Rasendes Herz, ein nicht endendes Gedankenkarussell, Einschlafprobleme - dies sind typische Anzeichen dafür, dass Nervosität und Unruhe den Alltag bestimmen. Wer dauerhaft Belastungen erlebt und kein inneres Gleichgewicht mehr herstellen kann, entwickelt Beschwerden. Was kann Ruhe bringen? Baldriantropfen, Hopfentee, Lavendelöl? Die Stiftung Warentest hat 25 rezeptfreie Mittel bewertet - darunter Tabletten, Kapseln, Tinkturen und Tees von Abtei, Bad Heilbrunner, Klosterfrau und Lasea. Sie erfahren, welche Medikamente bei welchen Symptomen helfen können und warum andere wenig geeignet sind. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Erkenntnisse aus verschiedenen Tests und Studien zusammen, um Ihnen bei der Wahl des richtigen Mittels zur Nervenberuhigung zu helfen.
Ursachen und Auswirkungen von Nervosität und Unruhe
Innere Unruhe und Nervosität sind weit verbreitete Beschwerden, die durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden können. Stress, Überforderung, Ängste oder auch körperliche Ursachen wie eine Schilddrüsenerkrankung können dazu beitragen. Die Auswirkungen sind vielfältig und reichen von Schlafstörungen und Konzentrationsproblemen bis hin zu körperlichen Symptomen wie Herzrasen und Zittern. Es ist wichtig, die Ursachen der Unruhe zu erkennen, um geeignete Maßnahmen zur Beruhigung ergreifen zu können.
Die Rolle von Stress und Belastung
Viele Menschen erleben stressige Situationen seelisch als unangenehm, ohne dass es zu nachweisbaren körperlichen Veränderungen kommt. Andauernde Nervosität und Unruhe können jedoch auch Ausdruck schwerwiegender psychischer Probleme sein. Bei Depressionen, Zwangs- oder Angststörungen sollten Betroffene immer professionelle Hilfe suchen. Auch wenn Ihre Beschwerden zwei Wochen nach Beginn Ihrer Selbstbehandlung zum Beispiel durch pflanzliche Beruhigungsmittel unverändert bestehen, sollten Sie ärztlichen Rat suchen.
Pflanzliche Beruhigungsmittel im Test
Die Stiftung Warentest hat 25 rezeptfreie, pflanzliche Beruhigungsmittel unter die Lupe genommen. Getestet wurden laut Stiftung Warentest Produkte im Preisrahmen von 3 bis 24 Euro. Darunter Tabletten, Kapseln, Tinkturen und Tees von Abtei, Bad Heilbrunner, Klosterfrau und Lasea. Zudem werteten die Tester wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit aus (Ausgabe 6/2023). Unter dem Strich kommen die Experten zu dem Ergebnis, dass „von den meisten Mitteln keine sichere Wirksamkeit gegen Unruhe und Nervosität zu erwarten“ sei. Auch die vorhandenen Studien zu ebendiesen Mitteln stützen das Fazit laut den Testern.
Es ist wichtig zu wissen: Auch wenn zwei Präparate Bestandteile der gleichen Pflanze enthalten, haben sie nicht immer die gleiche Wirkung. Vier der getesteten Präparate enthalten Alkohol. Das sollten insbesondere Leberkranke, Menschen mit Anfallsleiden und Schwangere beachten. Keines der getesteten Medikamente eignet sich für Kinder. Die Stiftung Warentest beurteilt Medikamente auf Basis veröffentlichter wissenschaftlicher Fachliteratur. Aufgrund der besonderen Situation bei Arzneimitteln dürfen wir keine eigenen Studien durchführen, sondern werten die aktuelle Forschungslage aus. Dabei ist es entscheidend, ob der Nutzen des Medikaments - im Vergleich zu einem Standardmittel oder einem Scheinmedikament - nachgewiesen wurde.
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Baldrian: Der Testsieger?
Baldrian wird nicht umsonst seit langer Zeit als Hausmittel zur Beruhigung eingesetzt. Die Stiftung Warentest kommt zu dem Schluss, dass von den getesteten Mitteln nur Baldrian in Reinform einigermaßen überzeugt hat. Genauer gesagt: zu Mitteln, die einen Baldrianwurzel-Extrakt enthalten. Generell gilt: Wer innere Unruhe erlebt, verlässt sich besser nicht auf die pflanzlichen Helfer - sondern sollte sich genug Pausen und Entspannung in den Alltag holen.
Allerdings gilt auch hier: Nicht alle Baldrian-Präparate sind gleich. Denn wie PTA wissen, können sich verschiedene Extrakte aus ein und derselben Pflanze in ihrer Wirkung durchaus unterscheiden. Deshalb fallen beispielsweise Baldrian-Präparate wie „Abtei Nachtruhe Baldrian Einschlaftropfen“ durch, während „Abtei Baldrian Forte“ als „mit Einschränkung geeignet“ gilt. Denn: „Nur für einen bestimmten Trockenextrakt der Baldrianwurzel legen wissenschaftliche Studien nahe, dass er bei Unruhe wirkt“, erklärt Stiftung Warentest.
