Die Schulter ist ein komplexes Gelenk, das aus drei Knochen besteht: dem Oberarmknochen (Humerus), dem Schulterblatt (Scapula) und dem Schlüsselbein (Clavicula). Der Schultergürtel verbindet den Arm mit dem Rumpf und besteht aus verschiedenen Muskeln, Bändern und Sehnen. Das Schultergelenk hat einen großen Bewegungsumfang, der hauptsächlich durch Muskeln gesteuert wird. Diese Flexibilität macht es allerdings auch anfällig für Verletzungen, Erkrankungen und funktionelle Beschwerden.
Was ist das Schulter-Arm-Syndrom?
Das Schulter-Arm-Syndrom, auch Zervikobrachialgie oder Nacken-Arm-Schulter-Syndrom genannt, ist ein Sammelbegriff für verschiedene Beschwerden im Bereich der Schulter, des Arms und des Nackens. Es handelt sich dabei um einen Symptomkomplex, keine klar abgrenzbare Erkrankung. Die Symptome können von Person zu Person variieren und reichen von Schmerzen über Bewegungseinschränkungen bis hin zu Missempfindungen.
Typische Symptome des Schulter-Arm-Syndroms
- Schmerzen im Schulter-, Arm- und Nackenbereich
- Bewegungseinschränkungen des Kopfes und der Halswirbelsäule
- Missempfindungen wie Taubheitsgefühle oder Kribbeln bis in den Arm
- Schulterschmerzen als Leitsymptom, oft mit Ausstrahlung in den Oberarm
- Nächtliche Schulterschmerzen, die das Liegen auf der betroffenen Seite erschweren
- Kopfschmerzen und Nackenschmerzen
Ursachen des Schulter-Arm-Syndroms
Das Schulter-Arm-Syndrom kann durch verschiedene Ursachen ausgelöst werden. Neben spezifischen Erkrankungen wie Rheuma oder Knochenerkrankungen sind es heutzutage häufig funktionelle Störungen und Fehlbelastungen, die durch unsere Lebens- und Alltagsgewohnheiten entstehen.
Häufige Ursachen im Überblick
- Muskuläre Dysbalancen und Verspannungen: Muskeln im Nacken- und Brustbereich können durch eine falsche Haltung oder Überlastung im Alltag oder Sport überspannt werden. Auch knotige, schmerzende Verspannungen (Triggerpunkte) können eine Rolle spielen.
- Fasziale Probleme: Faszien sind Bindegewebsstrukturen, die die Muskeln umgeben und unterstützen. Durch langes Sitzen oder einseitige Belastung können die Faszien verkleben und verhärten, was zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führt. Eine zu hohe Spannung in den Faszien oder ein muskuläres Ungleichgewicht können ebenfalls ursächlich sein.
- Fehlhaltungen: Eine schlechte Haltung kann dazu führen, dass die Schultermuskulatur überlastet und eine Fehlhaltung des Schulterbereichs eingenommen wird, was Schmerzen und Verspannungen verursacht.
- Einseitige Belastungen: Wiederholte oder einseitige Belastungen im Beruf (z.B. Arbeit am Computer) oder bei Sportarten (z.B. Tennis, Golf) können zu muskulären Dysbalancen und Überlastungen führen.
- Bandscheibenprobleme: Im schlimmsten Fall können muskulär-fasziale Probleme an der Halswirbelsäule Effekte auf die Wirbelkörper und Bandscheiben haben. Die Bandscheiben können die einwirkende Kraft nicht mehr abdämpfen, sodass sich der Gallertkern gegen den äußeren Ring drückt. Bleiben Fehlhaltung oder Fehlstellung bestehen, kann der Faserring der Belastung irgendwann nicht mehr standhalten und einreißen (Bandscheibenvorfall). Ausstrahlende Schulterschmerzen können aufgrund von Nerveneinklemmungen (Radikulopathie aufgrund einer Wirbelkanalverengung) oder eines Bandscheibenvorfalls der Halswirbelsäule entstehen.
- Impingement-Syndrom: Hierbei werden Gewebe (Sehnen/Muskeln) zwischen den Knochen im Schultergelenk eingeklemmt, was zu einer Enge im Schultergelenk führt.
- Frozen Shoulder: Entzündungen in der Schulter können auftreten und Durchblutung und Stoffwechsel verschlechtern. Auch andere Erkrankungen wie Diabetes Mellitus können eine Frozen Shoulder begünstigen. Die Schulter fühlt sich dann "eingefroren" an und Bewegungen sind erschwert.
- Kalkschulter: Ablagerungen von Kalk in den Sehnen der Rotatorenmanschette können starke Schulterschmerzen und Bewegungseinschränkungen verursachen.
- Schulterarthrose: Verschleiß des Knorpels in einem der Gelenke der Schulter kann zu eingeschränkter Stoffwechseltätigkeit und Entzündungen führen.
