Die enge Verbindung zwischen Nerven und Psyche ist ein komplexes und faszinierendes Feld, das in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat. Die Forschung hat gezeigt, dass psychische und neurologische Prozesse eng miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen. Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Aspekte dieser Verbindung, von psychosomatischen Symptomen bis hin zu den neuesten Forschungsansätzen.
Psychosomatische Symptome: Wenn die Seele auf den Körper wirkt
Psychosomatische Symptome sind körperliche Beschwerden, die durch seelische Belastungen hervorgerufen oder verstärkt werden. Diese Symptome sind vielfältig und können sich in unterschiedlichen Formen äußern. Häufige Beispiele sind:
- Kopfschmerzen: Spannungskopfschmerzen oder Migräne können durch Stress, Angst oder Depressionen ausgelöst werden.
- Schwindel: Schwindelgefühle können psychische Ursachen haben, insbesondere bei Angststörungen.
- Nacken- und Rückenschmerzen: Muskelverspannungen, die durch Stress und psychische Belastung entstehen, sind eine häufige Ursache für diese Schmerzen.
- Gelenkschmerzen: Auch Gelenkschmerzen können durch psychische Faktoren verstärkt werden, insbesondere bei chronischen Schmerzerkrankungen.
- Magen-Darm-Beschwerden: Reizdarm, Bauchschmerzen, Blähungen und andere Verdauungsprobleme können durch Stress und Angst ausgelöst werden.
- Herzrasen, Schweißausbrüche, Atemnot: Diese Symptome können bei Panikattacken oder Angstzuständen auftreten.
Es ist wichtig zu betonen, dass psychosomatische Schmerzen nicht eingebildet sind. Sie sind real und können die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Die Vorstellung, dass Krankheiten entweder rein körperlich oder rein psychisch sind, gilt als überholt. Meist ist es eine Mischung mit unterschiedlicher Gewichtung.
Das Schmerzgedächtnis: Wenn Schmerzen chronisch werden
Wenn Schmerzen lange anhalten, senden Nerven dauerhaft Impulse an das Gehirn. Dort kann es zu einer Überreaktion kommen, die Reizweiterleitung und Verarbeitung im Gehirn verändert sich und ein Schmerzgedächtnis entsteht. Anstelle von Hormonen zur Schmerzhemmung sendet das Gehirn Botenstoffe aus, die die Schmerzempfindlichkeit erhöhen. Das kann selbst dann noch geschehen, wenn die eigentliche Schmerzursache behoben oder verheilt ist. Das Gehirn hat den Schmerz „gelernt“ und reagiert auf kleinste Reize mit starken Schmerzsignalen.
Die Rolle der Psyche bei chronischen Schmerzerkrankungen
Menschen mit chronischen Schmerzen leiden oft schon seit Monaten oder Jahren unter ihren Beschwerden. Im Gespräch wird oft deutlich, dass sie niedergeschlagen sind und die Schmerzen den Alltag bestimmen. Typisch ist, dass die Gedanken um die Schmerzen kreisen und Betroffene bereits unterschiedliche Fachärzte aufgesucht haben, die ihnen nicht ausreichend weiterhelfen konnten und von denen sie sich oft nicht verstanden fühlen.
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In vielen Fällen können körperliche Ursachen für die Schmerzen nicht oder nur unzureichend gefunden werden. Dann ist es wichtig, seelische Faktoren als mögliche Ursache oder Verstärkung der Schmerzen in Betracht zu ziehen. Psychische Traumatisierungen können sich beispielsweise als Schmerz auf körperlicher Ebene äußern.
Wie werden psychosomatische Faktoren beurteilt?
In einem Erstgespräch werden alle körperlichen Befunde angesehen und nach Vorerkrankungen, Belastungsfaktoren und der beruflichen und familiären Situation gefragt. Auch auf Anzeichen für Depressionen oder depressive Phasen wird geachtet. Oft ist es so, dass die Schmerzen von äußeren Faktoren, etwa bestimmten Situationen und Aktivitäten, oder von inneren Faktoren, wie Stimmung, Emotionen und Gedanken, beeinflusst werden. Ein Schmerztagebuch kann helfen, Auslöser oder Muster zu erkennen. Wichtig ist, sorgfältig zu prüfen, welche körperlichen, psychologischen und sozialen Faktoren eine Rolle spielen. Dazu gehört auch die gewissenhafte somatische Abklärung der körperlichen Beschwerden. Hierfür wird auch Rücksprache gehalten, zum Beispiel mit Neurologen, Kardiologen oder Orthopäden.
