Verwirrt nach Gehirn-OP: Ursachen, Prävention und Behandlung des Delirs

Ein Delir ist ein akuter Verwirrtheitszustand, der nach Operationen, insbesondere nach Gehirnoperationen, auftreten kann. Betroffene verlieren zeitweise die Orientierung, agieren verwirrt und können sogar aggressiv werden. Dieses Phänomen wird oft unterschätzt, obwohl es eine erhebliche Belastung für Patienten und Angehörige darstellt.

Was ist ein Delir?

Ein Delir, auch als Durchgangssyndrom oder akutes organisches Psychosyndrom bekannt, ist eine vorübergehende Funktionsstörung des Gehirns. Es tritt häufig nach großen Operationen oder schweren Erkrankungen auf, kann aber auch durch Medikamente, Entzugserscheinungen oder Stoffwechselstörungen ausgelöst werden. Im wörtlichen Sinne bedeutet Delir "aus der Spur geraten".

Symptome eines Delirs

  • Verwirrung: Betroffene sind desorientiert bezüglich Zeit, Ort und Person. Sie wissen nicht, wo sie sind oder welcher Tag ist.
  • Aufmerksamkeitsstörungen: Die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit zu fokussieren und aufrechtzuerhalten, ist beeinträchtigt.
  • Wahrnehmungsstörungen: Halluzinationen, Illusionen oder das Gefühl, dass die Umgebung fremd und bedrohlich ist. Einige sehen Dinge, oft weiße Tiere.
  • Gedächtnisprobleme: Schwierigkeiten, sich an aktuelle Ereignisse zu erinnern oder neue Informationen aufzunehmen.
  • Verhaltensänderungen: Unruhe, Agitation, Aggressivität oder Teilnahmslosigkeit und Rückzug. Manche ziehen ihre Infusionsschläuche heraus, rufen immer wieder nach Hilfe und empfinden die fremde Umgebung als bedrohlich.
  • Schlafstörungen: Ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus mit Schläfrigkeit am Tag und Unruhe in der Nacht.
  • Emotionale Veränderungen: Ängstlichkeit, Reizbarkeit oder Depression. Viele beschreiben diesen Zustand später als Alptraum, der von der Realität nicht zu unterscheiden war und den nur sie wahrgenommen haben.

Formen des Delirs

Es gibt verschiedene Formen des Delirs, die sich in ihren Symptomen unterscheiden:

  • Hyperaktives Delir: Gekennzeichnet durch Unruhe, Agitation, Halluzinationen und Desorientiertheit.
  • Hypoaktives Delir: Gekennzeichnet durch Teilnahmslosigkeit, Schläfrigkeit, verminderte Aktivität und reduzierte Reaktion auf Reize. Diese Form wird oft übersehen, da die Patienten nicht "offensichtlich auffällig" sind.
  • Mischform: Eine Kombination aus hyperaktiven und hypoaktiven Symptomen.

Ursachen und Risikofaktoren

Die genauen Ursachen für ein Delir sind noch nicht vollständig geklärt, aber es gibt eine Reihe von Risikofaktoren, die das Auftreten eines Delirs begünstigen können:

  • Hohes Alter: Ältere Menschen sind anfälliger für Delirien, da ihre Hirnfunktion bereits eingeschränkt sein kann. Schätzungen gehen davon aus, dass in der Altersgruppe ab 65 Jahren bei fast jedem Dritten, der stationär versorgt werden muss, ein Delir-Problem besteht.
  • Vorerkrankungen: Demenz, Depressionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselstörungen wie Diabetes und Niereninsuffizienz erhöhen das Delirrisiko.
  • Operationen: Insbesondere lange Operationen unter Vollnarkose, Notfalleingriffe und Operationen am Herz-Kreislauf-System unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine.
  • Medikamente: Bestimmte Medikamente wie Schmerzmittel, Beruhigungsmittel, Anticholinergika und die gleichzeitige Einnahme mehrerer Medikamente (Polypharmazie) können ein Delir auslösen. Auch das plötzliche Absetzen oder die Neueinnahme von Medikamenten sowie Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Mitteln erhöhen das Risiko.
  • Entzündungen: Entzündungsprozesse im Körper, die als Reaktion auf die Operation auftreten, können die Nervenzellen schädigen und ein Delir begünstigen.
  • Flüssigkeitsmangel: Dehydration, insbesondere bei älteren Menschen, kann die Gehirnfunktion beeinträchtigen und ein Delir auslösen.
  • Schlafentzug: Ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus und Schlafmangel können die Entstehung eines Delirs fördern.
  • Alkoholmissbrauch: Ein abrupter Alkoholentzug bei Abhängigen kann ein Delirium tremens auslösen.
  • Sensorische Defizite: Seh- und Hörstörungen können die Orientierung erschweren und ein Delir begünstigen.
  • Mangelernährung: Ein Mangel an wichtigen Nährstoffen kann die Gehirnfunktion beeinträchtigen.
  • Lange Narkosedauer: Je kürzer die Patient*innen in Narksose liegen, also weggetreten sind, desto besser.
  • Gebrechlichkeit: Eine bereits bestehende "Gebrechlichkeit" oder eine Eingriffsdauer von mehr als drei Stunden.

