Nervenbiopsie bei Polyneuropathie: Indikationen und Ergebnisse

Die Nervenbiopsie ist ein invasives diagnostisches Verfahren, das bei der Abklärung von Polyneuropathien (PNP) eingesetzt wird, insbesondere wenn die Ursache unklar ist oder der Verdacht auf eine spezifische, bioptisch verifizierbare Erkrankung besteht. Die Indikation zur Nervenbiopsie sollte jedoch aufgrund der potenziellen Komplikationen und der begrenzten Aussagekraft sorgfältig abgewogen werden.

Indikationen für eine Nervenbiopsie

Die Indikation zur Nervenbiopsie sollte wegen der z.T. möglichen Komplikationen sorgfältig abgewogen werden. Sie ist insbesondere dann in Betracht zu ziehen, wenn:

  • Die Diagnose einer Polyneuropathie klinisch und elektrophysiologisch gesichert ist, aber die Ursache trotz umfassender Anamnese, körperlicher Untersuchung und Laboruntersuchungen unklar bleibt.
  • Der Verdacht auf eine Vaskulitis, Amyloidose, Sarkoidose oder andere systemische Erkrankungen mit möglicher Nervenbeteiligung besteht.
  • Eine atypische oder rasch fortschreitende Polyneuropathie vorliegt.
  • Der Verdacht auf eine hereditäre Neuropathie mit unklarer genetischer Ursache besteht.
  • Eine Beteiligung des Nervensystems bei Verdacht auf eine infektiöse Ursache (z.B. Lepra, Borreliose) abgeklärt werden soll.

Durchführung der Nervenbiopsie

In der Regel wird eine Nerv- und Muskelbiopsie durchgeführt. Die Entnahme des N.suralis erfolgt im Außenknöchelbereich. Dies ermöglicht eine histologische und immunhistochemische Untersuchung des Nervengewebes.

Elektrophysiologische Befunde bei Polyneuropathie

Die Ergebnisse der Nervenleitgeschwindigkeitsmessung (NLG) können wichtige Hinweise auf die Art der Polyneuropathie geben und die Indikation zur Nervenbiopsie unterstützen.

Axonale Polyneuropathie

Bei axonaler Läsion liegen normale oder grenzwertig pathologische NLGs vor. Typisch ist eine partieller proximaler oder distaler Leitungsblock mit entsprechender Amplitudenverminderung der motorischen und sensiblen Potentiale. Charakteristische Veränderungen finden sich als Zeichen akuter und chronischer Denervierung. Pathologische Spontanaktivität ist als Ausdruck einer akuten PNP mit axonaler Läsion oder Waller-Degeneration. Latenz bis zum Auftreten erster Zeichen 10-14 Tage (z.B. akutes Guillain-Barré-Syndrom).

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Demyelinisierende Polyneuropathie

Bei der PNP mit rasch einsetzender Demyelinisierung steht eine Verzögerung der motorischen und sensiblen NLG im Vordergrund. Die Latenz bis zum Auftreten der Veräderung kann bei akuten PNP etwa 7-14 Tage dauern. Durch sensible und motorische NLG können die distalen, durch H-Reflex, die F-Wellen-Messung und fraktionierte Ableitung der SSEP die proximalen Abschnitte sensibler und motorischer Nerven (Wurzelgebiete) untersucht werden.

Liquordiagnostik bei Polyneuropathie

Die Untersuchung des Liquors kann ebenfalls zur Diagnosefindung beitragen.

Eiweiß und Zellen

Eiweißvermehrung ohne Pleozytose findet sich bei zahlreichen PNPs mit Wurzelbeteiligung. Dieser Befund ist alleine noch nicht pathognomonisch für entzündliche Polyradikuloneuropathien. Exzessive Eiweißwerte um 5-10g/l finden sich allerdings nur beim akuten Guillain-Barré-Syndrom (GBS). Diese Eiweißvermehrung kann mit einer Latenz von 5-10 Tagen nach Beginn der klinischen Symptome verzögert auftreten. Liquor-Pleozytosen sind keine Seltenheit im Anfangsstadium einer Polyneuropathie.

Interpretation der Biopsiebefunde

Die histologische Untersuchung des Nervengewebes kann verschiedene pathologische Veränderungen aufzeigen, die auf spezifische Ursachen der Polyneuropathie hinweisen. Dazu gehören:

  • Vaskulitis: Entzündliche Infiltration der Nervengefäße mit konsekutiver Ischämie und axonalem Schaden.
  • Amyloidose: Ablagerung von Amyloidfibrillen im Nervengewebe, insbesondere in den Gefäßwänden.
  • Sarkoidose: Nicht-verkäsendes Granulom im Nervengewebe.
  • Entzündliche Neuropathien: Infiltration des Nervengewebes mit Entzündungszellen, z.B. bei chronisch-entzündlicher demyelinisierender Polyneuropathie (CIDP).
  • Axonale Degeneration: Verlust von Nervenfasern mit reaktiven Veränderungen der Schwann-Zellen.
  • Demyelinisierung: Verlust der Myelinscheide um die Nervenfasern.

Differenzialdiagnose

Es finden sich unterschiedliche Ergebnisse je nach axonaler oder demyelinisierender PNP. Es ist wichtig zu beachten, dass die Biopsiebefunde immer im Kontext der klinischen, elektrophysiologischen und laborchemischen Befunde interpretiert werden müssen. Eine isolierte pathologische Veränderung im Nervengewebe ist nicht immer beweisend für eine bestimmte Diagnose.

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Risiken und Komplikationen

Wie jeder invasive Eingriff ist auch die Nervenbiopsie mit Risiken verbunden. Dazu gehören:

  • Schmerzen: Lokale Schmerzen an der Biopsiestelle sind häufig.
  • Blutungen: Nachblutungen sind selten, können aber in seltenen Fällen zu einem Hämatom führen.
  • Infektionen: Infektionen an der Biopsiestelle sind selten, aber möglich.
  • Nervenverletzungen: In seltenen Fällen kann es zu einer Verletzung des N. suralis oder anderer Nerven in der Umgebung kommen, was zu Sensibilitätsstörungen oder Schmerzen führen kann.
  • Narbenbildung: An der Biopsiestelle kann sich eine Narbe bilden, die in seltenen Fällen Beschwerden verursachen kann.

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