Viele Menschen kennen schwere Augenlider bei Müdigkeit, die man kaum noch öffnen kann. Wenn sich diese jedoch bewusst nicht mehr schließen oder öffnen lassen, eventuell Doppelbilder und weitere Muskelschwächen am ganzen Körper hinzukommen, kann es sich um die seltene, aber gut erforschte Autoimmunerkrankung Myasthenia gravis (Myasthenie) handeln. Myasthenia gravis oder Myasthenie bedeutet „schwere Muskelschwäche“. Diese Autoimmunerkrankung ist gekennzeichnet durch eine neuromuskuläre Störung zwischen den Nerven und Muskeln, die dazu führt, dass die Betroffenen Schwierigkeiten haben, ihre Muskeln kontrolliert zu benutzen. Bei gesunden Menschen steuert der Botenstoff Acetylcholin die Impulse zwischen den Nerven und Muskeln. Bei der Myasthenie wird diese Kommunikation jedoch blockiert.
Was ist Myasthenia Gravis?
Myasthenia gravis (MG), in Deutschland häufig auch nur Myasthenie genannt, ist eine Autoimmunerkrankung. Bei solchen Erkrankungen richtet sich das körpereigene Immunsystem aufgrund einer Fehlfunktion gegen eigentlich harmlose Zellen und/oder Gewebe des Körpers und greift diese an. Dies kann zu Entzündungen und sogar zur Zerstörung von Gewebe und Organen führen. Das geschieht, da der Körper sogenannte Autoantikörper (AAk) bildet, die eigentlich dazu dienen, Viren oder Bakterien abzuwehren. Im Falle einer Autoimmunerkrankung richten sich diese Antikörper jedoch gegen den eigenen Körper. Bei Myasthenia gravis richten sich die Antikörper gegen Rezeptoren und Enzyme, welche für die Kommunikation zwischen Nervenzellen und Muskeln sehr wichtig sind. Für Autoimmunerkrankungen gilt weiterhin, dass man ihnen weder effektiv vorbeugen noch sie heilen kann.
Die Myasthenie ist eine vergleichsweise unbekannte Erkrankung. Deshalb hat es sich DESITIN als Experte für seltene Erkrankungen und Störungen des zentralen Nervensystems, etwa Parkinson und Epilepsie, zur Aufgabe gemacht, vor allem über die Symptome der Erkrankung aufzuklären. So sollen sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch Patientinnen und Patienten für die Diagnose der Erkrankung sensibilisiert werden. Außerdem wollen wir mit verschiedenen Produkten unseren Beitrag zur Behandlung der Myasthenia gravis leisten. Myasthenia gravis führt bei Betroffenen zu einer Störung der Kommunikation zwischen Nerven und Muskeln. Genauer gesagt wird die Reizübertragung gestört, die normalerweise die Muskelspannung aktiviert und aufrechterhält (neuromuskuläre Übertragung). Das führt zu einer sogenannten belastungsabhängigen schweren Muskelschwäche. Diese Bezeichnung wurde gewählt, da die Symptome, zum Beispiel hängende Augenlider bzw.
Die Rolle von Acetylcholin
Damit unsere Nerven mit unseren Muskeln kommunizieren können, um dort Muskelkontraktionen auszulösen und aufrechtzuerhalten, müssen sie chemische Botenstoffe freisetzen, sogenannte Neurotransmitter. Für die neuromuskuläre Übertragung ist vor allem der Botenstoff Acetylcholin (ACh) entscheidend. An der neuromuskulären Verbindungstelle, also den Rezeptoren der Muskeln, docken diese an und stimulieren die Muskulatur, welche sich dann zusammenzieht. Diese Rezeptoren sitzen auf der motorischen Endplatte. Nach der Kontraktion wird das ACh von einem Enzym, der Cholinesterase, abgebaut und die Nervenenden nehmen es wieder auf. Bei der häufigsten Form der Myasthenie bildet das Immunsystem Antikörper gegen einen bestimmten Rezeptor der Muskeln, der auf den Neurotransmitter Acetylcholin reagiert (ACh-Rezeptoren), wodurch die Kommunikation zwischen Nervenzellen und Muskeln gestört wird, da das ACh nicht mehr „andocken“ kann.
