Cladribin (Mavenclad®) ist eine orale Kurzzeittherapie zur Behandlung von schubförmiger Multipler Sklerose (RMS) bei Erwachsenen. Es wirkt selektiv immunsuppressiv und reduziert gezielt die Immunzellen, die bei MS das eigene Nervensystem angreifen. Dieser Artikel fasst Erfahrungen, Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten zu Cladribin zusammen und bietet einen umfassenden Überblick für Patienten und medizinisches Fachpersonal.
Was ist Cladribin?
Cladribin ist ein Medikament aus der Gruppe der Immunsuppressiva, das zur Behandlung der hochaktiven schubförmigen Multiplen Sklerose (MS) eingesetzt wird. Es wird in Tablettenform verabreicht und wirkt, indem es gezielt Immunzellen reduziert, die bei MS das Nervensystem angreifen. Cladribin ist seit August 2017 in Deutschland zugelassen.
Wie wirkt Cladribin?
Cladribin ist ein Prodrug, das in den Körperzellen durch Phosphorylierung aktiviert wird. Es reduziert gezielt B- und T-Lymphozyten, was zu einer Verringerung der Schubrate, des Risikos einer Behinderungsprogression und der Entwicklung neuer MS-Läsionen im MRT führt. Es wird angenommen, dass Cladribin durch Hemmung der DNA-Synthese zytotoxische Wirkungen auf B- und T-Lymphozyten ausübt, was zur Reduktion von Lymphozyten führt.
Studienergebnisse zur Wirksamkeit von Cladribin
Mehrere Studien haben die Wirksamkeit von Cladribin bei der Behandlung von MS belegt. Die CLARITY-Studie zeigte eine signifikante Reduktion der jährlichen Schubrate um 58 % und des Risikos einer über 6 Monate bestätigten Behinderungsprogression um 47 %. Zudem wurden T1Gd+-Läsionen im zerebralen MRT um 86 % und aktive T2-Läsionen um 73 % reduziert.
Eine Verlängerung der CLARIFY-MS-Studie zeigte zum Zeitpunkt vier Jahre nach Initialdosis analog einen anhaltenden Therapienutzen bei mit Mavenclad behandelten Patienten (n = 280) nicht nur auf MRT-Befunde und Schübe, sondern auch auf die kognitive Leistungsfähigkeit. Speziell in Bezug auf die kognitiven Fähigkeiten wiesen 77,5 % der Patienten zum Zeitpunkt 4 Jahre verbesserte oder stabile Werte beim Symbol-Digit-Modalities-Test (SDMT) mit einem Cut-off bei 8 Punkten auf.
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Die Phase-IV-Erweiterungsstudie zu MAGNIFY-MS, die Patienten (n = 219) mit hochaktiver RMS unter Therapie mit Mavenclad untersuchte, ergab, dass 79,2 % der Patienten im vierten Behandlungsjahr keine nachweisbare Krankheitsaktivität (NEDA-3) aufwiesen. Die annualisierte Schubrate (ARR) blieb über den Zeitraum von vier Jahren insgesamt auf niedrigem Niveau (0,09) und ging bei nicht vorbehandelten Patienten weiter zurück (0,06).
Zwei-Jahres-Daten aus einer Substudie zu MAGNIFY-MS ergaben bei mit Mavenclad behandelten Patienten mit hochaktiver RMS eine insgesamt geringe Zunahme der Behinderung sowie niedrige Raten schubunabhängiger Behinderungsprogression (PIRA). Nach zwei Jahren zeigten sich insgesamt niedrige Raten bei allen behinderungsbezogenen Parametern. 93,7 % der Patienten wiesen keine PIRA auf. Besonders hervorzuheben ist die Senkung des PIRA-Status bei nicht vorbehandelten Patienten (3,4 % vs. 8,5 % bei vorbehandelten Patienten), was die Vorteile eines frühzeitigen Behandlungsbeginns mit Mavenclad verdeutlicht. In ihrer Gesamtheit lassen diese Daten darauf schließen, dass Mavenclad bei Menschen mit RMS die körperlichen Fähigkeiten erhalten und Schübe verhindern könnte.
Eine klinische Beobachtungsstudie mit 941 Patienten bestätigte, dass die Therapie mit Cladribin-Tabletten über zwei Behandlungsjahre die Erkrankung für mindestens 4 Jahre stabilisieren kann. Bei einer mittleren Beobachtungsdauer von 4,5 Jahren benötigten 66 % der Patienten nach ihrer letzten Dosis in Behandlungsjahr 2 keine weitere Therapie.
