Die Polyneuropathie (PNP) ist eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, die durch Schädigung von Nerven außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks gekennzeichnet ist. Diese Schädigung beeinträchtigt die Reizweiterleitung und kann zu Missempfindungen, Sensibilitätsstörungen oder Schmerzen führen. Die Erkrankung kann Nerven in Armen und Beinen oder solche, die innere Organe versorgen, betreffen. Es gibt verschiedene Formen der Polyneuropathie, die sich in ihrer Ausprägung und den betroffenen Körperstellen unterscheiden.
Einführung
Die Polyneuropathie ist eine häufige neurologische Erkrankung, die sowohl Männer als auch Frauen betrifft und deren Häufigkeit mit zunehmendem Alter steigt. Schätzungen zufolge ist eine von 2.000 Einwohnern von Polyneuropathien betroffen. Trotz diagnostischer Fortschritte bleibt die Ursache in vielen Fällen unklar, was als idiopathische Neuropathie bezeichnet wird. In solchen Fällen konzentriert sich die Behandlung auf die Linderung der Symptome.
Ursachen der Polyneuropathie
Ärzte kennen mehr als 200 verschiedene Ursachen für die Polyneuropathie. Die häufigsten Auslöser sind Diabetes mellitus und chronischer Alkoholmissbrauch. Die Neuropathie kann im Laufe des Lebens erworben (deutlich häufigiger) oder angeboren (seltener) sein.
Diabetes mellitus
Diabetes mellitus ist die häufigste Ursache für Polyneuropathie. Bis zu einem Drittel der Menschen mit Diabetes Typ 1 und Typ 2 entwickeln Nervenschäden als Folge ihrer Zuckerkrankheit. Das Risiko steigt mit zunehmendem Alter und der Dauer der Erkrankung. Eine schlechte Blutzuckereinstellung oder unzureichende Blutzuckerkontrolle erhöhen das Risiko zusätzlich.
Eine Neuropathie kann sich bereits im Vorstadium des Diabetes (Prädiabetes) entwickeln, oft bevor die eigentliche Diagnose gestellt wird. Ein Vitamin-B1-Mangel kann Nervenschäden begünstigen. Diabetiker haben aufgrund eines erhöhten Blutzuckerspiegels einen gesteigerten Vitamin-B1-Bedarf und scheiden vermehrt Vitamin B1 über die Nieren aus.
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Die Neuropathie bei Diabetes kann verschiedene Formen annehmen:
- Symmetrische Polyneuropathie: Die Beschwerden beginnen in den Füßen und breiten sich später auf die Hände und Beine aus. Es entsteht ein strumpf- und handschuhförmiges Muster. Typisch sind gestörte sensorische Empfindungen wie Kribbeln, Taubheitsgefühle und eine reduzierte Schmerzwahrnehmung.
- Autonome Neuropathie: Nerven, die Herzschlag, Blutdruck, Blutzucker und die Tätigkeit der inneren Organe beeinflussen, werden geschädigt. Stoffwechsel, Verdauung, Blasenfunktion und Sexualität können beeinträchtigt sein.
- Fokale Neuropathien: Nur wenige Nerven sind geschädigt. Die Beschwerden treten plötzlich auf. Ein Beispiel ist die diabetische Amyotrophie mit heftigen Schmerzen am Oberschenkel, Bein oder Gesäß. Auch die Augenmuskeln können betroffen sein.
Die Polyneuropathie beginnt oft in den unteren Extremitäten und kann zur Entwicklung eines diabetischen Fußsyndroms führen. Durch die Nervenschäden bemerken Betroffene Wunden oder Verletzungen am Fuß nicht rechtzeitig. Unbehandelte Wunden können sich infizieren und zu schwerwiegenden Entzündungen führen, die Amputationen erforderlich machen können.
Alkoholkonsum
Langjähriger, hoher Alkoholkonsum kann ebenfalls eine Neuropathie auslösen. Alkohol gilt als Nervengift und stört die Reizweiterleitung. Eine Mangelernährung, die oft mit chronischem Alkoholmissbrauch einhergeht, kann zu einem Vitaminmangel führen, insbesondere zu einer Unterversorgung mit Vitamin B1.
Weitere Ursachen
Neben Diabetes und Alkohol gibt es weitere Ursachen für Polyneuropathie:
- Vitamin-B12-Mangel: Kann durch einseitige Ernährung (z. B. vegane Ernährung) oder nach Magenoperationen entstehen.
- Nieren- und Lebererkrankungen: Beeinträchtigen die Nährstoffaufnahme und -verarbeitung.
- Schilddrüsenerkrankungen: Sowohl Über- als auch Unterfunktion der Schilddrüse können Neuropathien verursachen.
- Infektionen: Borreliose, Herpes simplex und Pfeiffersches Drüsenfieber können Nervenschäden verursachen.
- Autoimmunerkrankungen: Das Guillain-Barré-Syndrom greift die Nervenscheiden der peripheren Nerven an.
- Krebserkrankungen: Die Neuropathie kann ein erstes Warnsignal sein.
- Chemotherapie: Bestimmte Zytostatika, insbesondere platinhaltige, können Polyneuropathien fördern.
- Gifte: Kontakt mit bestimmten Giften kann Nervenschäden verursachen.
Symptome der Polyneuropathie
Typische Symptome der Polyneuropathie sind Kribbeln, Brennen und Taubheit, die anfangs an beiden Füßen und Beinen auftreten. Die Symptome entstehen durch Schäden an den langen Nerven, die Muskeln, Haut und Organe mit dem Gehirn verbinden. Je nachdem, welche Nerven betroffen sind, können unterschiedliche Beschwerden im Vordergrund stehen.