Warum genau der Körper seine eigenen Acetylcholinrezeptoren angreift, ist, wie bei so vielen Autoimmunerkrankungen, nicht abschließend geklärt. Eine besondere Rolle wird jedoch einer Fehlfunktion des Thymus zugeschrieben. Zudem gibt es einige Betroffene, die keine Antikörper gegen Acetylcholinrezeptoren aufweisen, sondern gegen ein Enzym, welches an der Bildung und Regeneration der neuromuskulären Verbindungsstelle beteiligt ist. Diese Form der Myasthenie muss anders behandelt werden.
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Ursachen und Risikofaktoren
Bei einigen Patientinnen und Patienten liegen genetische Ursachen vor, doch in den meisten Fällen sind die Ursachen für eine Autoimmunerkrankung wie bspw. die Myasthenia gravis unbekannt. Weshalb sich die Antikörper gegen den eigenen Körper wenden und bei der Myasthenie die Kommunikation zwischen den Nerven und Muskeln der Betroffenen stören, muss also noch erforscht werden. Einige Wissenschaftler vermuten einen Zusammenhang mit einer krankhaft veränderten Thymusdrüse, die einen wichtigen Anteil am Immunsystem trägt.
Es gibt verschiedene Erkrankungen, die eine Störung dieser Art der Übertragung von Nervenimpulsen auf die Muskeln verursachen können. Da es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt, kommen verschiedene Auslöser infrage, welche eine Myasthenia gravis verursachen oder ihre Ausprägung verschlimmern können, bis hin zu einem Schub (myasthene Krise), den ca. 10-15 % aller Patientinnen und Patienten mit Myasthenie mindestens einmal im Leben erleiden. Auslöser eines solchen Schubs sind oft Infektionskrankheiten.
Genetische und hormonelle Einflüsse
Genetische Faktoren scheinen bei der Myasthenia gravis weniger eine Rolle zu spielen: Nur etwa 4-7 % der Erkrankungsfälle sind mit einer familiären Häufung assoziiert. Es handelt sich also nicht um eine Erbkrankheit. Es kann jedoch passieren, dass Neugeborene von betroffenen Müttern kurz nach der Geburt myasthene Symptome entwickeln. Diese verschwinden im meist nach ein paar Wochen wieder. Man bezeichnet einen solchen Fall als neonatale Myasthenia gravis.
Es wird vermutet, dass bestimmte Hormone wie z. B. Östrogene oder Progesteron das Risiko einer Myasthenia gravis erhöhen oder die Erkrankung zumindest beeinflussen können. Bei einer Myasthenia gravis mit frühem Krankheitsbeginn konnte beobachtet werden, dass Frauen dreimal öfter betroffen sind als Männer. Außerdem berichten einige erkrankte Frauen von einer Verschlechterung ihrer Symptome kurz vor dem Einsetzen ihrer Periode, wenn die Progesteron-Konzentration im Körper abfällt. Für betroffene Frauen kann es daher sinnvoll sein, zu dieser Zeit vermehrt Ruhephasen einzuplanen, um den Körper nicht zusätzlich zu belasten. Neben hormonellen Schwankungen können auch verschiedene Stressfaktoren die Symptome einer Myasthenia gravis verschlimmern. Zu diesen Stressfaktoren gehören beispielsweise fieberhafte Infekte, bestimmte Medikamente, grelles Licht oder Wärme/Hitze. Ruhe und Erholung führen hingegen häufig zu einer Abmilderung der Symptome.
