Demenz ist eine Erkrankung, die viele Menschen betrifft, sowohl ältere als auch jüngere. Sie führt zu Veränderungen im Gedächtnis, der Sprache, der Orientierung und dem Verhalten. Dieser Artikel beleuchtet verschiedene Aspekte der Demenz, von persönlichen Erfahrungen Betroffener und Angehöriger bis hin zu den Herausforderungen im Alltag und den Möglichkeiten der Unterstützung.
Die Nebelwand der Demenz
Wer an Demenz erkrankt, dessen Kopf versinkt Stück für Stück in einer Nebelwand. Das Leben entgleitet immer mehr und mit fortschreitender Krankheit brauchen Betroffene immer mehr Hilfe, von der Familie, lieben Freunden, von Pflegekräften. Die Demenz raubt uns diese Erinnerungen, Stück für Stück, kein Weg zurück. Darum macht sie auch so viel Angst.
Liebevolle Hilfe und bleibende Erinnerungen
Viele Betroffene beschreiben, wie sie und ihre Angehörigen mit der Demenz leben, was ihnen hilft und was ihr Leben eher schwierig macht. Eine Frau beschreibt liebevoll, wie sie mit der Demenz ihrer Mutter umgeht: "Es ist so traurig…. Ich habe Angst davor, wenn's dann schlimmer wird. Schon jetzt merkt man große Veränderungen. Drum nutze ich jede Gelegenheit, meiner Mama zu zeigen, dass ich sie liebe, bei ihr zu sein, ihren Geburtstag mit ihr feiern und vieles mehr. Am nächsten Tag hat sie's vergessen…. Aber ich halt nicht. Für mich sind es bleibende Erinnerungen."
Das Gedicht erinnert uns alle daran, wie wichtig es ist, nicht zu vergessen, dass auch Menschen, die sich nicht mehr äußern können und die manchmal sehr schwierig sind, fühlende Menschen bleiben, die ganz viel Liebe und Fürsorge brauchen - und eine menschenwürdige Behandlung verdienen. Eine Aufgabe, bei der niemand allein gelassen werden sollte und bei der ganz viel Unterstützung erbeten werden darf.
Frühdemenz: Wenn die Krankheit jung zuschlägt
Demenz betrifft nicht nur ältere Menschen. Auch Jüngere können erkranken, manchmal schon mit Mitte 40 oder 50. Von Frühdemenz sprechen Fachleute, wenn sie vor dem 65. Lebensjahr auftritt. Frühdemenz zeigt sich oft anders als die klassische Erkrankung im höheren Alter.
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Oft fällt bei Menschen mit Frühdemenz zuerst auf, dass sich die Persönlichkeit verändert. Sie wirken reizbarer, ungeduldiger oder verlieren das Interesse an Dingen, die ihnen früher wichtig waren. Betroffene haben Schwierigkeiten, komplexe Aufgaben zu bewältigen, sich zu konzentrieren oder Prioritäten zu setzen. Fehler häufen sich, Abläufe geraten durcheinander. Bekannte Wege oder Abläufe werden plötzlich zur Herausforderung. Betroffene mit Frühdemenz verwechseln Richtungen, verpassen Termine oder finden sich in vertrauter Umgebung nicht mehr zurecht.
Sprachprobleme und Konzentrationsschwäche
Wörter fehlen, Sätze brechen ab oder Gespräche fallen schwer? Auch das Verstehen längerer Texte oder Anweisungen kann zunehmend Probleme bereiten. Einige Betroffene sagen Dinge, die unangebracht wirken, oder zeigen weniger Einfühlungsvermögen. Andere ziehen sich zunehmend aus sozialen Kontakten zurück.
Schwierigkeiten im Alltag
Routineaufgaben wie Kochen, Einkaufen oder der Umgang mit Geld werden zunehmend mühsam. Auch das Bedienen technischer Geräte oder das Planen von Terminen fällt schwer. Viele Betroffene fühlen sich niedergeschlagen, müde und innerlich leer. Da die geistigen Veränderungen anfangs unklar sind, wird eine Frühdemenz häufig als Depression fehlgedeutet.
