Nerven, Zähne und Unterkiefer: Eine detaillierte Betrachtung der Anatomie

Der Unterkiefer (Mandibula) ist der größte und stärkste Knochen im Schädel. Er spielt eine zentrale Rolle für die Gesundheit der Zähne und die Funktionalität des Mundraums. Schmerzen im Bereich der Mandibula entstehen oft durch die Kiefermuskulatur oder den Zahnhalteapparat. Dieser Artikel beleuchtet die Anatomie des Unterkiefers, seine Bedeutung für die Zähne und die Möglichkeiten, ihn effektiv zu schützen.

Was ist die Mandibula (Unterkiefer)?

Die Mandibula, auch als Unterkieferknochen bekannt, ist der bewegliche Teil des Kiefers. Im Gegensatz zum Oberkiefer, der fest mit dem Schädel verwachsen ist, ist die Mandibula über die Kiefergelenke mit dem Schädel verbunden. Dies ermöglicht die vielfältigen Bewegungen, die für das Essen, Sprechen und die Mimik des Gesichts notwendig sind. In der Prothetik spielt der zahnlose Unterkiefer eine zentrale Rolle bei der Versorgung mit Zahnersatz, da er die Basis und den Halt dafür darstellt. Oftmals kann der Zahnarzt nur durch Zahnimplantate eine Prothese fest auf dem zahnlosen Unterkiefer verankern.

Aufbau des Unterkieferknochens: Corpus und Ramus Mandibulae

Der Unterkiefer besteht aus drei Hauptteilen:

  • Körper (Corpus mandibulae): Der hufeisenförmige Hauptteil des Unterkiefers.
  • Kieferwinkel (Anguli mandibulae): Die beiden seitlichen Winkel, an denen der Körper in die Äste übergeht.
  • Kieferäste (Rami mandibulae): Die aufsteigenden Äste, die vom Kieferwinkel ausgehen.

Von der Mandibula gehen vier Kaumuskeln ab, die für den Kieferschluss beim Zubeißen sorgen. Die Kaumuskulatur setzt an der Linea Obliqua des Unterkiefers an und ist für die Bewegungen verantwortlich. Die Versorgung der Mandibula erfolgt durch eine Vene, eine Arterie und einen Nervenstrang, der durch das Foramen Mandibulae verläuft. Im unteren Kiefer befinden sich in der Regel 14 Zähne sowie Weisheitszähne.

Details zum Corpus Mandibulae

Die Grundlage der Mandibula bildet der Basalbogen, der die Basis, den mittleren Teil des Astes und den Gelenkfortsatz umfasst. Der Basalbogen wird nach oben hin schmaler und trägt den Alveolarbogen, der die Zahnfächer der unteren Gebissreihe enthält. Dieser ist etwas kleiner und enger als der Basalbogen und springt gegenüber dem Kinn zurück.

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Wenn Zähne fehlen, verändert der Alveolarbogen seine Form. Bei völligem Zahnverlust kann er sogar ganz verschwinden, da ein funktionell nicht beanspruchter Knochen zugrunde geht (Inaktivitätsatrophie). In der Folge erscheint der Unterkiefer-Körper schmaler und niedriger, der Mund wirkt „eingefallen“, wenn nicht durch Zahnersatz die Form wieder hergestellt wird.

Die Außenfläche des Unterkiefer-Körpers

  • In der Mittellinie des Unterkiefers, am Kinnvorsprung, liegt eine kleine Knochenleiste - die Stelle, an der die beiden Knochenhälften des Unterkiefers nach der Embryonalzeit zusammengewachsen und im ersten Lebensjahr verknöchert sind. Darunter bildet ein Knochendreieck (Protuberantia mentalis) die untere Begrenzung und zwei kleine Höcker beidseits davon die unteren Winkel des Dreiecks - das vorspringende Kinn.
  • In Höhe des ersten bis zweiten Backenzahnes liegt zwischen der Basis und dem Alveolarrand das Foramen mentale, eine Austrittsstelle für Nerven und Gefäße, die aus dem Canalis mandibulae zur Haut führen.
  • Eine kleine Erhebung an der Außenfläche des Unterkiefer-Körpers, die Linea obliqua, verläuft schräg nach oben zum Ramus (aufsteigenden Ast des Unterkiefers). An ihr setzen zwei Muskel ein: Der eine zieht die Mundwinkel nach unten, der andere zieht die Unterlippe nach unten und zur Seite.
  • Etwas darunter hat ein Muskel seinen Ansatz, der vom Hals bis zur zweiten Rippe reicht und zur mimischen Muskulatur gezählt wird. Darüber, am Alveolarfortsatz und direkt unter den Backenzähnen, setzt der Muskel an, mit dem die Mundwinkel zur Seite gezogen und Lippen und Wange an die Zähne gepresst werden können. Er hilft beim Saugen durch Versteifen der Wangen und drängt beim Kauen die Speisen zwischen die Zähne.

