Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die vor allem junge Erwachsene im Alter zwischen 20 und 40 Jahren betrifft. Sie wird als Autoimmunerkrankung angesehen, bei der es zu einer Autoaggression gegen die Markscheiden der Nervenfasern kommt. Die Symptome der MS können vielfältig sein und reichen von Sehstörungen und Sensibilitätsstörungen bis hin zu motorischen Störungen, Gleichgewichtsstörungen und Erschöpfung.
Die schulmedizinische Therapie der MS zielt darauf ab, die Entzündung zu reduzieren, die Symptome zu lindern und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Dabei kommen vor allem Immunsuppressiva und Immunmodulatoren zum Einsatz. Ergänzend dazu gibt es eine Reihe von alternativen und komplementären Behandlungsmethoden, die von MS-Patienten häufig genutzt werden.
Ganzheitliches Therapiekonzept bei Multipler Sklerose
In der Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) verfolgen viele Ärzte und Therapeuten einen ganzheitlichen Ansatz, der sowohl schulmedizinische als auch naturheilkundliche Verfahren integriert. Ziel ist es, die Patienten bestmöglich zu unterstützen und gleichzeitig die Belastung durch Nebenwirkungen zu minimieren.
Geschichte und Häufigkeit der Multiplen Sklerose
Die Erstbeschreibung der MS erfolgte um 1835 durch Cruveilhier. Die Forschung hat gezeigt, dass Menschen, die bis zum 15. Lebensjahr in Breitengraden mit viel Sonne leben, seltener an MS erkranken. Eine interessante Korrelation wurde 1979 von dem ungarischen Neurologen Bottyan festgestellt, der einen Zusammenhang zwischen der MS-Häufigkeit und der Zahnarztdichte pro Einwohner fand. Dies deutet darauf hin, dass Faktoren wie unnatürliche Ernährung, die zu Zahnschäden führen, eine Rolle spielen könnten. Aktuelle Schätzungen (Stand 2017) gehen von über 200.000 MS-Patienten in Deutschland aus, wobei die tatsächliche Zahl möglicherweise höher liegt als bisher angenommen.
Was passiert bei der Multiplen Sklerose?
Bei der MS kommt es zu einer Autoimmunreaktion, bei der das Immunsystem die Markscheiden der Nervenfasern angreift. Dies führt zu Entzündungen und Schädigungen der Nerven, was wiederum die neurologischen Symptome verursacht. Schon Wochen oder Monate bevor die MS klinisch erkennbar wird, können allgemeine Symptome wie Antriebsverlust, Gewichtsabnahme und diffuse Muskel- und Gelenkschmerzen auftreten. Im Schub finden sich zeitgleich entzündungsfördernde und -hemmende Prozesse, bis fast zum Zusammenbruch der Blut-Hirn-Schranke.
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Was charakterisiert den MS-Schub?
Typische Erstsymptome der Multiplen Sklerose sind Sehstörungen (z. B. unscharfes Sehen, Doppelbilder), seltener motorische Störungen (besonders der Beine) und Sensibilitätsstörungen wie Kribbeln, Ameisenlaufen und Taubheitsgefühl. Der Verlauf der MS und die Prognose können je nach Art der Erstsymptome variieren.
Schulmedizin bei Multipler Sklerose
Die schulmedizinische Therapie der MS beruht im Wesentlichen auf Immunsuppression mit Cortison bzw. Immuntherapeutika. Diese zielen darauf ab, die Entzündung zu reduzieren und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen.
Ernährung bei MS
Es gibt keine spezifische "MS-Diät", aber eine ausgewogene Ernährung mit viel frischem Gemüse, Salat, Obst, Fisch und ungesättigten Fettsäuren wird empfohlen. Mangelernährung, Überernährung und unregelmäßiges Essen sollten vermieden werden. Ausreichend Flüssigkeitszufuhr ist ebenfalls wichtig.
Naturheilkundliche Therapien bei MS
Neben der Schulmedizin gibt es eine Reihe von naturheilkundlichen Therapien, die bei MS eingesetzt werden können. Dazu gehören:
- Homöopathie: Die Homöopathie zielt darauf ab, die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren und die Symptome zu lindern.
- Ernährungstherapie: Verschiedene diätetische Modelle, wie z.B. Agranoff & Goldberg oder das Rohkostmodell nach Evers, werden zur Behandlung der MS eingesetzt.
- Mikronährstofftherapie: Die Zufuhr von Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen kann helfen, Mangelzustände auszugleichen und die Immunabwehr zu stärken.
