Multiple Sklerose und Hitze: Umgang mit dem Uhthoff-Phänomen

Extreme Hitze kann die Symptome der Multiplen Sklerose (MS) vorübergehend verschlimmern. Dieses Phänomen, bekannt als Uhthoff-Phänomen, betrifft viele MS-Patienten und kann ihre Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen der Hitzeempfindlichkeit bei MS, die Auswirkungen des Uhthoff-Phänomens und Strategien, wie Betroffene mit Hitze umgehen und ihre Symptome lindern können.

Was ist das Uhthoff-Phänomen?

Das Uhthoff-Phänomen, benannt nach dem deutschen Augenarzt Wilhelm Uhthoff, der es erstmals beschrieb, bezieht sich auf eine vorübergehende Verschlechterung neurologischer Symptome bei MS-Patienten aufgrund erhöhter Körper- oder Umgebungstemperatur. Uhthoff beobachtete bei seinen Patienten eine Abnahme der Sehschärfe nach körperlicher Anstrengung. Hohe Temperaturen können bei 60 bis 80 Prozent der MS-Betroffenen das Uhthoff-Phänomen auslösen.

Ursachen der Hitzeempfindlichkeit bei MS

Die Ursache für die Verschlechterung der Symptome bei Hitze liegt in den Folgen der entzündlichen Nervenerkrankung im Gehirn und Rückenmark. Prof. Tjalf Ziemssen, Leiter des Zentrums für klinische Neurowissenschaften und des Multiple Sklerose Zentrums am Uniklinikum Dresden, erklärt: „Dort bilden sich nach Abheilen der aufgetretenen Entzündungsherde Narben im Bereich der Nervenfasern, die bei Erhöhung der Körpertemperatur schlechter die Informationen weiterleiten können und somit zum Wiederauftreten von Beschwerden führen können.“

Bei einer Erhöhung der Körpertemperatur leiten die Nervenfasern die Reize langsamer weiter. Bereiche des zentralen Nervensystems, die von MS betroffen sind und ohnehin eine reduzierte Leitfähigkeit aufweisen, funktionieren dann noch schlechter.

Es ist wichtig zu betonen, dass Hitze allein keinen Krankheitsschub auslöst. MS-Spezialist Ziemssen betont, dass es sich um einen „Pseudoschub“ handelt. Die Symptome bilden sich in der Regel wieder zurück, sobald sich der Körper abgekühlt hat. Wenn die Symptome jedoch anhalten, auch wenn die Normaltemperatur wieder erreicht ist, sollte ein Neurologe konsultiert werden.

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Symptome des Uhthoff-Phänomens

Viele MS-Betroffene fühlen sich bei Hitze schlapp, müde und benommen. Auch Fatigue, Seh- und Sensibilitätsstörungen oder motorische Einschränkungen können zunehmen. Manche erleben Lähmungen und Spastiken und sind plötzlich nicht mehr in der Lage, zu gehen.

MS-Betroffene berichten von folgenden Erfahrungen:

  • Kerstin: „Hitze wirkt auf meinen Körper und Symptome wie Fatigue, Sehstörungen, Gangstörung und kognitive Probleme sehr extrem. Ich fühle mich wie lahmgelegt.“
  • Kevin: „Es fiel mir täglich schwerer, die Wärme und Luftfeuchtigkeit zu ertragen. Selten konnte ich länger als zwei Stunden draußen sein und wechselte regelmäßig meinen Standort in einen klimatisierten Raum.“

Strategien zur Vorbeugung und Linderung von Symptomen

Die beste Vorbeugung gegen das Uhthoff-Phänomen ist, einen Anstieg der Körpertemperatur zu vermeiden und direkt Maßnahmen zur Abkühlung zu ergreifen, sobald die Temperaturen steigen. Hier sind einige Tipps und Strategien, die MS-Betroffenen helfen können, mit Hitze umzugehen:

