Die Diagnose Demenz stellt Betroffene und ihre Angehörigen vor große Herausforderungen. Der Alltag verändert sich, die Kommunikation wird schwieriger und vertraute Routinen funktionieren nicht mehr wie gewohnt. Doch es gibt viele Möglichkeiten, den Alltag mit Demenz zu erleichtern und ein stabiles Miteinander zu schaffen. Dieser Artikel gibt Ihnen praktische Tipps und Anregungen, wie Sie den Alltag gestalten, die Kommunikation verbessern und die Lebensqualität von Menschen mit Demenz erhalten können.
Leben mit Demenz: Mehr als nur die Diagnose
„Wenn man es verkraftet hat, kommt da ganz viel schönes Leben raus.“ Mit diesen Worten beschreibt Frau Singer, selbst an Alzheimer erkrankt, ihre Erfahrungen. Auch Christian Zimmermann, der mit 57 Jahren die Diagnose erhielt, betont: „Es gibt ein Leben nach der Diagnose.“ Diese positiven Beispiele zeigen, dass ein erfülltes Leben mit Demenz möglich ist. Es erfordert jedoch Anpassung, Verständnis und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen.
Immer mehr Menschen sprechen offen über ihre Demenz-Diagnose, um für mehr Verständnis in der Öffentlichkeit zu werben und Mut zu machen. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft beruft alle zwei Jahre neue Mitglieder in ihren Beirat "Leben mit Demenz", um die Perspektive der Betroffenen zu stärken.
Auch für Angehörige bedeutet die Diagnose eine Veränderung. Sie übernehmen zunehmend unterstützende Aufgaben und müssen ihr Leben entsprechend organisieren. Die Beziehung verändert sich, wenn ein Partner oder ein Kind für den Betroffenen Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen muss.
Was ist nach der Diagnose zu tun?
Nach der Diagnose Demenz gibt es eine Reihe von Dingen zu erledigen. Es ist wichtig, sich über die Erkrankung zu informieren und die richtigen Ansprechpartner zu finden. Die Betreuung und Pflege von Demenzerkrankten wird überwiegend zu Hause von Angehörigen geleistet, wobei die Hauptverantwortung häufig bei einer Person liegt, meist Frauen. Pflegende Angehörige sind oft stark beansprucht.
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Die Pflegeversicherung sichert seit 1994 einen Teil der Risiken bzw. Folgen der Pflegebedürftigkeit ab. Das Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI) regelt, was Pflegebedürftigkeit im Sinne des Gesetzes heißt und unter welchen Voraussetzungen Leistungen gewährt werden. Seit 2016 werden auch geistig und psychisch bedingte Einschränkungen der Selbstständigkeit bei der Einschätzung eines Pflegebedarfs berücksichtigt.
Kann eine Person krankheitsbedingt die eigenen rechtlichen Angelegenheiten nicht mehr selbstständig erledigen, bestellt das Gericht eine rechtliche Betreuung. Vorrangig sollen nahe Angehörige diese Aufgabe übernehmen. Immer mehr Menschen mit Demenz leben allein und möchten so lange wie möglich selbstständig und selbstbestimmt in ihrer gewohnten Umgebung bleiben.
Rechtliche Aspekte
Das im Grundgesetz festgeschriebene Selbstbestimmungsrecht beinhaltet das Recht, das Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. In dieses Recht darf nur in engen gesetzlich geregelten Grenzen eingegriffen werden. Zum Selbstbestimmungsrecht gehört auch das Verbot medizinischer Eingriffe oder Behandlungen ohne Zustimmung der betroffenen Person.
Auch Menschen mit Demenz dürfen an Wahlen teilnehmen und ihre Stimme abgeben. Es ist erlaubt, jemanden beim Ausfüllen des Wahlscheins nach seinen Wünschen zu unterstützen. Nicht erlaubt und strafbar ist jede Form der Beeinflussung und Manipulation der Wahlentscheidung.
