Myasthenia gravis (MG) ist eine selteneAutoimmunerkrankung, die durch Muskelschwäche und schnelle Ermüdung gekennzeichnet ist. Dieser Artikel beleuchtet die Erfahrungen von Betroffenen, die Herausforderungen im Umgang mit der Krankheit und die Fortschritte in der Forschung und Behandlung. Dabei werden sowohl persönliche Berichte als auch medizinische Erkenntnisse berücksichtigt, um ein umfassendes Bild der Myasthenia gravis zu vermitteln.
Persönliche Erfahrungen mit Myasthenia Gravis
Der Weg zur Diagnose
Viele Patienten mit Myasthenia gravis erleben eine lange und oft frustrierende Suche nach der richtigen Diagnose. Die Symptome sind vielfältig und können anfangs unspezifisch sein, was die Diagnose erschwert. So dauerte es bei einigen Betroffenen Monate oder sogar Jahre, bis die Krankheit erkannt wurde.
Monika Bélaz, die Frau des verstorbenen Charles Bélaz, berichtet, dass bei ihrem Mann etwa ein Jahr vor der Diagnose im September 2020 gelegentlich eine verwaschene Sprache und Doppelbilder auftraten. Trotz MRT- und CT-Untersuchungen fand der Neurologe im Krankenhaus keine Auffälligkeiten und schloss eine Autoimmunerkrankung zunächst aus. Erst als Charles Schwierigkeiten beim Essen hatte, wurde der Hausarzt auf Myasthenia gravis aufmerksam.
Auch andere Betroffene berichten von ähnlichen Erfahrungen. Lea, eine 20-Jährige, deren Krankheitsgeschichte im Jahr 2016 begann, erlebte eine sechsjährige Odyssee bis zur Diagnose. Nach einem Autounfall bemerkte sie eine Schwäche und Schluckbeschwerden, die zunächst nicht mit dem Unfall in Verbindung gebracht wurden. Es folgten Fehldiagnosen und erfolglose Therapien, bis schließlich Myasthenia gravis diagnostiziert wurde.
Kristin, eine gelernte Ergotherapeutin, litt bereits seit ihrer Kindheit an Myasthenia gravis, doch erst im Alter von 15 Jahren erhielt sie die richtige Diagnose. Ihre Beschwerden wurden zunächst als Einbildung oder Essstörung abgetan, bis sie während einer Schulpause zusammenbrach und ihr Vater, der einen medizinischen Hintergrund hatte, einen Neurologen aufsuchte.
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A.C., eine Erzieherin, bemerkte schleichend verschwommenes Sehen, Ungeschicklichkeit und Stolpern. Ein Arzt schloss einen Schlaganfall aus, fand aber keine Ursache für die Muskelschwäche. Erst ein Wechsel zu einem anderen Neurologen führte zur Diagnose.
Auswirkungen auf das Leben
Myasthenia gravis kann erhebliche Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen haben. Die Muskelschwäche kann verschiedene Körperfunktionen beeinträchtigen, darunter Sprechen, Schlucken, Atmen und die Bewegung von Armen und Beinen. Dies kann zu Einschränkungen im Alltag, im Beruf und in der Freizeit führen.
Charles Bélaz hatte nach seiner Diagnose starke Beschwerden mit der Nahrungsaufnahme und der Sprache, was einen Krankenhausaufenthalt nötig machte. Er musste intensivmedizinisch behandelt und beatmet werden. Trotz Therapie mit Plasmapherese und Rituximab verschlechterte sich sein Zustand im Laufe der Zeit, und er benötigte schließlich 24-Stunden-Betreuung.
Nicole Dachner, eine weitere Betroffene, erlebte nach einer Corona-InfektionLong-Covid Symptome wie Husten und Atemprobleme. Später kamen Muskelschmerzen, Schwindel, Konzentrationsschwierigkeiten und Wortfindungsstörungen hinzu. Sie musste eine begonnene Wiedereingliederungsmaßnahme abbrechen und eine neurologische Reha absolvieren.
Lea ist im Alltag auf die Hilfe ihrer Mutter angewiesen, da sie Schwierigkeiten beim Aufrichten im Bett, beim Umziehen, beim Haarekämmen und beim Treppenlaufen hat. Auch die Nahrungsaufnahme bereitet ihr Probleme, und sie ist oft auf Flüssignahrung angewiesen.
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Auch die psychische Belastung durch die Erkrankung sollte nicht unterschätzt werden. Viele Betroffene leiden unter Ängsten, Depressionen und sozialer Isolation. Es ist daher wichtig, dass Patienten mit Myasthenia gravis nicht nur medizinisch, sondern auch psychologisch betreut werden.
Umgang mit der Erkrankung
Trotz der Herausforderungen, die Myasthenia gravis mit sich bringt, gibt es viele Möglichkeiten, die Lebensqualität zu verbessern. Eine wichtige Rolle spielt dabei die medikamentöse Therapie. Cholinesterasehemmer wie Pyridostigmin können die Symptome lindern, indem sie den Abbau des Neurotransmitters Acetylcholin hemmen. Immunsuppressiva wie Kortikoide und Azathioprin können die Autoimmunreaktion unterdrücken und den Abbau der Acetylcholin-Rezeptoren verzögern. In schweren Fällen können auch Immunglobuline oder eine Plasmapherese eingesetzt werden.
Neben der medikamentösen Therapie können auch andere Maßnahmen helfen, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Dazu gehörenPhysiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und psychologische Unterstützung. Auch eine gesunde Lebensweise mit ausgewogener Ernährung, ausreichend Schlaf und regelmäßiger Bewegung kann sich positiv auswirken.
