Primär progrediente Multiple Sklerose: Definition, Diagnose und Therapie

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), die Gehirn und Rückenmark betrifft. In Deutschland sind etwa 250.000 Menschen an MS erkrankt, wobei die Krankheit meist im jungen Erwachsenenalter auftritt. Die MS ist bekannt für ihre vielfältigen Erscheinungsformen, was die Diagnose oft erschwert. Weltweit leben fast drei Millionen Menschen mit MS, davon über 280.000 in Deutschland. Die Erkrankung manifestiert sich in unterschiedlichen Verlaufsformen, wobei die Symptome entweder schubartig oder langsam fortschreitend auftreten können.

Symptome der Multiplen Sklerose

Die Symptome der MS sind vielfältig und hängen davon ab, welche Bereiche des ZNS betroffen sind. Häufige Symptome sind:

  • Gefühlsstörungen wie Kribbeln oder Taubheitsgefühle
  • Lähmungen
  • Seh- und Gleichgewichtsstörungen
  • Müdigkeit (Fatigue)
  • Muskelschwäche und verlangsamte Bewegungsabläufe
  • Erhöhte Muskelspannung (Spastik)
  • Missempfindungen auf der Haut
  • Körperliche und psychische Erschöpfung

Ein erstes Anzeichen für MS kann eine Entzündung des Sehnervs (Optikusneuritis) sein, die sich durch Schmerzen beim Bewegen der Augen und Sehverschlechterung äußert. Unkontrollierte Augenbewegungen (Nystagmus) können ebenfalls auftreten.

Verlaufsformen der Multiplen Sklerose

Die Multiple Sklerose ist nicht durch ein einheitliches Krankheitsbild gekennzeichnet. Mediziner unterscheiden drei Hauptformen:

  1. Schubförmig-remittierende MS (RRMS): In den meisten Fällen beginnt die MS mit Schüben, gefolgt von teilweiser oder vollständiger Rückbildung der Symptome (Remission).
  2. Sekundär progrediente MS (SPMS): Bei etwa 15 Prozent der Betroffenen geht die RRMS in eine SPMS über, bei der sich die Symptome zwischen den Schüben nicht mehr vollständig zurückbilden oder sich im Laufe der Zeit verstärken.
  3. Primär progrediente MS (PPMS): Etwa 10-15 Prozent der Betroffenen zeigen von Beginn an einen langsam fortschreitenden Verlauf ohne erkennbare Schübe.

Zusätzlich wird jede Form danach bewertet, ob sie entzündlich aktiv ist oder nicht.

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Primär progrediente Multiple Sklerose (PPMS) im Detail

Die primär progrediente MS (PPMS) betrifft etwa 10 Prozent der MS-Patienten. Bei dieser Form verschlimmern sich die Symptome von Beginn an kontinuierlich, ohne erkennbare Schübe. Bleibende Beeinträchtigungen nehmen stetig zu. Die PPMS tritt meist erst ab dem 40. Lebensjahr auf. Die Diagnose der PPMS kann eine Herausforderung darstellen, da die typischen Schübe fehlen.

Diagnose der Multiplen Sklerose

Die Diagnose der MS ist komplex, da es keinen spezifischen Test gibt. Es handelt sich um eine Ausschlussdiagnose, bei der andere mögliche Ursachen für die Symptome ausgeschlossen werden müssen. Entscheidend ist der Nachweis von Entzündungsherden an mehreren Stellen im Gehirn oder Rückenmark. Zu den wichtigsten Untersuchungen gehören:

  • Magnetresonanztomographie (MRT): Darstellung von Entzündungsherden im Gehirn und Rückenmark. Kontrastmittel können aktive Entzündungsstellen hervorheben.
  • Lumbalpunktion: Untersuchung des Nervenwassers auf Entzündungszeichen und oligoklonale Banden.
  • Messung evozierter Potentiale (VEP, SEP): Überprüfung der Nervenleitgeschwindigkeit von Sehnerven und Nervenbahnen.

Die McDonald-Kriterien werden verwendet, um die MS-Diagnose zu standardisieren.

Therapie der Multiplen Sklerose

Die Therapie der MS ist individuell und zielt darauf ab, die Symptome zu lindern, Schübe zu behandeln und den Krankheitsverlauf zu beeinflussen.

  • Schubtherapie: Cortison-Infusionen oder -Tabletten können helfen, die Entzündung bei einem akuten Schub zu reduzieren. In seltenen Fällen kann eine Blutwäsche (Apherese) eingesetzt werden, um Immunzellen zu entfernen.
  • Immuntherapie: Diese Medikamente beeinflussen das Immunsystem, um Entzündungen zu reduzieren und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Es gibt verschiedene Immuntherapie-Mittel, darunter Antikörper, die das Eindringen von Immunzellen ins Gehirn verhindern oder deren Konzentration im Blut reduzieren.
  • Symptomatische Therapie: Medikamente und andere Maßnahmen können eingesetzt werden, um spezifische Symptome wie Spastik, Schmerzen oder Blasenstörungen zu behandeln.
  • Nicht-medikamentöse Therapie: Regelmäßige körperliche Aktivität, gesunde Ernährung und der Verzicht auf Rauchen können den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Physiotherapie, Logopädie und Ergotherapie können ebenfalls hilfreich sein.

Leben mit Multipler Sklerose

Trotz der chronischen Natur der MS können die meisten Betroffenen ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben führen. Es ist wichtig, Risikofaktoren zu vermeiden und den Lebensstil entsprechend anzupassen.

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  • Körperliche Aktivität: Sport und Bewegung sind ein wirksames Gegenmittel gegen Müdigkeit und Muskelschwäche.
  • Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Fisch und Vollkornprodukten kann positive Effekte haben.
  • Nichtrauchen: Rauchen ist ein Risikofaktor für MS und sollte vermieden werden.

Die Multiple Sklerose steht grundsätzlich weder einer Ausbildung noch der Berufsausübung, Freundschaften, Sport, sozialen Kontakten oder der Gründung einer Familie im Wege. Während der Schwangerschaft nimmt die Wahrscheinlichkeit für einen Schub ab, in den ersten drei Monaten nach der Geburt jedoch zu. Stillen scheint vor Schüben zu schützen. MS-Medikamente können sich auf das ungeborene Kind auswirken, weswegen besondere Vorsicht geboten ist.

Risikofaktoren und Prävention

Die genauen Ursachen der MS sind nicht vollständig geklärt, aber genetische und Umweltfaktoren spielen eine Rolle. Zu den Risikofaktoren gehören:

  • Genetische Veranlagung
  • Infektionen mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV)
  • Rauchen
  • Übergewicht in der Kindheit
  • Individuelle Darmflora
  • Geringe Sonnenexposition und Vitamin-D-Mangel

Forschung und Ausblick

Die Forschung im Bereich der Multiplen Sklerose hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Therapieoptionen, die den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen können. Ziel der Forschung ist es, die Ursachen der MS besser zu verstehen und neue, wirksamere Therapien zu entwickeln, die möglicherweise sogar eine Heilung ermöglichen.

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