Schmerzen unter dem Schulterblatt können vielfältige Ursachen haben. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte, von häufigen Ursachen wie Muskelverspannungen bis hin zu selteneren, aber dennoch wichtigen Faktoren wie Nervenkompressionen und internistischen Erkrankungen. Ziel ist es, ein umfassendes Verständnis für Betroffene und Interessierte zu schaffen, um die bestmögliche Vorgehensweise zur Diagnose und Behandlung zu ermöglichen.
Einführung: Das komplexe Zusammenspiel von Schulter, Nacken und Rücken
Das Schulter-Arm-Syndrom, auch bekannt als Zervikobrachialgie, ist ein Symptomkomplex, der Schmerzen im Nacken, in der Schulter und im Arm umfasst. Schulterschmerzen sind das Leitsymptom, oft begleitet von Schmerzen, die in den Oberarm ausstrahlen und das Anheben des Arms über den Kopf oder Rotationsbewegungen erschweren. Die Schulter ist ein komplexes Gebilde, bei dem der Oberarmknochen (Humerus) im Schulterblatt (Scapula) verankert ist. Die Komplexität der Schulter macht sie anfällig für muskuläre Dysbalancen oder erhöhte Spannungen im Bindegewebe, die Druck erzeugen und Sehnen reizen können.
Häufige Ursachen für Nervenschmerzen unter dem Schulterblatt
1. Muskelverspannungen und Triggerpunkte
Muskelverspannungen sind eine der häufigsten Ursachen für Schmerzen unter dem Schulterblatt. Sie können durch eine schlechte Körperhaltung, einseitige Belastungen oder emotionalen Stress ausgelöst werden. Vor allem Verspannungen im M. trapezius oder M. rhomboideus sind häufige Auslöser. Triggerpunkte, schmerzhaft verspannte Punkte in der Muskulatur, können ebenfalls zu ausstrahlenden Schmerzen führen.
2. Fehlbelastungen und Überlastungen
Wiederholte oder lang andauernde Belastungen, wie das Tragen schwerer Lasten oder einseitige Bewegungen, können die Muskulatur am Schulterblatt überlasten. Auch eine Fehlstellung der Schulter, beispielsweise durch falsche Technik bei sportlichen Aktivitäten oder asymmetrische Belastungen, kann zu Verspannungen und Schmerzen führen.
3. Schulter-Impingement-Syndrom
Ein Schulter-Impingement entsteht häufig durch eingeklemmte Sehnen, Weichteile und/oder Nerven unter dem Schulterdach. Meist liegt eine Einengung des Gelenkraumes (Subakromialraum) vor - des Raumes zwischen Oberarmkopf und Schulterdach (Akromion). Beim sogenannten Outlet-Syndrom sind es bestimmte knöcherne Veränderungen oder Verwachsungen, zum Beispiel ein Sporn unterhalb des Schulterdachs. Beim Non-Outlet-Syndrom werden die Beschwerden von den umliegenden Weichteilen verursacht. In seltenen Fällen kann auch ein muskuläres Ungleichgewicht die Stabilität und Biomechanik der Schulter beeinträchtigen.
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4. Schulter-Arm-Syndrom und Frozen Shoulder
Das Schulter-Arm-Syndrom geht oft mit einer Frozen Shoulder einher, bei der sich die Schulter "eingefroren" anfühlt und Bewegungen erschwert sind. Die Ursachen für ein Frozen-Shoulder-Syndrom sind bisher nicht abschließend geklärt, es wurden aber Entzündungen in der Schulter und eine Verschlechterung der Durchblutung und des Stoffwechsels festgestellt.
5. Kalkschulter (Tendinitis calcarea)
Bei einer Kalkschulter kommt es zu Ablagerungen von Kalk in den Sehnen der Rotatorenmanschette. Betroffene haben oft starke Schulterschmerzen und Bewegungseinschränkungen. Je weniger die Schulter bewegt wird, desto weniger Stoffwechselaktivität ist im Gewebe, was den Heilungsprozess erschwert.
6. Schulterarthrose
Schulterarthrose ist eine degenerative Erkrankung, bei der der Knorpel in einem der Gelenke der Schulter verschleißt. Neben eingeschränkter Stoffwechseltätigkeit in der Schulter können auch entzündliche Prozesse den Knorpel schädigen. Für den Gelenkknorpel ist es essentiell, dass vielseitige Bewegung in die Schulter kommt.
7. Nervenkompression und Interkostalneuralgie
Ein eingeklemmter Nerv im Schulterblatt/Schulter geht meist mit starken Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und Taubheitsgefühlen in der Schulterregion einher. Eine Reizung oder Entzündung der zwischen den Rippen verlaufenden Nerven (Interkostalneuralgie) kann ebenfalls stechende Schmerzen verursachen, die unter das Schulterblatt ausstrahlen und beim Atmen verstärkt werden können.