Die Rolle der Thymusdrüse
Die Antikörper, welche die Kommunikation zwischen Nerven und Muskeln stören, werden zu einem großen Teil im sog. Thymus gebildet, der hinter dem Brustbein liegt. Zudem ist es so, dass die Thymusdrüse bei vielen Patientinnen und Patienten mit Myasthenie vergrößert und übermäßig aktiv ist. Daher führt die Entfernung der Thymusdrüse in einigen Fällen zur Besserung der Myasthenie Symptome. Es ist jedoch zu beachten, dass eine vergrößerte Thymusdrüse auch ein Anzeichen für einen Thymus-Tumor (Thymom) sein kann und in diesem Fall eine Operation unerlässlich ist. Gleichzeitig können Thymome somit auch für entsprechende Veränderungen der Thymusdrüse verantwortlich sein, die in der Folge zu Myasthenia gravis führen. Bei Patientinnen und Patienten mit einer Myasthenie findet sich bei 10 - 15 % der Betroffenen ein Thymom. Doch gleichzeitig wird bei ca. Teilweise wird auch eine Entfernung des Thymus erwogen, obwohl kein Tumor nachweisbar ist.
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Symptome von Myasthenia Gravis
Je nach Ausprägung und Person können sich die Symptome einer Myasthenia gravis unterscheiden. Ihnen gemein ist jedoch die Verstärkung der Symptome im Verlauf des Tages, d. h. bei Belastung. Im frühen Stadium der Myasthenie betrifft die Schwäche der Muskulatur häufig nur die Augen, in späteren Erkrankungsgraden breitet sich diese auch auf andere Skelettmuskeln aus. Muskeln in den Organen sind hiervon nicht betroffen.
- Lähmungen der äußeren Augenmuskeln und Lidheberschwäche
- Doppelsehen (Diplopie)
- Schwächung der Muskeln, bspw. im Gesicht, der Arme und Beine, aber auch der Atemmuskulatur
- Taubheitsgefühle bis hin zu Lähmungserscheinungen
- Muskelschwäche verstärkt sich im Verlauf des Tages
- Sprech-, Schluck- und Kauschwierigkeiten
- Atembeschwerden durch eine Schwächung der Atemmuskulatur
Zusätzlich zu diesen Symptomen kann durch akute Infekte, eine fehlende oder falsche Behandlung oder durch Medikamente eine sogenannte myasthene Krise ausgelöst werden.
Häufige Symptome im Detail
Die Augen sind bei Myasthenia gravis meist schon im Frühstadium von Symptomen betroffen. Weit davor kommt es aber in vielen Fällen zunächst zu Symptomen, welche die Augen betreffen. Typisch sind das hängende Augenlid (Ptose) und Sehstörungen, wie etwa Doppelbilder. Außerdem sind die Beschwerden von Person zu Person unterschiedlich und können sich obendrein im Laufe der Zeit verändern.
Das Kardinalssymptom ist viel mehr der Zeitpunkt, zu dem die Symptome auftreten bzw. sich intensivieren und wann sie nachlassen. Dabei sind bestimmte Muskelgruppen häufiger betroffen als andere. Typisch ist zum Beispiel die Ermüdung der Augenmuskulatur und der Augenlidbewegung. Auch die Mimik und die für Kauen, Sprechen und Schlucken zuständigen Muskelgruppen sind häufig (aber nicht immer) betroffen. Oft tritt die Erkrankung sehr plötzlich auf, während der Grad der Muskelschwäche sowohl nach Tagesform als auch von Person zu Person unterschiedlich ist, was die Definition allgemeiner Anhaltspunkte für die Diagnose umso schwieriger macht.
