Bezug auf Raum, Zeit oder Personen
Wenn auch nur eines dieser Vorzeichen auftritt oder nur kurz anhält, besteht der Verdacht auf einen Schlaganfall oder ein akut erhöhtes Schlaganfallrisiko.
Der FAST-Test
Der FAST-Test ist ein einfacher Schnelltest, um einen Schlaganfall zu erkennen:
- F (Face): Bitten Sie die Person zu lächeln. Hängt ein Mundwinkel herab?
- A (Arms): Bitten Sie die Person, beide Arme nach vorne auszustrecken und die Handflächen nach oben zu drehen. Fällt ein Arm herab oder dreht er sich?
- S (Speech): Bitten Sie die Person, einen einfachen Satz nachzusprechen. Ist die Sprache undeutlich oder verwaschen?
- T (Time): Wenn eines dieser Symptome auftritt, wählen Sie sofort den Notruf 112.
Der FAST-Test kann auch zu BE-FAST erweitert werden:
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- B (Balance): Ist das Gleichgewicht des oder der Betroffenen gestört?
- E (Eyes): Leidet der oder die Betroffene unter plötzlich aufgetretenen Sehstörungen?
Was tun bei Verdacht auf Schlaganfall?
Bei Verdacht auf Schlaganfall zählt jede Sekunde! Alarmieren Sie sofort den Rettungsdienst (112) und äußern Sie den Verdacht auf Schlaganfall. Je schneller die Behandlung beginnt, desto besser sind die Chancen auf eine vollständige Genesung oder die Minimierung von Folgeschäden.
Diagnostik des Schlaganfalls
Bei Verdacht auf Schlaganfall muss alles möglichst schnell gehen - auch die Diagnostik. Zuerst erfolgt eine neurologische Untersuchung. Danach kann der Neurologe oder die Neurologin meist mit großer Sicherheit die Diagnose „Schlaganfall“ stellen oder auch ausschließen. Für die weitere Behandlung benötigen die Ärzt*innen aber noch mehr Informationen. Sehr wichtig ist es beispielsweise zu wissen, ob es sich um einen Hirninfarkt oder eine Hirnblutung handelt. Aber auch Ort und Schwere des Schlaganfalls sind für die gezielte Behandlung des Schlaganfalls sehr bedeutend.
Weiterführende Untersuchungen bei einem akuten Schlaganfall:
- Die entscheidenden Informationen liefert hier in den meisten Fällen eine Computertomographie (CT) des Kopfes.
- Falls noch Informationen benötigt werden, wird eine Kernspintomographie (Magnetresonanz-Tomographie, MRT) durchgeführt.
- Ultraschalluntersuchungen können helfen, um die Blutgefäße zu beurteilen.
- Bei der Angiographie werden die Blutgefäße im Gehirn auf Anomalien untersucht. Sie wird auch während der Thrombektomie, einer Behandlungsmethode des Hirninfarkts eingesetzt.
- Mithilfe eines Elektrokardiogramms (EKG) können die Ärzt*innen feststellen, ob Rhythmusstörungen oder eventuell ein Herzinfarkt vorliegt.
- Ein Elektroenzephalogramm (EEG) kann Störungen der Gehirnströme anzeigen.
- Sehr selten wird auch das Gehirnwasser (Liquor) untersucht, ob möglicherweise eine Entzündung oder eine unerkannte Subarachnoidalblutung vorliegt.
