Morbus Whipple ist eine seltene, chronisch verlaufende Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Tropheryma whipplei verursacht wird. Die Erkrankung manifestiert sich vorwiegend am Verdauungstrakt, kann aber auch andere Organe wie das Gehirn, das Herz, die Lunge oder die Gelenke befallen. Die Diagnose wird oft verzögert gestellt, da die Symptome unspezifisch sind und die Erkrankung selten ist. Unbehandelt kann Morbus Whipple tödlich enden, aber mit einer frühzeitigen Diagnose und Antibiotikatherapie ist die Krankheit in der Regel heilbar.
Was ist Morbus Whipple?
Morbus Whipple ist eine seltene bakterielle Multisystemerkrankung, die durch das intrazellulär überlebende Bakterium Tropheryma whipplei verursacht wird. Die Erkrankung tritt vor allem bei Patienten mit gestörter T-Zell-Funktion auf und führt zu chronischen Entzündungen des Darms, der Gelenke, des Herzens und des ZNS.
Ursachen und Übertragung
Morbus Whipple wird durch das Bakterium Tropheryma whipplei ausgelöst, das zahlreiche Teile des Körpers, wie das Herz, die Lunge, das Gehirn oder die Gelenke, befallen kann. In der Regel ist es jedoch vor allem die Darmschleimhaut des Dünndarms, die von Morbus Whipple betroffen ist.
Das Bakterium Tropheryma whipplei ist in der Umwelt, z. B. Abwässern, weit verbreitet, aber die genauen Mechanismen für eine Infektion und Erkrankung sind noch nicht bekannt. Man vermutet einen genetischen oder immunologischen Hintergrund, z. B. im Zusammenhang mit einer früheren Therapie, in der das Immunsystem unterdrückt wurde. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch gibt es nicht.
Symptome
Die Symptome von Morbus Whipple sind vielfältig und können sich schleichend entwickeln. Häufige Symptome sind:
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- Gastrointestinale Beschwerden: Diarrhoe (Durchfall), Steatorrhoe (Fettstuhl), Bauchschmerzen, Gewichtsverlust, Malabsorption (Resorptionsstörung), Darmblutungen
- Gelenkbeschwerden: Arthralgien (Gelenkschmerzen), Arthritis (Gelenkentzündung), intermittierende, wandernde Arthritiden der großen Gelenke
- Neurologische Symptome: Gedächtnisstörungen, psychiatrische Beschwerden, Kopfschmerzen, Blicklähmungen, unwillkürliche Muskelzuckungen, Ataxie, Demenz, Wesensveränderungen, Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus
- Weitere Symptome: Fieber, Muskelschmerzen, vergrößerte Lymphknoten, Hautveränderungen, Anämie, Müdigkeit, vergrößerte Leber und Milz, Entzündung der Herzinnenhaut (Endokarditis), Perikarditis, Uveitis, Niereninsuffizienz
Meist gehen dem Vollbild des Morbus Whipple Arthralgien oder Arthritiden um Jahre voraus, wobei es sich grösstenteils um intermittierende, wandernde Arthritiden der grossen Gelenke handelt, die nicht mit Gelenkdestruktion oder Autoantikörperpositivität einhergehen (insbesondere Rheumafaktor- und anti-CCP-negativ). Es gibt aber auch Verläufe mit bilateralen, symmetrischen, als «seronegative» Polyarthritis imponierenden Gelenkmanifestationen sowie auch mit axialer Beteiligung oder sehr selten auch Verläufe, die an den Gelenken mit einer hypertrophen Osteoarthropathie gekennzeichnet sind.
Morbus Whipple und das Gehirn
Das Gehirn kann von Morbus Whipple befallen sein. Neurologische Symptome der Erkrankung sind Gedächtnis-, Seh- und Bewegungsstörungen, welche sich zum Beispiel durch Kopfschmerzen, Blicklähmungen oder unwillkürliche Muskelzuckungen äußern. Sind Bereiche im Gehirn von der Krankheit betroffen, schlagen Antibiotika-Therapien oftmals schlechter an. Auch Jahre nach der Behandlung kann es zu einem Wiederaufflammen (Rezidiv) kommen, betroffen ist dann häufig das zentrale Nervensystem.
Besonders heimtückisch ist ein Befall des zentralen Nervensystems, da Symptome erst nach langjährigem Befall und ausgedehnter zerebraler Destruktion auftreten. Zudem ist die Symptomatik oft wenig spezifisch. Im Gehirn finden sich Tropheryma whipplei extrazellulär und phagozytiert von Gliazellen. Zerebrale Defekte sind oft irreversibel und manchmal trotz Therapie progredient.
Diagnose
Zusätzlich zur Beschreibung der Symptome durch die Patient*innen wird eine genaue körperliche Untersuchung durchgeführt, um Hinweise auf Morbis Whipple zu finden. Das Blut wird auf Entzündungswerte und andere Parameter untersucht. Bei einer Endoskopie (Spiegelung) der Speiseröhre, des Magens und des Zwölffingerdarms werden Gewebeproben (Biopsie) entnommen, die typische Veränderungen zeigen können. Es kann auch ein Test auf Antikörper oder auf Erbmaterial der Bakterien aus der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit durchgeführt werden.
