Die Musterwohnung Demenz Jülich: Ein Konzept für ein würdevolles Leben mit Demenz

Die Diagnose Demenz stellt Betroffene und Angehörige vor große Herausforderungen. Ziel ist es, Menschen mit Demenz so lange wie möglich ein selbstbestimmtes und würdevolles Leben in ihrer vertrauten Umgebung zu ermöglichen. Ein wichtiger Baustein hierfür sind Demenz-Musterwohnungen, die praxisnah zeigen, wie das Wohnumfeld an die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz angepasst werden kann. Ein herausragendes Beispiel hierfür ist die Musterwohnung Demenz in Jülich.

Digitalisierung und smarte Technik im Alltag von Menschen mit Demenz

Die Digitalisierung und smarte Technik halten Einzug in immer mehr Lebensbereiche. Auch für ältere Menschen mit und ohne Demenz bieten sie vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Diese reichen von Bodensensoren, die im häuslichen Umfeld für Sicherheit sorgen, über Virtual Reality zur Aktivierung von Erinnerungen in der Biografiearbeit bis hin zu Spielekonsolen, die Freude und Beschäftigung bieten. Diese modernen Alltagshelfer können Menschen dabei unterstützen, so lange wie möglich zu Hause zu wohnen, den Aufenthalt im Krankenhaus erleichtern oder den Alltag im Heim bereichern. Auch Angehörige und Pflegende profitieren von den Möglichkeiten intelligenter Technik.

Fachtag „Alltagshelfer 4.0“ in Köln

Als Demenz-Servicezentrum hat man sich bereits seit längerem mit den Möglichkeiten von Digitalisierung und smarter Technik beschäftigt und am 22. Mai 2019 in Köln den Fachtag „Alltagshelfer 4.0 - Technische Unterstützung im Leben von Älteren und von Menschen mit Demenz“ veranstaltet. Rund einhundert Teilnehmer aus den Bereichen Pflege, Beratung und Verwaltung nahmen an der Veranstaltung teil.

Der Fachtag bot einen Überblick über den aktuellen Stand der Digitalisierung und die Nutzung des Internets durch ältere Menschen (Daniel Hoffmann, Kuratorium Deutsche Altershilfe). Es wurden verschiedene Praxisbeispiele vorgestellt.

Thomas Nerlinger von der Gesundheitsregion EUREGIO e.V. präsentierte das Versorgungskonzept der Dorfgemeinschaft 2.0, das moderne Technik in den Lebensbereichen Gesundheit und Pflege, Mobilität, Versorgung und Wohnen einsetzt, um älteren Menschen ein möglichst langes Leben in der eigenen Häuslichkeit zu ermöglichen. Eine große Herausforderung ist dabei die Finanzierung, da die Kranken- und Pflegekassen die Kosten oft nicht übernehmen. In Nordhorn wurde ein Showroom eingerichtet, der eine komplett ausgestattete 85 m² Wohnung zeigt.

Lesen Sie auch: Fortgeschrittene Demenz: Ein umfassender Überblick

Frau Dr. Elisabeth Philipp-Metzen vom Landesverband Alzheimer Gesellschaften NRW stellte die Intenet-Selbsthilfe InSel vor, ein niedrigschwelliges Hilfsangebot für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen aus Nordrhein-Westfalen, das besonders für Menschen mit eingeschränkter Mobilität oder aus dem ländlichen Raum eine große Hilfe sein kann.

Gerda Piel aus dem Krankenhaus Porz am Rhein in Köln stellte die Arbeit der familialen Pflege des Krankenhauses vor und verwies auf die Musterwohnung-Demenz in Jülich, die mit einfachen und kostengünstigen Mitteln zeigt, wie man das Leben zu Hause so lange wie möglich ermöglichen kann.

Aline Wybranietz von der Sozialwerk St. Georg Niederrhein gGmbH präsentierte intelligente Technik in Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz, wobei die technischen Hilfsmittel je nach Bedarf zu- oder abschaltbar sind und die Frage nach den Wünschen des Menschen im Mittelpunkt steht.

Alexandra Kasper und Katrin Schäfer vom Caritas Altenzentrum St. Maternus in Köln berichteten über den Einsatz von Digitalisierung in ihrer Einrichtung, von Videotelefonie über YouTube-Playlists für Singkreise bis hin zu Scrabble auf dem Tablet, Gaming mit Spielekonsolen und Virtual Reality.

David Unbehaun von der Universität Siegen stellte das Projekt MobiAssist vor, ein Videospiel-basiertes Assistenzsystem für Menschen mit Demenz und deren Angehörige, das Bewegung, Aktivierung, Spaß und Unterhaltung fördern soll.

Lesen Sie auch: Wechselwirkungen zwischen Schmerzmitteln und Demenz

Prof. Dr. Ralf-Joachim Schulz vom St. Marien Hospital Köln präsentierte die Demenz- und Delirstation des Krankenhauses mit moderner Sensor- und Lichttechnik und speziellen Themenbereichen, wobei das Wissen der Mitarbeiter*innen als wichtigstes Gut gilt.

