Nervenzellen sterben ab: Ursachen und Krankheiten

Das Absterben von Nervenzellen, auch Neuronen genannt, ist ein natürlicher Prozess, der im Laufe des Lebens stattfindet. Allerdings kann ein beschleunigter oder übermäßiger Verlust von Nervenzellen zu schwerwiegenden neurologischen Erkrankungen führen. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Ursachen für das Absterben von Nervenzellen und die damit verbundenen Krankheiten.

Einführung

Nervenzellen sind die grundlegenden Bausteine des Nervensystems und spielen eine entscheidende Rolle bei der Steuerung von Bewegungen, Empfindungen, Denkprozessen und vielen anderen Körperfunktionen. Ihr Absterben kann daher weitreichende Folgen haben. Das Verständnis der Ursachen und Mechanismen, die zum Verlust von Nervenzellen führen, ist entscheidend für die Entwicklung von Therapien zur Vorbeugung und Behandlung von neurologischen Erkrankungen.

Ursachen für das Absterben von Nervenzellen

Es gibt viele verschiedene Faktoren, die zum Absterben von Nervenzellen beitragen können. Diese lassen sich grob in genetische, umweltbedingte und altersbedingte Ursachen einteilen.

Genetische Faktoren

In einigen Fällen sind genetische Mutationen die Hauptursache für das Absterben von Nervenzellen. Diese Mutationen können zu Fehlfunktionen in den Zellen führen, die letztendlich zum Zelltod führen. Erbliche Formen der Alzheimer-Krankheit sind sehr selten, aber genetische Faktoren spielen eine wesentliche Rolle bei der Entstehung der Alzheimer-Krankheit und anderer Demenzen. Allerdings sind sie in weniger als 3% der Fälle der alleinige Auslöser für die Krankheit. Bei etwa fünf Prozent der ALS-Patientinnen und -Patienten wird die Krankheit vererbt, sie tritt familiär gehäuft auf. Durch eine Genveränderung ist der Zellstoffwechsel der Betroffenen in Mitleidenschaft gezogen, was letztlich zur Schädigung der Nervenzellen führt.

Einige Beispiele für genetisch bedingte neurologische Erkrankungen sind:

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  • Familiäre Amyotrophe Lateralsklerose (ALS): Bei etwa 1 von 10 betroffenen Personen entsteht die Krankheit durch Veränderungen in den Genen. Um die Krankheit auszulösen, reicht oft eine einzige veränderte Kopie der über 120 Gene, die mit ALS in Verbindung gebracht werden.
  • Chorea Huntington: Bei Menschen mit Huntington-Erkrankung tritt eine ganz bestimmte genetische Sequenz im Erbgut sehr viel häufiger auf als bei gesunden Menschen.
  • Erbliche Formen der Alzheimer-Krankheit: Sind sehr selten.

Umweltbedingte Faktoren

Umweltfaktoren wie Toxine, Infektionen und Traumata können ebenfalls zum Absterben von Nervenzellen beitragen.

