Musik, Mathematik und Gehirn: Eine faszinierende Forschungsreise

Die Verbindung zwischen Musik, Mathematik und der Funktionsweise unseres Gehirns ist ein komplexes und faszinierendes Forschungsfeld. Studien zeigen, dass musikalische Elemente im Mathematikunterricht die Leistungen von Schülern verbessern können. Musikalisches Training, ob aktiv durch das Spielen eines Instruments oder passiv durch das Hören von Musik, beeinflusst die Struktur und Funktion des Gehirns und wirkt sich positiv auf kognitive Fähigkeiten, Gedächtnis und sogar die emotionale Entwicklung aus.

Musik als Schlüssel zum besseren Mathematikverständnis

Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass die Integration von musikalischen Elementen in den Mathematikunterricht zu besseren Noten bei den Schülern führt. Rund drei Viertel der Kinder, die auf diese Weise musikalisch gefördert wurden, schnitten in Mathematik deutlich besser ab als diejenigen, die keine musikalische Förderung erhielten. Der Mathe-Youtuber Dorfuchs besingt den Satz des Pythagoras: „Hat ein Dreieck die Seitennamen a, b und c und einen rechten Winkel gegenüber von c, dann hast du gleich zur Berechnung eine Formel parat. Denn dann gilt: a2 + b2 = c2“. Dies zeigt, wie Musik auf spielerische Weise mathematische Inhalte vermitteln kann.

Ayça Akın von der türkischen Antalya Belek Universität untersuchte, ob sich musikalische Elemente im Mathematikunterricht positiv auf den Zahlensinn der Schüler auswirken. Die Experimente zeigten, dass der Einsatz von Musik, sei es in separaten Unterrichtsstunden oder als Teil des Mathematikunterrichts, die Mathenoten der Schüler langfristig verbesserte. Besonders effektiv waren integrierte Musik-Mathe-Interventionen und das Erlernen eines Instruments.

Musik lässt sich auf vielfältige Weise in den Mathematikunterricht integrieren. In einer Studie klatschten die Kinder zu Stücken mit unterschiedlichen Rhythmen, während sie gerade Zahlen und Brüche lernten. Laut Akın haben Mathematik und Musik mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick vermutet. Beide Disziplinen erfordern abstraktes und quantitatives Denken sowie die Verwendung symbolischer Formeln. Musikalische Elemente können den Mathematikunterricht spaßiger gestalten und den Schülern die Angst nehmen. Die Forscherin betont, dass eine gemeinsame Unterrichtsplanung von Mathematik- und Musiklehrern dazu beitragen könnte, die Ängste der Schüler vor der Mathematik abzubauen und gleichzeitig die Leistungen zu verbessern.

Die Wirkung von Musik auf das Gehirn: Neuroplastizität und mehr

Professor Eckart Altenmüller beschäftigt sich seit Jahrzehnten intensiv mit der Wirkung von Musik auf das Gehirn. Er erklärt, dass Musizieren und Musikhören die Neuroplastizität des Gehirns anregen, wodurch sich die Gehirnfunktion und -struktur verändern. Dies führt zu einer Verbesserung der Handlungssteuerung, der Reaktionszeit und der akustischen Mustererkennung.

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Senior*innen, die Musikunterricht erhalten, verstehen Sprache unter schlechten akustischen Bedingungen besser. Kinder, die Klavierunterricht erhalten, entwickeln größere Bewegungszentren in der motorischen Großhirnrinde sowie größere Hörzentren und eine stärkere Nervenfaserverbindung zwischen beiden Hirnhälften.

Musikhören führt immer zu zwei wichtigen Prozessen im Gehirn: Es werden emotionale Gedächtnisse aufgerufen und in Echtzeit akustische Erwartungen an den nächsten Klang geweckt. Musikalische Gedächtnisse sind eng mit biografischen Episoden und den damals vorherrschenden Emotionen verbunden. Musikmachen ist ein kreativer Prozess, der uns völlig absorbieren kann. Gemeinsames Singen und Musizieren stärkt das Gruppengefühl und baut uns emotional auf.

