Geschäftsfähigkeit nach Schlaganfall: Voraussetzungen und rechtliche Aspekte

Ein Schlaganfall kann die Geschäftsfähigkeit einer Person erheblich beeinträchtigen. Dieser Artikel beleuchtet die Voraussetzungen für die Geschäftsfähigkeit nach einem Schlaganfall und die damit verbundenen rechtlichen Aspekte. Dabei werden die gesetzlichen Neuregelungen seit dem 01.09.2009 sowie die Bedeutung von Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung berücksichtigt.

Gesetzliche Grundlagen der Geschäftsfähigkeit

Die Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit, Rechtsgeschäfte selbstständig und wirksam abzuschließen. Nach § 104 BGB ist geschäftsunfähig, wer das siebte Lebensjahr nicht vollendet hat oder sich in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern dieser Zustand seiner Natur nach nicht ein vorübergehender ist. Als Normalfall gilt die Geschäftsfähigkeit, die nach § 2 BGB mit Vollendung des 18. Lebensjahres eintritt. Minderjährige, die das siebte Lebensjahr vollendet haben, sind beschränkt geschäftsfähig.

Auswirkungen eines Schlaganfalls auf die Geschäftsfähigkeit

Ein Schlaganfall kann verschiedene Beeinträchtigungen verursachen, die die Geschäftsfähigkeit beeinflussen können. Dazu gehören:

  • Aphasie: Sprachstörungen, die das Sprachverständnis und die Sprachproduktion beeinträchtigen.
  • Kognitive Beeinträchtigungen: Gedächtnisprobleme, Aufmerksamkeitsstörungen und Einschränkungen derExekutivfunktionen.
  • Motorische Einschränkungen: Lähmungen oder Bewegungseinschränkungen, die die Fähigkeit zur Unterschrift oder zur Teilnahme an Rechtsgeschäften beeinträchtigen können.

Voraussetzungen für die Feststellung der Geschäftsunfähigkeit nach einem Schlaganfall

Die Feststellung der Geschäftsunfähigkeit erfordert eine umfassende Beurteilung der individuellen Situation des Betroffenen. Dabei sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:

  1. Dauerhafte krankhafte Störung der Geistestätigkeit: Gemäß § 104 BGB setzt die Geschäftsunfähigkeit einen dauerhaften krankhaften Zustand voraus. Vorübergehende Störungen, wie Bewusstlosigkeit oder Rauschzustände, reichen nicht aus. Ein Dauerzustand ist gegeben, wenn die Behandlung der Erkrankung längere Zeit beansprucht, nicht aber bei Störungen, die in Abständen periodisch auftreten.
  2. Ausschluss der freien Willensbildung: Die freie Willensbildung ist ausgeschlossen, wenn eine Person krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, ihren Willen frei und unbeeinflusst zu bilden und nach zutreffend gewonnener Einsicht zu handeln. Die Voraussetzung einer freien Willensbildung liegt hingegen nicht vor, wenn infolge der psychischen Störung die Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen oder die Willensbildung durch unkontrollierte Triebe und Vorstellungen bestimmt werde. Eine „bloße Willensschwäche“ oder „leichte Beeinflussbarkeit“ reichen dafür aber ebenso wenig aus wie das Unvermögen, die Tragweite der abgegebenen Willenserklärung zu erfassen. Es kommt für die Tatbestandsvoraussetzungen nicht so sehr auf die kognitiven Fähigkeiten, sondern vielmehr auf die Freiheit des Willensentschlusses an.
  3. Medizinisches Gutachten: Zur Klärung der Voraussetzungen für Geschäftsunfähigkeit kann bei fraglich vorliegender krankhafter Störung der Geistestätigkeit ein medizinisches oder klinisch psychologisches Gutachten erforderlich sein. Das Gutachten sollte von einem unabhängigen Sachverständigen erstellt werden, der die spezifischen Beeinträchtigungen des Betroffenen berücksichtigt.

Partielle Geschäftsfähigkeit

In bestimmten Fällen kann eine krankheitsbedingte Geschäftsunfähigkeit sich auf einen gegenständlich abgegrenzten Geschäftsbereich beschränken, sodass partielle Geschäftsunfähigkeit vorliegt. Nach Grüneberg et al. Demnach könne von partieller Geschäftsunfähigkeit nur ausgegangen werden, wenn bestimmte Geschäftsbereiche oder Geschäftspraktiken typischerweise so stark durch bereichsspezifische Affekte oder Realitätsverluste geprägt sind, dass die Voraussetzungen für ein vernünftiges Abwägen geschäftsbezogener Alternativen nicht mehr möglich ist. Andererseits könne trotz erheblicher Zweifel an der Geschäftsfähigkeit eine partielle Geschäftsfähigkeit für die Eheschließung gegeben sein (§ 1304 BGB).

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Lichte Momente (Lucidum intervallum)

Auch bei geschäftsunfähigen Personen mit einer dauerhaften krankhaften Störung der Geistestätigkeit kann es vorübergehende sogenannte lichte Momente geben, in denen die freie Willensbildung möglich ist. Umgekehrt kann auch bei geschäftsfähigen Personen der Fall eintreten, dass Willenserklärungen im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben werden (§ 105 BGB). Sonderregeln dazu enthalten §§ 1304 und 1314 (Eheschließung) sowie 2229 (Testamentserrichtung).