Geschichten als Brücke zur Erinnerung
Geschichten für Senioren sind ein willkommener Zeitvertreib in Gruppen- und Einzelbetreuungen. Geschichten laden zum Erzählen, zum Erinnern, zum Schmunzeln und Nachdenken an. Das Vorlesen wird oft als erste Tätigkeit genannt, wenn es um die Freizeitgestaltung in Senioreneinrichtungen geht. Besonders in der Arbeit mit Senioren mit Demenz haben sich Kurzgeschichten bewährt. Viele kostenlose Geschichten für Senioren, finden Sie auf Mal-alt-werden.de.
Die beliebtesten Geschichten sind die Sprichwortgeschichten. Diese werden besonders gerne in der Arbeit mit Menschen mit Demenz eingesetzt. In diese Sprichwortgeschichten für Senioren sind bekannte Sprichwörter eingeflochten. Diese Sprichwörter werden durch den "Vorleser" jeweils nur zur Hälfte vorgelesen. Die andere Hälfte des Sprichwortes wird durch die Senioren vervollständigt. Auch die Bewegungsgeschichten und die Fantasiereisen werden nicht nur bei fitten Senioren vorgelesen. Durch ihre Kürze und die bildhafte Sprache, haben sie sich ebenfalls in der Arbeit mit Menschen mit Demenz bewährt.
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Neben den kostenlosen Geschichten gibt es natürlich auch viele Bücher mit Geschichten für Senioren. Es lohnt sich, den Markt im Auge zu behalten und sich regelmäßig über Neuerscheinungen in diesem Bereich zu informieren.
Erfahrungen Betroffener: "Lasst uns sprechen!"
Demenzerkrankungen führen zu unterschiedlichen Veränderungen. Menschen werden nicht nur vergesslich, sie bekommen Probleme mit der Sprache und der Orientierung. Oft verändert sich ihr Verhalten oder ihr ganzes Wesen. Doch Menschen mit Demenz möchten nicht auf diese Diagnose beschränkt werden.
„Ich fordere Sie auf umzudenken, uns Demenzerkrankte ernst zu nehmen, uns sprechen zu lassen, nicht aus der Gesellschaft auszugrenzen und wie Aussätzige zu behandeln.“ Martina Peters lebte viele Jahre mit der Diagnose Alzheimer. Sie sprach 2006 als erste Betroffene auf einem deutschsprachigen Demenz-Kongress. Auf dieser Seite berichten sie und andere Betroffene was sie sich von ihrem Umfeld und der Gesellschaft wünschen. Und sie erzählen von ihren persönlichen Erfahrungen.
Ein Betroffener berichtet: "Mein Abschied aus dem Arbeitsleben vor sechs Jahren ist mir sehr schwer gefallen. Ich war Banker in leitender Position und mit Personalverantwortung und es ging mir gut mit der Arbeit, ich habe das sehr gerne gemacht. In der ersten Zeit habe ich Anzeichen wie Dinge suchen, Namen vergessen, Probleme mit der Orientierung darauf geschoben, dass ich nicht mehr arbeitete, die Diagnose «Alzheimer» kam dann erst drei Jahre später. Es folgte eine schwere Zeit voller Ungewissheit, Zweifel und Angst, mit der Krankheit klarzukommen und sich auf ein Leben ohne Erinnerung an die Vergangenheit einzustellen. Meine Familie - meine Frau, meine vier Söhne und sieben Enkel - haben mir sehr geholfen, mit der Krankheit klarzukommen. Belastend war für mich allerdings der stille Rückzug vieler «guter Bekannter». Gleichzeitig ist ein Segen, die wahren Freunde nun in großer Verbundenheit zu erleben."
Er fährt fort: "Vor gut zwei Jahren habe ich beschlossen, mich der Krankheit zu stellen. Ich trinke keinen Alkohol mehr, habe das Rauchen aufgegeben und bewege mich sehr viel. Ich verlange von mir selbst, alles alleine zu machen, nutze mein Handy bei der Organisation vieler Themen und lebe dabei im HIER und JETZT. Die Krankheit hat mir viele Erinnerungen genommen und das macht mich immer wieder sehr traurig, aber dafür erlebe ich die Gegenwart jetzt in einer Intensität, wie ich sie in Zeiten von Arbeit und Alltagssorgen nie gekannt habe."