Behandlungsmöglichkeiten für psychosomatische Symptome
Die Behandlung psychosomatischer Symptome ist vielfältig und richtet sich nach der Schwere der Beschwerden.
- Leichtere Formen: Bei leichteren Formen reicht es oft aus, wenn der Arzt einfühlsam erklärt, woher die Beschwerden kommen und dass sie vermutlich harmlos sind. Wichtig ist, Alltagsaktivitäten, Sport und Hobbys beizubehalten und soziale Kontakte weiter zu pflegen. Auch Entspannungsübungen wie Meditation, Yoga oder progressive Muskelentspannung können helfen, das Nervensystem und die Gedanken zu beruhigen.
- Schwerere Formen: Bei schwereren Formen, deutlicher Beeinträchtigung im Alltag oder einer Chronifizierung sind spezialisiertere Therapieformate erforderlich. Diese umfassen in der Regel eine Kombination aus Psychotherapie, Physiotherapie, Bewegung und Medikamenten.
Psychische Erkrankungen und körperliche Symptome
Depressionen können sich auch in körperlichen Symptomen wie Rückenschmerzen zeigen. Umgedreht können dauerhafte Rückenschmerzen auch zu einer Depression führen. Wichtig ist, sowohl die psychischen Ursachen als auch die körperlichen Beschwerden zu behandeln. Änderungen im Tagesablauf sind ebenfalls ratsam: Betroffene sollten langsamer und achtsamer mit Entspannungspausen umgehen. Autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation oder Qigong sollten fest in den Alltag eingeplant werden. Gleichzeitig ist auch eine körperliche Aktivität sehr wichtig.
Die Bauch-Hirn-Achse: Eine wichtige Verbindung
Unter der Bauch-Hirn-Achse, oder wissenschaftlich genauer Darm-Hirn- Achse, versteht man die enge Verbindung und den intensiven Informationsaustausch zwischen dem Darm und dem Gehirn, und zwar in beiden Richtungen. Sowohl der Darm als auch das Gehirn sind lebenswichtige Organe, und damit wir als Organismus gut funktionieren und uns gesund und wohl fühlen, müssen die Aktivität des Darms und jene des Gehirns gut aufeinander abgestimmt sein. Die Kommunikation zwischen Darm und Gehirn erfolgt auf unterschiedlichen „Kanälen“, etwa über Darmmikroben, Hormone, Botenstoffe oder sensorische Neuronen. Via Darm-Hirn-Achse steuert der Verdauungstrakt nicht nur Hungergefühl und Appetit, sondern er beeinflusst auch Stimmungslage, Emotionen und kognitive Prozesse. Wenn es Probleme mit einem der Organe gibt, kann deshalb auch sehr oft das andere Organ betroffen sein.
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Somatoforme Störungen: Wenn keine organische Ursache gefunden wird
Es gibt Menschen, die immer wieder unterschiedliche körperliche Beschwerden haben, ohne dass sich eine körperliche Ursache finden lässt. Diese Beschwerden werden in vielen Fällen chronisch und können die Lebensqualität deutlich beeinträchtigen. Dann spricht man auch von einer somatoformen Störung - das bedeutet, dass den Symptomen sehr wahrscheinlich psychische Ursachen zugrunde liegen.
Die Symptome einer somatoformen Störung können sehr vielfältig sein. Zu den häufigsten Beschwerden gehören Schmerzsymptome (zum Beispiel Kopfschmerzen, Brustschmerzen oder Rückenschmerzen), Müdigkeit und Erschöpfung. Oft wird auch über Magen-Darm-Beschwerden, Symptome des Herz-Kreislauf-Systems, sexuelle Störungen und Symptome, die das Nervensystem betreffen (zum Beispiel Schwindelgefühle) berichtet.
Das vegetative Nervensystem: Die Steuerung unwillkürlicher Körperfunktionen
Das vegetative Nervensystem ist der Teil des Nervensystems, der automatische körperliche Vorgänge steuert - also Vorgänge, die man selbst nicht willentlich beeinflussen kann. Dies sind zum Beispiel Herzschlag und Blutdruck, Atmung, Verdauung, sexuelle Funktionen und die Ausschüttung von Hormonen. Allerdings haben psychische Empfindungen und Gefühle durchaus einen Einfluss auf das vegetative Nervensystem. Zum Beispiel wird man bei einem Schreck blass und bekommt eine Gänsehaut, das Herz rast und der Atem geht schneller - und bei Ärger rötet sich die Haut und der Blutdruck steigt an. Das Gleiche gilt auch langfristig gesehen: Ist das psychische Gleichgewicht auf Dauer gestört und jemand leidet ständig unter Gefühlen von Angst, Ärger oder Stress, kann das das vegetative Nervensystem dauerhaft aus dem Gleichgewicht bringen.