- Darmsanierung: Eine gesunde Darmflora ist wichtig für ein starkes Immunsystem. Eine Darmsanierung kann helfen, die Darmflora wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
- Osteopathie: Osteopathische Techniken können helfen, Blockaden zu lösen und dieFunktion des Nervensystems zu verbessern.
- Entgiftung: Die Ausleitung von Schwermetallen und Umweltgiften kann das Immunsystem entlasten.
Detaillierter Einblick in alternative Behandlungsmethoden
Ernährung und Diäten
Obwohl es keine spezifische Diät für MS-Erkrankte gibt, wird vermutet, dass die Ernährungsweise MS-Symptome beeinflussen kann. Eine gesunde, ausgewogene Ernährung ist deshalb besonders wichtig. Essen Sie abwechslungsreich mit viel Gemüse und Obst und nehmen Sie sich genügend Zeit für die Mahlzeiten. Sowohl die vegane (ausschließlich pflanzliche Kost) als auch die ketogene (viele tierische Fette und Eiweiße) Diät tauchen im Zusammenhang mit MS immer wieder auf.
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Studien zeigen, dass vegane Ernährung Müdigkeitserscheinungen und seelisches Befinden verbessern kann. Ihr Gegenstück, die ketogene Ernährung, weist laut einer aktuellen Studie an der Berliner Charité allerdings ähnlich positive Effekte auf. Auch intermittierendes Fasten, entzündungshemmende Ernährung sowie die Paleo-Diät können für mehr psychisches und körperliches Wohlbefinden trotz MS sorgen.
Wichtig: Wer sich für eine besondere Ernährungsform entscheidet, sollte sich auskennen, da dies mit Mangelzuständen (z. B. Vitamin B12-Mangel bei veganer, Folsäuremangel bei ketogener Ernährung) einhergehen kann. Untergewicht oder Übergewicht sollten vermieden werden.
Vitamin D
In mehreren Studien wurde und wird der Zusammenhang zwischen dem Vitamin-D-Spiegel im Blut und MS untersucht. Erste Ergebnisse lassen vermuten, dass das Vitamin die Schubrate verringern könnte. Dies ist jedoch noch nicht gesichert; ein aussagekräftiges Ergebnis wird erst in einigen Jahren vorliegen können.
Vitamin D bildet der Körper unter Einwirkung von Sonnenlicht selbst; im Sommer reichen dafür täglich einige Minuten.
Vor einer unkontrollierten Aufnahme von Vitamin-D-Präparaten muss gewarnt werden. Zu hohe Mengen können zu Gesundheitsschäden führen - dies trifft zum Beispiel auf einige Nierenkrankheiten zu.
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Mikronährstoffe und ihre Bedeutung
Die Bedeutung von Mikronährstoffen wie Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen wird in der Behandlung von MS immer wichtiger. Ein Mangel an bestimmten Nährstoffen kann die Symptome der MS verschlimmern und den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen.
- Vitamin B12: Der Körper benötigt Vitamin B12 bei der Remyelenisierung, z.B. nach einem akuten MS-Schub. Wer sich vegan ernährt, sollte auf jeden Fall regelmäßig den Vitamin-B12-Wert überprüfen lassen.
- Zink: Ein Zinkmangel kann die Entgiftung von Schwermetallen stören.
- Magnesium, Kalium und Calcium: Eine Messung dieser Werte kann sinnvoll sein, um Mängel zu erkennen und zu behandeln.
Darmgesundheit und MS
Der ehemalige Chefarzt und Buchautor Felix Perger fand heraus, dass kein MS-Patient eine ideale Darmflora hat. Bei MS-Patienten bestanden uneinheitliche Darmdysbiosen. Eine Darmdysbiose führt oft zu einer Autointoxikation, v.a. mit giftigem Ammoniak.
Herde und Störfelder
Herde und Störfelder, insbesondere im Zahn-Kiefer-Bereich, können das Grundsystem dauernd belasten. Eine kompetente ganzheitszahnärztliche Therapie zur richtigen Zeit ist daher von Bedeutung.
Stressreduktion
Verschiedene Studien zeigen, dass negativer Stress ein möglicher Faktor beim Auslösen von MS-Schüben ist und dass Stress die Symptome einer Multiplen Sklerose verschlechtern kann. Therapien, die helfen können, Stress zu vermeiden, können daher für MS-Erkrankte wirkungsvoll sein. Gute Methoden der Stressreduktion sind unter anderem Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR), Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung sowie Bewegungstherapien mit Aufmerksamkeitskomponente (Yoga, Tai-Chi, Heileurythmie, Feldenkrais, Qigong).
