Die Multiple Systematrophie (MSA) ist eine seltene, rasch fortschreitende neurodegenerative Erkrankung des Gehirns, die durch das Absterben von Nervenzellen in verschiedenen Hirnbereichen gekennzeichnet ist. Es gibt keine eindeutigen Hinweise, dass Multisystematrophie direkt vererbt wird. Die Krankheit manifestiert sich typischerweise im Erwachsenenalter, meist ab dem 30. Lebensjahr. Genaue Zahlen zur Häufigkeit der Multisystematrophie in Deutschland liegen nicht vor. Nach aktuellem Kenntnisstand geht man davon aus, dass etwa 2 bis 5 von 100.000 Einwohnern betroffen sind.
Die Erkrankung wirkt sich auch auf die feinmotorischen Fähigkeiten aus. Aufgrund der Bewegungseinschränkungen in Händen und Fingern werden alltägliche Aufgaben wie das Zuknöpfen von Kleidung oder das Greifen kleiner Gegenstände mühsamer und erfordern mehr Zeit und Konzentration.
Was ist Multiple Systematrophie (MSA)?
Multisystematrophie - kurz MSA - ist eine seltene, schnell fortschreitende Erkrankung des Gehirns. Die Multisystematrophie ruft eine Vielzahl an Symptomen hervor. Neben motorischen Beeinträchtigungen durch eine erhöhte Muskelspannung (Rigor) und eine Bewegungsarmut (Bradykinese beziehungsweise Akinese) zeigen sich Gleichgewichts- und Gangstörungen. Die Multisystematrophie ist eine immer weiter fortschreitende Erkrankung. Während anfangs vereinzelte Symptome, wie zum Beispiel Blasenentleerungsstörungen oder bei Männern Impotenz auftreten, kommen im Krankheitsverlauf immer mehr Symptome hinzu. Die Lebenserwartung bei Multisystematrophie beträgt nach dem Ausbruch der Erkrankung noch rund 10 Jahre. In einigen Fällen schreitet die MSA etwas langsamer voran und es kommt vor, dass Patienten mehr als 15 Jahre überleben. Die älteren Begriffe Shy-Drager-Syndrom, sporadische olivo-ponto-zerebelläre Atrophie (OPCA) und striatonigrale Degeneration (SND) bezeichnen unterschiedliche Ausprägungen des klinisch-neuropathologischen Spektrums der MSA, deren spezifisches Merkmal der Nachweis von a-Synuklein-positiven Ablagerungen in Oligodendrozyten ist.
Ursachen und Pathogenese
MSA entsteht aufgrund des Absterbens von Nervenzellen in mehreren Bereichen des Gehirns. Warum eine Schädigung der Nervenzellen in diesen Bereichen auftritt, ist bisher nicht vollständig geklärt. Bei den alpha-Synuclein genannten Ablagerungen handelt sich um fehlerhaft produzierte und falsch gefaltete Eiweiße. Diese können nicht abgebaut werden und führen letztendlich zum Absterben der Stützzellen. Bei Parkinson gibt es ebenfalls eine Anhäufung von alpha-Synuclein.
Genetische Faktoren und Risikofaktoren
Es gibt keine eindeutigen Hinweise, dass Multisystematrophie direkt vererbt wird. Dass sich die Erkrankung innerhalb einer Familie häuft, wurde nur in sehr seltenen Fällen beobachtet. Eine familiäre Häufung ist bisher nicht berichtet worden, und bislang konnten keine eindeutigen exogenen Risikofaktoren identifiziert werden.
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Symptome der Multisystematrophie
Die MSA-Krankheit kann eine Vielzahl von Symptomen verursachen. Eine diagnostizierte MSA bedeutet jedoch nicht, dass alle genannten Symptome auftreten müssen. Die Multisystematrophie beginnt häufig mit Störungen des vegetativen Nervensystems. Im fortgeschrittenen Stadium der MSA Krankheit treten neben motorischen Einschränkungen zusätzliche Symptome auf. Die Sprache wird oft undeutlicher und verwaschener. Außerdem zeigen sich häufig kognitive Beeinträchtigungen und Schlafstörungen. Die vielfältige klinische Symptomatik und die Unkenntnis der Pathogenese sind die Ursache der verwirrenden deskriptiven Bezeichnungen, Akronyme und Eigennamen, die in der Vergangenheit für die Multisystematrophie (MSA) gebraucht wurden.
MSA-P und MSA-C: Zwei Haupttypen
Bei der Multisystematrophie (MSA) werden je nach Ausprägung der klinischen Symptomatik zwei Typen voneinander unterschieden:
- MSA-P: Bei der Multisystematrophie vom Parkinson-Typ stehen ähnliche Symptome wie bei der Parkinson-Krankheit im Vordergrund.
