Neurobiologisch wirksame Substanzen: Ihre Wirkung auf Neuronen

Einführung

Das Nervensystem ermöglicht es Lebewesen, schnell und gezielt auf Umweltreize zu reagieren. Diese Reaktionen basieren auf der Erregungsübertragung von einer Nervenzelle zur nächsten oder von Nervenzellen zu reagierenden Organen, wie beispielsweise Muskeln. Synapsen spielen hierbei eine entscheidende Rolle. An den Synapsen wird als Folge der elektrischen Erregung eines Neurons eine chemische Substanz (Transmitter) freigesetzt.

Grundlagen der neuronalen Kommunikation

Um die Wirkung neurobiologisch wirksamer Substanzen zu verstehen, ist es wichtig, die Grundlagen der neuronalen Kommunikation zu kennen.

Neuronen und Synapsen

Die Leitungsbahnen des menschlichen Organismus verlaufen immer durch das Zentralnervensystem und bestehen aus Nervenzellen (Neuronen), die nicht direkt miteinander verbunden sind. Ein Neuron besteht aus einem Zellkörper mit Zellkern, einem langen Hauptfortsatz (Axon oder Neurit) und vielen kurzen Fortsätzen (Dendriten). An den Dendriten können andere Neuronen mit ihrem Axon ankoppeln. Damit ein Neuron eine Information an ein anderes Neuron weiterleiten kann, besitzt jedes Axon an seinem Ende zahlreiche Verästelungen mit Endknöpfchen (Synapsen). Der Spalt zwischen zwei Nervenzellen, der synaptische Spalt, ist etwa 20-30 nm breit.

Synapsen sind die Verbindungsstellen zwischen zwei Nervenzellen, einer Nerven- und einer Muskelzelle oder Nervenzellen und Sinneszellen. Sie ermöglichen Lernvorgänge, Bewusstsein, Wahrnehmung, Interpretation, Kommunikation und Bewegung.

Neurotransmitter

An den Synapsen wird als Folge der elektrischen Erregung eines Neurons eine chemische Substanz, der Neurotransmitter, freigesetzt. Neurotransmitter sind kleine chemische Moleküle, die Zellmembranen passieren können und in Vesikeln in den präsynaptischen Nervenenden gespeichert sind. Sie übertragen Nervenimpulse von Zelle zu Zelle und werden durch Calcium-Ionen freigesetzt. Neurotransmitter können in Monoamine und Peptide eingeteilt werden. Die Synthese der Monoamine erfolgt in den Synapsen der Nervenzellen, die der Peptide an den Ribosomen der Nervenzelle.

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Ablauf der Reizweiterleitung

Ein ankommender elektrischer Reiz in der Nervenzelle führt zur Veränderung des elektrischen Potenzials der Zelle. Dadurch öffnen sich in der Membran spannungsabhängige Calciumkanäle. Das Signal bewirkt, dass sich die mit Transmittersubstanzen gefüllten synaptischen Bläschen in Richtung präsynaptische Membran bewegen. Die Neurotransmitter werden durch Exocytose ausgeschleust, wobei die Vesikelmembran mit der Cytoplasmamembran verschmilzt und den Inhalt nach außen entleert. Die Anzahl der Vesikel hängt von der Calciumkonzentration der Zellmembran ab.

Nach Diffusion über den synaptischen Spalt binden die Neurotransmitter an spezifische Rezeptoren der postsynaptischen Membran, die mit Transmitter-gesteuerten Ionenkanälen verbunden sind. Durch einen Ioneneinstrom ändert sich das elektrische Potenzial der Nachbarzelle. Wird die postsynaptische Membran überschwellig depolarisiert, entsteht ein neues Aktionspotenzial der Zelle. Andernfalls bleibt die Zelle im Ruhepotenzial.

Die Transmitterwirkung wird durch enzymatische Spaltung oder Aufnahme in die präsynaptische Endigung oder in Astrocyten beendet, wobei die Wiederaufnahme den bedeutendsten Mechanismus zur Inaktivierung darstellt. Die wichtigsten Enzyme für die Inaktivierung der Neurotransmitter sind COMT und MAO. Die Wirkungsdauer von Neurotransmittern beträgt in der Regel nur wenige Millisekunden. Die Wirkung ist meist auf den synaptischen Bereich begrenzt, kann aber durch Diffusion auch weiter entfernte Zellen beeinflussen. Neurotransmitter können auch an präsynaptische Rezeptoren (Autorezeptoren) binden.