8. Zervikalsyndrom
Nackenschmerzen können über die Schulterblätter bis in die Arme ausstrahlen. Dieser Schulter-Nacken-Schmerz wird medizinisch auch als unteres Zervikalsyndrom bezeichnet. Die häufigste Ursache für Nacken- und Schulterschmerzen ist eine verspannte Nackenmuskulatur, die auf Nerven der unteren Halswirbelsäule drückt und sie reizt.
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9. Suprascapularis-Syndrom
Das Nervus suprascapularis-Syndrom bezeichnet die Druckschädigung des Nervus suprascapularis in der Incisura scapulae unter dem Ligamentum transversum scapulae superius und seltener in der supraglenoidalen Notch unter dem Lig. spinoglenoidale. Neben anatomischen Normvarianten der Incisura scapulae können auch repetitive Mikrotraumata bei Überkopfsportlern verantwortlich sein.
Seltenere, aber wichtige Ursachen
1. Bandscheibenprobleme
Ein Bandscheibenvorfall oder eine Vorwölbung im Bereich der unteren Hals- oder oberen Brustwirbelsäule kann Nervenwurzelreizungen verursachen, die sich als Schmerzen unter dem Schulterblatt manifestieren.
2. Fehlstellungen des Schulterblatts
Eine asymmetrische Stellung oder Bewegung des Schulterblatts kann ebenfalls zu Schmerzen führen.
3. Innere Erkrankungen
In seltenen Fällen können Schmerzen oder Verspannungen im Schulterblattbereich als Ausdruck einer zugrunde liegenden Erkrankung auftreten. Stechende Schmerzen unter dem linken Schulterblatt können Zeichen einer Angina pectoris oder eines Herzinfarkts sein, während Schmerzen unter dem rechten Schulterblatt auf Gallenblasenprobleme oder eine Zwerchfellreizung hinweisen können.
Symptome eines eingeklemmten Nervs in der Schulter
Ein eingeklemmter Nerv in der Schulter kann verschiedene Symptome verursachen, darunter:
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- Plötzliche, stechende Schmerzen mittig neben oder unterhalb des Schulterblatts
- Ausstrahlung der Schmerzen in Richtung Wirbelsäule
- Massive Bewegungseinschränkungen
- Taubheitsgefühl oder Kribbeln in der Schulter, im Arm oder den Fingern
- Schmerzverstärkung bei bestimmten Bewegungen
Diagnose: Den Ursachen auf den Grund gehen
Die Diagnose von Schmerzen unter dem Schulterblatt erfordert eine sorgfältige Anamnese und körperliche Untersuchung. Der Arzt wird Fragen zu den Schmerzen stellen, wie sie sich anfühlen, wann sie auftreten und welche Aktivitäten sie auslösen. Bei der körperlichen Untersuchung wird der Arzt die Schulter, den Nacken und den Rücken abtasten, um Verspannungen oder andere Auffälligkeiten festzustellen.
1. Anamnese und körperliche Untersuchung
Der Arzt erhebt zunächst die Krankengeschichte (Anamnese) und stellt Fragen, um andere mögliche Ursachen auszuschließen. Anschließend erfolgt eine körperliche Untersuchung, bei der die Schulter genau betrachtet und verschiedene Tests zur Beweglichkeit des Schultergelenks durchgeführt werden.
2. Klinische Tests
Um die Belastungsfähigkeit oder eine mögliche Schädigung der Schultergelenksmuskulatur zu prüfen, können verschiedene klinische Tests durchgeführt werden, wie der Nackengriff, der Schürzengriff, der Jobe-Test und der Neer-Test.
3. Bildgebende Verfahren
- Röntgenuntersuchung: Ermöglicht eine gute Gelenkübersicht und kann knöcherne Veränderungen zuverlässig erkennen.
- Ultraschalluntersuchung (Sonografie): Kann Flüssigkeitsansammlungen im Gelenkspalt darstellen und Veränderungen des Schleimbeutels oder von muskulären Strukturen der Schulter gut beurteilen.
- Kernspintomografie (Magnetresonanztomografie, MRT): Kann in manchen Fällen, zum Beispiel im Vorfeld einer Operation zur Rekonstruktion des Schultergelenks, sinnvoll sein, um detaillierte Bilder der Weichteile zu erhalten.
- Elektromyographie (EMG): Dient zur Beurteilung der Funktion von Muskeln in Ruhe und unter Bewegung und kann Erkrankungen der Muskulatur und deren Nervensystem feststellen.
- Wirbelsäulenvermessung: Dient der Bestimmung von Symmetrie und Länge der Wirbelsäule und kann Fehlstellungen von Wirbelsäule und Beckenknochen gezielt darstellen.