  • Toxine: Die Exposition gegenüber bestimmten Chemikalien und Umweltgiften kann Nervenzellen schädigen und zum Zelltod führen.
  • Infektionen: Einige Infektionen des Nervensystems, wie z. B. Hirnhautentzündung, können zu Entzündungen und Schäden an Nervenzellen führen. Bei dieser Erkrankung sind - wie der Name sagt - die Hirnhäute (Meningen) entzündet, welche das Gehirn umgeben und schützen. Grund dafür ist eine Infektion mit Viren oder Bakterien. Unbehandelt kann die Krankheit neurologische Schäden, wie Lähmungserscheinungen, nach sich ziehen oder die Entzündung auf das Gehirn übergehen. Betroffene leiden zu Beginn unter Nackensteifigkeit, Fieber, Kopfschmerzen und allgemeiner Abgeschlagenheit.
  • Schädel-Hirn-Trauma (SHT): Eine Verletzung des Gehirns durch traumatische Krafteinwirkung wird Schädel-Hirn Trauma (SHT) genannt. Bei der leichtesten Form des SHT spricht man von einer Gehirnerschütterung, die meist harmlos verläuft. Hirnblutungen und andere Komplikationen können ein SHT lebensbedrohlich werden lassen. Ursache für eine traumatische Verletzung des Gehirns sind meist Unfälle, aber auch bestimmte Kontaktsportarten, wie Eishockey oder American Football, können ein SHT bedingen. Die Schädigung des Gehirns bei einem SHT erfolgt in zwei Phasen: Die erste Phase umfasst die direkte Schädigung durch den Unfall. Diese ist nicht therapierbar, da zerstörte Neurone im Gehirn nicht regenerieren können. In der zweiten Phase treten, durch pathophysiologische Prozesse die im Hirn ablaufen, sekundäre Schädigungen auf, die zu einer weiteren Zerstörung von Neuronen führen können. Diese sind prinzipiell therapierbar, sofern sich die pathophysiologischen Prozesse z.B. medikamentös beeinflussen lassen.
  • Schlaganfall: Beim Schlaganfall kommt es zu einer plötzlich auftretenden Störung des Blutflusses im Gehirn und dadurch zur Unterversorgung des Gewebes mit Sauerstoff und Nährstoffen. Das Gehirn wird lokal geschädigt und es kommt zu einem Verlust von Neuronen. Die Ursache des Schlaganfalls kann ischämisch sein, also hervorgerufen durch die Verstopfung eines Blutgefäßes z.B. durch einen Thrombus, oder eine Gefäßverengung. Des Weiteren kann auch eine Hirnblutung dafür verantwortlich sein, dass Teile des Gehirns unterversorgt werden. Da die Neurone im Gehirn nicht regenerieren, ist die Schädigung der betroffenen Zellen irreversibel. Allerdings können Physiotherapie und Ergotherapie dazu beitragen, dass andere Hirnareale die Funktionen zumindest teilweise übernehmen.

Altersbedingte Faktoren

Mit zunehmendem Alter kommt es zu einer allmählichen Abnahme der Nervenzellzahl und -funktion. Dieser natürliche Alterungsprozess kann durch verschiedene Faktoren wie oxidativer Stress, Entzündungen und die Ansammlung von abnormalen Proteinen beschleunigt werden. Der größte Risikofaktor für die Entwicklung einer Alzheimer-Krankheit ist das Alter. Je älter man wird, umso größer ist auch das Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Die meisten Betroffenen sind älter als 80 Jahre, nur in seltenen Fällen beginnt die Krankheit vor dem 65. Lebensjahr. Im Alter gehen oft Nervenzellen und Zellfunktionen verloren. Der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung nimmt in Deutschland stetig zu. Weil sie eng mit den Alterungsprozessen verbunden sind, gelten neurodegenerative Erkrankungen daher als wichtige medizinische Herausforderung der kommenden Jahrzehnte. Schon heute schätzen Expertinnen und Experten, dass rund 1,5 Millionen Deutsche an einer Demenz erkrankt sind.

Krankheiten, die durch das Absterben von Nervenzellen verursacht werden

Viele neurologische Erkrankungen sind durch das Absterben von Nervenzellen gekennzeichnet. Einige der häufigsten sind:

Alzheimer-Krankheit

Die Alzheimer-Krankheit ist eine hirnorganische Krankheit. Sie führt zu einem Abbau der Nervenzellen im Gehirn und dadurch auch zu zunehmenden Einschränkungen der Fähigkeiten der Erkrankten. Kennzeichnend für die Erkrankung ist der langsam fortschreitende Untergang von Nervenzellen und Nervenzellkontakten. Im Gehirn von Alzheimer-Kranken sind typische Eiweißablagerungen (Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen) festzustellen. Die Alzheimer-Krankheit führt zu einer Schrumpfung bestimmter Bereiche des Gehirns. Diese Schrumpfung kann mithilfe von MRT (Magnet-Resonanz-Tomographie) oder CT (Computer-Tomografie) sichtbar gemacht werden.

Ein typisches Frühsymptom sind Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis, das heißt, man kann sich an kurz zurückliegende Ereignisse nicht mehr erinnern. Weitere Symptome sind Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen, Dinge zu planen und zu organisieren. Im Gehirn von Menschen mit Alzheimer sammelt sich übermäßig viel Amyloid-beta zwischen den Gehirnzellen an und bildet kleinere, giftige Klumpen (Oligomere) und riesige Zusammenlagerungen (Plaques). Im Gehirn gibt es ein weiteres Protein, das mit Alzheimer in Verbindung gebracht wird: das Tau-Protein. Im Inneren der Gehirnzellen sorgt es für die Stabilität und Nährstoffversorgung. Bei der Alzheimer-Krankheit ist das Tau-Protein chemisch so verändert, dass es seiner Funktion nicht mehr nachkommen kann. Die chemische Veränderung des Tau-Proteins bewirkt, dass es eine fadenförmige Struktur bildet.

