Kopfschmerzzentrum: Diagnostik, Therapie und Forschung für Kopf- und Gesichtsschmerzen

Kopfschmerzen sind ein weit verbreitetes Leiden, das die Lebensqualität und berufliche Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen kann. Eine korrekte Diagnose ist der erste und wichtigste Schritt, um Betroffenen effektiv zu helfen. In diesem Artikel werden die verschiedenen Aspekte der Versorgung in einem Kopfschmerzzentrum beleuchtet, von der Diagnostik über die Therapie bis hin zur Forschung.

Die Bedeutung der korrekten Diagnose

Kopfschmerzen sind oft keine schwere Erkrankung, können aber im Alltag zu erheblichen Beeinträchtigungen der Lebensqualität und beruflichen Leistungsfähigkeit führen. Die Internationale Kopfschmerzgesellschaft (IHS) listet in ihrer Klassifikation über 200 verschiedene Kopfschmerzarten auf. Gerade bei seltenen Kopf- und Gesichtsschmerzen stellt die richtige Einordnung der Beschwerden und die dazu passende Behandlung eine Herausforderung dar, die eine enge Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen erfordert. Bei wiederkehrenden Kopf- und Gesichtsschmerzen, die den Alltag beeinträchtigen, sollte zuerst eine fachärztliche Vorstellung in einer neurologischen Praxis erfolgen.

Leistungsspektrum von Kopfschmerzzentren

Universitäre Kopfschmerzzentren bieten ein breites Spektrum an diagnostischen und therapeutischen Verfahren an, um Patienten mit Kopf- und Gesichtsschmerzen optimal zu versorgen. Dazu gehören:

  • Detaillierte Anamnese und klinische Untersuchung: Erhebung der Krankengeschichte und gründliche körperliche Untersuchung zur Identifizierung möglicher Ursachen und Auslöser der Kopfschmerzen.
  • Spezifische Schmerzanamnese: Erfassung von Art, Lokalisation, Intensität, Dauer und Begleitsymptomen der Kopfschmerzen, um die Diagnose zu präzisieren.
  • Neurologische Diagnostik: Umfasst bildgebende Verfahren wie MRT, CT sowie EEG zur Abklärung neurologischer Ursachen.
  • Psychologische Diagnostik: Erhebung psychischer Begleiterkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Stress, die Kopfschmerzen verstärken können.
  • Physiotherapeutische Untersuchung: Beurteilung des Bewegungsapparates, insbesondere der Hals- und Nackenmuskulatur, zur Identifizierung von muskulären Verspannungen als Schmerzursache.
  • Multimodale Therapie: Kombination verschiedener Behandlungsansätze, um die bestmögliche Versorgung der Patienten zu gewährleisten.

Häufige Kopfschmerzarten und ihre Behandlung

Migräne

Die Migräne ist eine neurologische Erkrankung, die durch anfallsartige, meist einseitige Kopfschmerzen gekennzeichnet ist. Typisch sind pulsierende, klopfende, hämmernde seitenbetonte Schmerzen des Kopfes, die durch körperliche Bewegung verstärkt werden und ohne Behandlung 4 - 72 Stunden anhalten. Dazu bestehen Zusatzsymptome wie eine Überempfindlichkeit gegenüber Licht und/oder Geräuschen, seltener eine abnormale Geruchsempfindlichkeit sowie Übelkeit bis zu Erbrechen. Dem Kopfschmerz gehen bei einigen Patientinnen oder Patienten bereits an Tagen zuvor Symptome wie Heißhunger, depressive Verstimmung, gesteigerter Antrieb voran. Diese sind zu unterscheiden von der typischen Migräneaura unmittelbar vor oder seltener während der Kopfschmerzen. Hierbei handelt es sich um einseitige wandernde Lichtblitze oder sich bewegende farbige Bilder vor den Augen bis hin zu Sprachstörungen, Taubheit des Gesichtes bzw.

Man unterscheidet zwischen episodischer und chronischer Migräne. Letztere liegt vor, wenn an 15 oder mehr Tagen im Monat Kopfschmerzen bestehen, davon mindestens 8 Tage Migräne.

Lesen Sie auch: Neurologie vs. Psychiatrie

Therapie:

  • Akuttherapie: Medikamente zur Linderung der Schmerzen während eines Migräneanfalls (z.B. Triptane, NSAR).
  • Prophylaxe: Medikamente und nicht-medikamentöse Maßnahmen zur Reduktion der Häufigkeit und Intensität von Migräneanfällen (z.B. Betablocker, Antidepressiva, Entspannungsverfahren, Ausdauersport).
  • Spezielle Therapie: Für Patient:innen mit chronischer Migräne und anderen chronischen Kopfschmerzen (z. B. chronischer Spannungskopfschmerzen) bieten wir ein intensives ambulantes Behandlungsprogramm an (IV Kopfschmerz Spezial).