Erregende und hemmende Neurotransmitter

Neurotransmitter können hemmende und erregende Funktionen haben, wobei die Wirkung von den Eigenschaften der postsynaptischen Rezeptor- und Ionenkanäle sowie der intrazellulären Überführung mechanischer Signale in Erregung abhängt. In einer Nervenzelle können mehrere Neurotransmitter gemeinsam vorkommen, meist sogar hemmende und erregende Transmitter gleichzeitig.

Neurotransmitter können anhand ihrer chemischen Struktur in Amine, Aminosäuren, Nucleotide und Peptide eingeteilt werden. Der am längsten bekannte und am besten untersuchte Neurotransmitter ist Acetylcholin. Gut untersucht sind auch die aromatischen Amine Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin, die mit Serotonin als Monoamine zusammengefasst werden. Etwa 25-40 % aller Synapsen verwenden Aminosäuren als Neurotransmitter.

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Die wichtigsten Neurotransmitter

  • Acetylcholin: ZNS der Wirbeltiere, neuromuskuläre Verbindungen im Skelettmuskel, vegetatives Nervensystem; hauptsächlich erregend
  • Adrenalin, Noradrenalin: Wirbeltiere, Insekten, Ringelwürmer, vegetatives Nervensystem, ZNS, PNS; erregend und hemmend
  • Dopamin: Wirbeltiere, ZNS, PNS; hauptsächlich hemmend
  • Serotonin: Wirbeltiere und Wirbellose, ZNS, Hirnstamm, Hypothalamus; erregend und hemmend
  • GABA (Gamma-Aminobuttersäure): Wirbeltiere, Krebstiere, Insekten, ZNS, neuromuskuläre Endplatte der Wirbellosen; hemmend
  • Glutaminsäure: Wirbeltiere, Wirbellose, ZNS, neuromuskuläre Endplatte der Wirbellosen; erregend
  • Asparaginsäure: Wirbeltiere, Wirbellose, ZNS; erregend
  • Substanz P: Wirbeltiere, ZNS, PNS; erregend, z. T. hemmende Modulation
  • Endorphine: Wirbeltiere, ZNS, PNS; hemmend

Neurobiologisch wirksame Substanzen

Neurobiologisch wirksame Substanzen sind Stoffe, die in die neuronalen Prozesse eingreifen und die Funktion des Nervensystems beeinflussen können. Diese Substanzen können vielfältige Wirkungen haben, von der Beeinflussung der Stimmung und des Verhaltens bis hin zur Veränderung der kognitiven Leistungsfähigkeit.

Synapsengifte

Synapsengifte sind Giftstoffe, die die Erregungsübertragung zwischen Nervenzellen stören. Sie können an verschiedenen Orten in der Synapse wirken und unterschiedliche Mechanismen nutzen, um die Signalübertragung zu beeinflussen. Synapsengifte werden sowohl von einigen Pflanzen- als auch Tierarten produziert.

Wirkungsorte von Synapsengiften

  • Präsynaptische Membran: Einige Gifte wirken auf die präsynaptische Membran, indem sie beispielsweise die Calciumionenkanäle beeinflussen. Das Gift der schwarzen Witwe (α-Latrotoxin) führt beispielsweise zu einem übermäßigen Einstrom von Calciumionen, was zur Entleerung aller Vesikel in den synaptischen Spalt führt und eine Dauererregung der nachfolgenden Nervenzelle verursacht.
  • Vesikelfusion: Andere Gifte verhindern die Vesikelfusion, also das Verschmelzen der Vesikel mit der präsynaptischen Membran und die Freisetzung der Neurotransmitter. Das Bakteriengift Botulinumtoxin (Botox) verhindert beispielsweise die Freisetzung von Acetylcholin an den Synapsen zwischen Nerven- und Muskelzellen, was zu Lähmungen führt.
  • Synaptischer Spalt: Im synaptischen Spalt gibt es Enzyme, die die Neurotransmitter abbauen, um deren Wirkungsdauer zu regulieren. Einige Gifte hemmen die Aktivität dieser Enzyme. Das Insektizid E 605 hemmt beispielsweise die Acetylcholinesterase, das Enzym, das Acetylcholin abbaut.
  • Postsynaptische Membran: In der postsynaptischen Membran befinden sich Rezeptoren, an die die Neurotransmitter binden können. Einige Gifte blockieren diese Rezeptoren oder aktivieren sie dauerhaft. Curare blockiert beispielsweise die Acetylcholinrezeptoren und verhindert so die Weiterleitung des Signals. Das Gift des Schrecklichen Pfeilgiftfroschs (Batrachotoxin) hingegen bindet an den Acetylcholin-Rezeptor und verhindert das Schließen der Natriumkanäle, was zu einer Dauererregung führt.