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Parkinson-Krankheit

Bei der Parkinson-Erkrankung sterben selektiv Nervenzellen in der Substantia nigra ab, einem Bereich im Mittelhirn, der für die Produktion von Dopamin verantwortlich ist. Dopamin wird für die Bewegungssteuerung benötigt. Die entsprechenden Nervenzellen haben eine koordinierende Funktion. Folglich wirken Parkinson-Patientinnen und -Patienten in ihren Bewegungsabläufen steif und verlangsamt, oder sie zeigen sehr charakteristische Bewegungsmuster, etwa Muskelzittern (Tremor).

Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)

Die Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS, ist eine neurodegenerative Erkrankung, die eine ganz bestimmte Gruppe von Nervenzellen betrifft: die motorischen Nervenzellen, auch Motoneuronen genannt. Sie befinden sich in Gehirn und Rückenmark und sind für die Steuerung der Muskeln zuständig. Die Motoneuronen werden durch die Krankheit zerstört. Die Folge sind fortschreitende Muskellähmungen. Patientinnen und Patienten können auf einen Rollstuhl angewiesen sein, im späteren Verlauf der Erkrankung haben sie aber auch Schwierigkeiten zu sprechen und zu schlucken. Kennzeichnend für ALS ist eine fortschreitende Muskellähmung, die sich unterschiedlich bei den Erkrankten zeigen kann. Häufig beginnt sie an Armen und Händen, in der Regel zunächst nur auf einer Seite, wo sie sich häufig durch Schwierigkeiten beim Greifen oder Schreiben bemerkbar macht. Genauso häufig sind zuerst die Beine betroffen. Wie sich ALS bemerkbar macht, hängt davon ab, welche Art von Motoneuronen als erstes geschädigt wird.

ALS ist eine schwere, fortschreitende Erkrankung des Nervensystems. Sie greift Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark an, die für Muskelbewegungen zuständig sind. Die Symptome beginnen oft mit Störungen der Feinmotorik und einer sogenannten Fußheberschwäche. Die genauen Ursachen sind noch nicht vollständig bekannt, jedoch unterscheidet man zwischen vererbbaren (genetischen) und nicht vererbbaren (sporadischen) Formen. Der Verlauf variiert stark von Mensch zu Mensch. In der Endphase betrifft die Krankheit stark die Atemfunktion.

Multiple Sklerose (MS)

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung und neben der Epilepsie, die häufigste neurologische Erkrankung bei jungen Erwachsenen. Es entstehen in der weißen Substanz von Gehirn und Rückenmark Entzündungsherde, in denen das körpereigene Immunsystem die Myelinschicht attackiert. Die Myelinschicht, ist die isolierende Schicht welche die Axone der Nervenzellen umgibt und wird im ZNS von den Oligodendrozyten gebildet. Die Zerstörung der Myelinschicht führt dazu, dass die Signalweiterleitung entlang der Axone nicht mehr korrekt erfolgt, was letztendlich zu den Symptomen der MS führt.

Glaukom (Grüner Star)

Das Glaukom, umgangssprachlich auch Grüner Star genannt, umfasst eine Reihe von Augenerkrankungen, die zum Verlust von Nervenfasern führen. Es kommt bei betroffenen Patienten zu Gesichtsfeldausfällen, bis hin zu Erblindung. Ursächlich ist ein erhöhter Augeninnendruck, bzw. ein ungünstiges Verhältnis zwischen Augeninnendruck und Durchblutung des Sehnervs, der zur Schädigung der Nervenfasern führt. Das Glaukom ist weltweit die häufigste Erblindungsursache. Bereits aufgetretene Schäden regenerieren nicht mehr.

