Die Magnetresonanzspektroskopie (MRS) ist eine nicht-invasive Methode zur Untersuchung von Stoffwechselprozessen im menschlichen Körper. Im Gegensatz zur MRT-Bildgebung, die detaillierte anatomische Bilder liefert, konzentriert sich die MRS auf die Gewinnung biochemischer Informationen, die in Form von Spektren dargestellt werden. Diese Spektren ermöglichen eine volumenselektive Messung des Stoffwechsels innerhalb eines bestimmten Hirnareals.
Grundlagen der MRT-Spektroskopie
Das Prinzip der MRT-Spektroskopie ähnelt dem der MR-Bildgebung. Während die MR-Bildgebung die Protonen des Wassers (ca. 60 % des Körpergewebes) nutzt, zielt die MR-Spektroskopie auf die Protonen funktioneller Gruppen von Stoffwechselprodukten (Metaboliten) ab. Die Herausforderung besteht in der geringen Konzentration dieser Metaboliten, die etwa 10.000-mal geringer ist als die der Wasserprotonen. Daher ist vor jeder Messung eine spezielle Eichung des MR-Scanners erforderlich (Shim).
Das MR-Spektrum: Ein Fenster zum Gehirnstoffwechsel
Das resultierende Spektrum enthält Informationen über die Konzentration einzelner Metabolite, die im gesunden Gehirn in definierten Verhältnissen vorliegen. Abweichungen von diesen Normwerten können auf bestimmte Krankheitsbilder hindeuten. Beispielsweise deutet ein Rückgang von N-Acetylaspartat (NAA), einem neuronalen Marker, auf einen Verlust von Hirnsubstanz hin. Eine erhöhte Cholin-Konzentration kann auf Proliferationsprozesse hindeuten, bei denen ein verstärktes Zellwachstum im Hirngewebe stattfindet (z. B. bei Tumoren).
In einem MR-Spektrum spiegelt die Höhe der einzelnen Peaks die Konzentration des jeweiligen Metaboliten wider, während seine Position auf der x-Achse die chemische Substanz identifiziert. Die Wasserstoffprotonen der verschiedenen Metabolitenmoleküle sind unterschiedlich an Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff und Wasserstoff gebunden. Dieses unterschiedliche Verhalten im Magnetfeld ermöglicht eine eindeutige Zuordnung ihrer Position im Spektrum. Im menschlichen Gehirn finden sich neben NAA auch Metabolite wie Kreatin (Cr) und Cholin (Cho).
Indikationen für die MRT-Spektroskopie
Die MRT-Spektroskopie wird vor allem bei differentialdiagnostischen Fragestellungen eingesetzt, wenn eine sichere Diagnose allein anhand der konventionellen Bilddaten schwierig ist. Dies umfasst die Unterscheidung zwischen Tumor und Ischämie sowie die Graduierung von Gliomen. Aufgrund ihrer hohen Sensitivität gegenüber geringfügigen Stoffwechselveränderungen, die im Frühstadium oft nicht im MR-Bild erkennbar sind, kann die MRT-Spektroskopie zur Früherkennung von Erkrankungen beitragen.
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Chemical Shift Imaging (CSI): Metabolitenbilder des Gehirns
Durch die Aufnahme vieler Spektren einer Schicht kann ein "Metabolitenbild" erstellt werden, das die Verteilung der einzelnen Metaboliten zeigt. Diese Methode, bekannt als Chemical Shift Imaging (CSI), ist nützlich für die Planung von Biopsien oder die Untersuchung globaler Stoffwechselerkrankungen des Gehirns.
Aufgrund des vergleichsweise hohen Aufwandes wird die MRT-Spektroskopie hauptsächlich als ergänzende diagnostische Methode eingesetzt, beispielsweise zur Klassifizierung von Hirntumoren oder im Rahmen der Differentialdiagnose metabolischer Erkrankungen.
Ausgewählte klinische Beispiele
- Multiple Sklerose (MS): Die MRT-Spektroskopie kann helfen, zwischen einem akuten Schub und einem chronischen Verlauf der MS zu unterscheiden. Der Nachweis von Laktat kann beispielsweise auf einen akuten MS-Schub hindeuten.
- Lymphom: Das Chemical Shift Imaging (CSI) kann bei der Diagnose von disseminierten Lymphomen hilfreich sein. Eine erhöhte Cholin-Konzentration (Proliferationsmarker) kann auf ein solches Lymphom hindeuten.