Aus den Monografien des „Committee on Herbal Medicinal Products“ (HMPC) geht hervor, dass der Wurzel-Trockenextrakt mit dem Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV) 3-7.4:1, gewonnen mit 40-70 Prozent V/V Ethanol, geeignet ist (Status des „well-established use“) für die Anwendung bei nervöser Anspannung und Schlafstörungen. Er soll in Form von Tabletten eingenommen werden. Alle anderen Baldrian-Zubereitungen fallen demnach nur unter den „traditional use“, was bedeutet, dass die Wirksamkeit nicht bewiesen ist, aber als plausibel gilt.
Lavendelöl: Vielversprechend, aber nicht ausreichend belegt
Getestet wurde auch das Lavendelöl von Lasea. Laut den Warentestern ein Verkaufsschlager unter den rezeptfreien Beruhigungsmitteln mit über 1,4 Mio. verkauften Exemplaren (allein 2021). Auf der Webseite wird das Öl beworben als Mitteln „zur Behandlung von Unruhezuständen bei ängstlicher Verstimmung“. Die Tester kommen zu diesem Ergebnis: Zwar gebe es etwa bei Lavendelöl erste positive Hinweise, dass es innere Unruhe dämpfen könne. Doch die Daten würden nicht ausreichen, um eine therapeutische Wirksamkeit zu belegen.
Für Lavendelöl - sei es zum Schlafen oder bei mentalem Stress - bescheinigt das HMPC hingegen nur den „traditional use“. Zudem betont Stiftung Warentest die Nebenwirkungen von Lavendelöl: Es könne „Aufstoßen, Übelkeit und schwere allergische Reaktionen auslösen“. Baldrian-Präparate sollen hingegen „kaum Nebenwirkungen“ verursachen. Insofern wird vielleicht nachvollziehbar, warum Stiftung Warentest das Präparat Lasea als nur „wenig geeignet“ einstuft. Einen Therapieversuch - nach Rücksprache mit einem Arzt - schließt aber auch Stiftung Warentest nicht aus.
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Johanniskraut, Melisse, Hopfen und Passionsblume: Was bringen sie?
Johanniskraut schnitt zwar als Mittel gegen Nervosität und Unruhe nicht überzeugend ab. Was nicht heißt, dass es schadet, aber es ist wissenschaftlich kein Nutzen belegt. Dafür kann es aber durchaus bei leichten depressiven Verstimmungen und geistiger Erschöpfung Linderung bringen, wenn es hoch genug dosiert ist.
Für Melisse, Passionsblume, Hopfen und Kombinationen daraus existieren insgesamt keine belastbaren Studien, die ihre Wirkung als Beruhigungsmittel bestätigen könnten.
Alternative Methoden zur Nervenberuhigung
Neben Medikamenten gibt es zahlreiche alternative Methoden, die bei Nervosität und Unruhe helfen können. Diese umfassen Entspannungstechniken, Änderungen des Lebensstils und psychologische Strategien.
Entspannungstechniken und Achtsamkeit
- Wer unter Stress gelassen bleiben kann, vertraut auf die eigene Fähigkeit, sich mit schwierigen Lebenssituationen auseinandersetzen und diese erfolgreich bewältigen zu können. Diese Fähigkeit lässt sich erlernen, man nennt es Resilienz aufbauen. Damit das gelingt, müssen Sie alte Denkmuster aufbrechen und etwa üben, sich selbst positiv wahrzunehmen oder Probleme richtig einzuordnen.
- Planen Sie Zeit für Erholung ein. Alles, was Sie entspannt, wirkt Unruhe und Nervosität entgegen - beispielsweise ein Spaziergang, Entspannungstechniken, ein warmes Vollbad, ein Sauna Besuch, eine Wohlfühlmassage, eine ruhige Umgebung, angenehme Musik. Entspannungstechniken wie Yoga, Qigong oder die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson lassen sich unter fachkundiger Anleitung erlernen.
- Sorgen Sie in den Zeiten der Erholung für ein ruhiges, vom Lärm und der Betriebsamkeit des Alltags abgeschirmtes Umfeld.
- Zu einem gesunden Leben gehört der stete Wechsel von Anspannung und Entspannung, von Aktivität und Innehalten. Auch dass mal etwas schief geht oder länger dauert als geplant, ist normal. Planen Sie in Ihrem Alltag Puffer ein, um auch für Unvorhersehbares gewappnet zu sein.
- Regelmäßige Bewegung wie Radfahren, Schwimmen, Joggen oder Nordic Walking hilft, unproduktive innere Anspannung abzubauen - und steigert nebenbei auch noch Ihre Fitness.
Lebensstiländerungen
Zu einem gesunden Lebensstil gehören auch eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Schlaf. Vermeiden Sie übermäßigen Konsum von Koffein und Alkohol, da diese Substanzen Nervosität verstärken können. Regelmäßige Bewegung und Sport können ebenfalls helfen, Stress abzubauen und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern.