Die Myasthene Krise
Bei besonders schweren Fällen weitet sich die Erkrankung neben der Rachen- auch auf die Atemmuskulatur aus: Patient:innen erleiden Probleme beim Atmen und das Risiko für eine Atemlähmung steigt. Man spricht dann von einer myasthenen Krise: Dabei handelt es sich um einen lebensbedrohlichen Zustand, der durch eine rapide Verschlechterung der Symptomatik verursacht wird. Die Betroffenen benötigen meist eine mechanische Beatmung und/oder künstliche Ernährung. Weitere typische Symptome sind eine Weitung der Pupillen, hängende Augenlider, hoher Puls, Blässe und Schluckstörung. Die Patienten benötigen eine sofortige intensive Therapie in einer auf die Myasthenie-Behandlung spezialisierten Klinik mit intensivmedizinischer Überwachung.
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Auslöser myasthener Krisen können Infektionen wie z. B. eine Bronchitis oder Lungenentzündung sein. Auch die inkonsequente Einnahme oder plötzliche Beendigung einer Therapie, die das Immunsystem unterdrückt, eine Operation unter Vollnarkose, Stress oder eine Entbindung können das Entstehen einer myasthenen Krise begünstigen. Bei Betroffenen mit Schluckstörungen aufgrund ihrer Myasthenie ist die Gefahr einer solchen Krise besonders hoch.
Diagnose von Myasthenia Gravis
Die Diagnose einer Myasthenia gravis erfolgt durch verschiedene Verfahren. Insbesondere muss diese von anderen Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen abgegrenzt werden, etwa dem Lambert-Eaton-Syndrom, der Multiple Sklerose, dem Muskelschwund und Muskelschmerzen, einem Schlaganfall oder einem Hirntumor. Auch Medikamente können Symptome einer Myasthenia gravis auslösen.
Zu den Untersuchungsmethoden gehören:
- Eine körperliche Untersuchung mit bspw. dem Simpson-, Pyridostigmin- und Tensilon-Test
- Elektrophysiologische Untersuchung, bei der bestimmte Nerven mit niedrigen Frequenzen stimuliert werden
- Labortests zum Nachweisen spezifischer Antikörper im Blut
- Bildgebende Verfahren wie die Computertomographie (CT) zur Abklärung einer veränderten Thymusdrüse oder eines Tumors
- Eine Muskelbiopsie, um andere Krankheiten auszuschließen
- Der quantitative-Myasthenia-gravis-Test (QMG) zur Bestimmung des vorliegenden Schweregrades sowie der Myasthenia-gravis-Activities-of-Daily-Living-Test (MG-ADL), der eine Aussage darüber zulässt, in welchem Grad der Alltag des Patienten bzw.
Es ist wichtig, dass sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch Angehörige und Betroffene besser darüber informiert werden, welche - oft unspezifischen - Anzeichen auf eine Myasthenie hinweisen können. Die Symptome selbst sind sehr vielseitig und häufig auch typisch für andere Erkrankungen. Zum Beispiel kann eine Myasthenie zu Sprechstörungen und Schluckbeschwerden führen, welche, insbesondere bei älteren Menschen, häufig den typischen Parkinson-Symptomen zugeordnet werden.
Spezifische Tests und Verfahren
Die klinische Anamnese bezüglich der medizinischen Vorgeschichte nimmt einen sehr wichtigen Stellenwert ein, ähnlich wie die Erfahrung der behandelnden Ärztinnen und Ärzte. Die Patientinnen und Patienten werden gezielt nach Doppelbildern, Kau- und Schluckbeschwerden, Gewichtsabnahme und der Verschlechterung der Symptomatik unter Belastung bzw.