- Gliom: Die Analyse von Summenspektren pathologischer Areale kann wichtige Informationen liefern. Eine erhöhte Cholin-Konzentration, ein Rückgang des neuronalen Markers NAA und ein ausgeprägtes Laktatsignal können auf ein Gliom hindeuten.
Untersuchungsprotokoll in Heidelberg
Die Untersuchung wird an einem konventionellen Magnetresonanztomographen unter Aufsicht von Experten durchgeführt. Die Methode ist nicht-invasiv. Bei Verdacht auf einen Hirntumor wird ein multimodales MRT durchgeführt. Es besteht eine enge Zusammenarbeit mit der Neurologischen Klinik (Schwerpunkt Neuroonkologie) und der Neurochirurgie des Universitätsklinikums Heidelberg. Auch auf die Diagnostik kindlicher Hirntumore ist man spezialisiert. Alle Untersuchungen werden an MRT-Geräten der neuesten Generation mit hoher Feldstärke (3 Tesla) durchgeführt, um hochauflösende Bilder für eine präzise Diagnostik zu erhalten.
Schwerpunkte der Hirntumordiagnostik in Heidelberg
- Umfassende Erfahrung in der Diagnostik von Hirntumoren (ca. 16.000 MRT-Untersuchungen pro Jahr)
- Moderne Technik: Mehrere MRT-Anlagen der neuesten Generation, inklusive einer MRT-Anlage im OP-Bereich
- Enge Kooperation mit der Neurologischen Klinik und der Pädiatrischen Neuroonkologie
Zusätzliche Informationen durch MRT-Techniken
Neben der MR-Spektroskopie werden in Heidelberg auch andere MRT-Techniken eingesetzt, um zusätzliche Informationen über Hirntumoren zu gewinnen:
- Diffusionsgewichtete MRT: Ermöglicht eine Aussage über die Zelldichte des Tumors.
- Perfusionsbildgebung: Erlaubt eine Aussage über das Ausmaß der Tumordurchblutung.
Regelmäßige bildgebende Kontrollen sind bei einer Hirntumordiagnose unerlässlich, um das Ansprechen auf die Therapie zu beurteilen und ein erneutes Tumorwachstum auszuschließen. Intraoperative MRT-Untersuchungen mit einem Hochfeld-MRT ermöglichen es den Ärzten, während der Operation zu prüfen, ob der Tumor vollständig entfernt wurde.
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Erstellung von Konzentrationskarten
Ziel eines Projektes ist die Erstellung von Konzentrationskarten von Gehirnmetaboliten. Diese Karten können beispielsweise das Konzentrationsverhältnis von Kreatin (Cr) und N-Acetyl-Aspartat (NAA) in einem Tumorpatienten darstellen.
Schritte zur Erstellung von Konzentrationskarten
- Messung eines Spektrums innerhalb eines Voxels: Die Spektroskopie ist eine sehr sensitive MRT-Technik, die jedoch anfällig für Artefakte ist. Dennoch kann sie wertvolle Informationen über die Konzentrationen relevanter Neurotransmitter liefern.
- Bestimmung der Metabolitenkonzentrationen: Aus dem gemessenen Spektrum werden die Konzentrationen der interessierenden Metaboliten bestimmt. Hierfür stehen verschiedene Algorithmen zur Verfügung. Das Ergebnis ist eine Tabelle mit den berechneten Konzentrationen der Metaboliten in jedem einzelnen Voxel.
- Umwandlung in eine farbige Karte: Die Tabelle wird in eine farbige Karte umgewandelt, die die räumliche Verteilung der Metabolitenkonzentrationen darstellt.
Grundlagen der klinischen 1H-MR-Spektroskopie
Die physikalische Grundlage der 1H-MR-Spektroskopie ist identisch mit der der MR-Bildgebung. Atomkerne mit einem magnetischen Dipolmoment (z. B. Protonen des Wassers) werden in einem Magnetfeld einem Hochfrequenzpuls (HF-Puls) ausgesetzt. Die dadurch bedingte Umorientierung dieser Dipole ist mit der Ausstrahlung oder Absorption von Energie verbunden. Das aufgenommene Energiespektrum bildet intramolekulare Feldänderungen ab, die durch Wechselwirkungen der Protonen mit der Elektronenhülle und benachbarten Atomkernen verursacht werden. Diese sind charakteristisch für die chemische Bindung, in der sich das Atom befindet, sodass das Spektrum wie ein Fingerabdruck der beobachteten Verbindung zu werten ist. Die Fläche unter dem Spektrum ist proportional zur Konzentration der Verbindung.