Herausforderungen bei der Behandlung somatoformer Störungen
Ein Problem bei somatoformen Störungen ist, dass sich die Symptome mit medizinischen Ansätzen nicht wirksam behandeln lassen. Deshalb dauert es für die Betroffenen oft sehr lang, bis sie tatsächlich effektive Hilfe bekommen. Auf der einen Seite werden oft unnötige diagnostische Eingriffe und Behandlungen durchgeführt - und diese können zur Aufrechterhaltung der Symptome beitragen. Auf der anderen Seite werden die Patienten von Ärzten oft nicht ernst genommen und als „schwer behandelbar“ angesehen. Ärzten fällt es oft schwer, den Betroffenen die psychischen Ursachen ihrer Beschwerden zu vermitteln. Versichert der Arzt ihnen, dass sie völlig gesund seien, löst das bei den Patienten erst recht Sorgen aus, weil sie überzeugt sind, dass ihre Beschwerden eine körperliche Ursache haben müssen. Aber auch die Erläuterung, dass psychische Faktoren wie Angst oder Stress hinter den körperlichen Symptomen stecken könnten, wird von ihnen oft nicht akzeptiert. Viele Patienten fühlen sich von der ärztlichen Behandlung, die ihnen nicht weiterhilft, enttäuscht und wechseln deshalb immer wieder von einem Arzt zum anderen.
Psychotherapie als wirksame Behandlungsmethode
Durch ein geeignetes Gespräch lassen sich viele Betroffene aber dazu motivieren, sich psychologische Unterstützung zu suchen. Und mit einer angemessenen Behandlung kann den meisten auch effektiv geholfen werden. Diese besteht in erster Linie aus einer Psychotherapie: Hier lernen die Patienten, Zusammenhänge zwischen ihren körperlichen Beschwerden und Stress- und Belastungsfaktoren zu erkennen, mit ihren körperlichen Symptomen besser umzugehen und Belastungen in ihrem Leben (zum Beispiel in der Ehe oder im Beruf) zu verringern.
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Die Bedeutung der Forschung
Seit Jahren steigt die Zahl der Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Dank aktueller Forschung werden Krankheitsursachen und -mechanismen besser erkannt. Psychische Erkrankungen, zu denen auch Abhängigkeitserkrankungen zählen, belasten Betroffene und ihre Angehörigen und wirken sich deutlich auf die Lebensqualität aus. Untersuchungen verschiedener Krankenkassen zeigen zudem, dass diese Erkrankungen in Deutschland mittlerweile der zweithäufigste Grund für betriebliche Fehlzeiten und die Hauptursache für gesundheitsbedingte Frührenten sind. Daher ist es wichtig, die medikamentösen und nicht-medikamentösen Behandlungsansätze weiter zu entwickeln und ihre Wirkung systematisch zu untersuchen. In neue Diagnose-, Therapie- und Präventionskonzepte müssen molekularbiologische, psychologische, medizinische sowie sozialwissenschaftliche Erkenntnisse ebenso einfließen wie das Wissen über soziokulturelle und umweltbezogene Risikofaktoren. Auch besondere Lebenserfahrungen können die psychische Gesundheit beeinflussen und das Risiko für eine psychische Erkrankung erhöhen. Traumatische Erlebnisse wie Gewalt oder Vernachlässigung im Kindesalter oder im Zuge von Flucht und Migration stellen eine enorme Belastung für die Betroffenen dar. Hier muss die Forschung neue Wege der Therapie und Versorgung aufzeigen. Dabei sind neben Risikofaktoren auch vorbeugende Faktoren in den Blick zu nehmen.
Das Deutsche Zentrum für Psychische Gesundheit
Mit der Gründung eines Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit werden deutschlandweit die stärksten Kräfte aus allen relevanten Fachdisziplinen gebündelt. Damit werden die Voraussetzungen für eine verstärkte Kooperation der einzelnen Einrichtungen, eine engere Verknüpfung der Fachdisziplinen und eine konsequentere Ausrichtung auf die Translation geschaffen, die zügige Übertragung von Forschungsergebnissen in den medizinischen Alltag.
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