Studien mit Kindern konnten einen Einfluss der Musik auf Kreativität und Sprachkompetenz feststellen. Musik betrifft vor allem die Verschaltungen im Stirnhirnlappen für Handlungssteuerung und Sprachfunktionen sowie im Bereich der Hörrinde für die differenziertere Hörfähigkeit. Kinder erwerben durch Musik Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit, Handlungssteuerung, Struktursinn und emotionale Kompetenz. Sie werden feiner in ihrer Wahrnehmung und entwickeln ein besseres Körpergefühl.

Altenmüller betont, dass alle Bereiche der ästhetischen Erziehung wichtig sind, da jede Sparte besondere Bereiche der Persönlichkeit und der Fertigkeiten fördert. Gemeinsam ist allen die Kreativität. Künstlerische Aktivitäten helfen unter anderem, Weltverständnis zu erwerben und auszudrücken.

Musikalisches Training und Gedächtnis

In der Neurowissenschaft sind Musikerinnen und Musiker ein beliebter Gegenstand der Forschung. Diese möchte herausfinden, welchen Einfluss das langjährige, intensive Musizieren auf das Gehirn hat. Bislang deutet vieles darauf hin, dass Musikerinnen und Musiker im Schnitt ein besseres Gedächtnis als Nicht-Musiker haben.

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Das Gedächtnis wird grob in Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis gegliedert. Das Langzeitgedächtnis besteht aus dem expliziten und dem impliziten Gedächtnis und speichert Informationen, die wir langfristig erinnern. Das explizite Gedächtnis umfasst persönliche Erlebnisse (episodisches Gedächtnis) sowie Faktenwissen (semantisches Gedächtnis). Das implizite Gedächtnis beinhaltet verschiedene Hard- und Soft Skills. Das Kurzzeitgedächtnis hat die Aufgabe, kleine Mengen von Informationen kurzfristig zu behalten. Das Arbeitsgedächtnis bildet die Schnittstelle zwischen unserer Wahrnehmung, dem Langzeitgedächtnis und unserem Verhalten.

Studien haben gezeigt, dass Menschen, die intensives musikalisches Training hinter sich haben, in Aufgaben rund um das Gedächtnis besser abschneiden. Musiker erkennen zum Beispiel besser, ob eine zuvor gehörte Melodie schneller oder langsamer, höher oder tiefer als zuvor gespielt wird. Auch in Aufgaben zur Sprachwahrnehmung scheinen Musikerinnen und Musiker einige Vorteile zu haben, etwa bei der Sprachverarbeitung. Oft erkennen sie die Prosodie besser, sprich die Sprachmelodie, Akzentuierung, Rhythmus oder Lautstärke des Gesprochenen.

Musikerinnen und Musiker sind besser im Verarbeiten auditiver Stimuli und haben Vorteile, wenn es um die Aufgaben des Kurzzeit- und Langzeitgedächtnisses geht. Sie schneiden besser ab im Wiedergeben von Zahlen- und Buchstabenfolgen, in visuellen und räumlichen Gedächtnisaufgaben, aber vor allem beim Erinnern auditiver Reize.

Instrumentalunterricht verbessert die aktiven und kontrollierten Lernfähigkeiten, was sich auch auf Gedächtnisaufgaben außerhalb der Musik auswirkt. Musizieren trainiert die Fähigkeit des „Chunking“, wobei das zu Merkende in kleine Päckchen unterteilt wird. Die Kapazität des Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnisses wird somit erhöht.

Neuroplastizität: Das Gehirn im Wandel

Das Gehirn ist ein dynamisches Netzwerk von Neuronen, welches sich in ständiger Anpassung befindet und kontinuierlich wächst und sich verändert. Diese Fähigkeit, sich ständig zu verändern und entsprechend den äußeren Gegebenheiten zu optimieren, nennen wir Neuroplastizität. Musikalisches Training steht im Zusammenhang mit erhöhten kognitiven Fähigkeiten und verbesserter Neuroplastizität.

