Migräne und Multiple Sklerose (MS) sind zwei unterschiedliche neurologische Erkrankungen, die jedoch in einigen Fällen gemeinsam auftreten können. Es ist wichtig, die Unterschiede zwischen Migräne mit Aura und MS zu verstehen, um eine korrekte Diagnose und Behandlung zu gewährleisten.
Einführung
Migräne ist eine häufige neurologische Erkrankung, die durch anfallsartige, oft einseitige Kopfschmerzen gekennzeichnet ist. Diese Kopfschmerzen können von weiteren Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit begleitet sein. Multiple Sklerose hingegen ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, bei der die Myelinscheiden der Nervenfasern geschädigt werden. Dies kann zu einer Vielzahl von neurologischen Symptomen führen, darunter Sensibilitätsstörungen, Muskelschwäche, Koordinationsprobleme und Sehstörungen.
Was ist Migräne?
Migräne ist eine neurologische Erkrankung, die in der Regel mit anfallsartigen Kopfschmerzen verbunden ist. Die Kopfschmerzen sind meist einseitig und deutlich stärker als herkömmliche Kopfschmerzen. Migräne tritt bei etwa zwölf bis 14 Prozent aller Frauen und sechs bis acht Prozent aller Männer in Deutschland auf. Auch vier bis fünf Prozent der Klein- und Schulkinder bis zur Pubertät leiden unter Migräneattacken. Es gibt verschiedene Formen von Migräne, darunter Migräne ohne Aura, Migräne mit Aura und komplizierte Migräne.
Symptome der Migräne
Die Symptome einer Migräne können je nach Form und Schweregrad variieren. Typische Symptome sind:
- Mäßige bis starke, einseitige Kopfschmerzen
- Pochender, pulsierender oder hämmernder Schmerz
- Verstärkung der Schmerzen bei körperlicher Aktivität
- Licht-, Geräusch- und Geruchsempfindlichkeit
- Übelkeit und Erbrechen
- Schwindel
- Sehstörungen (z.B. Lichtblitze, Flimmern)
- Taubheit oder Kribbeln in den Gliedmaßen
Migräneformen
Man kann zwischen mehreren Migräneformen unterscheiden:
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- Einfache Migräne oder auch Migräne ohne Aura
- Klassische Migräne oder auch Migräne mit Aura
- Komplizierte Migräne oder auch Migraine accompagnée
Die zwei häufigsten Formen sind Migräne ohne und Migräne mit Aura. Zudem lassen sich folgende Unterformen unterscheiden:
- Migräne der Augen (auch okulare Migräne genannt): Eine Form der Migräne, die Sehstörungen wie Flimmern, Lichtblitze oder vorübergehenden Sehverlust verursacht, oft ohne Kopfschmerzen.
- Menstruelle Migräne: Migräne, die in direktem Zusammenhang mit dem Menstruationszyklus steht, oft kurz vor oder während der Menstruation auftritt.
- Abdominelle Migräne: Eine Migräneform, die hauptsächlich bei Kindern auftritt und durch wiederkehrende Bauchschmerzen und Übelkeit gekennzeichnet ist, oft ohne Kopfschmerzen.
- Hemiplegische Migräne: Eine seltene und schwere Form der Migräne, die vorübergehende Lähmungen auf einer Körperseite (Hemiplegie) verursachen kann.
- Migräne mit Hirnstammaura (früher als basilaris Migräne bekannt): Eine seltene Form der Migräne, bei der Symptome wie Schwindel, Sprachstörungen, Doppelbilder und Bewusstseinsveränderungen auftreten, die auf den Hirnstamm zurückzuführen sind.
- Vestibuläre Migräne: Eine Migräneform, bei der Schwindel und Gleichgewichtsstörungen die Hauptsymptome sind, oft begleitet von den klassischen Migränekopfschmerzen.