- MSA-C: Von Multisystematrophie vom Typ C oder auch Multisystematrophie vom zerebellären Typ sprechen Ärzte, wenn Symptome wie Gleichgewichts- und Gangstörungen vorherrschen.
Bei beiden MSA-Typen treten zusätzlich Störungen des vegetativen Nervensystems auf.
- Parkinson-Symptome: Im fortgeschrittenen Stadium zeigen sich Parkinson-Symptome wie Muskelsteifheit und eine stark ausgeprägte Bewegungsarmut. Im Gegensatz zum idiopathischen Parkinson-Syndrom treten diese aber nicht nur einseitig auf.
- Motorische Beeinträchtigungen: Neben motorischen Beeinträchtigungen durch eine erhöhte Muskelspannung (Rigor) und eine Bewegungsarmut (Bradykinese beziehungsweise Akinese) zeigen sich Gleichgewichts- und Gangstörungen. Besonders betroffen sind die motorischen Fähigkeiten. Im Zuge der MSA-Krankheit treten meist Gangunsicherheiten auf, die mit Stolpern und Stürzen einhergehen können. Rund 50 Prozent der Patienten benötigen innerhalb von drei Jahren eine Gehhilfe.
- ** vegetative Nervensystems:** Gemeinsames Merkmal beider Typen und zugleich wichtiges Unterscheidungskriterium zum M. Parkinson und zu anderen atypischen Parkinson-Syndromen sind ausgeprägte Störungen des autonomen Nervensystems, welche zum Teil Jahre vor Beginn der Parkinson- bzw. Kleinhirnsymptome auftreten können. Dazu gehören Störungen der Harnblasenfunktion einschließlich Harninkontinenz, erektile Dysfunktion und Zeichen der Kreislaufdysregulation wie die orthostatische Hypotonie.
Weitere Symptome und Krankheitsverlauf
Die Multisystematrophie ist eine immer weiter fortschreitende Erkrankung. Während anfangs vereinzelte Symptome, wie zum Beispiel Blasenentleerungsstörungen oder bei Männern Impotenz auftreten, kommen im Krankheitsverlauf immer mehr Symptome hinzu.
Diagnose der Multisystematrophie
Da die Krankheitszeichen der MSA zu Beginn oft unspezifisch sind und auch bei viel häufigeren Krankheiten auftreten können, ist der Hausarzt ein guter erster Anlaufpunkt. Für eine eindeutige Diagnose sind verschiedene Tests und Untersuchungen erforderlich. Die MSA-Diagnostik umfasst verschiedene Untersuchungen und Tests. Da die ersten Symptome einer Multisystematrophie meist unspezifisch sind, können sie leicht anderen Erkrankungen zugeordnet werden.
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- Anamnese: Im Mittelpunkt der Anamnese stehen die aktuellen Beschwerden und die medizinische Vorgeschichte.
- Neurologische und körperliche Untersuchung: Der Neurologe überprüft das Gleichgewicht und die Bewegungssteuerung durch Kleinhirn und Hirnstamm mithilfe von speziellen Tests.
- Test der Kreislaufregulation beim Stehen: Charakteristisches Merkmal der MSA ist ein deutlicher Blutdruckabfall, wenn der Patient aus dem Liegen oder Sitzen aufsteht.
- MRT und/oder DAT-Scan: Diese beiden bildgebenden Untersuchungen werden nur durchgeführt, wenn sich durch die Voruntersuchungen schon ein begründeter Verdacht für MSA ergibt. In einer Magnetresonanztomographie (MRT) des Kopfes kann der Verlust von Nervengewebe nachgewiesen werden.
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch muss die MSA von Erkrankungen mit orthostatischer Dysregulation, der idiopathischen Parkinsonschen Krankheit (IPK), anderen atypischen Parkinsonsyndromen sowie den sporadischen Ataxien des Erwachsenenalters abgegrenzt werden.
Behandlung und Therapieansätze
Multisystematrophie ist leider nicht heilbar. Es gibt jedoch verschiedene Therapieansätze, um die Symptome zu lindern. Das Behandlungskonzept wird immer individuell auf den Patienten angepasst. Es gibt keine Leitlinie speziell für Multisystematrophie.