Monika Bélaz betont die Bedeutung von Information und offener Kommunikation über die Erkrankung. Sie empfiehlt, sich die Zeit zu nehmen, um zu recherchieren, bis zufriedenstellende Antworten vorliegen, und offen über Myasthenia gravis zu sprechen.
A.C. rät Betroffenen, sich Hilfe von Krankenkassen und Behandlern zu holen und sich ein gutes Netzwerk aufzubauen. Kristin betont die Bedeutung von Humor und Willen im Umgang mit der Erkrankung.
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Medizinische Aspekte der Myasthenia Gravis
Ursachen und Auslöser
Die genauen Ursachen von Myasthenia gravis sind noch unklar. Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise Antikörper gegen die Acetylcholin-Rezeptoren an der motorischen Endplatte bildet. Diese Antikörper blockieren die Rezeptoren oder beschleunigen deren Abbau, was zu einer gestörtenSignalübertragung zwischen Nerv und Muskel führt.
Es gibt Hinweise darauf, dass genetische Faktoren eine Rolle spielen können. So haben Patienten mit Myasthenia gravis häufiger andere Autoimmunerkrankungen in der Familie. Auch bestimmte Umweltfaktoren wie Infektionen, Stress und Medikamente können die Erkrankung auslösen oder verschlimmern.
In einigen Fällen kann Myasthenia gravis auch durch einen Tumor des Thymus (Thymom) verursacht werden. Der Thymus ist ein Organ des Immunsystems, das bei der Reifung von T-Zellen eine wichtige Rolle spielt. Bei Patienten mit Thymom werden häufig Antikörper gegen Acetylcholin-Rezeptoren gebildet.
Diagnose
Die Diagnose von Myasthenia gravis basiert auf einer Kombination aus Anamnese, körperlicher Untersuchung und verschiedenen Tests. Typische Symptome sind Muskelschwäche, schnelle Ermüdung, Doppelbilder, hängende Augenlider, Sprach- und Schluckbeschwerden.
Bei der körperlichen Untersuchung kann der Arzt verschiedene Tests durchführen, um die Muskelfunktion zu überprüfen. Dazu gehört beispielsweise der Simpson-Test, bei dem der Patient so lange wie möglich nach oben blicken muss. Dabei wird geprüft, wie rasch die Augenmuskulatur ermüdet.
Weitere diagnostische Verfahren sind die Elektromyografie (EMG), bei der die elektrische Aktivität der Muskeln gemessen wird, und der Tensilon-Test, bei dem dem Patienten ein Cholinesterasehemmer verabreicht wird. Bei Patienten mit Myasthenia gravis führt dies in der Regel zu einer vorübergehenden Verbesserung der Symptome.
Ein wichtiger Baustein der Diagnose ist der Nachweis von Antikörpern gegen Acetylcholin-Rezeptoren im Blut. Allerdings sind diese Antikörper nicht bei allen Patienten nachweisbar. In diesen Fällen können andere Antikörper wie Anti-MuSK-Antikörper oder Anti-LRP4-Antikörper nachgewiesen werden.
Therapie
Die Therapie von Myasthenia gravis zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Es gibt verschiedene medikamentöse und nicht-medikamentöse Behandlungsoptionen.
Cholinesterasehemmer wie Pyridostigmin sind Medikamente, die den Abbau des Neurotransmitters Acetylcholin hemmen. Dadurch erhöht sich die Konzentration von Acetylcholin an der motorischen Endplatte, was zu einer verbessertenSignalübertragung zwischen Nerv und Muskel führt. Cholinesterasehemmer sind in der Regel gut verträglich, können aber auch Nebenwirkungen wie Übelkeit, Durchfall und Bauchkrämpfe verursachen.
Immunsuppressiva wie Kortikoide und Azathioprin werden eingesetzt, um die Autoimmunreaktion zu unterdrücken. Kortikoide wirken schnell, haben aber auch zahlreiche Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme,Osteoporose undInfektanfälligkeit. Azathioprin wirkt langsamer, hat aber weniger Nebenwirkungen als Kortikoide.
In schweren Fällen können auch Immunglobuline oder eine Plasmapherese eingesetzt werden. Immunglobuline sind Antikörper, die aus dem Blut gesunder Spender gewonnen werden. Sie können die Autoantikörper im Blut neutralisieren und die Symptome lindern. Die Plasmapherese ist ein Verfahren, bei dem das Blut des Patienten außerhalb des Körpers gefiltert wird, um die Autoantikörper zu entfernen.
Bei Patienten mit Thymom kann eine Thymektomie (operative Entfernung des Thymus) sinnvoll sein. Die Thymektomie kann die Autoimmunreaktion reduzieren und die Symptome verbessern.
Forschung und Fortschritte
Die Forschung zur Myasthenia gravis hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Es wurden neue Medikamente entwickelt, die gezielter in den Krankheitsmechanismus eingreifen. Auch das Verständnis der genetischen und immunologischen Ursachen der Erkrankung hat sich verbessert.
Ein vielversprechender Ansatz ist die Entwicklung von monoklonalen Antikörpern, die gezielt gegen bestimmte Proteine des Immunsystems gerichtet sind. Diese Antikörper können die Autoimmunreaktion unterdrücken und die Symptome lindern.
Auch die Forschung zur Rolle des Thymus bei der Entstehung von Myasthenia gravis hat wichtige Erkenntnisse geliefert. Es wurde gezeigt, dass die Thymektomie bei Patienten mit Thymom die Symptome verbessern und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen kann.
Die Deutsche Myasthenie Gesellschaft (DMG) spielt eine wichtige Rolle bei derInformation und Unterstützung von Patienten mit Myasthenia gravis. Die DMG bietetVideo-Konferenzen, Jahreskongresse und Publikationen an, die Betroffenen und ihren Angehörigen helfen, die Krankheit besser zu verstehen und mit ihr umzugehen.
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