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Mechanismen des Nervenzelltods

Es gibt verschiedene Mechanismen, die zum Absterben von Nervenzellen führen können, darunter:

  • Apoptose: Programmierter Zelltod, ein normaler Prozess, der dazu dient, beschädigte oder unnötige Zellen zu entfernen.
  • Nekrose: Unkontrollierter Zelltod, der durch Verletzungen oder Infektionen verursacht wird.
  • Autophagie: Ein zellulärer Prozess, bei dem beschädigte Zellbestandteile abgebaut und recycelt werden. Eine gestörte Autophagie kann zum Zelltod führen.
  • Exzitotoxizität: Übermäßige Stimulation von Nervenzellen durch Neurotransmitter wie Glutamat, die zum Zelltod führen kann.

Diagnose und Behandlung

Die Diagnose von neurologischen Erkrankungen, die durch das Absterben von Nervenzellen verursacht werden, umfasst in der Regel eine Kombination aus neurologischen Untersuchungen, bildgebenden Verfahren (MRT, CT) und Laboruntersuchungen.

Die Behandlungsmöglichkeiten sind je nach Erkrankung unterschiedlich. In einigen Fällen können Medikamente eingesetzt werden, um die Symptome zu lindern oder das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. In anderen Fällen können Physiotherapie, Ergotherapie und andere unterstützende Maßnahmen helfen, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Aktuell sind Medikamente in der Entwicklung, die in einem sehr frühen Stadium der Alzheimer-Krankheit den Krankheitsverlauf verzögern sollen. Zwei dieser Medikamente - Lecanemab (Handelsname "Leqembi") und Donanemab (Handelsname "Kisunla") - sind 2025 in der Europäischen Union zugelassen worden und stehen ab September bzw. November 2025 auch für die Behandlung zur Verfügung. Da beide Wirkstoffe mit starken Nebenwirkungen verbunden sein können, sind für die Behandlung damit strenge Richtlinien erlassen worden. Neben der medikamentösen ist die nicht-medikamentöse Behandlung von Menschen mit Demenz von großer Bedeutung. Sie kann die geistige Leistungsfähigkeit und Alltagsfähigkeiten fördern, Verhaltensstörungen abschwächen und das Wohlbefinden verbessern.

Bei ALS wird beispielsweise mit dem Medikament Riluzol behandelt. Es verringert im Nervensystem die Menge des Botenstoffs Glutamat. Normalerweise hilft dieser den Nervenzellen, miteinander zu kommunizieren. Bei ALS ist zu viel Glutamat vorhanden. Die Forschung entwickelt derzeit Gen-Therapien mit Medikamenten, die auf die genetischen Ursachen von ALS abzielen. Zusätzlich gibt es bei genetischen Ursache noch die Behandlung mit sogenannten Antisense-Oligonukleotiden (ASOs). Diese speziellen Moleküle blockieren Gene, die ALS auslösen. Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie helfen, Symptome zu mildern und Bewegungen zu unterstützen, die noch möglich sind.

Forschung und zukünftige Perspektiven

Die Forschung zum Absterben von Nervenzellen ist ein aktives und sich entwickelndes Gebiet. Wissenschaftler arbeiten daran, die Ursachen und Mechanismen, die zum Verlust von Nervenzellen führen, besser zu verstehen und neue Therapien zur Vorbeugung und Behandlung von neurologischen Erkrankungen zu entwickeln.

Einige vielversprechende Forschungsansätze sind:

  • Gentherapie: Die Verwendung von Genen zur Behandlung von Krankheiten, einschließlich neurologischer Erkrankungen.
  • Stammzelltherapie: Die Verwendung von Stammzellen zur Reparatur oder zum Ersatz von beschädigten Nervenzellen.
  • Neuroprotektive Medikamente: Medikamente, die Nervenzellen vor Schäden schützen können.
  • Immuntherapie: Die Verwendung des Immunsystems zur Bekämpfung von Krankheiten, einschließlich neurologischer Erkrankungen. Forscherinnen und Forscher des DZNE engagieren sich außerdem dafür, die Krankheitsmechanismen hinter der ALS besser zu verstehen. Dabei nehmen sie auch Entzündungsprozesse ins Visier, die für den Verlust der Nervenzellen eine Rolle spielen könnten. Außerdem gilt das Augenmerk von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des DZNE dem Zusammenhang zwischen ALS und der frontotemporalen Demenz. Mit ihren grundlegenden Erkenntnissen über die Krankheit ebnen sie den Weg dafür, Ansatzpunkte für neue Therapien zu finden.

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