Chemical Shift
In der Spektroskopie werden die Intensitäten üblicherweise nicht in Abhängigkeit von der Energie (oder Frequenz), sondern in Abhängigkeit von der relativen Verschiebung, bezogen zur bekannten Frequenz einer Referenzsubstanz, aufgetragen. Da diese in der Größenordnung von 10-6 liegen, spricht man von "parts per million" (ppm). Diese Resonanzfrequenzunterschiede werden auch als "chemical shift" bezeichnet. Durch die Verhältnisangabe in ppm wird zugleich eine Unabhängigkeit von der Stärke des Magnetfeldes erreicht. So ist zum Beispiel der Resonanzunterschied von Fett- und Wasserprotonen bei 1,0 T 150 Hz und bei 1,5 T 225 Hz. In beiden Fällen beträgt der Unterschied jedoch 3,5 ppm.
Lokalisation und Sequenzen
Die Lokalisation eines Untersuchungsvolumens geschieht durch die Schaltung von Magnetfeldgradienten und einer bestimmten Abfolge von HF-Pulsen (Sequenz). Für die Einzelvolumenspektroskopie werden die "point resolved spectroscopy" (PRESS)-Sequenz und die "stimulated echo acquisition method" (STEAM)-Sequenz eingesetzt. Aufgrund des Sequenzdesigns ist das Signal-Rausch-Verhältnis bei der PRESS-Sequenz besser, allerdings können mit der STEAM-Sequenz kürzere Echozeiten (Zeit von der Anregung bis zur Datenaufnahme) erreicht werden. Die Echozeit beeinflusst die detektierbaren Metabolite. So sind zum Beispiel die Signale der Metabolite Glutamin/Glutamat und Myo-Inositol bei einer Echozeit von 135 ms nicht detektierbar. Mit modernen MR-Geräten und schnelleren Gradientensystemen ist es heute möglich, auch mit der PRESS-Sequenz kurze Echozeiten zu erreichen und damit das bessere Signal-Rausch-Verhältnis auszunutzen.
Quantifizierung der Metabolitenspektren
Für die Beurteilung der Metabolitenspektren ist eine Quantifizierung erforderlich. Diese kann mit verschiedenen Methoden vorgenommen werden:
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- Relative Signalintensitätsverhältnisse (Metabolitenratios): Die Metabolitensignalintensitäten werden entweder innerhalb eines Spektrums miteinander in Beziehung gesetzt (z. B. Gesamt-NAA zu Gesamt-Kreatin) oder die Signalintensitäten eines pathologischen Spektrums werden auf die entsprechenden Signalintensitäten eines zweiten, in normalem Hirngewebe akquirierten Spektrums bezogen (z. B. Cholin im Tumor versus Cholin in normalem Marklager). Die Bildung von Metabolitenratios innerhalb eines Spektrums erlaubt keine valide Aussage über Konzentrationsänderungen einzelner Metabolite in pathologisch verändertem Gewebe und ist daher als das am wenigsten aussagekräftige Verfahren anzusehen.
- Vergleich der Metabolitensignalintensitäten: Durch den Vergleich der Metabolitensignalintensitäten im Tumorspektrum und bildmorphologisch normalem Hirngewebe können relativ zuverlässige Daten zu tatsächlichen Konzentrationsänderungen gewonnen werden.
- Absolute Quantifizierung der Metabolitensignale: Dies gilt als Goldstandard für die quantitative Beurteilung von Metabolitenspektren. Diese kann entweder molar (mmol/L) oder in dimensionslosen Laboreinheiten erfolgen.
Qualitätskriterien für die Auswertung von Tumorspektren
Die mittels 1H-MRS gewonnenen Spektren einer intrakraniellen Raumforderung können nur dann sinnvoll ausgewertet werden, wenn folgende Qualitätskriterien beachtet werden:
- Das Messvolumen (mindestens 1,5 mL) sollte in vitales Tumorgewebe gelegt und Kontaminationen durch Nekrosen, Liquorräume oder ödematöses Hirnparenchym möglichst vermieden werden. Der Partialvolumenanteil sollte höchstens 20 Prozent des Messvolumens betragen.
- Die lokale Magnetfeldhomogenität im Bereich des Untersuchungsvolumens sollte eine sichere Trennung des Gesamt-Cholin- und Gesamt-Kreatin-Peaks ermöglichen.