Beispiele für Synapsengifte

  • Botulinumtoxin (Botox): Verhindert die Vesikelfusion und die Freisetzung von Acetylcholin, was zu Lähmungen führt.
  • α-Latrotoxin: Führt zu einem übermäßigen Einstrom von Calciumionen und einer Dauererregung der Nervenzelle.
  • E 605: Hemmt die Acetylcholinesterase und verlängert die Wirkungsdauer von Acetylcholin.
  • Curare: Blockiert die Acetylcholinrezeptoren und verhindert die Weiterleitung des Signals.
  • Batrachotoxin: Verhindert das Schließen der Natriumkanäle und führt zu einer Dauererregung.
  • Tetrodotoxin (TTX): Blockiert die Natriumkanäle dauerhaft und verhindert die Weiterleitung des Aktionspotenzials.

Kompetitive Hemmung

Einige Nervengifte, wie Atropin und Curare, ahmen die Rolle des Neurotransmitters Acetylcholin nach. Sie haben eine ähnliche Struktur und können an die gleiche Bindungsstelle am Rezeptor binden. Hier konkurrieren also zwei Moleküle miteinander um die gleiche Bindungsstelle. Dies wird als kompetitive Hemmung bezeichnet.

Medikamente

Viele Medikamente wirken auf das Nervensystem, indem sie die Signalübertragung an den Synapsen beeinflussen. Sie können beispielsweise als Rezeptoragonisten wirken, die die Wirkung des Transmitters nachahmen, oder als Rezeptorantagonisten, die die Wirkung des Transmitters unterdrücken. Andere Medikamente hemmen die Exocytose oder die Enzyme, die für das Recycling von Transmittern notwendig sind.

Ansatzpunkte für Medikamente im Nervensystem

  • Adrenerges System: Noradrenalin, Adrenalin, Alpha-, Beta-Rezeptoren
  • Cholinerges System: Acetylcholin, ACh-Rezeptoren

Wirkmechanismen von Medikamenten

  • Rezeptoragonisten: Ähnliche Substanzen wirken genauso wie der Transmitter.
  • Rezeptorantagonisten: Ähnliche Substanzen besetzen den Rezeptor und unterdrücken die Wirkung des eigentlichen Transmitters.
  • Exocytose-Hemmung: Die Exocytose wird unterdrückt, wodurch die Weiterleitung des Signals verhindert wird.
  • Enzymhemmung: Die Enzyme, die für das Recycling von Transmittern notwendig sind, werden gehemmt.
  • Entfernung von Substanzen: Substanzen, die für die Produktion der Neurotransmitter notwendig sind, werden entfernt.

Beispiele für Medikamente

  • Beta-Blocker (z.B. Propanolol, Atenolol): Hemmen die Wirkung der Beta-Adrenorezeptoren und senken den Blutdruck.
  • Alpha-Agonisten: Wirken wie Noradrenalin und Adrenalin.
  • Acetylcholinesterase-Hemmer: Hemmen den Abbau von Acetylcholin und erhöhen dessen Konzentration im synaptischen Spalt.

Unerwünschte Effekte von Medikamenten

Einige Medikamente können in Nervenzellen unerwünschte Effekte entfalten. Beispielsweise können selektive Antagonisten von Glutamatrezeptoren unter bestimmten Bedingungen eine gegenteilige Wirkung haben und die Aktivität der Rezeptoren potenzieren.

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Drogen

Drogen sind Substanzen, die das Bewusstsein und die Wahrnehmung verändern. Sie wirken auf das Nervensystem, indem sie die Signalübertragung an den Synapsen beeinflussen.

Koffein

Koffein ist eine weltweit gebräuchliche psychoaktive Substanz, die in vielen Getränken und Speisen enthalten ist. Es wirkt stimulierend auf Vigilanz, Aufmerksamkeit, kognitive Leistungsfähigkeit und zerebrale Durchblutung. Die biologischen Wirkungen von Koffein werden den antagonisierenden Effekten an zerebralen Adenosinrezeptoren zugeschrieben.

