Überreizte Nerven im Kopf: Symptome, Ursachen und Lösungsansätze

Jeder kennt Momente, in denen das Herz rast, Muskeln angespannt sind oder ein plötzlicher Fluchtreflex eintritt. Diese Reaktionen sind Anzeichen dafür, dass das Nervensystem in Alarmbereitschaft ist. Ein überreiztes Nervensystem kann sich durch Symptome wie Herzklopfen, Schlafstörungen und ständige Anspannung äußern. Der Vagusnerv spielt eine wichtige Rolle beim Entspannen und lässt sich durch Atemtechniken, Kälte und Körperübungen aktivieren. Kurzfristig beruhigt etwa die 4-7-8-Atemtechnik, während langfristige Regulierung bei chronischem Stress Wochen bis Monate dauern kann. Hilfreich dabei sind vor allem Bewegung, Vagusnerv-Stimulation und bestimmte Atemtechniken.

Das Nervensystem verstehen

Das Nervensystem ist ein riesiges Kommunikationsnetzwerk, vergleichbar mit dem Internet, das Informationen aus der Umwelt aufnimmt und an Gehirn oder Rückenmark weiterleitet. Dort werden passende Reaktionen gesteuert und an den Körper zurückgegeben. Die Nerven des somatischen Nervensystems sind hauptsächlich für die Bewegungsabläufe zuständig. Bei der Regulierung des Nervensystems geht es jedoch vor allem um das vegetative bzw. autonome Nervensystem, das zum Großteil nicht direkt steuerbar ist und Körperfunktionen wie Herzschlag und Verdauung reguliert.

Das vegetative Nervensystem besteht aus zwei Hauptkomponenten:

  • Sympathikus: Der innere Turbo-Modus, der den Körper aktiviert und auf körperliche oder geistige Leistungen vorbereitet (Kampf-oder-Flucht-Reaktion).
  • Parasympathikus: Der innere Entspannungsmodus, der für Erholung, Verdauung und Stoffwechselvorgänge sorgt.

Ein wichtiger Teil des Parasympathikus ist der Vagusnerv, der längste Hirnnerv des Körpers. Er wirkt wie eine "Bremse" für das vegetative Nervensystem und kann durch gezielte Übungen wie Atemtechniken oder Kältereize aktiviert werden, um den Körper zu beruhigen.

Die Polyvagal-Theorie erweitert das Verständnis des vegetativen Nervensystems und unterscheidet drei Bereiche:

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  • Soziales Engagement (ventraler Vagus): Sicherheit, Verbindung, Ruhe.
  • Kampf-oder-Flucht (Sympathikus): Alarmbereitschaft und Mobilisierung bei Gefahr.
  • Erstarrung/Kollaps (dorsaler Vagus): Totaler Shutdown als Schutzmechanismus.

Das Nervensystem entscheidet je nach wahrgenommener Sicherheit oder Bedrohung, in welchem Bereich man sich befindet. Interessant ist, dass 80 % der Vagusnerv-Fasern Informationen vom Körper zum Gehirn senden.

Symptome eines überreizten Nervensystems

Ein überreiztes Nervensystem kann sich durch verschiedene Symptome äußern, darunter:

  • Herzklopfen
  • Schlafstörungen
  • Chronische Verspannungen
  • Reizbarkeit
  • Konzentrationsprobleme
  • Verdauungsstörungen
  • Das Gefühl, ständig "unter Strom" zu stehen
  • Chronische Müdigkeit oder Erschöpfung

Die Symptome können vielfältig sein und oft ohne konkrete organische Ursache auftreten. Es ist wichtig, diese Warnsignale bewusst wahrzunehmen, um das Nervensystem zu unterstützen.

Ursachen und Risikofaktoren

Ein überreiztes Nervensystem kann verschiedene Ursachen haben. In der Steinzeit war die Gefahr ein Säbelzahntiger, doch heute sind es andere Stressfaktoren wie ständige Erreichbarkeit, Überstunden, Großstadtlärm und Mental Load. Diese Faktoren führen oft zu einer dauerhaften Aktivierung des Sympathikus, wodurch der Körper ständig "unter Strom" steht.

Chronischer Stress kann zu einer dauerhaften sympathischen Dominanz führen. Akute Stressreaktionen können sich innerhalb von 20-30 Minuten beruhigen, aber bei längerer Belastung kann es Wochen bis Monate dauern, bis sich das Nervensystem wieder stabilisiert. Traumabedingte Dysregulation kann einen individuellen und möglicherweise längerwierigen Prozess erfordern, der professionelle Unterstützung empfiehlt.

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Weitere mögliche Ursachen und Risikofaktoren sind:

  • Körperliche, seelische und soziale Umstände
  • Psychosomatische Ursachen
  • Trauer
  • Ängste
  • Hormonelle Veränderungen (z.B. Wechseljahre, Schwangerschaft)
  • Hochsensibilität

Es ist wichtig zu beachten, dass das Nervensystem nicht auf die tatsächlichen Ereignisse reagiert, sondern auf die Interpretation dieser Ereignisse.