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Was er braucht - ebenso wie alle Menschen mit Demenz - sind «Sparringspartner», Gesprächspartner, die ihm offen zuhören und ihn nicht in eine Schublade stecken. Er ist auch der Meinung, wenn über Demenz gesprochen wird, dann sollten das Menschen mit Demenz selbst tun. Viele haben Angst sich zu zeigen, aber wenn sie es tun, wird so viel Potenzial sichtbar! Deshalb ist er bei der Alzheimer Gesellschaft Hamburg aktiv und im Beirat der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Es geht ihm im Wesentlichen darum, Betroffenen und ihren Angehörigen zu helfen, besser mit der Krankheit umzugehen. Als Selbstbetroffener kommen die eigenen Erfahrungen glaubwürdig an und helfen.
"Ja, auch ich habe manchmal Angst vor der Zukunft. Aber das ist dann auch wieder eine Motivation zu sagen "jetzt zeig’ ich’s dir!" Wir waren immer und sind auch jetzt auf Augenhöhe. Meine Frau war nie "nur" Hausfrau und Mutter und ich bin durchaus autark, kann kochen, saugen usw. Ich versuche ein Vorbild auch für andere Menschen mit Demenz zu sein, indem ich nicht nur Vorträge halte, sondern es einfach vorlebe, was mit Demenz noch alles möglich ist."
Reisen mit Demenz: Eine Herausforderung
Wie viele andere Menschen war auch er zum Ende der Pandemie 2021 begeistert, wieder in ein Flugzeug steigen zu dürfen. Entfernte Familienmitglieder, Freunde und Bekannte im Ausland endlich wieder in die Arme schließen oder Veranstaltungen der Alzheimer-Gesellschaften im europäischen Ausland besuchen. Bei seinem letzten Flug 2018, vor der Pandemie, konnte er noch ohne wesentliche Einschränkungen seine Flüge buchen und antreten. Doch im Herbst 2021 musste er umdenken. Als Mensch mit einer frühen Demenz (Lewy-Body-Demenz) war eine intensive Vorbereitung erforderlich.
Im Internet fand er viele interessante und auch nutzbringende Informationen. Sehr wichtig und hilfreich war die Information für behinderte und mobilitätseingeschränkte Fluggäste. Mit Wirkung vom 26. Juli 2008 gilt diese EU-Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 des Europäischen Parlaments und Rates vom 5. Juli 2006 Diese definiert und stärkt die Rechte von behinderten Menschen und Fluggästen mit eingeschränkter Mobilität (PRM - Persons with Reduced Mobility). Dazu gehören auch Menschen mit Demenz wie er. Außerdem müssen die Fluggesellschaften in der Europäischen Union Menschen mit Behinderung kostenlose Hilfe anbieten. Das gilt für alle Bereich am Flughafen sowohl am Abflug-, Ziel- und Zwischenflughafen. Und das gilt auch im Flugzeug. Zum Beispiel muss es Mitarbeiter*innen geben, die beim Ein- und Aussteigen, beim Transport von Gepäck oder beim Gang zur Toilette helfen. Medizinischen Geräte und auch zwei Hilfsmittel müssen die Fluggesellschaften kostenlos mitnehmen, zum Beispiel einen Rollstuhl oder einem Rollator wie in seinem Fall.
So buchte er seine Flüge mit einem guten und sicheren Gefühl. Leider waren die Theorie und die von ihm selbst erlebte Praxis und Realität sehr unterschiedlich. Das bekannte postpandemische [Reise-]Chaos mit Verspätungen, Pannen, verlorenem und beschädigtem Gepäck etc. ist schon schlimm genug für Menschen, die sich schnell anpassen können, aber für einen Menschen mit Demenz wie ihn, war es oft eine Katastrophe.