Allgemeine Maßnahmen

  • Meiden Sie die pralle Sonne: Halten Sie sich an heißen Tagen möglichst nicht in der Sonne auf und tragen Sie bei unvermeidlicher Sonnenexposition unbedingt eine Kopfbedeckung.
  • Trinken Sie ausreichend: Achten Sie darauf, ausreichend zu trinken, um einem Flüssigkeitsverlust vorzubeugen, der die Symptome zusätzlich verschlimmern würde. Am besten sind Wasser oder ungesüßter Tee geeignet. Auch zuckerarme Limonade, Lassis, Buttermilch oder Kefir können eine gute Wahl sein.
  • Passen Sie Ihren Tagesablauf an: Richten Sie Ihren Tagesablauf nach dem Vorbild der Südländer aus. Stehen Sie morgens früh auf, bevor es heiß wird, halten Sie um die Mittagszeit Siesta und werden Sie abends nochmals aktiv.
  • Planen Sie Pausen ein: Planen Sie an heißen Tagen genug Pausen ein und meiden Sie die Mittagshitze.
  • Nutzen Sie flexible Arbeitszeiten: Wenn Sie flexible Arbeitszeiten haben, nutzen Sie diese, um den Arbeitstag für Sie angenehmer zu gestalten. Besprechen Sie Ihre Vorstellungen zu einer angenehmeren Arbeit auch bei Hitze mit Ihrem Vorgesetzten.
  • Lüften Sie richtig: Lüften Sie nachts und verdunkeln Sie die Räume, wenn es morgens warm wird. Außenliegender Sonnenschutz ist besser als innenliegender.
  • Vermeiden Sie Zugluft: Durchzug ist zwar angenehm, aber Vorsicht bei Zugluft.

Kühlmethoden

  • Kühlkleidung: Kühlkleidung ist ein effektives Hilfsmittel - leicht anzuwenden, ohne Nebenwirkungen und relativ kostengünstig. Kühlwesten, Stirnbänder, Nackentücher, Kühlhauben oder Kühlstrümpfe sind eine wesentliche Therapieoption, auch vorsorglich bei zu erwartender Hitze oder Anstrengung.
  • Fußbäder: Füllen Sie einen Eimer mit Wasser und Eiswürfeln und machen Sie darin ein Fußbad - das funktioniert auch am Strand.
  • Kühlhandtücher: Nehmen Sie ein feuchtes Kühlhandtuch und schütteln Sie es kräftig - dadurch wird es kühl. Binden Sie das Handtuch um die Stirn, legen Sie es auf die Beine oder wickeln Sie es um die Unterarme.
  • Kühlkappen und Kühlwesten: Eine Kühlkappe oder Kühlhaube wird kurz in kaltes Wasser getaucht und ausgedrückt. Sie hält den Kopf rund zwei Stunden kühl. Eine Kühlweste kühlt den Oberkörper ebenfalls für etwa zwei Stunden.
  • Kühlmatten: Um den ganzen Körper abzukühlen, eignen sich Kühlmatten.
  • Lauwarm-kühle Duschen oder Bäder: Erhöht sich die Körpertemperatur, können auch lauwarm-kühle Duschen, Bäder oder Fußbäder hilfreich sein, um den Körper zu kühlen.
  • Klimatisierte Räume: Der Aufenthalt in klimatisierten Räumen ist ebenfalls vorteilhaft.
  • Lokale Kühlung: Bewegungsstörungen einzelner Gliedmaßen können durch lokale Kühlung mit Eiswasser zumindest kurzfristig gelindert werden.
  • Verdunstungskälte: Hängen Sie ein feuchtes Handtuch auf, zum Beispiel in Fensternähe, um Verdunstungskälte zu erzeugen.
  • Beine hochlegen: Legen Sie für 5 Minuten Ihre Beine an die Wand.

Ernährung

  • Wasserreiche Lebensmittel: Essen Sie wasserreiche Lebensmittel wie Gurke, Wassermelone, Tomaten, Ananas und Beeren.
  • Selbstgemachtes Eis: Pürieren Sie Früchte, mischen Sie sie bei Bedarf mit Joghurt oder etwas anderem, geben Sie sie in eine geeignete Form und genießen Sie sie nach ein paar Stunden aus dem Gefrierfach.
  • Wassereis: Gönnen Sie sich ein Wassereis, am besten mit integriertem Wasserbehälter.

Kühlkleidung im Detail

Frau Renner entwickelte Kühlkleidung aus einem Beratungsprojekt heraus, wo ein neuartiges Gewebe getestet wurde. Die Effekte auf MS-Betroffene wurden genauer untersucht, als MS-Patienten, Ärzte und Physiotherapeuten sie ansprachen. Das Wirkprinzip der Kühlkleidung basiert darauf, dass Wasser im Gewebe gespeichert und dann nach und nach abgegeben wird. Die Verdunstungskälte passt sich immer den Gegebenheiten an.

Dank der Kühlung haben sich folgende MS-Symptome verbessert: Fatigue, Kraft und Beweglichkeit. Der positive Effekt auf den Körper hält im Durchschnitt 10 bis 20 Minuten an, nachdem die Kühlkleidung ausgezogen wurde.