Die Innenfläche des Unterkiefer-Körpers

  • Nahe der Knochenleiste, an der die beiden Unterkiefer-Knochen zusammengewachsen sind, befinden sich zwei kleine, kräftige Knochenvorsprünge, die zur Verstärkung und als Ansatzstelle für zwei Muskeln dienen - dem Muskel, der die Zunge herausstreckt, sowie einem Mundbodenmuskel. Durch diese knöcherne Verstärkung bricht der Unterkiefer bei einem Aufprall immer seitlich von der Kinngegend.
  • Unterhalb dieser Knochenvorsprünge liegt eine Grube für den Ansatz des Muskels, der für die Öffnung des Mundes wichtig ist. Parallel zum Verlauf der Linea obliqua außen verläuft innen am Unterkiefer-Körper eine Linie (Linea mylohyoidea), an der der Mundbodenmuskel ansetzt. Über und unter dieser Linie gibt es Vertiefungen, in denen die Unterzungen- und die Unterkieferdrüse liegen.
  • Der Unterkiefer trägt im Alveolarbogen die Fächer für die Zahnwurzeln. Die einzelnen Fächer sind - wie auch beim Oberkiefer - durch Knochensepten getrennt, bei Zähnen mit mehreren Wurzeln sind die einzelnen Wurzelfächer weiter knöchern unterteilt. Der Knochen der Alveolarfortsätze hat eine Struktur aus feinen Knochenbälkchen, wodurch der Druck, der beim Kauen entsteht, von den Zähnen auf die Kiefer übertragen wird.

Details zum Ramus Mandibulae

An den Unterkiefer-Ästen unterscheidet man zwei Vorsprünge: den Gelenkfortsatz und den verknöcherten Ansatz des Schläfenmuskels.

  • Gelenkfortsatz (Processus condylaris): Er hat einen Gelenkkopf und einen Hals. Am Hals setzt in einer Grube der Muskel an, der den Unterkiefer nach vorne und zur Seit hin zieht. Der Gelenkkopf bildet in einer Grube des Schläfenbeins, zusammen mit einer dazwischen liegenden Gelenkscheibe (Meniscus articularis), das Kiefergelenk.
  • Verknöcherter Ansatz des Schläfenmuskels (Processus coronoideus): Der Schläfenmuskel zieht die Ohrmuschel hoch und spannt die Schädelplatte. Auch der Muskel, der den Mundschluss und das Vorschieben des Unterkiefers ermöglicht, setzt am Processus coronoideus an. Dieser Fortsatz ist beim Erwachsenen spitz ausgebildet, im Alter nach hinten gekrümmt.

Die Unterkiefer-Äste weisen noch zahlreiche Vertiefungen, Einschnitte und Rauigkeiten auf, die als Durchschnittsstellen für Nerven und Gefäßen beziehungsweise ans Ansatzstellen für Muskeln dienen.

Nervenversorgung des Unterkiefers und der Zähne

Die Nervenversorgung des Unterkiefers und der Zähne ist komplex und essenziell für die Schmerz- und Empfindungswahrnehmung. Der Nervus trigeminus, der fünfte Hirnnerv, spielt hierbei eine zentrale Rolle. Er ist für die sensorische Versorgung des Gesichts und motorische Funktionen wie das Kauen verantwortlich.

Hauptnerven des Unterkiefers

  • Nervus alveolaris inferior: Dieser Nerv ist für die unteren Zähne zuständig. Er verläuft im Canalis Mandibulae und tritt durch das Foramen mentale aus, um als Nervus mentalis die Unterlippe und die Kinnhaut sensibel zu versorgen.
  • Nervus lingualis: Er verläuft im Weichgewebe an der Innenseite der Mandibula und versorgt die vorderen zwei Drittel der Zunge mit Gefühl. Zusätzlich sind ihm gustatorische Fasern für den Geschmackssinn angelagert.
  • Nervus buccalis: Dieser sensible Ast des Nervus mandibularis durchquert den Musculus buccalis und spaltet sich an seiner Oberfläche in viele kleine Endäste auf. Er versorgt die Schleimhaut in der Wange und das Zahnfleisch vestibulär im Molarenbereich.

Bedeutung für zahnärztliche Eingriffe

Die Kenntnis der genauen Lage und des Verlaufs dieser Nerven ist entscheidend für zahnärztliche Eingriffe, insbesondere bei Weisheitszahnentfernungen und Implantationen. Eine Schädigung dieser Nerven kann zu dauerhaften Sensibilitätsstörungen führen. Daher ist vor solchen Eingriffen eine sorgfältige Diagnostik mittels bildgebender Verfahren wie OPT (Orthopantomogramm) oder DVT (Digitale Volumentomographie) unerlässlich.

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Mögliche Probleme und Erkrankungen des Unterkiefers

Fehlstellungen des Unterkiefers können vielfältige Probleme verursachen, die nicht nur den Mundraum betreffen. Eine falsche Positionierung des Kiefergelenks kann zu Verspannungen im Nacken- und Rückenbereich, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl oder Ohrgeräuschen führen.