Spannungskopfschmerz

Spannungskopfschmerzen werden von vielen Menschen als "normale" Kopfschmerzen bezeichnet. Ein Spannungskopfschmerz ist von leichter bis moderater Intensität, meist wie ein Ring um den Kopf, als Druck auf der Schädeldecke oder anhaltender Hinterkopfschmerz beschrieben. Gewöhnlich tritt er ohne Begleitsymptome auf, wenngleich z. B. eine leichte Geräuschempfindlichkeit möglich ist. Ein seltener episodischer Spannungskopfschmerz wird von so gut wie der überwiegenden Mehrzahl von Erwachsenen gekannt und bedarf keiner ärztlichen Vorstellung und Therapie. Sobald eine Häufung auftritt oder der Schmerz chronisch wird, sollte eine Vorstellung erfolgen. Diese werden von vielen Menschen als "normale" Kopfschmerzen bezeichnet. Spannungskopfschmerzen werden dann zum gesundheitlichen Problem, wenn sie chronisch sind, d. h. an mehr als 15 Tagen über mindestens 3 Monate auftreten.

Therapie:

  • Akuttherapie: Schmerzmittel zur Linderung der Beschwerden (z.B. NSAR).
  • Prophylaxe: Entspannungsverfahren, Stressmanagement, Physiotherapie, in einigen Fällen auch Medikamente.

Cluster-Kopfschmerz

Wir behandeln eine große Anzahl von Patient:innen mit dieser seltenen Kopfschmerzerkrankung. Cluster Kopfschmerz (ca. 100 000 Patientinnen oder Patienten in Deutschland) besteht aus strikt halbseitigen Schmerzen um bzw. hinter einem Auge, der Stirn, der Schläfe bis in den Oberkiefer von stechendem, bohrendem bis ziehenden Charakter. Die Stärke ist schwer bis unerträglich. Zusätzlich zum Kopfschmerz können halbseitige Gesichtsschwitzen, Gesichtsrötung, Augentränen und/oder laufende/verstopfte Nase auftreten. Die Schmerzattacken treten häufig nachts zur gleichen Zeit auf und dauern von 15 - 180 Minuten an. Bewegungsunruhe ist typisch für die Schmerzattacken und diese sind tageszeitlich und jahreszeitlich "geclustert", d. h. treten zur selben Tages-/Jahreszeit auf. Es gibt eine chronische (komplette Schmerzfreiheit weniger als 1 Monat pro Jahr) und eine episodische Form des Cluster Kopfschmerzes.

Therapie:

  • Akuttherapie: Sauerstoffinhalation, Triptane (als Injektion oder Nasenspray).
  • Prophylaxe: Medikamente wie Verapamil, Lithium, Corticosteroide.

Andere Kopf- und Gesichtsschmerzen

Neben den genannten Kopfschmerzarten gibt es eine Vielzahl weiterer Kopf- und Gesichtsschmerzerkrankungen, die in einem spezialisierten Zentrum behandelt werden können. Dazu gehören:

  • Trigemino-autonome Kopfschmerzen (SUNCT-/SUNA-Syndrom, paroxysmale Hemicranie, Hemicrania continua)
  • Neu aufgetretener täglicher Kopfschmerz (new daily persistent headache, NDPH)
  • Primärer schlafgebundener Kopfschmerz
  • Primärer Hustenkopfschmerz
  • Primärer Kopfschmerz bei sexueller Aktivität, bei körperlicher Anstrengung
  • Primärer Donnerschlagkopfschmerz
  • Primärer stechender Kopfschmerz
  • Münzkopfschmerz (nummular headache)
  • Trigeminusneuralgie
  • Persistierender idiopathischer Gesichtsschmerz (früher „atypischer Gesichtsschmerz“)
  • Postzoster-Neuralgie
  • Andere Neuropathische Gesichtsschmerzen (z.B. posttraumatisch, postoperativ)
  • Burning-Mouth-Syndrom
  • Cranio-mandibuläre Dysfunktion (CMD)
  • Andere symptomatische Kopf- und Gesichtsschmerzen

Multimodale Therapie chronischer Kopfschmerzen

Für Patient:innen mit chronischen Kopfschmerzen, insbesondere chronischer Migräne und chronischem Spannungskopfschmerz, ist eine multimodale Therapie oft die effektivste Behandlungsstrategie. Diese umfasst:

  • Medikamentöse Therapie: Anpassung der Akut- und Prophylaxe-Medikation.
  • Psychologische Therapie: Stressmanagement, Entspannungsverfahren, kognitive Verhaltenstherapie.
  • Physiotherapie: Behandlung von Muskelverspannungen und Haltungsstörungen.
  • Sporttherapie: Ausdauertraining zur Verbesserung der körperlichen Fitness und Reduktion der Schmerzwahrnehmung.
  • Ernährungsberatung: Identifizierung und Vermeidung von Triggerfaktoren in der Ernährung.