- Signalartefakte oder Distorsionen der Basislinie sollten nicht vorliegen.
Charakteristische Muster der Metabolitkonzentrationen bei intrazerebralen Tumoren
Intrazerebrale Tumoren verdrängen oder infiltrieren das normale Hirnparenchym, was zu einer Änderung der Metabolitkonzentrationen im Vergleich zu einem Normalspektrum führt. Die am intensivsten untersuchten Parameter sind die des Zellmembranumbaus (Gesamt-Cholin), des Energiestoffwechsels (Gesamt-Kreatin) sowie des Neuronenverlustes (Gesamt-NAA).
Bei Gliomen können Erhöhungen von Gesamt-Cholin bei gleichzeitiger variabler Erniedrigung von Gesamt-Kreatin und Gesamt-NAA gemessen werden. Es besteht eine gute Korrelation der Gesamt-Cholin-Erhöhungen mit dem histologischen Proliferationsmarker Ki-67.
Graduierung von Gliomen
Die Unterscheidung zwischen niedriggradigen (WHO I und II) und höhergradigen Gliomen (WHO III und IV) ist von besonderer prognostischer Bedeutung. In Bezug auf die spektroskopische Graduierung von Gliomen besitzen Gesamt-Cholin und Lipide den größten prädiktiven Wert. Studien belegen, dass durch den Einsatz der 1H-MRS Korrektheitsraten in der Größenordnung von 85 bis 95 Prozent erreicht werden können, was eine deutliche Verbesserung gegenüber der konventionellen MR-Bildgebung bedeutet.
Unterscheidung verschiedener Gliome gleicher Graduierung
Zurzeit kann noch nicht sicher zwischen verschiedenen Gliomen gleicher Graduierung unterschieden werden, da unabhängig von der Tumorart gleichsinnige Veränderungen von Zellmembranumbau, Verlust an Neuronen und Veränderungen des Energiestoffwechsels auftreten. Wahrscheinlich können jedoch in den nächsten Jahren durch den Einsatz höherer Feldstärken und der parallelen Bildgebung weitere Metabolite nachgewiesen werden, die Ansätze für eine Differenzierung verschiedener Gliome gleicher Graduierung bieten. Bisher besteht nach eigenen Erfahrungen nur bei Gliosarkomen die Möglichkeit einer Unterscheidung mittels 1H-MR-Spektroskopie: Diese zeigen teilweise sehr hohe Lipidkonzentrationen wie sie für Metastasen typisch sind.
Extrazerebrale Tumoren
Bei Metastasen oder Meningeomen ist aufgrund des verdrängenden Wachstums in der Regel kein Gesamt-NAA-Signal nachzuweisen. Im Gegensatz zu höhergradigen Gliomen, bei denen infolge des infiltrativen Wachstums auch außerhalb von Kontrastmittel anreichernden Tumoranteilen tumortypische Spektren nachgewiesen werden können, zeigen Metastasen außerhalb der pathologischen Kontrastmittelanreicherung keine Metabolitveränderungen, die als Folge einer tumorösen Zellproliferation zu werten wären. Auffällig ist bei Metastasen zudem ein deutliches Lipidsignal, das eine dem Signal für Gesamt-Cholin vergleichbare Peakhöhe aufweist. Bei Glioblastomen sind dagegen die Lipid-Peaks in der Regel deutlich niedriger als der Gesamt-Cholin-Peak. Problematisch bei der Differenzialdiagnose sind die wenigen Fälle, in denen das Metastasenspektrum keinen nennenswerten Lipid-Peak aufweist. Unter diesen Bedingungen ist spektroskopisch die Unterscheidung zwischen einer Metastase und einem Gliom WHO III nicht möglich.
Meningeome WHO I zeigen eine geringe Erhöhung von Gesamt-Cholin beim Fehlen von Gesamt-Kreatin und Gesamt-NAA. In der Mehrzahl der Fälle lässt sich Alanin (Ala) nachweisen. Obwohl dieses nicht spezifisch für Meningeome ist, kann ihr typisches spektrales Muster mit mäßiger Gesamt-Cholin- und deutlicher Alanin-Erhöhung bei gleichzeitig fehlenden Gesamt-NAA- und Gesamt-Kreatin-Resonanzen im Einzelfall wichtige differenzialdiagnostische Hinweise liefern, beispielsweise in der Abgrenzung meningealer Metastasen von Meningeomen.
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