Die Diagnose von Morbus Whipple umfasst in der Regel die folgenden Schritte:
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- Anamnese und körperliche Untersuchung: Erhebung der Krankengeschichte und Untersuchung des Patienten auf typische Symptome.
- Laboruntersuchungen: Blutuntersuchungen zur Bestimmung von Entzündungswerten (CRP, BSG), Anämie, Leukozytose und Eosinophilie. Antinukleäre Antikörper, Anti-CCP-Antikörper und Rheumafaktorbestimmung fallen im Allgemeinen negativ aus.
- Endoskopie mit Dünndarmbiopsie: Entnahme von Gewebeproben aus dem Dünndarm während einer Ösophagogastroduodenoskopie. Histologische Untersuchung der Biopsien auf extrazelluläres Lipid und PAS-positive Makrophagen.
- PCR-Untersuchung: Nachweis der Erbsubstanz von Tropheryma whipplei in Gewebeproben (Dünndarm, Lymphknoten, Synovialgewebe, Herzklappen, Liquor, Knochenmark) oder Körperflüssigkeiten (Liquor, Synovialflüssigkeit).
- Liquoruntersuchung: Bei gastrointestinal gesicherter Diagnose eines Morbus Whipple ist immer eine PCR des Liquors zu empfehlen, da häufig ein asymptomatischer ZNS-Befall vorliegt (bis zu 40 %).
Therapie
Das Ziel der Therapie ist es, die Infektion zu heilen und einen Rückfall zu verhindern.
Die Krankheit wird mit Antibiotika behandelt. Zur Therapie werden Antibiotika wie zum Beispiel Penicillin, Cephalosporin oder Cotrimoxazol eingesetzt. Wenn Betroffene aufgrund der Darmbeschwerden Mangelzustände aufweisen, werden auch Vitamine, Salze und Spurenelemente verabreicht. Therapien führen oft bereits nach wenigen Tagen zu einer Besserung der Darm- und Gelenksymptome.
Über die Therapie besteht in den vorliegenden Arbeiten ebenfalls kein Konsens. Es existieren keine kontrollierten Studien. Im Allgemeinen wird aktuell eher eine 14-tägige intravenöse antibiotische Therapie mit Ceftriaxon (2g/Tag), gefolgt von einer einjährigen Therapie mit Cotrimoxazol (960mg 2x/Tag), empfohlen. Alternativ zu Ceftriaxon kann auch Meropenem (3x 1g/Tag) eingesetzt werden. Andere Autoren empfehlen eine zwölfmonatige Therapie mit Doxycyclin (2x 100mg/Tag) und Hydroxychloroquin (3x 200mg/Tag). Eine folgende lebenslange Therapie mit Doxycyclin wird ebenfalls diskutiert. Bei zerebralem Befall sollte auch der begleitende Einsatz von Steroiden evaluiert werden, um ein Hirnödem zu behandeln bzw. den Hirndruck zu senken.
Verlauf und Prognose
Morbus Whipple ist in der Regel heilbar, wenn die Krankheit frühzeitig diagnostiziert und mit Antibiotika behandelt wird. Ohne Behandlung verläuft Morbus Whipple in der Regel tödlich. Nach einer Antibiotika-Behandlung ist die Prognose hingegen relativ gut, die meisten Menschen erholen sich vollständig von der Infektion. Bei einigen Betroffenen kommt es allerdings zu Rückfällen, oft mit Befall des zentralen Nervensystems (Gehirn und Rückenmark). Außerdem bleibt nach einer überstandenen Infektion manchmal eine Herzschwäche zurück.
Auch neurologische Manifestationen entwickeln sich unter Umständen nicht vollständig zurück. Insgesamt ist die Prognose bei Menschen mit neurologischen Symptomen schlechter als bei Personen, bei denen das zentrale Nervensystem nicht beteiligt ist.
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Eine mögliche Komplikation des Morbus Whipple ist das sogenannte inflammatorische Immunrekonstitutionssyndrom (IRIS). Dabei treten während oder nach der Therapie mit Antibiotika erneut Entzündungszeichen auf.
Kontrolluntersuchungen
Kontrolluntersuchungen sollten im ersten Jahr nach 6 und 12 Monaten, im Weiteren jährlich über mindestens 3 Jahre, wenn möglich lebenslang, stattfinden. Die PAS-Positivität der Makrophagen (z.B. aus einer Duodenalbiopsie) kann lange bestehen bleiben. Histologisch ändert sich aber der Makrophagentyp. Die Persistenz einer positiven PCR in den Biopsien der intestinalen Mukosa ist ohne weitere Symptome/Befunde kein Hinweis auf ein Therapieversagen.