Seine persönlichen Erfahrungen sehen wie folgt aus: Als erstes der Flug nach Portugal im Herbst 2021 mit Zwischenstopp in Frankfurt/Main. Der Flug von Berlin landet mit deutlicher Verspätung in Frankfurt/Main. Der gebuchte Anschlussflug nach Portugal war bereits in der Luft. Für die notwendige Hotelunterbringung für eine Nacht waren keine Service-Leistungen für Menschen mit Behinderung machbar. Auch beim Weiterflug am kommenden Tag waren nur durch die Unterstützung des Reisebüros und seiner Tochter die erforderlichen Serviceleistungen für ihn machbar. Zu guter Letzt wurde auf dem Rückflug dann noch sein Rollator zerkratzt und verbeult. Auf einem Rückflug von Bukarest über Frankfurt/Main nach Berlin im Herbst 2022 hat ihn der Rollstuhlservice an einem Gate am Frankfurter Flughafen „vergessen“. Auch hier war telefonische Hilfe und Unterstützung durch sein Reisebüro gefragt. Als er sich beschwerte, sagte die Verantwortliche vom Service-Team des Flughafen Frankfurt/Main: „Warum fliegen Sie noch in ihrem schlechten Zustand, das ist unverantwortlich“.
Die Diagnose: Ein Schock und ein Neuanfang
Eine 62-jährige Lehrerin berichtet: "Ich bin 62 Jahre und bin/war Lehrerin an einer Gesamtschule. Die Diagnose Demenz war für mich ein absoluter Schock. Ich war wie eingefroren. Zuerst dachte ich, dass es vielleicht ein Versehen sei und dass es vielleicht „nur“ ein Burnout sei. Doch im Laufe der Zeit wurde mir klar, dass ich diese Diagnose radikal akzeptieren musste. Es begann alles mit einer verschleppten fürchterlichen Erschöpfung, die mich dazu zwang meinen Hausarzt aufzusuchen. Ich erzählte ihm von Blackouts, Vergesslichkeit, verzögerter Wortfindung und anderen Problemen. Für den Hausarzt war das in jedem Falle eine ernstzunehmende Sache. So schicke er mich zuerst einmal zu einem Neurologen. Darauf folgte eine Odyssee im Ärztedschungel. Schlussendlich landete ich in der Uniklinik. Nach einem stationären Aufenthalt verließ ich die Klinik. In der Tasche hatte ich nun eine Diagnose: „Demenz vom Alzheimer Typ“. Darüber hinaus stand darin ein Vermerk - „bis auf weiteres keine Arbeitsfähigkeit“."
All dies kostete Kraft und Entschlossenheit, die ihr zu Beginn fehlte. Heute nach ca. einem halben Jahr scheint es ihr manchmal, dass sie keine Erkrankung hätte, weil es ihr gut geht. Dann wiederum gibt es Tage, an denen sie im Selbstmitleid und in destruktiven Gedanken zerfließt. Es ist eine Berg- und Talfahrt. Sie hat Bücher zum Thema gelesen, Filme geschaut, kulturelle Veranstaltungen besucht, den örtlichen Sportverein frequentiert, Yoga und Zen praktiziert, mit ihrem Mann kleine Reisen unternommen, ist mit ihrem Hund viele Kilometer gelaufen, sie hat einen schwerbehinderten Ausweis erhalten. Sie hat das Glück, dass sie von ihrem Mann und ihrem Sohn Hilfe bekommt, wenn sie sie braucht. Natürlich ist es ein Leben mit Demenz und manchmal ist es auch schwer, immer positiv zu denken.
Es gibt für sie tatsächlich einige Dinge, die schwer fallen oder auch nicht mehr möglich sind: Zum Beispiel einen Überweisungsträger ausfüllen, die Einnahme der Demenztabletten nicht zu vergessen, pünktlich und ordentlich gekleidet an einem Ort zu erscheinen, an der Supermarktkasse passend zu bezahlen, Entscheidungen klug zu treffen, Auto zu fahren, Schüler zu unterrichten … Gerade in unserer Gesellschaft werden Behinderte oft stigmatisiert. So dass sie ausbalanciert, ob sie die Krankheit verschweigt oder offenbart, dass sie ein Mensch mit einer Alzheimer Diagnose ist. Oft zeigt sich aber auch, dass die Offenbarung des Krankheitszustandes positiv kommunikative Türen öffnet. So zum Beispiel beim Zahnarzt, im Sportverein, bei früheren Kollegen…. Für vieles gibt es außerdem Lösungen, die den Handlungsspielraum erweitern. Zum Beispiel hilft ihr Mann, indem er ihr einfache Zugverbindungen (ohne Umsteige) heraussucht. So kann sie trotz Orientierungsproblemen eigenständig kleinere Wegstrecken meistern. Demenz bleibt Demenz und die Gedanken an die Zukunft ängstigen. Das Leben dennoch zu genießen und im Hier und Jetzt zu leben, ist eine Option.