Wenn Menschen mit Demenz einen Schaden verursachen, stellen sich Fragen nach der Haftung und dem Schadensersatz. Hatten Angehörige eine Aufsichtspflicht und haben sie diese verletzt? Besteht eine Haftpflichtversicherung, die den Schaden ausgleicht? Was ist zu beachten, wenn für Menschen mit Demenz eine neue Haftpflichtversicherung abgeschlossen wird?
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Palliative Versorgung und Kommunikation
Palliative Versorgung und Pflege richten sich an Menschen, die schwer und unheilbar erkrankt sind. Ihr Ziel ist nicht die Verlängerung des Lebens, sondern eine möglichst gute Lebensqualität der Betroffenen. In der letzten Phase ihres Lebens ist eine gute palliative Versorgung auch für Menschen mit Demenz wichtig.
Oftmals sind es Kleinigkeiten, die darüber entscheiden, ob der kommunikative Austausch mit einem an Demenz erkrankten Menschen freundlich, gelassen und verständlich erfolgt.
Tipps für eine bessere Verständigung
Die Kommunikation mit Menschen mit Demenz kann herausfordernd sein, doch mit den richtigen Ansätzen lassen sich Missverständnisse vermeiden und Gespräche einfühlsamer gestalten. Hier sind einige Tipps:
- Wertschätzung und Respekt: Trotz der Krankheit ist ein Mensch mit Demenz immer noch ein erwachsener Mensch. Vermeiden Sie es, ihn zu verkindlichen oder zu bevormunden.
- Die Welt des Menschen mit Demenz: Versuchen Sie, sich in die Welt des Betroffenen hineinzuversetzen. In seiner Welt ergeben seine Taten und Gedanken einen Sinn. Oft können Menschen mit Demenz die Gegenwart nicht mehr von der Vergangenheit unterscheiden.
- Einfache Sprache: Komplexe Sätze, Metaphern, Ironie und Sarkasmus werden von Menschen mit Demenz nicht verstanden. Verwenden Sie unkomplizierte Sätze mit einer einzigen Botschaft. Wiederholen Sie wichtige Informationen oft und verwenden Sie dabei immer die gleiche Formulierung.
- Vermeiden Sie Fragen: Fragen stellen Menschen mit Demenz vor eine Herausforderung. Sie müssen sich entscheiden, sich erinnern und sich erklären. Geben Sie ihnen Zeit zum Antworten.
- Positiv bleiben: Kritik, Korrekturen, Diskussionen oder Vorwürfe erzielen meistens keinen positiven Effekt. Loben Sie stattdessen und begegnen Sie Vorwürfen positiv. Gehen Sie auf Ängste und Frustrationen ein und nehmen Sie diese ernst.
- Körpersprache: Verwenden Sie eine deutliche Körpersprache und halten Sie Blickkontakt. Wer aktiv ist, kann sich besser an Erlerntes erinnern und seine Selbstständigkeit beibehalten.
- Ergotherapie und Physiotherapie: Diese Therapien sind gute Möglichkeiten, um die Mobilität zu erhalten.
- Sinne anregen: Durch das Anregen der fünf Sinne können Sie Erinnerungen hervorrufen und die Lebensqualität fördern. Ein Beispiel ist die Musikgeragogik, die über Musik eine Brücke in die Vergangenheit schlägt.
- Regelmäßige Wiederholung: Durch regelmäßige Wiederholung bekannter Tätigkeiten können diese länger erhalten bleiben. Sogar das Erlernen von Neuem ist in begrenztem Umfang möglich.
- Soziale Kontakte: Treffen mit Freunden, die man schon vor der Demenz-Diagnose gekannt hat, wirken sich positiv auf das Gemüt und den Krankheitsverlauf aus. Regelmäßige soziale Kontakte und Tätigkeiten fördern ein soziales Umfeld, das den Menschen länger aktiv hält.
- Strukturierter Alltag: Unvorhergesehene Ereignisse, Überraschungen und Änderungen von Gewohnheiten erfordern eine geistige Auseinandersetzung, die Menschen mit Demenz zunehmend schwer fällt. Schaffen Sie einen strukturierten Alltag mit klaren Routinen.