Tests, die helfen können, die Diagnose zu bestätigen, sind z.B. Ein weiterer Test, der sich z. B. für die Überprüfung von Sehstörungen und anderen Symptomen der Augen eignet, ist der pharmakologische Test mit Edrophoniumchlorid. Dabei handelt es sich um einen kurzwirksamen Cholinesterasehemmer. Wie bereits eingangs in diesem Ratgeber erwähnt, bauen Cholinesterasen das Acetylcholin an den Rezeptoren der motorischen Endplatte ab. Wenn diese Enzyme gehemmt werden, erhöht sich dadurch folgerichtig kurzzeitig die Konzentration von ACh an den Rezeptoren der Muskeln. Die Muskelspannung steigt dadurch für kurze Zeit an. Vor dem Test werden die Patientinnen und Patienten gebeten, mehrmals die Augen zu schließen und zu öffnen. Durch diesen repetitiven Vorgang kommt es bei Patientinnen und Patienten mit Myasthenia gravis zur Ermüdung der Muskeln und die Augenlider beginnen zu hängen. Zudem können Sehstörungen wie Doppelbilder auftreten. Anschließend wird den Betroffenen eine Injektion mit Edrophoniumchlorid verabreicht. Nun sollen Sie die Augen erneut mehrmals öffnen und schließen.
Der Pyridostigmin-Test funktioniert ähnlich wie der Edrophiniumchlorif-Test, lediglich mit einem anderen Cholinesterasehemmer, nämlich mit dem namensgebenden Pyridostigmin. Der Test läuft ebenfalls ähnlich ab und wird ambulant durchgeführt. Primär wird er bei älteren Patientinnen und Patienten durchgeführt, indem 30-60 mg Pyridostigmin verabreicht werden. Allerdings nicht als Injektion, sondern oral.
Blutuntersuchungen sind wichtig, um Antikörper zu erkennen, die die Rezeptoren, an denen die Nervenimpulse die Muskeln ansteuern, beeinträchtigen oder die Enzyme, welche an der Bildung der Rezeptoren beteiligt sind. Getestet wird zum Beispiel auf Anti-Acetylcholinrezeptor-AK, Anti-MuSK-AK, Anti-LRP4-AK und Anti-Titin-AK. Auf Letztere wird das Blut untersucht, wenn der Verdacht auf Tumore der Thymusdrüse besteht, sogenannte Thymome. Sowohl gutartige als auch bösartige Tumore des Thymus können Myasthenia gravis verursachen. Auf dieser Basis können auch bestimmte Behandlungsentscheidungen, zum Beispiel für die Entfernung des Thymus, getroffen werden. Davon profitieren mitunter auch Patientinnen und Patienten ohne Thymome, da die Antikörper, die sich gegen die ACh-Rezeptoren oder andere wichtige Enzyme richten, vor allem in der Thymusdrüse gebildet werden.
Repetitive Nervenstimulation und Einzelfaser- Elektromyographie (EMG) messen die elektrische Aktivität zwischen dem Gehirn und den Muskeln. Lungenfunktionstests können durchgeführt werden, um zu prüfen, ob die Erkrankung Auswirkungen auf die Atmung hat. Das ist wichtig, denn wenn die Myasthenia gravis sich auf die Atemmuskulatur auswirkt, kann dies zu einer Ateminsuffizienz führen, die lebensbedrohlich ist. Störungen der Atmung bei Myasthenia gravis können sich in Form einer schwachen, heiseren Stimme, eines schwachen Hustens oder eines häufigen Atemholens beim Sprechen äußern.
Formen der Myasthenia Gravis
Die Myasthenia gravis kann nach unterschiedlichen Kriterien eingeteilt werden, z. B. Die Myasthenia gravis lässt sich zudem abhängig von den zugrunde liegenden Mechanismen in verschiedene Untergruppen einteilen. Dabei wird das Blut Betroffener auf bestimmte Arten von Antikörpern untersucht oder geprüft, ob Tumoren der Thymusdrüse vorliegen.
- Okuläre Myasthenie: Die okuläre Form betrifft ausschließlich die Augenmuskeln. Zusätzlich kann es zum Doppelsehen (Diplopie) kommen.
- Leichte bis mittelschwere generalisierte Myasthenie: Die Myasthenia gravis und ihre Symptome kann sich auf den gesamten Körper ausbreiten und neben der Augenmuskulatur zu einer leichten bis mäßigen Muskelschwäche führen.