Therapie des akuten Schlaganfalls
Ein Schlaganfall ist immer ein Notfall! Ein Apoplex sollte schnellstmöglich am besten in einem auf Schlaganfälle spezialisierten Zentrum, der sogenannten „Stroke Unit“, behandelt werden. Die Akutbehandlung des Hirnschlags hat zum Ziel, das Leben der Betroffenen zu retten und die Folgen des Schlaganfalls so klein wie möglich zu halten. Je eher die Therapie nach einem Schlaganfall einsetzt, desto besser sind die Aussichten der Patientinnen, dass sich die Spätfolgen wie bleibende Beeinträchtigungen und Behinderungen in Grenzen halten oder die Patientinnen sogar vollständig genesen. Man weiß heute, dass bereits die erste Stunde nach dem Auftreten von Schlaganfallsymptomen entscheidend für den Krankheitsverlauf ist. Eine zielgerichtete Behandlung in diesem Zeitfenster kann den Krankheitsverlauf deutlicher zum Besseren wenden als Therapien, die erst danach begonnen werden. So wird ei…
Folgen eines Schlaganfalls
Die Folgen von Schlaganfällen sind häufig schwerwiegend: Die Betroffenen können danach auf einen Rollstuhl angewiesen, vielleicht halbseitig gelähmt und kaum in der Lage zu sprechen sein. „Ein Großteil unserer Patient*innen leidet an den z.T. erheblichen Auswirkungen eines solchen Schlaganfalls“, sagt Petra Mummel, Chefärztin für Neurologie an der MEDICLIN Hedon Klinik in Lingen. Die Folgen eines Schlaganfalls hängen von seiner Schwere, dem Ort und der Ausdehnung der Durchblutungsstörung und vom Zeitpunkt des Therapiebeginns ab. Da die Blutgefäße in der Regel nur eine Gehirnhälfte mit Blut versorgen und diese eine Hirnhälfte für die jeweils gegenüberliegende Körperseite zuständig ist, zeigen sich die Folgen eines Schlaganfalls häufig einseitig. Bei einem Schlaganfall in der linken Gehirnhälfte kann es zum Beispiel zu Lähmungen auf der rechten Körperseite kommen.
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Welche konkreten Folgen auftreten können:
- Einschränkungen der Bewegung und der Koordination der Muskulatur auf einer Körperseite: z. B. Muskelschwäche, Lähmung eines Beines, Probleme mit der Feinmotorik, Spastik
- Störung des Sprachvermögens und Sprachverstehens (Aphasie) sowie Sprach- und Sprechstörungen (Dysarthrie)
- Schluckstörungen
- Kognitive Störungen: z. B. Störungen der Konzentration und des Gedächtnisses, Unsicherheit, Orientierungslosigkeit, Wortfindungsstörungen
- Sehstörungen: Doppelbilder, Halbseitenblindheit
- Aufmerksamkeitsstörung / Neglect: Die Betroffenen nehmen Sinnesinformationen auf einer Körperseite nicht mehr wahr. Sie essen beispielsweise nur eine Hälfte des Tellers leer oder sie waschen nur eine Körperhälfte. Außenstehenden fällt diese Störung meist sehr schnell auf, die Betroffenen hingegen sind sich dieser Störung häufig nicht bewusst.
- Affekt- und Antriebsstörungen: z. B. Depressionen, Persönlichkeitsveränderungen
- Schwindel, Kopfschmerzen, Schlafstörungen
Prävention: Schlaganfallrisiko senken
Ein gesunder Lebensstil kann das Schlaganfallrisiko deutlich senken. Dazu gehören:
- Gesunde Ernährung: Reduzieren Sie Lebensmittel mit einem hohen Anteil an tierischen Fetten wie Wurst, Fleisch und Käse. Bevorzugen Sie pflanzliche Fette mit einem hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren und Fisch. Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen, Linsen und Kichererbsen sind reich an Ballaststoffen, pflanzlichem Eiweiß, Mineralstoffen und Vitaminen und sollten regelmäßig auf dem Speiseplan stehen.
- Regelmäßige Bewegung: Empfehlenswert sind Wandern, Joggen, Schwimmen und Radfahren. Ein gutes Pensum ist dreimal pro Woche eine halbe Stunde Sport.
- Nichtrauchen: Rauchen schädigt die Gefäße und erhöht das Risiko für Blutgerinnselbildung.
- Moderater Alkoholkonsum: Übermäßiger Alkoholkonsum kann den Blutdruck erhöhen und das Risiko für Herzrhythmusstörungen steigern.
- Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen: Ab 60 Jahren empfehlen sich regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen, einschließlich einer Ultraschalluntersuchung der Halsschlagader.
- Medikamentöse Prävention: Bei Patienten mit erhöhtem Schlaganfallrisiko können Medikamente wie Gerinnungshemmer oder Blutfettsenker eingesetzt werden.
Genetische Risikobewertung
Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass genetische Daten aus einer einzigen Blut- oder Speichelprobe verwendet werden können, um Individuen mit einem erhöhten Risiko für einen ischämischen Schlaganfall zu identifizieren. Dieser genetische Risikowert hat eine ähnliche oder sogar eine bessere Vorhersagekraft als allgemein bekannte Risikofaktoren. Menschen mit einem hohen genetischen Risiko könnten intensivere Präventivmaßnahmen benötigen.
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