Wohnraumgestaltung für Menschen mit Demenz
Neben einer prinzipiellen, mobilitätsgerechten Barrierefreiheit gibt es einige Anpassungen, die das Leben von Menschen mit Demenz in den eigenen vier Wänden angenehmer und leichter gestalten.
- Übersichtlichkeit: Vermeiden Sie zu viele Eindrücke, die verwirren und überfordern können.
- Offene Türen: Lassen Sie Türen möglichst offen oder hängen Sie sie ganz aus, um die Orientierung zu erleichtern. Kennzeichnen Sie einzelne Räume durch kleine Bildchen.
- Zeitliche Orientierung: Stärken Sie die zeitliche Orientierung durch einen Kalender mit extra großen Zahlen und ausgeschriebenem Monat und Jahr sowie einem Symbol für die jeweilige Jahreszeit.
- Beleuchtung: Kaltweißes Licht ist für ältere Menschen besser zu sehen als warmweißes. Nutzen Sie LED-Nachtlichter mit Bewegungsmelder für den nächtlichen Toilettengang.
- Vermeiden Sie Spiegelungen: Spiegelndes Licht kann zu Verwirrung führen.
- Farben und Kontraste: Setzen Sie Farbakzente behutsam und gezielt ein. Vermeiden Sie dunkle Töne und großflächige Muster. Kontraste helfen Demenzerkrankten, Details schnell wahrzunehmen.
- Sturzprophylaxe: Entfernen Sie Stolperfallen wie lose Kabel und Teppiche. Sorgen Sie für eine gute Beleuchtung.
- Sicherheit: Installieren Sie Herdschutzknöpfe und Rauchmelder. Schließen Sie gefährliche Gegenstände weg oder räumen Sie sie außer Reichweite.
- Erinnerungen bewahren: Schaffen Sie eine ruhige Ecke mit Gegenständen, die wertvolle Erinnerungen wecken.
Beschäftigung und Aktivitäten
Von Demenz betroffene Menschen brauchen Aktivitäten, um Bestätigung und ein Gefühl der Zugehörigkeit zu erleben und um ihre Unruhe zu lindern. Vermeiden Sie Unterforderung und Überforderung. Bevorzugen Sie Aktivitäten, die der Betroffene schon immer gerne und oft ausgeübt hat. Zweckmäßige Tätigkeiten wie Staubwischen oder Gartenarbeiten werden oft leichter angenommen als beispielsweise Basteln.
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Mit fortschreitender Krankheit ist viel Fantasie gefordert. Monotonie in den Abläufen schreckt die Angehörigen, nicht aber die Menschen mit Demenz, die aus gleichförmigen Tätigkeiten ein Gefühl von Sicherheit und Kompetenz ziehen. Wichtiger als Perfektion ist, dass der Mensch mit Demenz sich angenommen und nützlich fühlt - und Spaß bei seinem Tun empfindet.
Sinnvoll sind auch sanfte Hilfestellungen, die die Arbeitsprozesse in überschaubare kleine Schritte gliedern. Bereitet etwa Kuchenbacken Probleme, reicht es oftmals aus, die Zutaten in der richtigen Reihenfolge anzureichen. Bei früher gern gespielten Gesellschaftsspielen können die Regeln immer weiter vereinfacht werden.
Kommunikation und Validation
Die Fähigkeit zu sprechen nimmt mit Fortschreiten der Demenz immer weiter ab. Schwierigkeiten bei der Verständigung führen dazu, dass sich der Mensch mit Demenz häufig enttäuscht oder verwirrt fühlt und zunehmend in Isolation gerät. Solange sich die betroffene Person noch sprachlich mitteilen kann, sollte dies aufgegriffen werden.
Umso wichtiger wird es, auf den Sinn hinter dem Gesagten zu achten. So drückt andauerndes Rufen nach der bereits verstorbenen Mutter etwa den Wunsch nach Geborgenheit oder Zuwendung aus. Die Fähigkeit der Betroffenen, nichtsprachliche Äußerungen zu verstehen und zu benutzen, bleibt sehr lange erhalten. Deshalb wird es immer wichtiger, auf ihre Körpersprache zu achten und aufgrund von Haltung, Gestik und Gesichtsausdruck zu entschlüsseln, was sie mitteilen möchten.