Im Rahmen dieser besonderen Behandlung lernen Sie einen hilfreichen Umgang mit Kopfschmerztriggern, sowie vorbeugende medikamentöse und nicht-medikamentöse Behandlungsstrategien (z.B. Entspannungsverfahren) kennen. Psycholog:innen betreuen sie im Rahmen dieses Programms sowohl in der Einzel- als auch Gruppentherapie. Physiotherapeut:innen beurteilen ihren Bewegungsapparat - im Besonderen die Hals- und Nackenbeweglichkeit - und zeigen Ihnen auf, wie Ausdauersport zur Vorbeugung der Kopfschmerzen erlernt werden kann.

Lesen Sie auch: Expertise in Neurologie: Universitätsklinik Heidelberg

Einige Kopfschmerzzentren bieten spezielle intensive ambulante Behandlungsprogramme an, bei denen die Patient:innen von einem multiprofessionellen Team aus Neurolog:innen, Psycholog:innen, Krankengymnast:innen, Sportwissenschaftler:innen und in Kopfschmerz geschultem Pflegepersonal betreut werden. Diese Behandlungsform wird nur an wenigen Einrichtungen mit Schwerpunkt Kopfschmerzen in Deutschland angeboten.

Integrierte Versorgung von Kopfschmerzpatienten

Die Integrierte Gesundheitsversorgung für Kopfschmerzpatienten (IGV-Kopfschmerz) stellt ein Behandlungsmodell dar, bei dem Spezialisten aus dem (teil-)stationären und ambulanten Bereich anhand evidenzbasierter Methoden zusammenarbeiten, um eine optimale Versorgung von Kopfschmerzpatienten zu gewährleisten. Das multimodale Team arbeitet zusammen mit niedergelassenen Ärzten und teilnehmenden Krankenkassen und kann so eine umfassende und sektorenübergreifend koordinierte Behandlung garantieren.

Vorteile der Integrierten Versorgung:

  • Ausführliche Diagnostik ohne unnötige Doppeluntersuchungen bei verschiedenen Ärzten
  • Behandlung durch ein multimodales Team (medikamentöse und nichtmedikamentöse Behandlung)
  • Therapie nach den neuesten Erkenntnissen der Medizin
  • Kurzfristige Terminvergabe

Forschung im Kopfschmerzzentrum

Als universitäres Kopfschmerzzentrum ist die Forschung ein zentrales Anliegen. Zur Evaluation innovativer prophylaktischer und akut-medikamentöser Behandlungsmethoden werden klinische Studien zu neuen Substanzklassen durchgeführt. Hierbei wird das Prüfpräparat mit einem Placebo (Phase II und Phase III Studien) oder einer bestehenden Regelversorgung (Phase IV Studien) verglichen und hinsichtlich Effektivität sowie Sicherheit beurteilt.

Neben den klassischen Medikamentenstudien beschäftigen sich die Zentren in mehreren klinischen Studien mit der Untersuchung von klinischen (z.B. Kopfschmerztage, Begleitsymptome, erfolgte Therapien) und paraklinischen Parametern (z.B. Laborparameter und bildgebende Untersuchungen) unterschiedlicher primärer sowie sekundärer Kopfschmerzerkrankungen. Das Studiendesign ist dabei variabel und kann von einer einmaligen Untersuchung/Befragung hin zu einer längeren Beobachtungsperiode mit mehreren Studienvisiten reichen.

Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen

In Kooperation mit Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin bieten einige Kopfschmerzzentren spezielle Sprechstunden für Kinder und Jugendliche mit Kopfschmerzen an. Folgende Krankheitsbilder können im Rahmen der Kinderkopfschmerzsprechstunde diagnostiziert und behandelt werden:

Lesen Sie auch: Aktuelle Informationen zur Neurologie in Salzgitter

  • Episodischer und chronischer Kopfschmerz
  • Migräne mit/ohne Aura
  • Spannungskopfschmerz
  • Clusterkopfschmerz
  • Medikamenten-Übergebrauchkopfschmerz
  • Posttraumatischer Kopfschmerz

Die Behandlung von Kopfschmerzen im Kindesalter bedarf primär einer diagnostischen Einordnung. Gemeinsam mit den Eltern und dem Kind wird ein individueller Therapieplan, bestehend aus medikamentösen und nicht-medikamentösen Verfahren erstellt.

tags: #neurologie #kopfschmerzzentrum