Ein Schlaganfall kann vielfältige neurologische Defizite verursachen, darunter auch Probleme mit der Blasenfunktion. Diese Komplikationen können die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome und Therapiemöglichkeiten von Blasenfunktionsstörungen nach einem Schlaganfall.
Was ist ein Schlaganfall?
Ein Schlaganfall ist eine plötzliche Schädigung des Gehirngewebes, die meist durch eine Mangeldurchblutung (ischämischer Schlaganfall) oder eine Blutung (hämorrhagischer Schlaganfall) verursacht wird. Dabei sterben Nervenzellen ab, was zu verschiedenen Ausfällen führen kann. Risikofaktoren für einen Schlaganfall sind unter anderem Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte, Diabetes mellitus, Übergewicht und Bewegungsmangel.
Ursachen von Blasenfunktionsstörungen nach Schlaganfall
Nach einem Schlaganfall treten Blasenfunktionsstörungen relativ häufig auf. Studien zufolge sind etwa 60 Prozent der Schlaganfallpatienten betroffen. Das Gehirn spielt eine zentrale Rolle bei der Steuerung der Blasenentleerung. Ein Schlaganfall kann diese Steuerungsfunktion beeinträchtigen und zu verschiedenen Problemen führen:
- Zerebrale Enthemmung der Blase: Durch den Schlaganfall kann die hemmende Wirkung des Gehirns auf die Blasenaktivität reduziert sein. Dies führt zu einem gesteigerten Harndrang und nicht selten zu Dranginkontinenz.
- Verlust der Empfindung für Blasenfüllung: Betroffene verlieren möglicherweise die Fähigkeit, die zunehmende Füllung der Blase wahrzunehmen, und verspüren Harndrang erst, wenn die Blasenentleerung bereits eingesetzt hat und nicht mehr kontrollierbar ist.
- Nervale Fehlsteuerung von Blase und Schließmuskel: Schäden im zentralen oder peripheren Nervensystem können die Koordination zwischen Blase und Schließmuskel beeinträchtigen.
Arten von Blasenfunktionsstörungen nach Schlaganfall
Es gibt verschiedene Arten von Blasenfunktionsstörungen, die nach einem Schlaganfall auftreten können:
- Harnverhalt: Unfähigkeit, die Blase trotz Harndrang und gefüllter Blase zu entleeren. In der Frühphase eines Schlaganfalls tritt häufig ein akuter Harnverhalt auf.
- Dranginkontinenz: Plötzlicher, starker Harndrang, dem Betroffene nicht rechtzeitig nachkommen können, was zu unwillkürlichem Harnverlust führt.
- Überlaufinkontinenz: Die Blase kann aufgrund einer Abflussbehinderung (z. B. durch eine vergrößerte Prostata) oder einer schwachen Blasenmuskulatur nicht vollständig entleert werden. Dies führt zu einem ständigen Harnträufeln.
- Reflexinkontinenz: Unkontrollierte Blasenentleerung ohne vorherigen Harndrang. Diese Form der Inkontinenz tritt vor allem bei schweren Nervenschädigungen im Gehirn oder Rückenmark auf.
- Nykturie: Vermehrtes nächtliches Wasserlassen, das die Nachtruhe stört und das Sturzrisiko erhöht.
- Schlaffe Blase: Harnverhalt, schwacher Harnstrahl und erhöhtem Restharnvolumen auftreten. Es kann auch zu einem unvollständigen Blasenentleerungsgefühl kommen.
Diagnostik
Eine umfassende Diagnostik ist entscheidend, um die Ursache der Blasenfunktionsstörung zu ermitteln und die geeignete Therapie einzuleiten. Folgende Untersuchungen können durchgeführt werden:
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- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und der aktuellen Beschwerden.
- Körperliche Untersuchung: Abtasten des Unterleibs, um die Füllung der Harnblase zu beurteilen.
- Ultraschalluntersuchung: Darstellung der Harnblase und der Nieren, um Restharn zu bestimmen und andere Ursachen auszuschließen.
- Uroflowmetrie: Messung des Harnstrahls, um den Harnfluss zu beurteilen.
- Urethrozystoskopie: Spiegelung der Harnröhre und der Blase.
- (Video-)Urodynamik: Messung der Druckverhältnisse in der Blase und der Aktivität des Schließmuskels während der Blasenfüllung und -entleerung.
- Harnanalyse: Untersuchung des Urins auf Infektionen oder andere Auffälligkeiten.
- Neurologische Untersuchung: Überprüfung der neurologischen Funktionen, um die Ursache der Blasenfunktionsstörung zu ermitteln.
- Miktionsprotokoll: Führen eines Tagebuchs über die Trink- und Miktionsgewohnheiten.
Therapie
Die Behandlung von Blasenfunktionsstörungen nach einem Schlaganfall zielt darauf ab, die Blasenfunktion wiederherzustellen, die Symptome zu lindern und Komplikationen zu vermeiden. Die Therapie richtet sich nach der Art der Blasenfunktionsstörung und dem individuellen Zustand des Patienten.
Konservative Maßnahmen
- Blasentraining: Regelmäßiges Entleeren der Blase nach einem festen Zeitplan, um die Blasenkapazität zu erhöhen und die Kontrolle über die Blasenentleerung zu verbessern.
- Beckenbodentraining: Stärkung der Beckenbodenmuskulatur, um die Kontinenz zu verbessern.
- Verhaltensänderungen: Anpassung des Trinkverhaltens (z. B. Vermeidung von harntreibenden Getränken) und der Ernährung (z. B. ballaststoffreiche Kost zur Vermeidung von Verstopfung).