- Verletzungen: Sturzunfälle, Überlastung oder Sportverletzungen (z.B. Zerrungen, Prellungen, Auskugelungen) können ebenfalls Schulterschmerzen verursachen. Eine Schulterprellung entsteht durch die Quetschung der Weichteile im Bereich des Schultergelenks nach einem Zusammenstoß oder Aufprall. Bei einer Schulterzerrung werden Muskeln und Sehnen im Schulterbereich zu stark gedehnt.
- Nervenkompression: Ein eingeklemmter Nerv im Schulterblatt/Schulter kann mit starken Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und Taubheitsgefühlen in der Schulterregion einhergehen. Ursachen können Über- oder Fehlbelastungen der Schultergürtelmuskulatur oder der Muskulatur des oberen Rückens sein.
Weitere mögliche Ursachen
- Tumore und Knochenerkrankungen: Selten können auch Tumore oder Knochenerkrankungen Schulterschmerzen verursachen.
- Neuralgische Amyotrophie: Eine seltene Erkrankung, bei der es zu plötzlich reißenden Schmerzen im Arm kommt, begleitet von Muskelschwäche und Lähmungen. Ursache ist vermutlich eine Entzündung des Plexus brachialis.
- Herzinfarkt: In seltenen Fällen können Schulterschmerzen auch ein Zeichen für einen Herzinfarkt sein. Dies ist besonders wahrscheinlich, wenn die Schmerzen plötzlich auftreten und von anderen Symptomen wie Brustschmerzen, Atemnot oder Übelkeit begleitet werden.
Diagnose des Schulter-Arm-Syndroms
Wenn Sie Symptome eines Schulter-Arm-Syndroms haben, sollten Sie einen Arzt aufsuchen, um eine genaue Diagnose festzustellen. Der Arzt wird zunächst Ihre Krankengeschichte erheben und eine körperliche Untersuchung durchführen.
Diagnoseverfahren
- Anamnese: Der Arzt wird Sie nach Ihren Beschwerden, Vorerkrankungen und Lebensumständen fragen.
- Körperliche Untersuchung: Der Arzt wird Ihre Schulter, Ihren Nacken und Ihren Arm untersuchen, um die Beweglichkeit, Schmerzpunkte und mögliche neurologische Ausfälle zu beurteilen.
- Bildgebende Verfahren: In einigen Fällen können bildgebende Verfahren wie Röntgen, Ultraschall oder MRT erforderlich sein, um die Ursache Ihrer Beschwerden zu finden.
- Röntgen: zur Darstellung knöcherner Veränderungen
- Ultraschall (Sonografie): zur Beurteilung von Weichteilen wie Muskeln, Sehnen und Schleimbeuteln
- MRT (Magnetresonanztomografie): zur detaillierten Darstellung von Weichteilen, Knochen und Nerven
- Elektromyographie (EMG): zur Beurteilung der Funktion von Muskeln und Nerven, insbesondere bei Verdacht auf Nervenkompression
- Wirbelsäulenvermessung: zur Bestimmung von Symmetrie und Länge der Wirbelsäule und zur Darstellung von Fehlstellungen
Behandlung des Schulter-Arm-Syndroms
Die Behandlung des Schulter-Arm-Syndroms richtet sich nach der Ursache Ihrer Beschwerden. In den meisten Fällen ist eine konservative Behandlung ausreichend.
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Konservative Behandlungsmethoden
- Physiotherapie: Eine Physiotherapie kann helfen, die Muskulatur im Schulter-Arm-Bereich zu stärken, Verspannungen zu lösen und die Beweglichkeit zu verbessern. Der Physiotherapeut kann Ihnen auch spezielle Eigenübungen zeigen und Massagetechniken anwenden.
- Manuelle Therapie: Spezielle Techniken, wie die Myofasziale Entspannung, Mobilisationen und Traktionen, können helfen, Blockaden und Verspannungen zu lösen.
- Faszientraining: Faszientraining kann dazu beitragen, die Faszien geschmeidig und elastisch zu halten und so Schmerzen im Schulter- und Armbereich vorzubeugen. Es gibt verschiedene Übungen, die sich dafür eignen, wie z.B. das Training mit einer Faszienrolle oder -matte. Das gezielte Dehnen der Faszien ist auch ein wichtiger Bestandteil des Faszientrainings.
- Schmerzmittel: Bei starken Schmerzen können Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol eingenommen werden. Auch Schmerzsalben können lokal zur Schmerzlinderung beitragen.
- Wärme- oder Kälteanwendungen: Wärme kann helfen, verspannte Muskeln zu entspannen, während Kälte eine entzündungshemmende Wirkung hat und Schmerzen lindern kann.
- Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung: Achten Sie darauf, dass Ihr Arbeitsplatz so eingerichtet ist, dass Ihre Schultern entspannt sind und Sie nicht gezwungen sind, in einer unangenehmen Haltung zu arbeiten.