Koffein blockiert die Adenosinrezeptoren im Gehirn, was zu einer Enthemmung und Aktivierung der Nervenzellen führt. Bereits der Konsum von vier bis fünf Tassen Kaffee pro Tag kann etwa 50 Prozent der Adenosinrezeptoren blockieren.

Acetylcholin und seine Rezeptoren

Acetylcholin ist ein wichtiger Neurotransmitter, der an vielen Prozessen im Körper beteiligt ist, darunter Muskelkontraktion, Gedächtnis und Aufmerksamkeit. Es wirkt auf zwei Arten von Rezeptoren: nikotinische und muskarinische Acetylcholin-Rezeptoren.

Nikotinische Acetylcholin-Rezeptoren

Nikotinische Acetylcholin-Rezeptoren befinden sich in der Skelettmuskulatur und im Gehirn. Sie bestehen aus fünf Protein-Untereinheiten und öffnen sich, wenn Acetylcholin bindet, wodurch Natrium-Ionen in die Zelle einströmen und diese depolarisieren.

Muskarinische Acetylcholin-Rezeptoren

Muskarinische Acetylcholin-Rezeptoren befinden sich in verschiedenen Organen und Geweben, darunter Herzmuskel, glatte Muskulatur und Drüsen. Es gibt fünf verschiedene Arten von muskarinischen Acetylcholin-Rezeptoren (M1 bis M5), die unterschiedliche Signalwege aktivieren.

Die muskarinischen ACh-Rezeptoren der Typen M2 und M4 arbeiten relativ unkompliziert. Der muskarinische ACh-Rezeptor ist ganz anders aufgebaut als der nikotinische. Das Protein besteht nicht aus einzelnen Untereinheiten, sondern aus einer zusammenhängenden Kette aus etwa 400-500 Aminosäuren. Das Protein besitzt sieben alpha-Helices, welche die Zellmembran durchspannen. Auf der Innenseite der Membran ist das Rezeptorprotein an ein G-Protein gekoppelt.

Wird der Rezeptor nun durch seinen Effektor aktiviert (hier also Acetylcholin), dann wird das gebundene GDP durch GTP ersetzt, das G-Protein geht sozusagen in seine aktive Form über und spaltet sich in zwei aktive Teile auf, den Komplex aus α-Untereinheit und GTP und den Komplex aus der β- und γ-Untereinheit.

Die muskarinischen ACh-Rezeptoren der Typen M1, M3 und M5 sind komplexer aufgebaut. Über ein G-Protein wird im ersten Schritt die membranständige Phospholipase C (PLC) aktiviert. Die PLC spaltet von diesem Phospholipid das Inositoltrisphosphat (IP3) ab, das ins Cytoplasma diffundiert. Das verbleibende Diacylglycerin (DAG) verbleibt in der Membran. Im Cytoplasma setzt dann IP3 aus intrazellulären Speichern des Endoplasmatischen Retikulums Ca2+ frei, wodurch eine ganze Reihe von biochemischen Prozessen in Gang gebracht wird. An das membranständige DAG kann sich die Proteinkinase C anlagern. Dabei wird unter Mitwirkung von Ca2+ dann die katalytische Domäne des Enzyms freigelegt. Über eine Phosphorylierung von Zellproteinen mit Hilfe des ATP kommen dann weitere Mechanismen in der Zelle in Gang.

Beeinflussung der Synapsenfunktion

Viele Stoffe können die Synapsenfunktion beeinflussen. Narkotika blockieren die Natriumkanäle, Curare wirkt als kompetetiver Hemmstoff, insbesondere bei den Natrium-gesteuerten Kanälen an der postsynaptischen Zelle und hemmt den Transmitter Acetylcholin. Botox blockiert die calciumabhängige Transmitterfreisetzung an der präsynaptischen Endigung. Manche Antidepressiva hemmen die transmitterspaltenden Enzyme, andere Antidepressiva, aber auch Kokain, verhindern die Wiederaufnahme von Transmittern. Nikotin, Mesakalin, Muscarin und andere Substanzen ahmen die Wirkung von Transmittern nach, können aber nicht so wie diese abgebaut werden.

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