- Mittelschwere generalisierte Myasthenie: Weitere Muskelgruppen sind betroffen und die Symptome fallen mittelschwer aus.
- Schwere generalisierte Myasthenie: Bei diesem Schweregrad liegen schwere Symptome vor. Ist auch die Atemmuskulatur betroffen, kann in dieser Klasse eine Nasensonde nötig werden.
- Intubation: Weist ein Patient bzw. eine Patientin diesen Schweregrad auf, so muss diese oder dieser intubiert werden. Je nach Ausprägung der Muskelschwäche wird zusätzlich eine Beatmung benötigt.
Spezifische Formen und ihre Merkmale
- Form mit frühem Krankheitsbeginn: Diese Form der Myasthenia gravis tritt in den meisten Fällen vor dem 51. Lebensjahr auf und geht häufig mit weiteren Autoimmunerkrankungen einher. Zusätzlich kann die Thymusdrüse vergrößert sein (follikuläre Hyperplasie), weshalb eine Entfernung der Thymusdrüse die Symptome der Myasthenia verbessern kann. Ein Tumor der Thymusdrüse (Thymus) tritt bei dieser frühen Erkrankung nur selten auf.
- Form mit spätem Krankheitsbeginn: An dieser Form der Myasthenia gravis erkranken die Patientinnen und Patienten nach dem 51. Lebensjahr. Im Gegensatz zur früheren Form vergrößert sich die Thymusdrüse nur in seltenen Fällen, auch Tumore kommen fast nie vor. Die Entfernung der Thymusdrüse bringt deshalb nur in individuellen Fällen ähnliche Ergebnisse wie bei einem früheren Erkrankungsbeginn.
- Thymom-assoziierte Form: Entwickelt sich in der Thymusdrüse ein Tumor (Thymus), so gehört die Myasthenia gravis bei rund einem Drittel der Patientinnen und Patienten als Begleiterkrankung zum Krankheitsbild.
- MuSK-assoziierte Form: Diese Myastheniaform kennzeichnet sich durch die Antikörper gegen muskelspezifische Rezeptoren. Zusätzlich können bei einigen Patientinnen und Patienten Antikörper gegen die Acetylcholinrezeptoren vorliegen. Im Gegensatz zu den anderen Myasthenieformen liegen bei dieser häufig Beschwerden im Nacken- und Halsbereich vor, wodurch das Sprechen, Schlucken und Kauen schwerfällt. Eine Schwäche in den Armen, Beinen oder den Augen tritt dagegen selten auf. Da die Thymusdrüse häufig unauffällig ist, wird hier von einer Entfernung abgeraten und stattdessen mit Medikamenten und evtl.
- LRP4: LRP4 betrifft ebenfalls die Funktion der Acetylcholinrezeptoren. Diese Form der Myasthenie betrifft häufig Frauen und führt ebenfalls selten zu einer Thymusdrüsenvergrößerung. Die Symptome fallen vergleichsweise mild aus.
- Form ohne nachweisbare Antikörper: Nicht alle Patientinnen und Patienten weisen Antikörper im Blut auf, dennoch können diese unter den Symptomen einer Myasthenia gravis leiden. Häufig zählen hierzu neben den Symptomen einer generalisierten Myasthenie auch Kau-, Schluck- und Sprechbeschwerden. Ob die Entfernung der Thymusdrüse sinnvoll erscheint, wird individuell entschieden.
Therapieansätze bei Myasthenia Gravis
Obwohl die Autoimmunerkrankung Myasthenia gravis selten auftritt, ist diese gut erforscht und behandelbar. Ziel des individuellen Therapieplans stellt hierbei die möglichst vollständige Beschwerdefreiheit der Patientinnen und Patienten dar.