Strategien zur Beruhigung des Nervensystems

Es gibt verschiedene Strategien, um ein überreiztes Nervensystem zu beruhigen und die Stressresilienz zu stärken:

  • Atemtechniken: Die 4-7-8-Atemtechnik (4 Sekunden einatmen, 7 Sekunden halten, 8 Sekunden ausatmen) aktiviert den Parasympathikus und beruhigt schnell. Auch die Zwerchfellatmung (Diaphragmatische Atmung) ist ein Goldstandard zur Stressreduktion und kann den Cortisol-Spiegel senken.
  • Körperliche Aktivität: Sport hilft, Adrenalin und Cortisol abzubauen und signalisiert dem Gehirn, dass die Gefahr vorüber ist. Es ist ein effektiver Weg, um chronischen Stress abzubauen und einem Burnout vorzubeugen.
  • Vagusnerv-Stimulation: Übungen wie Singen, Summen oder Kältereize können den Vagusnerv aktivieren und die Entspannung fördern.
  • Meditation und Achtsamkeit: Regelmäßige Meditation und Achtsamkeitsübungen beruhigen Geist und Nervensystem und stärken die Stressresilienz.
  • Yoga: Yoga verbindet körperorientierte Ansätze mit Atemarbeit und kann besonders effektiv sein, um das Nervensystem zu beruhigen.
  • Schlafhygiene: Ausreichend Schlaf ist essenziell, um das Nervensystem zu beruhigen. Die 10 Regeln der Schlafhygiene können helfen, den Schlaf zu verbessern.
  • Emotionen zulassen: Manchmal kann es guttun, angestaute Emotionen herauszulassen, z.B. durch Weinen.
  • Soziale Interaktionen: Lockere, freundliche und liebevolle soziale Interaktionen vermitteln dem Gehirn, dass die Welt ein sicherer Ort ist.
  • Den Stress ausschütteln: Ähnlich wie eine Gazelle nach der Flucht vor einem Löwen können auch Menschen Stress loswerden, indem sie sich für ein paar Minuten ausschütteln.
  • 5-4-3-2-1-Technik: Diese Technik hilft, ins Hier und Jetzt zurückzukehren und Ruhe zu finden, indem man 5 Dinge sieht, 4 Dinge fühlt, 3 Dinge hört, 2 Dinge riecht und 1 Ding schmeckt.

Vegetative Dystonie

Die vegetative Dystonie ist ein Begriff für eine "fehlregulierte Spannung des vegetativen Nervensystems". Sie umfasst verschiedene Symptome wie Herz-Kreislauf-Beschwerden, Kopfschmerzen, zitternde Hände und Durchfall. Das vegetative Nervensystem steuert automatisch ablaufende Körperfunktionen wie Blutdruck, Atmung und Schweißdrüsen.

Man unterteilt das vegetative Nervensystem in zwei Gegenspieler:

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  • Sympathikus: Versetzt den Menschen in Anspannung und bereitet auf Kampf-oder-Flucht vor.
  • Parasympathikus: Zuständig für Entspannung und Regeneration.

Funktioniert das Zusammenspiel zwischen Sympathikus und Parasympathikus nicht richtig, kann dies zu einer vegetativen Dystonie führen. Die Symptome richten sich danach, ob sich das Spannungsverhältnis zugunsten des Sympathikus (Sympathikotonie) oder des Parasympathikus (Vagotonie) verschoben hat.

Die vegetative Dystonie als Diagnose ist umstritten und wird oft als "Verlegenheitsdiagnose" bezeichnet. Ärzte stufen solche körperlichen Beschwerden ohne erkennbare organische Ursache oft als somatoforme Störungen ein.

Behandlung der vegetativen Dystonie

Die Behandlung der vegetativen Dystonie hängt von der Ursache und Ausprägung ab. Oft wird zunächst abgewartet, da sich somatoforme Störungen häufig von alleine wieder legen.

Empfehlungen für die Behandlung sind:

  • Psychotherapie: Hilft, die Beschwerden besser einzuordnen und mit ihnen im Alltag umzugehen. Besonders hilfreich ist es, die Gründe und Gefühle hinter den Symptomen aufzuarbeiten.
  • Körperliche Bewegung: Sport oder Spaziergänge können einen positiven Einfluss haben.
  • Entspannungsübungen: Progressive Muskelentspannung, autogenes Training, Tai-Chi oder Yoga können helfen.
  • Medikamente: Schmerzmedikamente oder Antidepressiva können bei großem Leidensdruck eingesetzt werden, aber in der Regel nur vorübergehend.

Reizüberflutung

Reizüberflutung ist ein umgangssprachlicher Begriff für eine Überforderung der menschlichen Sinne. Zu viele Eindrücke können nicht verarbeitet werden, was zu Stress und verschiedenen Symptomen führen kann. Hochsensible Menschen sind besonders anfällig für Reizüberflutung.

Symptome einer Reizüberflutung können sein:

  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Schlafstörungen
  • Ängste
  • Aggressionen
  • Depressionen
  • Chronische Schmerzzustände
  • Migräne
  • Burnout-Syndrom

Umgang mit Reizüberflutung

Da sich die Auslöser von Reizüberflutung oft nicht vermeiden lassen, ist der richtige Umgang damit umso wichtiger:

  • Innere Stimme: Mit einem inneren Summen lassen sich Geräusche von außen verstummen oder leiser werden.
  • Ruhephasen: Dem Gehirn regelmäßig Ruhephasen gönnen, in denen jeder mögliche Reiz von außen ausgeschlossen wird.
  • Familienumfeld: Eltern und Familie sollten einen Ausgleich schaffen, um hochsensible Kinder aufzufangen und der Reizüberforderung eigene Akzente entgegenzusetzen.

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