Myelinscheide: Aufbau, Funktion und Bedeutung für das Nervensystem

Die Myelinscheide ist eine essenzielle Struktur des Nervensystems, die eine schnelle und effiziente Weiterleitung elektrischer Signale ermöglicht. Sie umhüllt die Axone vieler Nervenzellen und spielt eine entscheidende Rolle bei der Signalübertragung. Dieser Artikel beleuchtet den Aufbau, die Funktion und die klinische Bedeutung der Myelinscheide.

Einführung in die Myelinscheide

Die Myelinscheide ist eine isolierende Schicht, die die Axone vieler Nervenzellen umhüllt. Diese Umhüllung wird von spezialisierten Gliazellen gebildet. Im zentralen Nervensystem (ZNS) übernehmen die Oligodendrozyten diese Aufgabe, während im peripheren Nervensystem (PNS) die Schwann-Zellen dafür zuständig sind.

Aufbau der Myelinscheide

Die Myelinscheide besteht aus mehreren Lagen von Gliascheiden. Im ZNS bilden Oligodendrozyten mit ihren Fortsätzen mehrere Myelinscheiden an unterschiedlichen Axonen. Im PNS hingegen umhüllen Schwann-Zellen die Axone spiralförmig, wobei bis zu fünfzig doppelte Lagen entstehen können.

Ranviersche Schnürringe

Zwischen zwei benachbarten Myelinscheiden befindet sich ein kleiner, nicht myelinisierter Bereich, der als Ranvierscher Schnürring bezeichnet wird. An diesen Schnürringen können sich Aktionspotenziale ausbilden, im Gegensatz zu den myelinisierten Abschnitten des Axons.

Myelin

Myelin ist die fetthaltige Substanz, aus der die Myelinscheiden bestehen. Der hohe Lipidanteil führt dazu, dass myelinisierte Nervenfasern im Mikroskop oft als "weiße Substanz" erscheinen. Die Myelinmembran hat eine sehr niedrige Dichte von nur 0,25 g/cm³, im Vergleich zu normalen Zellmembranen mit einer Dichte von 1,2 bis 1,3 g/cm³.

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Funktion der Myelinscheide

Die Hauptfunktion der Myelinscheide besteht darin, die Geschwindigkeit und Effizienz der elektrischen Signalübertragung entlang der Axone zu erhöhen. Dies geschieht durch die Isolierung der Axone und die Förderung der saltatorischen Erregungsleitung.

Isolation und Schutz

Die Myelinscheide bietet den Neuriten mechanischen Schutz und wirkt wie ein elektrischer Isolator für periphere Nerven. Sie verhindert Kurzschlüsse zwischen benachbarten Axonen, indem sie die Membrankapazität verringert und Leckströme verhindert.

Saltatorische Erregungsleitung

Die Myelinisierung ermöglicht eine sprunghafte (saltatorische) Erregungsleitung. Aktionspotenziale springen von einem Ranvierschen Schnürring zum nächsten, anstatt sich kontinuierlich entlang des Axons auszubreiten. Diese Art der Erregungsleitung ist wesentlich schneller und effektiver. Ohne Myelinscheide beträgt die Übertragungsgeschwindigkeit etwa 1 bis 2 m/s, während sie mit einer dicken Myelinscheide bis zu 120 m/s erreichen kann.

Einfluss auf die Leitungsgeschwindigkeit

Sowohl die Dicke der Nervenfaser als auch der Grad der Myelinisierung beeinflussen die Leitungsgeschwindigkeit. Je größer der Durchmesser des Axons und je dicker die Myelinscheide, desto schneller die Signalübertragung.

Myelinscheide im zentralen und peripheren Nervensystem

Die Struktur und Bildung der Myelinscheide unterscheiden sich im ZNS und PNS.

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Zentrales Nervensystem (ZNS)

Im ZNS wird die Myelinscheide von Oligodendrozyten gebildet. Ein Oligodendrozyt kann mehrere Axonabschnitte gleichzeitig myelinisieren, indem er Fortsätze ausbildet, die die Axone umhüllen.