Ursachen und Auslöser der Migräne
Für Migräne besteht generell eine genetische Veranlagung. Bei Menschen mit bestehender Veranlagung können folgende Auslöser für Migräne verantwortlich sein:
- Schlafüberschuss oder Schlafmangel
- Hunger oder Unterzuckerung
- Hormonumstellungen
- Körperlicher oder psychischer Stress
- Bestimmte Nahrungsmittel (z.B. Schokolade, Käse, Zitrusfrüchte, Alkohol)
- Licht, Geräusche oder Gerüche
- Wetterveränderungen
- Starke Emotionen
- Bestimmte Medikamente
- Räume, in denen geraucht wird
Behandlung der Migräne
Auch wenn Migräne eine nicht heilbare Krankheit ist, lässt sie sich mit Medikamenten gut behandeln. Dabei gibt es einen Unterschied zwischen Medikamenten für akute Migräne und zur Rückfallprophylaxe. Für eine erfolgreiche Medikation muss die Therapie zu Beginn der Migräne angewandt werden. Laut deutscher Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft ist eine schrittweise und für den Bedarf gerechte Medikation vorgesehen. Dabei gibt es gegen Übelkeit und Erbrechen ein Antiemetikum, während bei Schmerzen Analgetika, Triptane oder Cortison eingesetzt werden können. Zudem empfiehlt die deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft die Medikation der jeweiligen Patientin bzw. Triptane und Ergotamine sollten bei mittelschweren Migräneanfällen oder Migraine accompagnée - allerdings nicht zusammen oder kurz hintereinander - eingesetzt werden. Die vielen unterschiedlichen Darreichungsformen bieten Patientinnen und Patienten die Möglichkeit, die für sie passende zu finden. Allerdings sollten Triptane erst nach Abklingen der Aura und beim beginnenden Migränekopfschmerz angewandt werden.
Patientinnen und Patienten können anhand eines Anfallstagebuchs Schlüsse ziehen, wodurch ihre Migräne entsteht. Davon ausgehend können sie ggf. ihren Lebensstil verändern und dadurch langfristig Migräneanfälle senken. Zudem gibt es psychotherapeutische Verfahren, bei denen Betroffene lernen, mit ihrer Migräne besser umgehen zu können. Neben einer psychotherapeutischen Verhaltenstherapie, Ausdauersport und Akkupunktur können Medikamente einer Migräne vorbeugen. Zudem sollten Migräneauslöser möglichst vermieden werden. Eine medikamentöse Vorbeugung kann zwar die Erkrankung nicht völlig verhindern, doch sie kann die Häufigkeit, Dauer und Intensität der Migräne mindern. Diese Behandlung zur Prophylaxe ist für Patientinnen und Patienten sinnvoll, wenn die bisherige Behandlung der migränösen Attacken zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt hat, sie pro Monat unter mehr als drei Migräneanfällen leiden, keine oder kaum Verträglichkeit für die Medikamente gegen Migräne besteht, die Migräneanfälle häufiger auftreten, sie mehr als zehn Tage pro Monat Schmerz- oder Migränemittel einnehmen, die Migräne das alltägliche Leben stark einschränkt und es nach einer Migräne zu neurologischen Migränekomplikationen und Störungen kommt, die mehr als sieben Tage andauern. Vorbeugend können Medikamente wie Betablocker, Flunarizin, Antiepileptika oder Topiramat verwendet werden. Um auf natürliche Weise einer Migräne vorzubeugen, sollten Betroffene die Ursachen für die anfallsartigen, migränösen Kopfschmerzen kennen und diese möglichst vermeiden. Hilfreich ist daher ein regelmäßiger Schlafrhythmus, die Einhaltung fester Mahlzeiten sowie das Meiden von lauten Geräuschen oder hellem Licht. Verhaltenstherapeutische Verfahren und Entspannungsübungen können einzeln oder auch ergänzend zur medikamentösen Prophylaxe eingesetzt werden.
Leiden Patientinnen und Patienten unter mehr als drei Migräneattacken im Monat, gibt es folgende Möglichkeiten der Migränetherapie und -prophylaxe:
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- Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson (PMR): Hierbei lernen Betroffene in Form von Fantasiereisen einzelne Muskelbereiche an- und zu entspannen, was auch für Kinder gut geeignet ist.
- Kognitiv-behaviorales Schmerzbewältigungstraining (Stressmanagement): Patientinnen und Patienten lernen, sich mit möglichen Stressfaktoren des Alltags und Berufs im Zusammenhang mit ihren kognitiven Prozessen auseinanderzusetzen und entwickeln Strategien zur Stressbewältigung.
- Biofeedback-Therapie: Bei dieser Methode werden biologische Signale wie etwa der Blutdruck in sicht- oder hörbare Signale umgewandelt, sodass Betroffenen diese bewusst werden. Dabei lernen sie, die Weite ihrer Blutgefäße der Kopfhaut bewusst zu beeinflussen und so die Kopfschmerzen zu lindern.
Multiple Sklerose (MS)
Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, bei der die Myelinscheiden der Nervenfasern geschädigt werden. Die genauen Ursachen von MS sind noch nicht vollständig geklärt, aber es wird angenommen, dass genetische und Umweltfaktoren eine Rolle spielen.