Psychologische Strategien
Für viele Jugendliche hat das Tagebuchschreiben einen festen Platz im Alltag. Man notiert, was einen beschäftigt, wie es einem geht und wovon man träumt. Je älter wir werden, desto eher hören wir allerdings damit auf, unsere Gedanken zu Papier zu bringen. Dabei kann so ein Tagebuch echt hilfreich sein. Wer seine Gedanken aufschreibt, der schafft Platz im Kopf. Das hilft vor allem dann, wenn man im Gedankenkarussell gefangen ist oder sich nicht konzentrieren kann, weil ständig neue Tabs im Kopf aufploppen. Außerdem reflektieren wir unsere Gedanken und Erlebnisse noch einmal, wenn wir sie aufschreiben. Das kann uns helfen, den Blick zu weiten und neue Perspektiven einzunehmen. Das Tagebuch kann also helfen, zu neuen Erkenntnissen zu kommen, sich selbst besser kennenzulernen und Struktur ins Gedankenchaos zu bringen.
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Für Menschen, die den Kopf voller Gedanken haben und dadurch unruhig und gestresst sind, kann Brain Dumping helfen, um das Chaos im Kopf in den Griff zu bekommen.
Magnesium gegen Muskelkrämpfe und Nervosität?
Magnesiumpräparate sind ein Kassenschlager. Kein Wunder, denn um Magnesium ranken sich etliche Mythen: Hilft gegen Muskelkrämpfe, ist gut für ältere Menschen, Sportler und Schwangere brauchen besonders viel davon. Doch was ist dran an den von Herstellern befeuerten Versprechen? Magnesium zählt wie Calcium und Eisen zu den Mineralstoffen und ist an vielen Vorgängen im Körper beteiligt. Es spielt im Zell- und Knochenaufbau eine Rolle und ist wichtig für die Nerven- und Muskeltätigkeit.
Unter einem Magnesiummangel versteht man eine verminderte Magnesiumkonzentration im Blut. Ein Magnesiummangel kann zu einer Unterversorgung mit Kalzium und Kalium führen. Dies verursacht meist mehrere neurologische und kardiale Beschwerden. Ein Magnesiummangel ist aber nicht ohne Weiteres an unverwechselbaren Symptomen zu erkennen. Er sollte immer durch den Hausarzt abgeklärt werden.
Der Magnesiumbedarf lässt sich gut mit abwechslungsreicher Ernährung decken. Zwischen 300 und 400 Milligramm Magnesium pro Tag sollten wir zu uns nehmen, so lautet die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Männer benötigen dabei mehr als Frauen, Jugendliche mehr als Erwachsene. Viel Magnesium steckt in pflanzlichen Lebensmitteln wie Nüssen, Vollkorngetreide oder Bananen. Auch Mineralwasser kann eine gute Quelle sein.
Das Gerücht hält sich, dass wir über den Schweiß viel Magnesium verlieren und stark schwitzende Personen daher zusätzliches Magnesium benötigen. Das stimme nicht, sagt Dr. Frank Hülsemann von der Sporthochschule Köln. Eine höhere Kalorienzufuhr über die Nahrung sichert auch die Versorgung mit Magnesium und allen anderen Mineralstoffen ausreichend. Das gilt sowohl für den höheren Energieverbrauch von Hobbysportlern als auch für den von Leistungssportlern. "Magnesium vorsorglich über Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen, kann sogar kontraproduktiv sein", sagt Hülsemann.
Nein, Schwangere brauchen nicht mehr Magnesium. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung liegt der Referenzwert für Schwangere bei 310 Milligramm Magnesium pro Tag. Dieser Wert gilt auch für Frauen im Allgemeinen: Sie sollen je nach Alter 300 bis 310 Milligramm Magnesium zu sich nehmen. In der Stillzeit steigt der Wert auf 390 Milligramm pro Tag. Stillende verlieren Magnesium über die Muttermilch. "Senioren haben keinen höheren Bedarf an Magnesium als jüngere Erwachsene", sagt Professorin Dorothee Volkert vom Institut für Biomedizin des Alterns an der Universität Erlangen-Nürnberg. Wenn ältere Menschen allerdings Probleme mit der Ernährung haben, ist meist die Versorgung mit allen Nährstoffen gefährdet. Dies kann durch fehlenden Appetit, erschwertes Schlucken oder Schwierigkeiten beim Einkaufen oder Kochen der Fall sein. Empfehlenswert ist dann der Gang zum Arzt.
Muskelkrämpfe können nachts den Schlaf rauben und tagsüber den Spaß am Sport verderben. Die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zu Muskelkrampf führt auf, dass 33 bis 50 Prozent der über 65-Jährigen mindestens einmal pro Woche unter Krämpfen leiden. Die Gründe dafür sind vielfältig. Magnesiummangel ist dabei eine der möglichen Ursachen. Sie ist leicht zu beheben. Dafür sind jedoch nicht zwangsläufig Tabletten mit Magnesium notwendig. Über die entsprechende Ernährung können Betroffene genug Magnesium aufnehmen. Wer zu Nahrungsergänzungsmitteln greift, sollte darauf achten, keine hoch dosierten Präparate zu nehmen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rät, die Tagesdosis auf zwei oder mehr Portionen aufzuteilen. Das Magnesium sei so besser verträglich.
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