Zum Behandlungsplan gehören ebenfalls Medikamente und evtl. Kortison, Immunsuppressiva, Acetylcholinesterasehemmer und Biologika gehören zu den Medikamenten, mit denen eine Myasthenia gravis behandelt wird.
Medikamentöse Behandlung
- Acetylcholinesterasehemmer: Mit diesem Wirkstoff wird der Abbau des Botenstoffes Acetylcholin gebremst und damit die Reizübertragung von den Nerven zu den Muskeln verbessert. Beschwerden werden durch die Einnahme von Medikamenten, die die Wirkung des Acetylcholins an der motorischen Endplatte imitieren (Pyridostigmin und Neostigmin), verbessert. Hier müssen je nach Schwere der Beschwerden die richtige Dosis und die richtigen Zeitpunkte ermittelt werden. Ebenso wichtig für den Patienten ist es, auf Verschlechterungen zu reagieren, das heißt frühzeitig Infektionen behandeln zu lassen und auf die Nebenwirkungsprofile einzunehmender Medikamente zu achten. Es gibt einige Medikamente, zum Beispiel Antibiotika, die Beschwerden einer Myasthenie dramatisch verschlechtern und auch zu einer Myasthenen Krise führen können.
- Kortikosteroide und Immunsuppressiva: Zur Behandlung der Autoimmunerkrankung kommen Kortikoide oder andere immunsuppressive Therapien wie zum Beispiel das Azathioprin zum Einsatz. Sie werden eingesetzt, um die Neubildung von Antikörpern zu bremsen. Sie haben in der Regel während einer Langzeitbehandlung weniger starke Nebenwirkungen als Kortison. Der Behandlungserfolg tritt mit diesen Medikamenten jedoch erst mit einer gewissen Verzögerung ein. Mit dem körpereigenen Hormon wird die Überaktivität des Immunsystems gedämpft.
- Biologika: Neuartige monoklonale Antikörper wie Rituximab und Eculizumab, greifen spezifisch in den Krankheitsprozess ein und können das Krankheitsgeschehen in bestimmten Konstellationen nachhaltig positiv zu beeinflussen.
- Immuntherapie: Am Deutschen Zentrum Immuntherapie kann die Erkrankung in interdisziplinärere Zusammenarbeit mit den beteiligten Kliniken zudem mittels Immuntherapie behandelt werden. Bei dieser kommen spezielle Immuntherapeutika zum Einsatz, die die Bildung schädigender Antikörper unterdrücken.
Weitere Therapieoptionen
Lässt sich jedoch ein Thymustumor nachweisen, reicht eine medikamentöse Therapie allein meist nicht mehr aus und eine Operation wird notwendig. Bei einigen Patienten oder Patientinnen ist der Thymus gutartig vergrößert, was scheinbar im Zusammenhang mit der Entstehung von Myasthenia gravis steht. In diesen Fällen wird der Thymus entfernt, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen.
Im Falle einer myasthenen Krise, bei der ein Atemstillstand droht, ist eine Notfalltherapie notwendig: Betroffene bekommen über eine Infusion sogenannte Immunglobuline, also spezielle Immunzellen aus dem Spenderblut gesunder Menschen. In einigen Fällen kann eine sogenannte Plasmapherese Teil der Behandlung sein.
Leben mit Myasthenia Gravis
Patienten mit Myasthenie sollten sich unbedingt regelmäßig bei spezialisierten Neurologen vorstellen und Lebensereignisse wie Schwangerschaften oder anstehende Operationen stets mit ihrem Neurologen planen. Viele Betroffene sind durch Fatigue, also ein permanentes Erschöpfungsgefühl, eingeschränkt.
Tipps für den Alltag
Alle Patientinnen und Patienten müssen ihre individuellen Belastungsgrenzen herausfinden. Es besteht die Hoffnung, dass zukünftige Forschung noch bessere Behandlungsmöglichkeiten hervorbringt. In diesem Ratgeber finden Sie auch Tipps zum Alltag mit Myasthenia Gravis.