Auf der Gefühlsebene sind Menschen mit Demenz besonders ansprechbar: Umarmungen, Streicheln und Blickkontakte geben ihnen ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit. Auch wenn sie der Sinn der Worte nicht mehr erreicht, werden Unterhaltungen als Zuwendung aufgefasst und genossen.
Die Gerontologin Naomi Feil hat eine Methode entwickelt, die dabei hilft, mit an Demenz erkrankten Menschen auf wertschätzende und einfühlsame Art zu kommunizieren. Bei der sogenannten „Validation“ akzeptiert man auch eine falsche Aussage des an Demenz Erkrankten und widerspricht ihm nicht.
Tagesstruktur und Orientierung
Das Zeitgefühl der Betroffenen geht nach und nach verloren. Sie sind dann nicht mehr fähig, den Tag in sinnvolle Abschnitte zu gliedern. Ihre innere Uhr ist oft nachhaltig gestört, der Zeitpunkt für Mahlzeiten oder um schlafen zu gehen, wird selbstständig nicht mehr erkannt.
Deshalb ist es wichtig, den Menschen mit Demenz möglichst lange Orientierungshilfen zu geben, die sie dabei unterstützen, den Tagesablauf zu strukturieren. Besonders hilfreich sind feste Zeiten für die Aktivitäten des täglichen Lebens wie Mahlzeiten, das Schlafengehen oder den gewohnten Spaziergang.
Soziale Kontakte und Unterstützung
Besucherinnen und Besucher sind gerade für Menschen mit Demenz, deren Beschäftigungsmöglichkeiten immer eingeschränkter werden, eine willkommene Abwechslung. Es ist wichtig, dass sich die Betreuenden nicht aus Scham oder falsch verstandener Rücksichtnahme immer weiter zurückziehen, sondern dass sie Verwandte und gute Freunde zu Besuchen ermuntern und so weit wie möglich in die Betreuung miteinbeziehen. Dies ist wichtig, um Einsamkeit vorzubeugen.
Vielleicht gibt es in Ihrem Ort eine Angehörigen- oder Selbsthilfegruppe zum Thema Demenz oder sogar eine Lokale Allianz für Menschen mit Demenz. Dies sind lokale Netzwerke, die es sich zur Aufgabe gemacht haben zu unterstützen, damit Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen weiter am alltäglichen Leben teilhaben können.
Alltagssituationen meistern
- Anziehen: Ermutigen Sie die oder den Erkrankten, sich selbst anzuziehen. Halten Sie das Angebot klein und leicht kombinierbar.
- Essen und Trinken: Achten Sie auf feste Essenszeiten und eine ruhige Umgebung. Servieren Sie Lieblingsgerichte und animieren Sie zum Trinken.
- Baden und Duschen: Vermeiden Sie Sinnesüberlastung und bereiten Sie die Situation behutsam vor.
- Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte: Erklären Sie in einfachen Worten, was gemacht werden soll. Sichern Sie dem Erkrankten zu, dass Sie während des Gesprächs mit dem Arzt und der Untersuchungen bei ihm bleiben.
Unterstützung für Angehörige
Die Pflege eines Menschen mit Demenz ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die viel Kraft und Zeit kostet. Es ist wichtig, dass Sie als Angehöriger auch auf Ihre eigenen Bedürfnisse achten und sich Auszeiten nehmen. Nutzen Sie die Unterstützung von Pflegediensten, Angehörigen und Freunden.
Es hilft keinem, wenn man sich völlig aufopfert. Deshalb ist es angebracht, sich Auszeiten von der Pflege zu nehmen, wenn das möglich ist. Beispielsweise kann man sich von einem Pflegedienst unterstützen lassen. Auch kann man andere Angehörige und oder Partner darum bitten, die Pflege zu einer gewissen Zeit zu übernehmen, damit man seinen Hobbies nachgehen bzw. auch einfach mal nur entspannen kann.