Therapie: Wege zur Schmerzlinderung
Die Behandlung von Schmerzen unter dem Schulterblatt richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. In den meisten Fällen können konservative Maßnahmen die Beschwerden lindern.
1. Konservative Behandlung
- Schonung und Entlastung: In den akuten Phasen sollten schmerzauslösende Bewegungen vermieden werden.
- Trainingstherapie: Ein gezieltes Training mit einem Sportwissenschaftler kann helfen, Muskelverspannungen zu lösen und die betroffenen Bereiche zu mobilisieren.
- Manuelle Therapie: Spezielle Techniken, wie die Myofasziale Entspannung, Mobilisationen und Traktionen, können helfen, Blockaden und Verspannungen zu lösen.
- Wärme- oder Kälteanwendungen: Wärme kann helfen, verspannte Muskeln zu entspannen, während Kälte eine entzündungshemmende Wirkung hat und Schmerzen lindern kann.
- Haltungs- und Bewegungsschulung: Eine Fehlhaltung oder ungünstige Bewegungsmuster sind häufige Ursachen für Nerveneinklemmungen.
- Triggerpunktbehandlung: Bei Verspannungen der umliegenden Muskulatur kann die Behandlung von Triggerpunkten die Symptome lindern.
- Medikamentöse Therapie: Allgemein sollte eine ausreichende Schmerztherapie mittels NSAR wie Ibuprofen oder Paracetamol erfolgen, um langfristig Schon- und Fehlhaltungen vorzubeugen. Auch Schmerzsalben wie Voltaren können bei lokaler Anwendung zur Schmerzlinderung und Muskelentspannung beitragen. In einigen Fällen kann der Arzt ein lokal wirksames Schmerzmittel mit einer Spritze mit feiner Kanüle direkt in die betroffene Region einbringen.
2. Übungen zur Selbsthilfe
- Dehnübungen: Leichte, schonend durchgeführte Dehnübungen der Schulter- und Nackenregion können helfen, die Schmerzen durch einen eingeklemmten Nerven der Schulter zu lindern und erneuten Einklemmungen vorzubeugen.
- Kräftigungsübungen: Gezielte Übungen können einer Einklemmung eines Nerven der Schulter durch Stärkung der betroffenen Muskulatur vorbeugen, die Therapie unterstützen und nach Therapieende einer erneuten Einklemmung entgegenwirken.
- Armkreisen im Stand: Verbessert die Beweglichkeit, fördert die Durchblutung unter dem Schulterdach und lockert verspannte Muskulatur.
- Wandengleiten mit dem Unterarm: Fördert die Gleitfähigkeit des Nervs, öffnet den Raum unter dem Schulterdach und verbessert die Schulterkoordination.
- Schulterpendel im Stand (nach Codman): Entlastet das Schultergelenk, reduziert Muskelspannung und fördert die Gelenkflüssigkeit - besonders hilfreich bei akuten Beschwerden.
3. Alltagstipps und Ergonomie
- Arbeitsplatz anpassen: Achten Sie auf eine ergonomische Sitzposition und vermeiden Sie ständiges Vorlehnen oder einseitiges Hochziehen der Schultern.
- Schultergurt vermeiden: Tragen Sie Lasten immer möglichst beidseitig oder wechseln Sie regelmäßig die Seite.
- Kein ständiges Smartphone-Klemmen: Nutzen Sie lieber Headsets oder Lautsprecherfunktionen.
- Schulterschonende Schlafposition: Seitenschläfer sollten auf ein ausreichend hohes Kissen achten, um die Halswirbelsäule in neutraler Position zu halten. Rückenlage ist oft die schonendste Variante.
- Reizfreie Belastung statt Schonhaltung: Vermeiden Sie absolute Ruhe und setzen Sie stattdessen auf leichte Mobilisation, Wärme und Pausen in belastenden Tätigkeiten.
4. Operative Behandlung
Eine Operation kommt nur infrage, wenn konservative Therapien nach 6-12 Wochen keine Wirkung zeigen, der Nerv dauerhaft komprimiert ist oder neurologische Ausfälle bestehen. Moderne minimalinvasive Verfahren können helfen, die Nervenstrukturen gezielt zu entlasten.
Wann sollte man einen Arzt aufsuchen?
Nicht jeder ziehende Schmerz im Schulter- oder Nackenbereich ist ein medizinischer Notfall. Es gibt jedoch Warnsignale, bei denen eine ärztliche Abklärung dringend angeraten ist:
- Taubheitsgefühle oder Kribbeln, die länger als 48 Stunden anhalten
- Zunehmende Muskelschwäche, z. B. beim Anheben des Arms
- Nächtliche Schmerzen, die die Schlafqualität deutlich beeinträchtigen
- Fehlstellungen oder Bewegungseinschränkungen, die sich trotz Entlastung nicht bessern
- Schmerzen nach einem Unfall
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