- Inkontinenzhilfsmittel: Verwendung von Vorlagen, Windeln oder Urinalkondomen, um ungewollten Urinverlust aufzufangen.
- Toilettenhilfen: Anbringen von Toilettensitzerhöhungen oder Haltegriffen, um die Toilettenbenutzung zu erleichtern.
- Katheterisierung: Regelmäßiges Entleeren der Blase mit einem Einmalkatheter oder einem Dauerkatheter, um Harnverhalt zu vermeiden und die Nieren zu schützen.
- Regelmäßige Blasenentleerung: Die Häufigkeit der Blasenentleerung sollte in Absprache mit einem Arzt oder Facharzt festgelegt werden, z. B. alle 2-4 Stunden.
Medikamentöse Therapie
- Anticholinergika (Antimuskarinika): Diese Medikamente hemmen die Überaktivität der Blase und reduzieren den Harndrang. Mögliche Nebenwirkungen sind Mundtrockenheit, Verstopfung, verschwommenes Sehen und Harnverhalt.
- Alpha-Blocker: Diese Medikamente entspannen die Muskulatur der Prostata und der Harnröhre und erleichtern so die Blasenentleerung bei Männern mit Prostatavergrößerung.
- Parasympathomimetika: Diese Medikamente stärken die Kontraktionsfähigkeit des Blasenmuskels.
- Duloxetin: Dieses Medikament kann bei Belastungsinkontinenz eingesetzt werden, um die Muskelkraft des Schließmuskels zu erhöhen.
Minimalinvasive Therapien
- Botulinumtoxin-A-Injektion: Injektion von Botulinumtoxin A in den Blasenmuskel, um die Überaktivität der Blase zu reduzieren.
- Sakrale Neuromodulation (SNM): Implantation eines Schrittmachers, der schwache elektrische Impulse an die Sakralnerven abgibt, um die Blasenfunktion zu beeinflussen.
- Blaseninstillation mit Resiniferatoxin (RTX): Einbringen von RTX in die Blase, um die Schmerzempfindlichkeit zu reduzieren.
Operative Therapien
- Blasenaugmentation: Vergrößerung der Blasenkapazität durch Einsetzen eines Darmsegments.
- Sphinkterotomie: Einschnitt in den Schließmuskel, um die Blasenentleerung zu erleichtern.
- Harnableitung: Anlage einer künstlichen Harnableitung, wenn andere Therapien nicht erfolgreich sind.
- Entfernung der Prostata: Bei Männern mit gutartiger Prostatavergrößerung kann eine Operation zur Entfernung der Prostata erforderlich sein, um die Harnröhre zu entlasten.
Rehabilitation
Eine gezielte Rehabilitation ist wichtig, um die Blasenfunktion nach einem Schlaganfall wiederherzustellen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Die Rehabilitation umfasst in der Regel:
- Physiotherapie: Übungen zur Stärkung der Muskulatur und zur Verbesserung der Koordination.
- Ergotherapie: Training vonAlltagsaktivitäten, um die Selbstständigkeit im Alltag zu fördern.
- Logopädie: Behandlung von Sprach- und Sprechstörungen, die die Kommunikation erschweren können.
- Psychologische Betreuung: Unterstützung bei der Bewältigung der psychischen Belastung durch den Schlaganfall und die Blasenfunktionsstörung.
Komplikationen
Blasenfunktionsstörungen nach einem Schlaganfall können zu verschiedenen Komplikationen führen:
- Harnwegsinfektionen: Unvollständige Blasenentleerung und Restharnbildung erhöhen das Risiko für bakterielle Infektionen der Harnwege.
- Nierenprobleme: Chronischer Harnverhalt kann zu einem Rückstau des Urins in die Nieren führen und Nierenschäden verursachen.
- Hautirritationen: Ständiger Kontakt mit Urin kann zu Hautirritationen und Druckgeschwüren führen.
- Soziale Isolation: Harninkontinenz kann zu Schamgefühlen und sozialer Isolation führen.
- Psychische Probleme: Blasenfunktionsstörungen können zu Depressionen, Angstzuständen und einem geringen Selbstwertgefühl führen.
Prävention
Einige Maßnahmen können dazu beitragen, Blasenfunktionsstörungen nach einem Schlaganfall vorzubeugen:
- Kontrolle der Risikofaktoren: Behandlung von Bluthochdruck, Diabetes mellitus und erhöhten Blutfettwerten.
- Gesunde Lebensweise: Ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung und Vermeidung von Übergewicht.
- Frühzeitige Behandlung von Harnwegsinfektionen: Um eine Ausbreitung der Infektion zu verhindern.
- RegelmäßigeBlasenentleerung: Um eine Überdehnung der Blase zu vermeiden.
- Aufmerksame Beobachtung: Achten Sie auf Veränderungen der Blasenfunktion und suchen Sie bei Problemen frühzeitig einen Arzt auf.
Psychosoziale Aspekte
Blasenfunktionsstörungen können erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen haben. Es ist wichtig, dass Patienten und ihre Angehörigen über die Erkrankung aufgeklärt werden und Zugang zu professioneller Unterstützung erhalten. Dazu gehören:
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- Psychologische Beratung: Um Ängste, Depressionen und Schamgefühle zu bewältigen.
- Selbsthilfegruppen: Um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und Unterstützung zu finden.
- Sozialberatung: Um Informationen über finanzielle Hilfen undVersorgungsangebote zu erhalten.
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