Prävention

Es gibt verschiedene Maßnahmen, die ergriffen werden können, um einem Delir vorzubeugen:

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  • Schonende Narkose: Gerade bei Risikopatient*innen (z.B. in hohem Alter oder mit Vorerkrankungen) ist es wichtig, wenn möglich auf eine schonende Narkose zurückzugreifen.
  • Optimierung der Medikation: Überprüfung der Medikamentenliste und Reduzierung oder Vermeidung von Medikamenten, die das Delirrisiko erhöhen.
  • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr: Sicherstellung einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr, insbesondere bei älteren Menschen.
  • Förderung eines normalen Tag-Nacht-Rhythmus: Tagsüber Aktivierung der Patienten, nachts schlaffördernde Maßnahmen.
  • Frühzeitige Mobilisierung: Förderung der körperlichen Aktivität und Mobilisierung der Patienten, sobald dies möglich ist. Nach der Operation sollten die Betreffenden zudem möglichst rasch wieder mobilisiert werden.
  • Sensorische Stimulation: Sicherstellung, dass die Patienten ihre Brille und ihr Hörgerät tragen, um die Orientierung zu verbessern. Um die Orientierung zu fördern, sollten Patient*innen unmittelbar nach der Operation wichtige Gegenstände, wie ihre Brille oder ihr Hörgerät zurückbekommen.
  • Orientierungshilfen: Bereitstellung von Uhren, Kalendern und anderen Orientierungshilfen im Patientenzimmer. Große, gut lesbare Uhren zum Beispiel, die neben der Uhrzeit auch den Wochentag und das Datum anzeigen.
  • Vertraute Umgebung: Ermöglichung von Besuchen von Angehörigen und Bereitstellung persönlicher Gegenstände wie Fotos, um eine vertraute Umgebung zu schaffen. flexible Besuchszeiten bzw. Bekannte Gesichter (Angehörige, Bezugspersonen), bekannte Gegenstände in Sichtweite des Patienten, Lektüre, Musik, kleine Wortspiele und geduldige, empathische Gespräche in einem ruhigen Umfeld wirken sich darüber hinaus günstig aus, um den postoperativen Verwirrtheitszustand schnell und gut zu überwinden.
  • Schmerzmanagement: Optimale Schmerztherapie, um Schmerzen zu lindern und Unruhe zu reduzieren.
  • Delir-Screening: Regelmäßige Überprüfung des mentalen Zustands von Risikopatienten, um ein Delir frühzeitig zu erkennen. Nach den aktuellen Empfehlungen sollen grundsätzlich alle Menschen im Alter von über 65 Jahren, die in die Notaufnahme oder in ein Krankenhaus kommen, schon gleich bei der Aufnahme auf das Vorliegen von Wahrnehmungs- und Gedächtnisstörungen (kognitive Leistung) hin untersucht werden.

Die Rolle der Angehörigen

Angehörige spielen eine wichtige Rolle bei der Prävention und Behandlung von Delirien. Sie können:

  • Informationen liefern: Dem Pflegepersonal Informationen über den normalen Zustand des Patienten vor dem Krankenhausaufenthalt geben.
  • Unterstützung bieten: Den Patienten bei der Orientierung helfen, Ängste nehmen und Sicherheit vermitteln.
  • Vertrautheit schaffen: Persönliche Gegenstände und Fotos mitbringen, um eine vertraute Umgebung zu schaffen.
  • Beobachtungen mitteilen: Veränderungen im Verhalten des Patienten dem Pflegepersonal mitteilen. Verhält sich die Mutter oder der Vater nicht wie gewohnt, sollten Angehörige sofort beim Pflegepersonal Bescheid geben.
  • Besuche machen: Sehr häufige Besuche im Krankenhaus. Dabei könne es vorkommen, dass Betroffene selbst sehr nahestehende Menschen zeitweise nicht erkennen.

Behandlung

Die Behandlung eines Delirs zielt darauf ab, die Ursachen zu beseitigen, die Symptome zu lindern und die Patienten bei der Reorientierung zu unterstützen.

  • Beseitigung der Ursachen: Identifizierung und Behandlung von zugrunde liegenden medizinischen Problemen wie Infektionen, Stoffwechselstörungen oder Medikamentenwirkungen.
  • Medikamentöse Behandlung: In einigen Fällen können Medikamente eingesetzt werden, um die Symptome des Delirs zu lindern, wie z.B. Antipsychotika bei Agitation oder Schlafmittel bei Schlafstörungen. Medikamente lindern allenfalls die Symptome des Delir und haben oft selbst Nebenwirkungen.
  • Nicht-medikamentöse Maßnahmen:
    • Reorientierung: Den Patienten helfen, sich in der Umgebung zurechtzufinden, indem man ihnen den Tag, die Uhrzeit und den Ort nennt. Zunächst sollte man verwirrten Betroffenen bei der Orientierung helfen. „Brauchen Sie Hörgerät oder Brille, sollten sie diese tragen“, so Krohn. „Eine gut sichtbare Uhr und ein Kalender auf dem Nachttisch helfen ebenfalls.“ Auch im Gespräch könne man zur Orientierung immer wieder Tageszeit, Wochentag und Datum einfließen lassen. Generell helfen dabei geduldiges Reden, langsame und einfache Sprache sowie zahlreiche Wiederholungen.
    • Umgebungsanpassung: Schaffung einer ruhigen und reizarmen Umgebung, um Stress und Verwirrung zu reduzieren. Alles, was Orientierung und Erinnerung bringt, hilft. Außerdem hilfreich ist es, auf den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus zu achten: Tagsüber werden die Patient*innen aktiviert, und nachts mit schlaffördernden Maßnahmen unterstützt.
    • Unterstützung der kognitiven Funktion: Anregung der geistigen Aktivität durch Gespräche, Spiele oder andere Aktivitäten. Gut wirken oft Lieblingsmusik und -aktivitäten, wie etwa Kartenspiele, bekannte Fernsehsendungen, persönliche Gegenstände und vor allem vertraute Gesichter. Das kann ein Familienbild auf dem Nachtisch sein.
    • Förderung des Schlafs: Schaffung einer angenehmen Schlafumgebung und Vermeidung von Störungen während der Nacht.

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