Symptome der MS
Die Symptome der MS können sehr vielfältig sein und von Person zu Person unterschiedlich sein. Typische Symptome sind:
- Sensibilitätsstörungen (z.B. Kribbeln, Taubheit)
- Muskelschwäche
- Koordinationsprobleme
- Sehstörungen (z.B. Doppelbilder, verschwommenes Sehen)
- Müdigkeit (Fatigue)
- Schmerzen
- Blasen- und Darmfunktionsstörungen
- Kognitive Beeinträchtigungen (z.B. Gedächtnisprobleme, Konzentrationsschwierigkeiten)
Diagnose der MS
Die Diagnose der MS basiert auf einer Kombination von klinischen Symptomen, neurologischen Untersuchungen und bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanztomographie (MRT). Im MRT können Läsionen (Entzündungsherde) im Gehirn und Rückenmark sichtbar gemacht werden. Auch Liquoruntersuchungen können zur Diagnosestellung beitragen.
Behandlung der MS
MS ist nicht heilbar, aber es gibt verschiedene Medikamente und Therapien, die den Verlauf der Erkrankung beeinflussen und die Symptome lindern können. Dazu gehören:
- Immunmodulatorische Therapien (z.B. Interferone, Glatirameracetat, Natalizumab, Fingolimod, Dimethylfumarat, Teriflunomid, Ocrelizumab, Cladribin, Siponimod, Ponesimod, Ofatumumab)
- Symptomatische Therapien (z.B. Medikamente gegen Spastik, Schmerzen, Fatigue)
- Physiotherapie
- Ergotherapie
- Logopädie
- Psychotherapie
Unterschiede zwischen Migräne mit Aura und MS
Obwohl Migräne mit Aura und MS ähnliche Symptome aufweisen können, gibt es wichtige Unterschiede:
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- Art der Symptome: Migräne mit Aura ist in erster Linie durch Kopfschmerzen und neurologische Symptome wie Sehstörungen gekennzeichnet, während MS eine breitere Palette von neurologischen Symptomen verursachen kann, die nicht unbedingt mit Kopfschmerzen verbunden sind.
- Dauer der Symptome: Migräneattacken dauern in der Regel Stunden bis Tage, während MS-Symptome chronisch sein oder in Schüben auftreten können.
- MRT-Befunde: Bei MS sind im MRT oft Läsionen im Gehirn und Rückenmark sichtbar, während bei Migränepatienten in der Regel keine oder nur unspezifische Veränderungen im MRT festgestellt werden.
- Liquoruntersuchung: Bei MS können im Liquor erhöhte Entzündungswerte und oligoklonale Banden nachweisbar sein, während die Liquoruntersuchung bei Migränepatienten in der Regel unauffällig ist.
Zusammenhang zwischen Migräne und MS
Über die Hälfte aller Betroffenen leidet zusätzlich zur MS unter Migräne. Migräne ist eine weltweit sehr verbreitete Krankheit, unter der 15 Prozent aller Erwachsenen leiden; ca. 12 bis 14 Prozent davon sind Frauen und 8 Prozent Männer. Vielleicht hast Du Dich schon mal gefragt, wieso Du zusätzlich zur MS auch noch unter Migräne leidest. Das hängt damit zusammen, dass beide Erkrankungen mit Entzündungen der Nerven einhergehen. Migräne steht mit verschiedenen chronischen Entzündungskrankheiten wie chronisch entzündlichen rheumatischen Erkrankungen, entzündlichen Darmerkrankungen und eben auch mit MS in Verbindung. Warum genau ein Zusammenhang zwischen MS und Migräne besteht, ist noch nicht vollständig geklärt. Die Forschenden vermuten, dass entzündliche Botenstoffe, wie sogenannte Zytokine und das Darmmikrobiom einen Einfluss haben. Kopfschmerzen und Migräne bei MS können entweder vor, zu Beginn oder im Verlauf der MS auftreten. Wenn bei der MS ein bestimmter Bereich im Gehirn (Hirnstamm) mitbetroffen ist, tauchen die Migräneattacken oft während der MS-Schübe auf. Aber unabhängig davon, wann und warum die pulsierenden Kopfschmerzen einsetzen, ist es wichtig, diese zu behandeln, damit Deine Lebensqualität so gut es geht erhalten bleibt.