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Es gibt verschiedene Kleidungsstücke, von der Kopfbedeckung über Halstücher, T-Shirts, Westen, Arm- und Beinmanschetten bis hin zu Hosen. Am beliebtesten sind die Kühlungen für Oberkörper und Kopf. Die Kleidung ist sehr schnell aktiviert, indem man sie mit Wasser nassmacht und mit einem Tuch das überschüssige Wasser abtrocknet. Je nach Größe des Kleidungsstücks hält der Effekt 2 bis 5 Stunden an.

Die Stärke des Kühleffekts hängt von Sonneneinstrahlung, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Wind ab. Es gibt keine Regeln, die man beachten muss, um nicht zu stark gekühlt zu werden, solange man die Sachen mit Wasser aktiviert und anschließend äußerlich trocknet. Kühlkleidung, die zusätzlich in den Kühlschrank oder Gefrierschrank gelegt wird, kann zu Kälteverbrennungen führen.

Beim Tragekomfort und der optischen Alltagstauglichkeit wurde darauf geachtet, dass die Sachen klassisch bzw. sportlich sind. Es gibt auch kühlende Decken und Vorhänge, die man zum Schlafen nutzen kann, wenn es nachts zu warm bleibt.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Kühlkleidungen kann man diese Produkte in einer normalen Waschmaschine waschen. Die Lebensdauer beträgt beim Einsatz in der Industrie durchschnittlich 2 Jahre, bei MS-Patienten eher 5 Jahre, da die Sachen weniger beansprucht werden. Die Produktion ist nachhaltig, da sie in Deutschland oder dem europäischen Ausland stattfindet, maximal 500 km entfernt. Es wird zum Teil recyceltes Material für die Fasern verwendet und auf soziale und sichere Arbeitsbedingungen geachtet.

Die Produkte liegen im Preisbereich von 30 Euro für das Tuch bis 250 Euro für die Hose. Bettdecke und Vorhänge liegen noch etwas darüber. Mit dem passenden Schreiben und eventuell einem zweiten Anlauf hat man gute Chancen auf eine Erstattung von der Krankenkasse. Alternativ gibt es die Möglichkeit, die Produkte im Rahmen der Aufrechterhaltung oder Wiedererlangung des Jobs bezahlt zu bekommen bei einer Wiedereingliederung oder gleich im Anschluss an eine Reha-Maßnahme. Darüber hinaus kann man sich auch an die Nathalie Todenhöfer Stiftung oder den Caritasverband (Hertie Stiftung) wenden.

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NutzerInnen und behandelnde Ärzte geben sehr viele positive Rückmeldungen.

Mythos Sauna

Ein hartnäckiger Mythos ist es, dass Menschen mit Multipler Sklerose aufgrund ihrer Hitzeempfindlichkeit nicht in die Sauna gehen dürfen. Als allgemeiner Grundsatz sei dies jedoch nicht richtig, so Ziemssen.

Stressmanagement

Neben Hitzestress kann auch psychischer Stress das Uhthoff-Phänomen auslösen. Stressmanagement ist daher ein essenzieller Bestandteil des Lebens mit MS. Neben bewährten Strategien wie Entspannungstechniken und Tagesstrukturierung kann Kühlkleidung eine wertvolle Unterstützung sein.

Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass anhaltender, negativ empfundener Stress das Risiko für MS-Schübe erhöhen kann. Betroffene berichten oft, dass Stresssituationen zu erhöhter Erschöpfung (Fatigue) und anderen MS-Symptomen führen.

Fazit

Hitzeempfindlichkeit ist ein häufiges Problem für Menschen mit Multipler Sklerose. Das Uhthoff-Phänomen kann die Symptome vorübergehend verschlimmern und die Lebensqualität beeinträchtigen. Durch das Verständnis der Ursachen und Auswirkungen des Uhthoff-Phänomens und die Anwendung geeigneter Strategien zur Vorbeugung und Linderung von Symptomen können MS-Betroffene jedoch besser mit Hitze umgehen und ein aktives und erfülltes Leben führen.

Es ist wichtig, die Signale des eigenen Körpers ernst zu nehmen und im Zweifelsfall den Hausarzt oder Neurologen zu fragen. Jeder, der die Sonne liebt, kann sie in Maßen auch genießen, wenn er die Vorsichtsmaßnahmen beachtet.

Zusätzliche Informationen und Unterstützung

Bei weiteren Fragen zum Umgang mit dem Uhthoff-Syndrom können Sie sich jederzeit an trotz ms MEIN SERVICE wenden. Melden Sie sich online oder unter der kostenlosen Servicenummer - 0800.1010800.

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