Mögliche Nebenwirkungen von Cladribin
Wie alle Medikamente kann auch Cladribin Nebenwirkungen verursachen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören:
- Lymphopenie (Verminderung der Lymphozytenzahl)
- Herpes zoster (Gürtelrose)
- Hautreaktionen
- Haarausfall
In seltenen Fällen kann Cladribin auch schwerwiegendere Nebenwirkungen verursachen, wie z. B. opportunistische Infektionen oder ein erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen.
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Sicherheitsmaßnahmen und Kontraindikationen
Vor Beginn einer Behandlung mit Cladribin sind bestimmte Sicherheitsmaßnahmen zu beachten und Kontraindikationen auszuschließen:
- Infektionen: Cladribin sollte nicht bei Patienten mit akuten oder chronischen Infektionen angewendet werden. Vor Behandlungsbeginn müssen entsprechende Tests durchgeführt werden, um Infektionen auszuschließen.
- Impfungen: Die Anwendung von Lebendimpfstoffen ist während der Therapie mit Cladribin kontraindiziert. Vor Therapiebeginn sollten alle erforderlichen Impfungen gemäß STIKO-Empfehlungen durchgeführt werden.
- Schwangerschaft und Stillzeit: Cladribin ist während der Schwangerschaft und Stillzeit streng kontraindiziert. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung und mindestens sechs Monate nach der letzten Dosis eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden.
- Lymphozytenzahl: Die Lymphozytenzahl muss vor und während der Behandlung mit Cladribin regelmäßig kontrolliert werden. Bei niedrigen Lymphozytenwerten muss die Behandlung unterbrochen oder verschoben werden.
- Krebsrisiko: In klinischen Studien wurde bei Patienten, die mit Cladribin behandelt wurden, eine numerisch höhere Anzahl von malignen Erkrankungen beobachtet als bei Patienten, die Placebo erhielten. Dieser Unterschied war jedoch nicht statistisch signifikant. Patienten sollten die Standardleitlinien für Krebsvorsorgeuntersuchungen beachten.
- Weitere Kontraindikationen: Cladribin darf nicht angewendet werden bei immunkompromittierten Patienten, Patienten mit mittelschwerer oder schwerer Nierenerkrankung oder Lebererkrankung sowie bei Patienten mit einer Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile.
Dosierung und Anwendung von Cladribin
Cladribin wird in Tablettenform verabreicht. Die empfohlene Dosis beträgt 3,5 mg/kg Körpergewicht, verteilt auf zwei Behandlungsjahre. In jedem Behandlungsjahr erfolgt die Einnahme in zwei Behandlungszyklen im Abstand von vier Wochen. Jeder Behandlungszyklus umfasst die Einnahme von einer oder zwei Tabletten pro Tag über vier oder fünf Tage. Die Tabletten sollten unzerkaut und jeden Tag des Behandlungszyklus zur gleichen Zeit eingenommen werden. Die Einnahme kann unabhängig von Mahlzeiten erfolgen.
Erfahrungen von Patienten mit Cladribin
Die Erfahrungen von Patienten mit Cladribin sind unterschiedlich. Einige Patienten berichten von einer deutlichen Verbesserung ihres Zustands und einer Reduktion der Schübe, während andere mit Nebenwirkungen zu kämpfen haben. Es ist wichtig, sich vor Beginn einer Behandlung mit Cladribin umfassend von einem Arzt beraten zu lassen und die möglichen Risiken und Vorteile abzuwägen.
Cladribin im Vergleich zu anderen MS-Therapien
Cladribin ist eine von mehreren verfügbaren Therapien zur Behandlung der schubförmigen MS. Andere Therapieoptionen umfassen unter anderem Interferon-beta, Glatirameracetat, Natalizumab, Fingolimod und Ocrelizumab. Die Wahl der geeigneten Therapie hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z. B. der Krankheitsaktivität, dem Vorliegen von Begleiterkrankungen und den individuellen Präferenzen des Patienten.
In einer Bewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) wurden zehn Wirkstoffe zur Behandlung von MS verglichen, darunter auch Cladribin. Die Bewertung zeigte, dass einige Wirkstoffe, wie z. B. Ofatumumab und Ponesimod, einen höheren Nutzen für Betroffene bieten als andere. Es wurde jedoch auch festgestellt, dass für viele Vergleiche und Therapiestrategien Daten fehlen und dass relevante Zielgrößen in einzelnen Studien nicht erhoben wurden.
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