Akupunktur
Als Teil der Traditionellen chinesischen Medizin ist fachkundig ausgeführte Akupunktur eine Option bei der funktionellen und regulativen Therapie zur Symptomlinderung bei MS. Die Wirkungsmechanismen der Akupunktur sind wissenschaftlich umstritten. Allerdings wurden mehrfach positive Effekte in der Behandlung von MS-Erkrankten mit chronischen Schmerzen beobachtet. Auch positive Wirkungen auf Darmfunktion und Fatigue sind möglich und können insgesamt zu einer Verbesserung der Lebensqualität führen.
Therapien, die vermieden werden sollten
Neben unwirksamen Therapien gibt es auch gefährliche Behandlungsmethoden, die zudem in der Regel nicht wissenschaftlich untersucht worden sind. Zu ihnen zählen die Verstärkung der Immunreaktion (sogenannte Immunaugmentation), die Frischzellentherapie, bei der Zellen von Kalbsföten oder jungen Kälbern gespritzt werden, die Behandlung mit Schlangen- oder Bienengift, die schwere Allergien nach sich ziehen kann sowie die intrathekale Stammzellentherapie, bei der dem Patienten eigene Stammzellen in den Rückenmarkskanal gespritzt werden und die tödlich verlaufen kann. Auf diese Behandlungen sollten MS-Erkrankte in jedem Fall verzichten. Auch die Amalgamsanierung kann nach heutigem Kenntnisstand nicht empfohlen werden.
Schulmedizinische Therapieansätze im Detail
Immunsuppressive Therapie
Eine immunsuppressive Therapie (verlaufsmodifizierende Therapie, Basis-Therapie) besteht in der langfristigen Gabe von sogenannten Immuntherapeutika. Dazu zählen Wirkstoffe, welche die Aktivität des Immunsystems unterdrücken (Immunsuppressiva) bzw. Immunreaktionen gezielt verändern (Immunmodulatoren).
Die immunsuppressive Therapie bei Multiple Sklerose ist zwar nicht in der Lage, eine MS zu heilen, sie kann aber ihren Verlauf günstig beeinflussen. Den größten Effekt zeigt sie bei schubförmig verlaufender MS, also bei schubförmig remittierender MS, sowie aktiver sekundär progredienter MS (SPMS).
Mit „aktiv“ bezeichnet man das Auftreten von Schüben und/oder neuen oder sich vergrößernden entzündungsbedingten Schäden im ZNS. In diesen Fällen ist es durch die Therapie mit MS-Immuntherapeutika möglich, die Schubrate zu reduzieren sowie den fortschreitenden Behinderungen entgegenzuwirken, die durch die Schübe verursacht werden.
Arten von Immun-Therapeutika
Derzeit stehen unter anderem folgende Immuntherapeutika zur Behandlung von Multipler Sklerose zur Verfügung:
- Beta-Interferone (inkl. PEG-Interferon)
- Glatirameracetat
- Dimethylfumarat
- Teriflunomid
- S1P-Rezeptor-Modulatoren: Fingolimod, Siponimod, Ozanimod, Ponesimod
- Cladribin
- Natalizumab
- Ocrelizumab
- Ofatumumab
- Rituximab (keine Zulassung für Multiple Sklerose)
- Alemtuzumab
Die Auswahl geeigneter MS-Immuntherapeutika im Einzelfall richtet sich nach vielen verschiedenen Faktoren, etwa den verschiedenen Verlaufsformen der Multiplen Sklerose, der Krankheitsaktivität und nach eventuellen vorhergehenden Behandlungen mit Immuntherapeutika. Eine Rolle spielen auch individuelle Faktoren, zum Beispiel wie alt der oder die Betroffene ist, wie gut ein Medikament vertragen wird und ob eine bestimmte Begleiterkrankung oder eine Schwangerschaft vorliegt.
Die Bedeutung der Eigenverantwortung und Information
MS-Patienten sollten sich umfassend über ihre Erkrankung und die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten informieren. Es ist wichtig, die Vor- und Nachteile der verschiedenen Therapien abzuwägen und gemeinsam mit dem behandelnden Arzt ein individuelles Therapiekonzept zu entwickeln. Die Broschüre "Alternative und komplementäre Therapien der Multiplen Sklerose" der DMSG bietet hierfür eine gute Grundlage.
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