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Ein Instrument zu spielen ist ein anspruchsvolles kognitives Unterfangen. Eine Vielzahl von Sinneswahrnehmungen muss mit dem motorischen System und weiteren höheren kognitiven Prozessen koordiniert werden. Viel Übung in diesem Bereich scheint das Potential der Neuroplastizität unseres Hirns zu steigern und das auch über musikalische Aufgaben hinaus. Einige Studien deuten sogar darauf hin, dass Musikstunden den IQ leicht erhöhen könnten.

Das Belohnungssystem, das durch Musik und musikalisches Training aktiviert wird, hat einen positiven Einfluss auf die Neuroplastizität des Hirns. Beim Hören bestimmter musikalischer Passagen konnte in Studien eine erhöhte Ausschüttung von Dopamin beobachtet werden. Dopamin spielt eine der entscheidenden Rollen in der Modulation neuronaler Plastizität und beeinflusst somit maßgeblich unser Gedächtnis. Auch die sozialen Effekte des gemeinsamen Musizierens und Hörens von Musik haben einen positiven Einfluss auf die Hirnplastizität.

Musik und das Altern: Kognitive Fähigkeiten im Alter erhalten

Die Hirnplastizität und somit die Fähigkeit, schnell neue Verknüpfungen zu bilden, nimmt mit dem Alter ab. Diesem altersbedingten Abbau kognitiver Fähigkeiten kann entgegengewirkt werden. Neben allgemeiner körperlicher und geistiger Aktivität sowie sozialer Interaktion kann auch speziell musikalisches Training die Hirnplastizität bis ins hohe Alter fördern.

Vor allem bei Menschen, die schon in jungen Jahren ein Instrument erlernten, sind große langfristige Veränderungen festzustellen. Sie zeigen verbesserte Fähigkeiten, visuelle sowie auditive Reize mit motorischen Handlungen zu koordinieren. Ebenso finden sich anatomische Veränderungen im Gehirn, was wiederum das Potenzial der Neuroplastizität fördert.

Das Spielen eines Instruments hängt mit dem späteren Einsetzen altersbedingter kognitiver Verluste zusammen. Durch derartige Aktivitäten wird die sogenannte kognitive Reserve vergrößert, was vor den Verlusten schützen kann. Einige klinische Studien lassen sogar darauf schließen, dass Musiktherapie bei Demenz- und Parkinsonpatienten effektiver als herkömmliche Methoden sein kann. Selbst das passive Hören von Musik half Personen nach einem Schlaganfall bei Gedächtnis und Stimmung.

Musik, Intelligenz und die Freude am Musizieren

Die Frage, ob musizierende Menschen intelligenter sind oder ob intelligente Menschen eher musizieren, ist nicht eindeutig zu beantworten. Fest steht jedoch, dass Musik die geistige Beweglichkeit steigert, die Fähigkeit, sich rasch von einem Gedanken auf den nächsten einzustellen, und sich positiv auf das Sprachvermögen von Kindern auswirkt. Instrumentenklänge und menschliche Sprache sind sich sehr ähnlich, weshalb unser Gehirn auf Sprache und auf Tonfolgen mit fast identischen Aktivitätsmustern reagiert.

Eine Studie hat gezeigt, dass Schüler, die Schulmusik in einer Band, einem Orchester oder einem Chor machen, bessere schulische Leistungen erbringen als Kinder, die keine Musik machen. Je häufiger und intensiver die Jugendlichen musizierten, umso besser waren ihre Schulnoten.

Musik ist mehr als nur Zeitvertreib und Vergnügen. Sie hilft uns, Emotionen zu regulieren und auszudrücken, bringt Menschen zusammen und trägt sogar kulturelle Werte weiter. Musizieren macht Spaß und ist echtes Gehirnjogging. Es fördert die Gedächtnisleistung, die Verarbeitung auditiver Reize und die Sprachwahrnehmung. Durch intensives musikalisches Training unterstützen wir die Neuroplastizität des Hirns und haben positive Auswirkungen auf das Altern unseres Gehirns.

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