Testierfähigkeit

Testierfähigkeit ist die Fähigkeit, ein wirksames Testament zu errichten, zu ändern und aufzuheben. Als testierfähig werden 18-jährige voll geschäftsfähige Personen angesehen (§ 2229 BGB). Minderjährige unter 16 Jahren sind testierunfähig. Testierunfähig kann auch eine Person sein, die an einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit leidet, oder eine Person, die wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung der Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Diese Person ist außerstande, ein Testament zu errichten, zu ändern oder aufzuheben.

Vorsorgeinstrumente für den Fall der Geschäftsunfähigkeit

Um für den Fall der Geschäftsunfähigkeit vorzusorgen, stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung:

Vorsorgevollmacht

Eine Vorsorgevollmacht regelt, wer und in welchem Umfang den Willen des Betroffenen vertreten soll, wenn dieser aufgrund körperlicher oder geistiger Schwäche nicht mehr in der Lage ist, Entscheidungen selbst zu treffen. Auch den Umfang der Vollmacht kann derjenige, der durch die Vollmacht eine richterlich angeordnete Betreuung vermeiden möchte, frei bestimmen. Empfehlenswert ist eine umfassende Bevollmächtigung (?Generalvollmacht? für die vermögensrechtlichen Angelegenheiten und eine ?medizinische? Vorsorgevollmacht für die sonstigen persönlichen Dinge), damit die bevollmächtigte Person alle denkbaren und möglichen Angelegenheiten erledigen kann. Das Gesetz schreibt seit dem 01.09.2009 die schriftliche Form für bestimmte Teile der Vorsorgevollmacht ausdrücklich vor (bei Angelegenheiten von besonderer Bedeutung wie ärztlichen Untersuchungen und Heilbehandlungen, bei denen Gefahr für Leib oder Gesundheit besteht, bei regelmäßigen bzw. länger andauernden freiheitsentziehenden Maßnahmen). Soll die Vollmacht auch zur Verfügung über Grundbesitz oder Rechte, die in ein Grundbuch eingetragenen sind (z.B. Wohnrecht, Nießbrauch, Altenteil etc.), zur Aufnahme von Verbraucherdarlehen dienen und auch Erbausschlagungen ermöglichen, muss sie sogar notariell beurkundet bzw. beglaubigt sein.

Betreuungsverfügung

Die Betreuungsverfügung richtet sich in erster Linie an das Vormundschaftsgericht und ist in den Fällen wichtig, in denen zum Beispiel wegen unzureichender oder fehlender Vorsorgevollmacht eine richterliche Entscheidung über die Anordnung einer Betreuung getroffen werden muss. Mit der Betreuungsverfügung kann Einfluss auf die durch ein Gericht anzuordnende Betreuung genommen werden. So können die Betreuungspersonen und gegebenenfalls auch weitere Wünsche hinsichtlich der Lebensgestaltung während der Betreuung festgelegt werden.

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Patientenverfügung

Die Patientenverfügung richtet sich in erster Linie an die behandelnden Ärzte und das Pflegepersonal, aber auch an den Betreuer bzw. Bevollmächtigten oder weitere Angehörige. Mit der Patientenverfügung wird geregelt, wie die zukünftige medizinische oder pflegerische Behandlung erfolgen soll, wenn ein unabwendbarer Sterbeprozess eingetreten ist bzw. keine lebenserhaltenden Maßnahmen mehr Aussicht auf Erfolg versprechen. Nur noch lebensverlängernden ? nicht aber lebenserhaltenden ? zukünftigen Maßnahmen versagt der Betroffene bei vollem Bewusstsein und noch klarem Verstand im Zeitpunkt der Errichtung seiner Patientenverfügung seine Einwilligung und bringt damit zugleich zum Ausdruck, dass er keine künstlichen und nur lebensverlängernden Maßnahmen wünscht und menschenwürdig - insbesondere ohne den Einsatz weiterer ?Apparatemedizin? ? sterben möchte. Patientenverfügungen müssen seit dem 01.09.2009 stets schriftlich erfolgen! Allerdings sollte die Patientenverfügung besser noch in einer notariellen Urkunde abgefasst werden.

Bedeutung der rechtzeitigen Vorsorge

Krankheit, Alterschwäche, Altersdemenz, ein plötzlicher Schlaganfall oder Unfall können bei jedem von uns innerhalb kürzester Zeit zu einer Lebenssituation führen, in der wir hilflos werden und nicht mehr selbst Entscheidungen treffen können. Wer noch in gesunden Tagen selbst bestimmen will, wer zukünftig - wenn Sie selbst dazu nicht mehr in der Lage sind Ihre Angelegenheiten regeln soll, in welchem Umfang und wie dies geschehen soll, muss rechtzeitig ausreichende und konkrete Vorkehrungen schriftlich treffen. Eine wirksam errichtete und inhaltlich auf den Einzelfall ausgerichtete und klare Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung kann später die Einleitung von ärztlichen Maßnahmen, die der Patient nie haben wollte, und eine gerichtliche Betreuung verhindern. Notariell und auch privatschriftlich errichtete Vorsorgevollmachten, Betreuungs- und Patientenverfügungen können im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer registriert werden.

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