Multiple Sklerose überwinden: Hoffnung und Fortschritte in Diagnostik und Therapie

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, von der in Deutschland schätzungsweise über 280.000 Menschen betroffen sind. Meist beginnt die Erkrankung im frühen Erwachsenenalter zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr, kann aber auch in anderen Altersgruppen auftreten. Die MS wird oft als "Krankheit mit den 1000 Gesichtern" bezeichnet, da ihr Verlauf sehr individuell ist und allgemeingültige Aussagen über Symptome und Therapieerfolge nur eingeschränkt möglich sind. Glücklicherweise gibt es stetige Fortschritte in der Forschung und Behandlung, die Betroffenen Hoffnung geben und spürbare Verbesserungen im Alltag ermöglichen.

Aktuelle Informationen und Austausch: Patient*innenveranstaltung des Universitätsklinikums Freiburg

Um Betroffene und Angehörige über die neuesten Entwicklungen in der Diagnostik und Therapie von MS zu informieren, veranstaltet das Universitätsklinikum Freiburg am 14. Februar 2025 eine Patient*innenveranstaltung. Die Veranstaltung findet von 17:00 bis 19:30 Uhr im Hörsaal Killianstraße des Universitätsklinikums Freiburg (Killianstraße 5, 79106 Freiburg) statt. Es besteht auch die Möglichkeit zur Online-Teilnahme.

Themen der Veranstaltung:

  • Wie entwickelt sich der Krankheitsverlauf?
  • Welche Rolle spielen MRT-Biomarker und die Untersuchung des visuellen Systems in der Diagnostik?
  • Welche neuen Erkenntnisse liefern Nervenwasser-Analysen?
  • Welche aktuellen Therapieoptionen gibt es, insbesondere bei fortschreitenden Verläufen?

Zusätzlich wird es Raum für individuelle Gespräche mit den Expert*innen des Universitätsklinikums Freiburg geben.

Hoffnungsträger Tolebrutinib: Neue Therapieansätze unabhängig von Entzündungen

Ein vielversprechender Wirkstoff in der MS-Therapie ist Tolebrutinib. Im April 2025 wurden im New England Journal of Medicine die Ergebnisse zweier großer, internationaler Phase-III-Studien veröffentlicht, die sich mit den Effekten von Tolebrutinib bei schubförmiger MS (GEMINI 1 und 2) und nicht-relapsierender sekundär progredienter MS (HERCULES) befassen.

Die GEMINI-Studien unter der Letztautorschaft von Prof. Dr. Heinz Wiendl (Universitätsklinikum Freiburg) zeigen, dass Tolebrutinib bei schubförmiger MS mindestens ebenso gut wie das Standardmedikament Teriflunomid akute Schübe reduziert. Darüber hinaus gab es deutliche Hinweise darauf, dass die Krankheit langsamer voranschreitet - auch unabhängig von Rückfällen (PIRA).

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Die HERCULES-Studie belegte erstmals signifikant positive Effekte bei sekundär progredienter MS, indem sie das Fortschreiten der Behinderung verzögerte. Damit ist Tolebrutinib eines der wenigen Medikamente mit Wirkung bei dieser schwer behandelbaren Verlaufsform.

Diese Ergebnisse sind ein bedeutender Fortschritt, da Tolebrutinib die Krankheit bremsen kann, selbst wenn keine akuten Entzündungen sichtbar sind. Bisherige Medikamente zielen primär auf die Kontrolle akuter Entzündungsprozesse ab, während Tolebrutinib auch langsame Verschlechterungen ohne messbare Entzündungszeichen beeinflussen kann.

Die "1000 Gesichter" der MS: Verlaufsformen und Symptome

Die Multiple Sklerose manifestiert sich in unterschiedlichen Verlaufsformen, die jeweils spezifische Charakteristika aufweisen:

  • Schubförmig remittierende MS (RRMS): Die häufigste Form, gekennzeichnet durch Schübe mit plötzlich auftretenden oder sich verschlimmernden Symptomen, gefolgt von Remissionen, in denen sich die Symptome wieder bessern oder verschwinden.
  • Sekundär progrediente MS (SPMS): Eine Übergangsphase, in der keine typischen Schübe mehr auftreten, sondern sich die Symptome langsam und kontinuierlich verschlechtern.
  • Primär progrediente MS (PPMS): Eine seltenere Form, bei der die Symptome von Beginn an stetig zunehmen, ohne dass Schübe oder ausgeprägte Remissionen auftreten.
  • Progressive rezidivierende MS (PRMS): Eine seltene und herausfordernde Form mit kontinuierlicher Verschlechterung der Symptome von Beginn an, wobei gelegentlich Schubphasen auftreten können.