Peripheres Nervensystem (PNS)

Im PNS wird die Myelinscheide von Schwann-Zellen gebildet. Jede Schwann-Zelle umhüllt ein Axonsegment, wobei die Ranvierschen Schnürringe in regelmäßigen Abständen zwischen den Schwann-Zellen liegen. Die Schwann-Zellen umhüllen das Axon mehrmals mit ihrem Zellplasma, bis es elektrisch isoliert ist.

Unterschiede in der Struktur

Die Struktur des Myelins im ZNS unterscheidet sich von der im PNS. Die Myelinscheiden im ZNS sind meist dünner, und die Ultrastruktur weist kleinere Unterschiede auf, die nur unter einem Elektronenmikroskop sichtbar sind. Der Abstand zwischen den Myelinhauptlinien im ZNS beträgt etwa 12 nm, während er im PNS etwa 15 nm beträgt.

Klinische Bedeutung der Myelinscheide

Die Myelinscheide ist klinisch von großer Bedeutung, da ihre Integrität und Funktion entscheidend für die schnelle und effiziente Signalübertragung im Nervensystem sind. Schädigungen der Myelinscheide können zu schwerwiegenden neurologischen Störungen führen.

Multiple Sklerose (MS)

Multiple Sklerose ist eine Autoimmunerkrankung, die durch eine fortschreitende Demyelinisierung von Axonen im ZNS gekennzeichnet ist. Das Immunsystem greift fälschlicherweise die Myelinstrukturen an und verursacht Entzündungen und Schäden. Dies führt zu einer stark eingeschränkten Leitungsgeschwindigkeit der betroffenen Neurone und kann zu Degeneration der Nervenzellen führen.

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Mögliche Ursachen

Eine weit verbreitete Annahme ist, dass sich eine solche Autoreaktivität nach einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV), dem Erreger des Pfeiffer-Drüsen-Fiebers, entwickelt. Ein häufiges Erstsymptom sind Sehstörungen, darunter auch das Sehen von Doppelbildern.

Verlauf und Prognose

Die Prognose sowie der Verlauf der Multiplen Sklerose sind sehr individuell und können sich enorm unterschiedlich präsentieren. Ein Erkrankungsbeginn nach dem 35. Lebensjahr wirkt sich eher ungünstiger auf die Prognose aus.

Waller-Degeneration und Regeneration

Im PNS spielen Schwann-Zellen eine wichtige Rolle bei der Regeneration von peripheren Nerven. Nach einer Nervenverletzung degenerieren die Fasern distal der Verletzung (Waller-Degeneration). Die Schwann-Zellen überleben diesen Prozess jedoch und beginnen, die Enden des durchtrennten Axons zu verbinden. Dabei entstehen lange Ketten, die als Büngner-Bänder bekannt sind und den wachsenden Axonen als Leitstruktur dienen.

Weitere Krankheiten

Neben der Multiplen Sklerose gibt es weitere Krankheiten, die die Myelinscheide betreffen können. Diese können genetisch bedingt sein oder durch Infektionen oder andere Faktoren verursacht werden.

Remyelinisierung

Die Myelinscheide kann sich unter bestimmten Bedingungen wieder erholen, ein Prozess, der als Remyelinisierung bezeichnet wird. Dabei bilden spezialisierte Zellen, wie Oligodendrozyten im ZNS und Schwann-Zellen im PNS, neues Myelin um die geschädigten Axone. Die Forschung zur Förderung der Remyelinisierung ist ein wichtiger Ansatz zur Behandlung von demyelinisierenden Erkrankungen wie MS.

Einfluss der Myelinscheide auf Lernen und Gedächtnis

Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Myelinscheide auch einen starken Einfluss auf unser Gedächtnis, unser Erinnerungsvermögen und unsere Lernfähigkeiten hat. Die Dicke der Myelinscheide kann von Gehirnregion zu Gehirnregion variieren, und je dicker die Myelinscheide, desto besser isoliert ist das Axon und desto höher die Geschwindigkeit, mit der Aktionspotenziale wandern.

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