- Regelmäßige Pausen und Entspannungsübungen: Regelmäßige Pausen und Entspannungsübungen (z.B. progressive Muskelentspannung) können dazu beitragen, Verspannungen im Schulter-Arm-Bereich zu lösen und Schmerzen vorzubeugen.
- Injektionen: In einigen Fällen kann der Arzt ein lokal wirksames Schmerzmittel oder Kortikosteroide in die betroffene Region spritzen, um die Schmerzen zu lindern und Entzündungen zu reduzieren.
- Kinesiotaping: Kinesiotapes sind elastische, selbstklebende Baumwolltapes, die abhängig von Art und Ausmaß der Beschwerden in einer bestimmten Anordnung auf die Haut geklebt werden können.
Übungen zur Selbsthilfe
Neben der Physiotherapie können Sie auch selbst Übungen durchführen, um die Muskulatur und Faszien im Schulter-Arm-Bereich zu stärken und Verspannungen zu lösen.
- Schulterkreisen: Die Schultern vorwärts und rückwärts kreisen.
- Theraband-Übungen: Übungen mit dem Theraband zur Stärkung der Schultermuskulatur.
- Dehnübungen: Dehnübungen für die Schulter-, Nacken- und Brustmuskulatur.
- Wanddehnung: Stellen Sie sich vor eine Wand und legen Sie den betroffenen Arm gestreckt mit der Innenfläche horizontal an der Wand ab. Drehen Sie sich von der Wand weg und rotieren Sie Ihren Oberkörper so weit wie möglich, ohne die Schulter von der Wand zu nehmen.
- Nackendehnung: Setzen Sie sich aufrecht hin. Neigen Sie den Kopf zur Seite, als würden Sie das Ohr zur Schulter führen, ohne die Schulter anzuheben.
- Türrahmendehnung: Stellen Sie sich in einen Türrahmen, die Arme in Schulterhöhe angewinkelt auf den Rahmen legen. Lehnen Sie sich nach vorne, um eine Dehnung in der Brustmuskulatur zu spüren.
- Katze-Kuh-Übung: Gehen Sie in den Vierfüßlerstand. Machen Sie abwechselnd einen Katzenbuckel (Rücken nach oben wölben) und ein Hohlkreuz (Rücken nach unten durchhängen).
- Seitliche Dehnung: Stellen Sie sich mit leicht gespreizten Beinen hin und stützen sich mit der gesunden Seite auf einem Tisch oder Stuhl ab. Neigen Sie den Oberkörper zur Seite, um eine Dehnung in der seitlichen Rumpfmuskulatur zu spüren.
- Plank: Gehen Sie in eine Plank-Position (Liegestütz-Position) oder auf die Knie. Halten Sie die Position für 20-30 Sekunden.
- Rudern mit Theraband: Stehen Sie aufrecht und halten Sie ein Theraband mit beiden Händen fest. Ziehen Sie das Theraband nach hinten, indem Sie die Schulterblätter zusammenziehen.
Operative Behandlung
In einigen Fällen kann eine operative Behandlung erforderlich sein, insbesondere bei schweren Verletzungen oder fortgeschrittenem Verschleiß des Schultergelenks. Hierbei können unterschiedliche Verfahren wie eine Schulterarthroskopie, Schulterprothese oder Schulteroperationen zur Freilegung von Nerven oder Sehnen zum Einsatz kommen. Zu einem chirurgischen Eingriff wird jedoch nur geraten, wenn alle anderen Behandlungsoptionen versagt haben oder wenn akute Probleme vorliegen.
Vorbeugung des Schulter-Arm-Syndroms
Es gibt verschiedene Maßnahmen, die Sie ergreifen können, um einem Schulter-Arm-Syndrom vorzubeugen.
Tipps zur Vorbeugung
- Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung: Achten Sie auf einen ergonomischen Arbeitsplatz, um Fehlhaltungen und Verspannungen zu vermeiden.
- Regelmäßige Bewegung: Bewegen Sie sich regelmäßig und treiben Sie Sport, um die Muskulatur zu stärken und Verspannungen zu lösen.
- Dehnübungen: Führen Sie regelmäßig Dehnübungen für die Schulter-, Nacken- und Brustmuskulatur durch.
- Faszientraining: Integrieren Sie Faszientraining in Ihr Trainingsprogramm, um die Faszien geschmeidig und elastisch zu halten.
- Vermeidung von einseitigen Belastungen: Vermeiden Sie einseitige Belastungen im Beruf und beim Sport.
- Regelmäßige Pausen: Machen Sie regelmäßig Pausen bei sitzenden Tätigkeiten, um Verspannungen vorzubeugen.
- Stressmanagement: Achten Sie auf ein gutes Stressmanagement, da Stress zu Verspannungen führen kann.
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