Physikalische Therapien
Physikalische Therapien nehmen bei der Behandlung der MSA eine wichtige Rolle ein. Physiotherapie trägt dazu bei, Beweglichkeit und Koordination zu verbessern, die Muskulatur zu stärken und das Fortschreiten von Bewegungseinschränkungen zu verlangsamen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Sturzprophylaxe. In der Ergotherapie werden gezielt Fertigkeiten trainiert, die Patienten in der Verrichtung alltäglicher Aufgaben unterstützen. Bei Schluckstörungen liegt der Schwerpunkt auf der sicheren Nahrungsaufnahme.
Psychotherapie und Selbsthilfe
Im geschützten Rahmen einer Psychotherapie können offen über ihre Sorgen und Ängste sprechen. Mit Menschen in Kontakt zu treten, die ebenfalls von MSA betroffen sind, kann eine wertvolle Unterstützung sein. Die Betreiber des Blogs „Leben mit MSA“ veranstalten regelmäßig einen Online-Stammtisch.
Medikamentöse Therapie und Cannabis
Seit 2017 ist medizinisches Cannabis in Deutschland zugelassen und auf Rezept möglich. Medizinisches Cannabis kann unter anderem bei Schmerzen, Schlafstörungen und psychischen Beschwerden eine mögliche Therapie-Option sein.
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Leben mit MSA: Tipps und Unterstützung
Im Verlauf der Erkrankung benötigen Patienten zunehmend Unterstützung, da die Multisystematrophie rasch fortschreitet und sie immer stärker auf Hilfe angewiesen sind. In einem Pflegetagebuch können Sie die Beeinträchtigungen im Alltag genauer beobachten und dokumentieren. Diese Notizen unterstützen Sie gegebenenfalls beim Antrag auf Pflegegrad. Das Immunsystem von MSA-Patienten ist aufgrund der Erkrankung geschwächt und damit anfälliger für Infektionen. Sogenannte Pflegehilfsmittel zum Verbrauch unterstützen Sie hierbei.
Ernährung und Hilfsmittel
Eine spezielle Diät ist bei Multisystematrophie nicht notwendig. Bei Problemen mit der Blutdruckregulation sollten üppige kohlenhydratreiche Mahlzeiten vermieden werden. Treten im Krankheitsverlauf Schluckstörungen auf, ist die Konsistenz der Speisen und Getränke anzupassen. Neben medikamentösen und physikalischen Therapien können verschiedene Hilfsmittel das Leben mit MSA erleichtern und die Selbstständigkeit betroffener Menschen möglichst lange erhalten. Für bestimmte Hilfsmittel werden die Kosten von der Krankenkasse übernommen, wenn eine Verordnung vom Arzt vorliegt.
Wohnraumanpassung und Pflegegrad
Mit dem Fortschreiten der motorischen Beeinträchtigungen können Umbaumaßnahmen in der Wohnung notwendig werden, um die häusliche Pflege zu erleichtern beziehungsweise zu ermöglichen. Bei einem anerkannten Pflegegrad werden wohnumfeldverbessernde Maßnahmen unter gewissen Voraussetzungen von der Pflegekasse bezuschusst. Sobald Sie bemerken, dass Unterstützung im Alltag notwendig wird, sollten Sie Ihren möglichen Anspruch auf einen Pflegegrad prüfen. Damit stehen Ihnen bestimmte Leistungen der Pflegeversicherung zu, die den Pflegealltag erleichtern. Schon bei leichter Pflegebedürftigkeit können Ihnen erste Pflegeleistungen zustehen. Mit dem kostenlosen Pflegegradrechner von pflege.de können Sie den voraussichtlichen Pflegegrad berechnen.
Umgang mit Stürzen
Um Stürze zu vermeiden, achten Sie darauf, langsam aufzustehen und sich bei Schwindel festzuhalten. Entfernen Sie Stolperfallen wie lose Teppiche und nutzen Sie Gehhilfen oder Haltegriffe für zusätzliche Stabilität.
Das Endstadium der MSA und palliative Betreuung
Im Endstadium der Multisystematrophie ist in der Regel eine Betreuung rund um die Uhr erforderlich. Die Symptome sind so stark ausgeprägt, dass Patienten eine umfassende Unterstützung in allen Lebensbereichen benötigen. Professionelle Pflegekräfte und eine palliative Betreuung können helfen, Patienten und ihre Familie in dieser schwierigen Zeit zu begleiten. Mit einer Patientenverfügung können Sie festlegen, welche medizinischen Maßnahmen Sie im Endstadium Ihrer Krankheit wünschen oder ablehnen. So stellen Sie sicher, dass Ihre Vorstellungen respektiert werden, wenn Sie selbst nicht mehr in der Lage sind, diese zu äußern. Das Dokument nimmt auch Ihren Angehörigen die Last ab, in dieser schwierigen Situation für Sie entscheiden zu müssen.