Wissenschaftler fanden heraus, dass MS-Patienten erst kurz vor der Krankheitsdiagnose häufiger Migräne entwickelten als Vergleichspersonen. Das deutet darauf hin, dass diese Kopfschmerzart kein Vorzeichen von MS ist."Das Risiko [für Migräne] konzentrierte sich auf das Jahr, in dem das erste [MS-]Symptom auftrat, oder auf das Jahr davor, und nicht schon auf viele Jahre vorher", sagte Studienleiter Vinicius A. Schoeps, Postdoktorand an der University of California San Francisco, gegenüber Medscape Medical News. Die Ergebnisse wurden auf dem Americas Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ACTRIMS) Forum 2024 vorgestellt.
MS als Migräneauslöser? Weltweit geben bis zu 43 % der Patienten mit MS an, unter Migräne zu leiden. Jüngste Daten weisen auf eine 3- bis 5-jährige klinisch symptomatische Prodromalphase der MS hin. Sie legen nahe, dass Migräne einer ihrer potenziellen Bestandteile sein könnte. Die Beziehung zwischen den beiden Erkrankungen ist jedoch nach wie vor unklar. Ziel der Forscher war es, herauszufinden, ob Migräne Teil des MS-Prodroms ist. Sollte das der Fall sein, könnte dies eine Möglichkeit für ein frühzeitiges Eingreifen sein, um die Krankheit zu verzögern oder zu verhindern.
"Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Migräne durch MS ausgelöst werden kann und nicht Teil der Zusammenstellung unspezifischer Symptome ist, die das 3 bis 5 Jahre andauernde MS-Prodrom ausmachen", so die Forscher. " Das entzündliche Geschehen in der ersten Phase der Multiplen Sklerose könnte tatsächlich der Auslöser der Migräne sein," sagte Shoeps. Er fügte hinzu, dass Patienten mit MS ihre Migräne erst später im Leben entwickelten. "Es könnte einen anderen pathologischen Prozess bei Menschen geben, die eine klassische Migräne in dem Alter haben, in dem die Diagnose Migräne am häufigsten gestellt wird - und die dann ihr ganzes Leben lang Migräne haben - im Vergleich zu Menschen, bei denen die Migräne in einem höheren Alter auftritt und die MS-Diagnose in der Nähe dieses Zeitraums gestellt wird", meinte er.
Fehldiagnose MS
VANCOUVER. Sein Team konnte 23 Neurologen an unterschiedlichen MS-Zentren in den USA dafür begeistern, Fälle von Patienten aufzubereiten, bei denen sie eine bestehende MS-Diagnose als falsch erkannt hatten. Bei etwa der Hälfte hatten die Neurologen schließlich eine andere Diagnose als MS gestellt, bei den übrigen waren sie sich zumindest sicher, dass die Patienten keine MS hatten, wenngleich die alternative Diagnose noch nicht eindeutig feststand. Von den Patienten, bei denen letztlich eine andere Erkrankung als MS diagnostiziert werden konnte, hatten 22 Prozent eine Migräne, 15 Prozent eine Fibromyalgie, 12 Prozent unspezifische, nicht genau lokalisierbare neurologische Symptome, 11 Prozent ein psychisches Problem und 6 Prozent eine Neuromyelitis optica (NMO). "Es sind überwiegend ganz häufige Störungen, die fälschlicherweise für eine MS gehalten werden", sagte Solomon.
Um eine Fehldiagnose und eine jahrelange Fehlbehandlung zu vermeiden, sollten Neurologen die Diagnosekriterien genauestens anwenden. Das führe jedoch zu einem gewissen Dilemma: "Wir wollen die Patienten früh behandeln, das ist wichtig." Ärzte sollten aber immer wieder darüber nachdenken: Ist das wirklich eine MS? Die Frage sei auch, wer die MRT-Aufnahmen auswerte. Die Unterschiede der Migräne-Formen!
Fallbeispiel
Eine Patientin berichtet von Schwindel, Kribbeln in Händen und Füßen, Hitzegefühl in Muskeln und Kopf sowie Wortfindungsstörungen, die nur wenige Sekunden andauern. Ein MRT zeigte Läsionen im Gehirn, was zu einer Lumbalpunktion führte. Die Läsionen wurden subcortical im gesamten Kopf, einschließlich des Kleinhirns, festgestellt. Ein MRT von 2015 zeigte eine Zunahme der Läsionen. Die Symptome begannen vor zwölf Jahren (2013) und traten auch während eines Urlaubs in Tansania auf. Nach einer Schwangerschaft im Jahr 2018 traten die Symptome nicht mehr auf. Die Ärzte vermuteten Migräne.