Die Symptome der MS sind vielfältig und hängen davon ab, welche Bereiche des zentralen Nervensystems betroffen sind. Häufige Symptome sind:

  • Gefühlsstörungen (z.B. Kribbeln, Taubheitsgefühle)
  • Lähmungen
  • Sehstörungen (z.B. Entzündung des Sehnervs)
  • Gleichgewichtsstörungen
  • Müdigkeit (Fatigue)
  • Muskelschwäche und verlangsamte Bewegungsabläufe
  • Erhöhte Muskelspannung (Spastik)
  • Unkontrollierte Augenbewegungen (Nystagmus)
  • Psychische Veränderungen (z.B. Depressionen)

Aktiv bleiben: Sport und Bewegung als Therapiebegleitung

Regelmäßige körperliche Aktivität ist ein wesentlicher Bestandteil der MS-Therapie. Sport und Bewegung können dazu beitragen, die Symptome zu lindern, die Lebensqualität zu verbessern und den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Es gibt eine Vielzahl von Sportarten, die für Menschen mit MS geeignet sind:

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  • Aqua-Gymnastik: Kräftigt und mobilisiert den Körper im Wasser, verbessert Gangmuster und Ausdauer.
  • Bewegungslehren (Eutonie, Feldenkrais, Qigong, Tai Chi, Yoga): Stärken das innere Gleichgewicht, erhöhen die Körperwahrnehmung und können MS-Symptome lindern.
  • Fitness/Aerobic: Dynamisches Ganzkörpertraining, das Ausdauer, Koordination, Gleichgewicht und Konzentration schult.
  • Gerätetraining: Steigert die Leistungsfähigkeit in den Bereichen Ausdauer, Koordination, Kraft und Gleichgewicht.
  • Golf: Vereint Sport und Ausgleich an der frischen Luft, schult Konzentration, Ausdauer und Hand-Auge-Koordination.
  • Gymnastik: Erhält und verbessert die körperliche Leistungsfähigkeit, mobilisiert die Wirbelsäule, stärkt die Muskulatur und schult den Gleichgewichtssinn.
  • Kampfsport: Fördert Körperbeherrschung, Konzentration, Reaktion, Gleichgewicht und Beweglichkeit (eher für Menschen mit geringer MS-Symptomatik geeignet).
  • Kanufahren/Paddeln: Schult Gleichgewichtssinn und Koordination, trainiert die Rumpf- und Armmuskulatur.
  • Klettern: Erhöht Kraft und Ausdauer, stärkt das Selbstvertrauen und fördert die Arm-Bein-Koordination.
  • Laufen/Joggen: Trainiert das Herz-Kreislauf-System, die Ausdauer und die physische Leistung des Körpers.
  • Nordic Walking: Aktiviert viele Muskelgruppen, fördert die Beweglichkeit von Schultergürtel und Brustkorb, trainiert die Gehfähigkeit, das Gleichgewicht und das Herz-Kreislauf-System.
  • Radfahren: Stärkt Ausdauer und Kraft, wirkt der motorischen Fatigue entgegen, trainiert den Gleichgewichtssinn und die Muskeln, die für das Gehen bedeutend sind.
  • Pedelec: Ermöglicht das Radfahren auch bei Ausdauerproblemen oder motorischer Fatigue, besonders in hügeligem Gelände.
  • Dreirad/Trike: Ideal bei Gleichgewichtsproblemen, ermöglicht ein hohes Maß an Mobilität.
  • Reiten: Fördert Ausdauer, Muskelaufbau sowie Gleichgewichts- und Körpergefühl, trainiert Koordination, Balance und Konzentration.

Selbsthilfe und digitale Unterstützung: "Unser Kanal - Gemeinsam Grenzen überwinden"

Die Techniker Krankenkasse (TK) in Mecklenburg-Vorpommern fördert das innovative Selbsthilfeprojekt "Unser Kanal - Gemeinsam Grenzen überwinden" vom Landesverband Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG). Der länderübergreifende YouTube-Kanal dient als virtueller Treffpunkt für Menschen mit MS und bietet eine Plattform für Austausch, Information und Unterstützung.

Der Kanal wird in Zusammenarbeit mit dem DMSG-Landesverband Brandenburg neu gedacht und erreicht die Zuschauer*innen über die Landesgrenzen hinweg. Er bietet ein barrierefreies und niedrigschwelliges Angebot, das Menschen mit MS miteinander verbindet - unabhängig von ihren körperlichen Einschränkungen oder räumlichen Entfernungen.

Behandlungsleitlinie für Betroffene: Was können Menschen mit Multipler Sklerose tun?

Die Therapie der MS ist komplex und individuell. Sie setzt an verschiedenen Ebenen an:

  • Akuttherapie: Cortison als Infusion oder Tablette kann helfen, die Beschwerden bei einem Schub schneller abklingen zu lassen. Seltener kommt eine Blutwäsche zur Anwendung.
  • Immuntherapie: Beeinflusst das fehlgesteuerte Immunsystem, indem sie dieses verändert (immunmodulierend) oder dämpft (immunsuppressiv). Mittlerweile gibt es gut 20 Immuntherapie-Mittel, die individuell zugeschnittene Behandlungspläne ermöglichen.
  • Symptomatische Therapie: Medikamentöse und nicht-medikamentöse Behandlung von Folgesymptomen wie Spastik, Schmerzen, Fatigue oder Blasenstörungen.
  • Nicht-medikamentöse Maßnahmen: Regelmäßige körperliche Aktivität, gesunde Ernährung, Rauchverzicht und Stressmanagement können den Verlauf der MS günstig beeinflussen.

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