Kieferzysten

Ein weiteres Problem sind Kieferzysten, flüssigkeitsgefüllte Hohlräume, die sich im Kieferknochen bilden können. Diese Zysten wachsen langsam und werden oft zufällig bei Röntgenuntersuchungen entdeckt. Erst wenn sie auf Nerven drücken, verursachen sie Schmerzen oder Druckgefühle. Unbehandelte Kieferzysten können die Stabilität des Kieferknochens beeinträchtigen und zu Problemen im Kiefergelenk führen.

Knochenschwund

Knochenbrüche im Unterkiefer sind eher selten, häufiger tritt jedoch Knochenschwund auf. Besonders nach Zahnverlust wird der Unterkiefer nicht mehr richtig belastet, was zum Abbau des Knochens führt. Dies betrifft vor allem den Alveolarfortsatz. Zahnprothesen und Implantate können helfen, die Mandibula zu stabilisieren. Ein Knochenaufbau kann durch Augmentation erfolgen.

Veränderungen im Alter

Mit zunehmendem Alter verändert sich die Struktur des Unterkiefers. Studien haben gezeigt, dass die Mandibula an Volumen verliert, Höhe und Länge abnehmen. Auch die seitlichen Unterkieferäste werden kürzer. Diese Veränderungen beeinflussen das Aussehen des unteren Gesichtsbereichs, da Haut und Bindegewebe an Spannung verlieren.

Temporomandibuläre Dysfunktion (TMD)

Schmerzen, Verspannungen und Knacken im Kiefer können Anzeichen für verschiedene Erkrankungen oder Funktionsstörungen des Kiefergelenks sein, wie z.B. die temporomandibuläre Dysfunktion (TMD). Diese Beschwerden können durch Überlastung der Kiefermuskulatur, Fehlstellungen der Kiefergelenke, Stress oder Zähneknirschen verursacht werden.

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Lippen-Kiefer-Gaumenspalte

Eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte ist eine angeborene Fehlbildung, bei der Teile der Lippe, des Oberkiefers und des Gaumens unvollständig verschlossen sind, was zu offenen Spalten oder Lücken führt. Sie kann unterschiedlich ausgeprägt sein und sowohl isoliert als auch in Kombination auftreten. Die Spalte kann verschiedene Funktionen beeinträchtigen, wie das Saugen, Schlucken, Sprechen und die Zahnentwicklung. Heutzutage gibt es viele Möglichkeiten der Intervention, vor allem chirurgisch.

Ausgerenkter Kiefer

Ein ausgerenkter Kiefer, auch bekannt als Kieferluxation, tritt auf, wenn die Gelenke des Unterkiefers (Kiefergelenke) aus ihrer normalen Position gleiten. Dies kann durch Trauma, übermäßiges Gähnen, Zähneknirschen oder bestimmte medizinische Bedingungen verursacht werden. Die Symptome können Schmerzen, Schwellungen, Einschränkungen der Mundöffnung und eine asymmetrische Gesichtsform umfassen. Eine sofortige medizinische Behandlung ist entscheidend, um den Kiefer wieder einzurenken und weitere Komplikationen zu vermeiden. Dies kann durch manuelle Techniken unter Anästhesie erfolgen.

Schutz und Stärkung des Unterkieferknochens

Um den Unterkieferknochen zu schützen und beweglich zu halten, sind verschiedene Maßnahmen empfehlenswert:

  • Gesunde Ernährung: Eine vitaminreiche Ernährung mit ausreichend Kalzium und Vitamin D stärkt die Knochen.
  • Untergewicht vermeiden: Ein BMI unter 20 kann die Knochendichte verringern.
  • Rauchverzicht: Nikotin wirkt sich negativ auf die Knochenstruktur aus.
  • Regelmäßige Zahnpflege: Gute Mundhygiene beugt Zahnverlust und Knochenabbau vor.
  • Funktionelle Diagnostik (CMD): Bei Kiefergelenksproblemen kann eine CMD-Behandlung helfen, die Muskulatur zu entspannen und Fehlstellungen zu korrigieren.

Die Rolle des Kiefers im Körper-Geist-Seele-System

Der Kiefer spielt nicht nur eine anatomische Rolle, sondern ist auch eng mit dem Körper-Geist-Seele-System verbunden. Verspannungen im Kieferbereich können sich auf andere Körperregionen auswirken, wie z.B. die Schulter-Nacken- und Hüftmuskulatur.

Verbindungen zu anderen Körperbereichen

  • Hüftgelenk: Kieferstrukturen beeinflussen das Hüftgelenk. Der M. masseter wirkt auf den gegenüberliegenden M. quadratus lumborum.
  • Beckenboden: Der Mundboden beeinflusst den Beckenboden über den M. psoas.

Emotionale Aspekte

In den Kiefergelenksmuskeln kann viel emotionaler Stress gespeichert sein. Daher können Entspannungstechniken und Faszientherapie helfen, diese Spannungen zu lösen und das Wohlbefinden zu steigern.

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