Aktiv bleiben trotz Demenz
Astrid Heller erhielt die Diagnose Alzheimer-Demenz im Alter von 51 Jahren. Die Architektin hatte schon länger den Verdacht, dass etwas nicht stimmte, schob die Veränderungen aber zunächst auf den beruflichen Stress und das steigende Alter. Enge Freunde machten sie dann darauf aufmerksam, dass sie häufiger Termine und andere Dinge vergaß. Astrid Heller lebt jetzt seit mehr als fünf Jahren mit der Diagnose und setzt sich dafür ein, das Bild von Demenzkranken in der Öffentlichkeit zu verändern.
Sie arbeitet nach wie vor im Architekturbüro ihres Mannes in Bad Kreuznach. Diese Arbeit macht sie seit mehr als 25 Jahren und hat daher eine große Routine, auf die sie zurückgreifen kann. Sie erstellt nach wie vor die meisten Entwürfe (Grundrisse, Ansichten, Raumanordnungen etc.) ihres Büros. Sie macht allerdings keine Bauleitung mehr. Dabei muss man sehr schnelle Entscheidungen treffen und das stresst sie zu sehr. Ihr Umfeld weiß über ihre Erkrankung Bescheid und unterstützt sie.
Es ist ihr wichtig, trotz Erkrankung weiter zu arbeiten. Sie möchte nicht auf ihre Krankheit reduziert werden. Natürlich braucht sie bei manchen Dingen Unterstützung. Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht mehr arbeiten kann. In der Öffentlichkeit herrscht ein Bild von Alzheimer-Erkrankten vor, die sich eher in einem fortgeschrittenen Stadium der Krankheit befinden. Bei Demenz denken wir an Menschen, die teilnahmslos im Heim sitzen und kaum noch Kontakt zu anderen aufnehmen können. Sie hat eine Online-Selbsthilfegruppe für junge Betroffene gegründet und in ihren Gesprächen geht es immer wieder darum, wie man der Erkrankung ein anderes Bild geben kann. Wir „jungen“ Erkrankten im Frühstadium werden mit diesem Bild in Verbindung gebracht und dadurch unterschätzt. Sie kennt mittlerweile viele Betroffene, die nach der Diagnose im mittleren Alter entlassen werden, obwohl das eigentlich nicht nötig wäre.
Sie denkt, Arbeitgeber, die Menschen mit einer Demenz beschäftigen, sollten finanzielle Hilfen oder Steuererleichterungen erhalten. Mit dieser Idee ist sie vor kurzem an Abgeordnete des rheinland-pfälzischen Landtags herangetreten und hat sie gebeten, sich damit zu beschäftigen.
Familiäre Belastung und persönliche Erfahrungen
Martina, die jüngste von 6 Geschwistern, berichtet von ihren familiären Erfahrungen mit Demenz. Ihre Mutter, ihr Bruder und ihre Schwester waren ebenfalls betroffen. Etwa 2003 äußerten sich bei ihr die Krankheit durch die typischen Ausfallerscheinungen. Etwa 2004 verlor sie durch die Krankheit ihre letzten drei Arbeitsstellen. Im Dezember 2005 ließ sie sich selbst testen, durch Entzug von Hirnwasser. Das Ergebnis kam sechs Tage vor Heiligabend. Positiv.