- Reisen: Patient*innen mit myasthenen Syndromen möchten und können, trotz ihrer Erkrankung, in den Urlaub fahren. Im Vorfeld bedarf es einiger Organisation und eventuell auch, je nach Schweregrad und Behandlung, eine individuelle Abstimmung mit der behandelnden Ärztin / dem behandelnden Arzt. Beachten Sie bei der Planung ihre Therapieintervalle von regelmäßigen Infusionen (z. B. IVIG, Eculizumab, Efartigimod, Rituximab, etc.) und, dass diese eventuell vor Ort verabreicht werden müssen. Stellen Sie sicher, dass die medizinische Versorgung und neurologische Betreuung im Notfall vor Ort gewährleistet werden können. Führen Sie ihren Notfallausweis (deutsch, englisch) und einen Medikationsplan (deutsch, englisch, evtl. in der Landessprache) mit sich, damit Sie den bei Notwendigkeit vorlegen können. Für viele ist der „Blaue Leitfaden“ ein wichtiges, unersetzliches Dokument geworden. Einige von Ihnen tragen sicherlich auch die SOS-Notfallkette, -kapsel oder das SOS-Armband.
- Klima und Umgebung: Je nach Reiseziel kann das Klima viel wärmer oder wesentlich kälter sein. Vermeiden Sie Temperaturextreme. Patientinnen und Patienten mit myasthenen Syndromen vertragen Hitze meist schlechter.
- Impfungen: Immunsupprimierte dürfen nicht alle Schutzimpfungen bekommen (Lebendimpfstoffe, z. B. Gelbfieber). Denken Sie aber auch daran, dass die Standardimpfungen bzw. die entsprechenden Auffrischungen aktuell sind.
- Anreise: Eine lange Anreise ist beschwerlich und kann die myasthenen Symptomatik verstärken. Planen Sie bei Fahrten mit dem Auto ausreichend Pausen ein oder genießen Sie es, Beifahrer*in zu sein. Auf Rastplätzen an Autobahnen sind in der Regel sowohl Parkplätze als auch Toiletten für Reisende mit Behinderung vorhanden. Meist ist für den Zugang zu den Toiletten sowie die öffentlichen Toiletten mit ein Euro-Schlüssel notwendig. Bei Zugreisen steht Ihnen die Mobilitätszentrale der DB für barrierefreies Reisen zur Verfügung. Schwerbehinderte Personen (auch Kinder), die eine Wertmarke besitzen, können im Nahverkehr kostenfrei fahren. Mit Merkzeichen B dürfen Sie im Fernverkehr bis zu 2 Sitzplätze kostenfrei reservieren, auch wenn sie kein gültiges Beiblatt mit Wertmarke besitzen.
- Aktivitäten: Die Aktivitäten am Urlaubsziel sollten immer an ihre aktuelle Konstitution angepasst sein. Beachten Sie von vorneherein, dass einige Unternehmungen (Wanderungen, Sightseeing) nur bedingt möglich sind und ihre Kräfte schnell schwinden können. Sie selbst kennen sich und Ihre Ressourcen am besten und wissen auch, dass jeder Tag anders sein kann.
Dokumentation des Krankheitsverlaufs
Du kannst die Einschränkungen durch die Myasthenia gravis in deinem Alltag selbst ganz einfach mit dem MG-ADL-Fragebogen dokumentieren. Darin wirst du nach dem Grad deiner Beschwerden beispielsweise beim Sprechen, Zähneputzen oder aber bei Doppelbildern und hängenden Augenlidern gefragt. Der sogenannte Myasthenia Gravis Activities of Daily Living-Fragebogen, kurz MG-ADL, ist wissenschaftlich anerkannt und ermöglicht es dir, einen langfristigen Überblick über deinen Krankheitsverlauf zu erhalten.
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