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Die Erkrankung kann sensible, motorische und vegetative Nerven betreffen, was zu vielfältigen Symptomen führen kann:
- Sensible Symptome: Empfindungsstörungen wie Ameisenlaufen, Brennen, Jucken, Taubheitsgefühle oder Kribbeln, vermindertes Temperatur- oder Schmerzempfinden.
- Motorische Symptome: Muskelschwäche, Muskelschmerzen, Muskelzucken oder Muskelkrämpfe.
- Vegetative Symptome: Schwindel, Blasenschwäche, Durchfall oder verstärktes Schwitzen, Störungen der Organfunktionen.
Die Symptome können sich an einer oder beiden Körperhälften bemerkbar machen. Betroffene berichten auch von Erschöpfungszuständen und brennenden, schneidenden oder stechenden Schmerzen.
Diagnose der Polyneuropathie
Bei Verdacht auf Polyneuropathie sollte ein Arzt aufgesucht werden. Die Diagnose umfasst in der Regel folgende Schritte:
- Anamnese (Arzt-Patient-Gespräch): Der Arzt erfragt die Krankengeschichte, die aktuellen Beschwerden, Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme, Kontakt mit Giftstoffen, Drogen- und Alkoholkonsum sowie das Auftreten ähnlicher Beschwerden in der Familie.
- Körperliche und neurologische Untersuchung: Der Arzt prüft Reflexe, Pupillenreaktion, Sensibilität, motorische Funktion, Gleichgewicht und Koordination. Er achtet auch auf mögliche Fehlbildungen des Skeletts.
- Neurophysiologische Untersuchung:
- Elektroneurographie (ENG): Misst die Nervenleitgeschwindigkeit der peripheren Nerven. Bei Polyneuropathie ist diese meist herabgesetzt.
- Elektromyographie (EMG): Misst die elektrische Muskelaktivität. Bei motorischen Störungen kann festgestellt werden, ob das Problem beim Muskel selbst oder bei den ihn versorgenden Nerven liegt.
- Laboruntersuchung:
- Blutbild: Zur Bestimmung von Entzündungsparametern, Blutzuckerwerten und Vitamin-Spiegeln (wie Vitamin B12 und Folsäure).
- Weitere Tests: Je nach Bedarf können weitere Tests durchgeführt werden, um mögliche Ursachen der Polyneuropathie zu identifizieren.
- Weitere Untersuchungen (bei Bedarf):
- Quantitative sensorische Untersuchung: Prüft die Reaktion der Nerven auf bestimmte Reize wie Druck oder Temperatur.
- Elektrokardiografie (EKG): Gibt Auskunft darüber, ob die autonomen Nervenfasern des Herzens geschädigt sind.
- Ultraschall-Untersuchung der Harnblase: Kann feststellen, ob sich nach dem Wasserlassen noch Restharn in der Blase befindet.
- Nervenbiopsie: Entnahme einer Gewebeprobe des Nervengewebes zur mikroskopischen Untersuchung.
- Hautbiopsie: Entnahme eines kleinen Hautstücks zur Untersuchung unter dem Mikroskop.
- Genetische Untersuchung: Bei Verdacht auf eine erblich bedingte Neuropathie.
Behandlung der Polyneuropathie
Das primäre Ziel der Behandlung ist die Beseitigung der Ursache der Polyneuropathie. Dies kann bedeuten:
- Optimale Einstellung des Diabetes mellitus mit Medikamenten.
- Absetzen oder Austausch von Medikamenten, die eine Polyneuropathie verursachen können.
- Beendigung der Exposition gegenüber toxischen Substanzen.
- Vollständige Alkoholabstinenz bei alkoholbedingter Polyneuropathie.
Zusätzlich zur Behandlung der Ursache können folgende Maßnahmen zur Linderung der Symptome eingesetzt werden:
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- Schmerztherapie: Antidepressiva, Antikonvulsiva und Opioide können zur Schmerzlinderung eingesetzt werden.
- Physiotherapie: Kann bei Lähmungen, Muskelschwund, Gleichgewichtsstörungen und Gangstörungen helfen.
- Ergotherapie: Unterstützt bei ungünstigen Bewegungsabläufen und Gleichgewichtsstörungen.
- Neural-Akupunktur: Kann bei Missempfindungen und Schmerzen helfen.
- Elektrotherapie: Stimuliert die Nerven durch Impulse, um Schmerzen zu reduzieren.
- Orthesen: Spezielle Schienen können bei Muskellähmungen helfen, Hände und Füße beweglich zu halten.
- Ernährungsumstellung: Bei Vitaminmangel kann eine Ernährungsumstellung helfen, den Mangel auszugleichen.
Tipps für die Vorsorge und mehr Lebensqualität bei Polyneuropathie
- Blutzucker kontrollieren: Menschen mit Diabetes sollten regelmäßig ihren Blutzucker kontrollieren und die verordneten Medikamente einnehmen.
- Füße kontrollieren: Regelmäßige Kontrolle der Füße auf Wunden, um Fußgeschwüre zu vermeiden.
- Bewegen: Aquagymnastik oder Gehtraining können bei Schmerzen und Missempfindungen helfen.
- Kälte vermeiden: Bei Problemen mit Kältereizen sollten kalte Umgebungen vermieden werden.
- Für einen guten Stand sorgen: Festes Schuhwerk oder eine Gehhilfe können die Sicherheit beim Gehen erhöhen.
- Verletzungen und Infektionen vorbeugen: Verletzungen an Händen und Füßen sollten vermieden werden.
- Ohrgeräusche minimieren: Laute Umgebungen sollten gemieden werden, um Tinnitus zu reduzieren.