Nach der Diagnose ist sie nur noch mit dem Drahtesel unterwegs gewesen, um ihre Wut gegen A. Alzheimer und alles wegzutrampeln. Am meisten leidet sie darunter, das sich so genannte Freunde und Bekannte von ihr zurückgezogen haben. Somit haben sie unbewusst dafür gesorgt, je nach ihrer Tagesform, dass sie nicht mehr zu persönlichen Einladungen gehen möchte.
Unter anderem sind auch Missverständnisse aufgetreten, z.B. war sie bei einer Freundin, die ihr 20 € zum Geburtstag geschenkt hat. Einen Tag später wollte sie davon Kuchen kaufen und stellte fest, dass sie die 20 € doch nicht mitgenommen hatte. Sie rief sie an und fragte sie, ob bei ihr das Geld noch liegen würde und sie beharrte darauf, dass sie ihr das Geld mitgegeben hätte. Sie fing an ihr zu misstrauen. Und doch konnte sie sich nicht vorstellen, dass sie sie belügen würde. Sie hat sich mit dem Gedanken angefreundet, dass sie es doch verloren hat. Aber es war anders. Sie hat es so gut in ihrem Portemonnaie klein gefaltet in ein Fach gelegt, wo sie es beim Suchen übersehen habe. Somit bringt sie andere Menschen auch noch in eine missliche Lage. Sie hat sie in eine verzwickte Situation gebracht, indem sie ihr mitteilte, dass sie ihr nicht die 20 € gegeben hat.
Sie fragt: "Wissen Sie wie es ist, wenn man zu keinem Menschen mehr vertrauen hat? Wenn Sie das Gefühl haben, jeder will einem was oder ist nicht ehrlich zu einem? Dieses Misstrauen kann einen madig machen und außerdem die letzten Freundschaften zerstören."
Sie fordert auf, umzudenken und die Symptome der Krankheit zu erkennen.
Wenn Misstrauen die Beziehung belastet
Frau Seiler, eine 64-jährige Frau, erhielt die Diagnose FTD-Frontotemporale Demenz. Ihr Mann, ein angesehener Kinderarzt, hatte sich in diversen Fachmagazinen belesen und war erschrocken über das Vollbild der Erkrankung. Er hatte Angst vor gestörter Impulskontrolle und permanenter Selbstgefährdung.
Sie glaubte tatsächlich, dass sie den Weg zu den Kindern mit S-Bahn und Umsteigen noch selber schaffen würde! In dieser großen Stadt! Sicher ist sicher, sagte sich der Ehemann. Wenn er jetzt zum Friseur in der Nebenstraße geht, dann muss sie mit und dort im Wartebereich sitzen bleiben, bis der Herr Gemahl fertig ist. „Nein, zu Hause bleiben geht nicht mehr, das haben wir schon versucht, das geht nicht mehr!“
Am Ende war es für beide ein Weg des Lernens, des Aushandelns. Dr. Seiler lernte zu vertrauen. Er gab seiner Frau Freiheiten, die er vertreten konnte. Für ihn waren das Nachmittage zum Durchatmen. Dort konnte sie in dem Maße kreativ sein, wie sie wollte - und jederzeit aufhören. Nicht immer auf der Hut zu sein, tat gut. Letztendlich waren die vielen positiven Rückmeldungen, die er von den Betreuenden erhielt, auch Anlass die Diagnose überprüfen zu lassen.
Die Welt der Demenz aus einer anderen Perspektive
Ein Gedicht:
ihr meint, ich merk das nichtich ich bin vergesslich und ihrihr meint, ich merk das nichtich ich lebe in meiner welt und ihrihr lebt in eurer weltberühren sie sich noch meine und eure welt?manchmal will ich noch kommen in eure weltwenn ich singewenn ich tanzewenn ich lacheaber oft bleibe ich am liebsten in meiner weltsie reizt mich nicht mehr eure weltder hektik, der falschen freundlichkeit, der klugheit und logik.manchmal kommt ihr in meine welt, wenn ihr mich pflegt, wenn ihr mir sagt, was gut sei für mich.das strengt mich oft an, denn auch ihr seid oft angestrengt wenn ihr mir begegnet und das will ich nicht.seid doch die, die ihr seid und verstellt euch nicht.
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