Die Gründer der ichó systems GmbH stellten Ichó vor, eine interaktive Kugel, die durch Farbe, Klang und Haptik die Sinne anregt und eine Kommunikation unabhängig vom Grad der Demenz ermöglicht.

Prof. Dr. Markus Dederich von der Universität zu Köln und sein Assistent klärten über ethische Gesichtspunkte beim Einsatz von smarter Technik auf und stellten ein Konzept zur ethischen Betrachtung und Analyse vor.

Informationsstände auf dem Fachtag

Neben den Vorträgen gab es auch Informationsstände von Ausstellern wie Ichó systems GmbH, wohn mobil, AOK Rheinland/Hamburg - Servicestelle Demenz, Kuratorium Deutsche Altershilfe und Universität Siegen, die die Möglichkeit boten, mit den Referenten ins Gespräch zu kommen, weitere Informationen zu erhalten oder Dinge auszuprobieren.

Die AOK-Musterwohnung Demenz in Jülich

Die AOK Rheinland/Hamburg betreibt in Jülich eine bundesweit einmalige Musterwohnung Demenz. In den liebevoll eingerichteten Räumen wird gezeigt, welche Probleme im Alltag auftreten können und welche Lösungen es dafür gibt. Stefanie Froitzheim erklärt, dass viele kleine Alltagshilfen vorgestellt werden, die nicht viel Geld kosten und leicht umzusetzen sind.

Lesen Sie auch: Ursachen und Behandlung von Zittern bei Demenz

Alltagshilfen und Sicherheitstipps

In der Musterwohnung werden zahlreiche Alltagshilfen und Sicherheitstipps präsentiert, die das Leben von Menschen mit Demenz erleichtern können. In der Küche finden sich Hinweisschilder und Aufkleber an den Schränken, Steckdosen sind mit einem Schutz versehen, und Elektrogeräte können über Zeitschalter geregelt werden.

Orientierungshilfen

Um die Orientierung zu erleichtern, werden farbige Lichtschalter, kontrastreiche Tischdecken und Aufkleber an Schranktüren und Schubläden verwendet. Telefongeräte mit großen Zahlen und Fernbedienungen mit wenigen Tasten können ebenfalls eine große Unterstützung sein.

Technische Lösungen

Die Musterwohnung zeigt auch technische Lösungen wie Klingelmatten, die beim Darüberlaufen einen Signalton auslösen, und Armbänder mit Ortungsfunktion.

Beschäftigungsangebote

Bewährt haben sich Beschäftigungsangebote, die an Hobbys oder die Berufstätigkeit anknüpfen, wie eine Büroecke mit Schreibmaschine, eine Werkbank mit Schrauben oder ein Wirrwarr aus bunten Wollfäden. Auch Alltagstätigkeiten wie Wäsche falten oder Kartoffeln schälen sind oft noch lange möglich.

Schulungen und Rollenspiele

In der Musterwohnung finden auch Schulungen für angehende Altenpflegerinnen und Altenpfleger statt. In einigen Räumen sind kurze Rollenspielszenen eingeplant, bei denen ein Mitglied der Besuchergruppe in die Rolle der an Demenz erkrankten Trude Meier schlüpft.

Das Konzept der Musterwohnung

Die Musterwohnung Demenz in Jülich verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der sowohl die räumliche Gestaltung als auch die soziale und emotionale Unterstützung von Menschen mit Demenz berücksichtigt. Ziel ist es, eine Umgebung zu schaffen, die Sicherheit, Orientierung und Geborgenheit vermittelt und gleichzeitig die Selbstständigkeit und Lebensqualität der Betroffenen fördert.

Weitere Initiativen und Veranstaltungen zum Thema Demenz

Neben der Musterwohnung Demenz in Jülich gibt es zahlreiche weitere Initiativen und Veranstaltungen zum Thema Demenz, die dazu beitragen, das Bewusstsein für die Krankheit zu schärfen, Angehörige zu unterstützen und die Lebensqualität von Menschen mit Demenz zu verbessern.

Veranstaltungsreihe "Demenz kann jeden treffen"

Der Caritasverband Düren-Jülich informiert mit seiner Reihe "Demenz kann jeden treffen" über das Krankheitsbild, gibt Tipps und Hilfestellungen für den Umgang mit Demenz in fünf ganz unterschiedlichen Veranstaltungen. Die Organisatorinnen Ellen Hansen-Dichant und Daniela Groß konnten die vier Bürgermeister der Kommunen Heimbach, Kreuzau, Nideggen und Vettweiß im Südkreis für die Kooperation gewinnen.

Welt-Alzheimertag

Anlässlich des Welt-Alzheimertages am 21. September finden jährlich zahlreiche Veranstaltungen statt, die über Demenz informieren und zur Unterstützung von Betroffenen und Angehörigen aufrufen.

tags: #musterwohnung #demenz #jülich #konzept