Das Auftreten von Taubheitsgefühlen nach einer COVID-19-Impfung ist ein Thema, das sowohl in der medizinischen Fachwelt als auch in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Dieser Artikel beleuchtet die möglichen Ursachen für dieses Phänomen, wobei ein besonderer Fokus auf dem Guillain-Barré-Syndrom (GBS) liegt, einer seltenen neurologischen Erkrankung, die in einigen Fällen nach einer Impfung beobachtet wurde.
Impfstoffe und ihre Wirkungsweise
Impfstoffe gegen COVID-19, wie beispielsweise Vaxzevria® von AstraZeneca, wurden entwickelt, um eine Immunantwort gegen das SARS-CoV-2-Virus zu erzeugen. Vaxzevria® ist ein adenoviraler Vektorimpfstoff, der nach der Injektion die Bildung des Spike(S)-Glykoproteins des Virus im Körper anregt. Dies führt zur Produktion von neutralisierenden Antikörpern und zur Aktivierung der zellulären Immunantwort. In klinischen Studien zeigte der Impfstoff eine Wirksamkeit von etwa 70 % bei der Verhinderung symptomatischer COVID-19-Erkrankungen.
Guillain-Barré-Syndrom (GBS) als mögliche Komplikation
Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist eine akute, potenziell lebensbedrohliche Autoimmunerkrankung, die das periphere Nervensystem betrifft. Typische Symptome sind rasch aufsteigende, schlaffe Lähmungen sowie sensorische und autonome Störungen. In schweren Fällen kann es zu einer respiratorischen Insuffizienz kommen, die eine Beatmung erforderlich macht. Die Diagnose wird oft durch eine zytoalbuminäre Dissoziation im Liquor cerebrospinalis unterstützt, bei der ein erhöhter Eiweißgehalt bei normaler Zellzahl festgestellt wird. Die Behandlung umfasst in der Regel intravenöse Immunglobuline oder Plasmaaustausch.
GBS und COVID-19-Impfung: Ein möglicher Zusammenhang
In der medizinischen Literatur wurden Fälle von GBS im Zusammenhang mit COVID-19-Impfungen, insbesondere nach der Verabreichung von Vaxzevria® und COVID-19 Vaccine Janssen, beschrieben. Dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) wurden bis zum 31.07.2021 insgesamt 84 Fallberichte eines GBS bzw. Miller-Fisher-Syndroms im Zusammenhang mit Vaxzevria® gemeldet. Eine Analyse des PEI ergab ein statistisches Signal für ein erhöhtes Risiko für GBS nach der Impfung mit Vaxzevria® und COVID-19 Vaccine Janssen, jedoch nicht für die mRNA-Impfstoffe.
Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat GBS als sehr seltene Nebenwirkung in die Fachinformationen von Vaxzevria® und COVID-19 Vaccine Janssen aufgenommen. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass angesichts der großen Anzahl geimpfter Personen auch spontan auftretende oder durch andere Ursachen ausgelöste GBS-Fälle zu erwarten sind. Daher kann ein zufälliges Zusammentreffen von Impfung und GBS nicht ausgeschlossen werden.
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Fallbeispiel
Ein konkretes Beispiel ist der Fall eines 35-jährigen Patienten, der zwei Wochen nach der Erstimpfung mit Vaxzevria® ein Taubheitsgefühl an den Füßen und Kribbelparästhesien an den Fingern entwickelte. Im Verlauf kamen eine schlaffe Tetraparese, eine periphere Fazialisparese und abgeschwächte Muskeleigenreflexe hinzu. Die Diagnose GBS wurde gestellt, nachdem andere Ursachen ausgeschlossen wurden. Der Patient wurde mit intravenösen Immunglobulinen behandelt und in eine neurologische Rehabilitation entlassen.
Post-Vac-Syndrom und neurologische Symptome
Neben dem GBS gibt es Berichte über ein sogenanntes Post-Vac-Syndrom, bei dem Patienten nach einer COVID-19-Impfung über anhaltende Symptome klagen, die denen von Long COVID ähneln. Zu diesen Symptomen gehören häufig Müdigkeit, Kribbeln und Taubheit, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, Muskelschmerzen und Angstzustände.
Eine Studie der Yale Universität untersuchte 42 Patienten mit Post-Vac-Syndrom und fand einige Auffälligkeiten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. Dazu gehörten ein verändertes Immunprofil, eine Persistenz des Spike-Proteins und Hinweise auf eine Reaktivierung von Epstein-Barr-Viren. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass es sich um vorläufige Ergebnisse handelt und der genaue Zusammenhang mit den Symptomen noch unklar ist.
Differenzialdiagnosen und weitere Ursachen für Taubheitsgefühle
Es ist wichtig zu betonen, dass Taubheitsgefühle und Kribbeln vielfältige Ursachen haben können, die nicht unbedingt mit einer COVID-19-Impfung in Zusammenhang stehen. Zu den möglichen Differenzialdiagnosen gehören:
- Infektionen: Verschiedene bakterielle oder virale Infektionen können neurologische Symptome verursachen.
- Autoimmunerkrankungen: Neben GBS gibt es weitere Autoimmunerkrankungen, die das Nervensystem betreffen können.
- Metabolische Störungen: Diabetes, Vitaminmangel oder Schilddrüsenerkrankungen können neurologische Symptome verursachen.
- Mechanische Ursachen: Nervenkompressionen, beispielsweise durch einen Bandscheibenvorfall oder das Karpaltunnelsyndrom, können Taubheitsgefühle und Kribbeln verursachen.
Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses der COVID-19-Impfung
Trotz der potenziellen Risiken, wie dem GBS oder dem Post-Vac-Syndrom, überwiegt nach Ansicht von Experten weiterhin der Nutzen der COVID-19-Impfung. Die Impfung schützt effektiv vor schweren COVID-19-Verläufen, Krankenhausaufenthalten und Todesfällen. Das Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen ist sehr gering, insbesondere im Vergleich zu den Risiken einer COVID-19-Erkrankung.
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Empfehlungen für die klinische Praxis
Wenn Patienten nach einer COVID-19-Impfung neurologische Symptome wie Taubheitsgefühle, Lähmungen oder Sensibilitätsstörungen entwickeln, sollte eine sorgfältige neurologische Untersuchung erfolgen. Dabei sollten mögliche Differenzialdiagnosen berücksichtigt und gegebenenfalls weitere Untersuchungen wie eine Liquordiagnostik, Neurographie oder Bildgebung durchgeführt werden. Bei Verdacht auf ein GBS sollte eine rascheEinleitung der Therapie erfolgen.
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