Neurologische Untersuchung bei Bandscheibenvorfall LWS: Ein umfassender Überblick

Rückenschmerzen sind heutzutage ein weit verbreitetes Leiden. Bandscheibenvorfälle der Lendenwirbelsäule (LWS) stellen eine häufige Ursache dar. Dieser Artikel beleuchtet die neurologische Untersuchung bei Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall im LWS-Bereich, um eine präzise Diagnose und eine darauf abgestimmte Therapie zu ermöglichen.

Was ist ein Bandscheibenvorfall?

Bandscheiben sind flexible, knorpelige Verbindungen zwischen den Wirbelkörpern. Sie dienen als Stoßdämpfer und gewährleisten die Beweglichkeit der Wirbelsäule. Durch Verschleiß, Unfälle oder Fehlbelastungen kann Bandscheibengewebe zwischen den Wirbeln hervortreten und auf Nervengewebe drücken. Bandscheibenvorfälle treten am häufigsten in der Lendenregion auf.

Symptome eines Bandscheibenvorfalls der Lendenwirbelsäule

Die Symptome eines Bandscheibenvorfalls im Lendenwirbelbereich können vielfältig sein und hängen von der Lage und dem Ausmaß des Vorfalls ab. Einige Patienten erfahren zunächst schleichende, unspezifische Rückenschmerzen, während andere plötzlich von akuten Schmerzen betroffen sind. Typische Symptome sind:

  • Einseitig ausstrahlende, stechende Schmerzen ins Bein
  • Bewegungseinschränkungen, Schwierigkeiten beim Stehen oder Gehen
  • Taubheitsgefühle und Muskelschwäche im betroffenen Bein

Diese Beschwerden können auf eine lokale Entzündung oder Reizung einer Nervenwurzel oder des Rückenmarksschlauchs hindeuten.

Die neurologische Untersuchung: Ein wichtiger Schritt zur Diagnose

Bei Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall erfolgt zunächst eine ausführliche Anamnese und eine körperliche Untersuchung. Dabei wird besonders auf Anzeichen einer neurologischen Beeinträchtigung geachtet.

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Anamnese

Der Arzt wird Fragen zu folgenden Themen stellen:

  • Art und Dauer der Schmerzen
  • Bisherige Therapien und deren Erfolg
  • Vorliegen neurologischer Ausfälle (z.B. Taubheitsgefühle, Muskelschwäche)
  • Frühere Diagnostik (z.B. Röntgenbilder)
  • Weitere Erkrankungen (z.B. Diabetes, Allergien)

Körperliche Untersuchung

Die körperliche Untersuchung umfasst verschiedene Tests, um die Funktion der Nerven zu überprüfen und mögliche Ausfälle festzustellen. Dies ist besonders wichtig, um Nervenschädigungen frühzeitig zu erkennen.

Prüfung der Reflexe: Der Arzt testet die Reflexe, um die Funktion der Nervenbahnen zu überprüfen.

Sensibilitätsprüfung: Die Sensibilität wird untersucht, um festzustellen, ob Taubheitsgefühle oder andere Empfindungsstörungen vorliegen.

Beweglichkeitsprüfung: Die Beweglichkeit der Wirbelsäule und der Beine wird getestet, um Einschränkungen festzustellen.

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Kraftprüfung: Die Muskelkraft in den Beinen wird untersucht, um Muskelschwäche festzustellen. Dabei werden die Kraftgrade der Kennmuskeln nach Janda bestimmt:

  • KG 0: Keine Muskelkontraktion nachweisbar
  • KG 1: Fühlbare Muskelspannung ohne Bewegung im Gelenk
  • KG 2: Aktive Bewegung ist nur bei Aufhebung der Schwerkraft möglich
  • KG 3: Aktive Bewegung ist gegen Schwerkraft möglich
  • KG 4: Aktive Bewegung ist gegen Schwerkraft und leichten Widerstand möglich
  • KG 5: Normale Muskelkraft

Kann der für das betroffene Segment typische Kennmuskel nicht mehr gegen die Schwerkraft aktiviert werden (Kraftgrad 3 von 5 oder weniger), kann eine Operation sinnvoll sein.

Weitere Tests:

  • Zehenspitzenstand: Prüfung der Funktion der Nervenwurzel S1 (Wadenmuskulatur)
  • Hackenstand: Prüfung der Funktion der Nervenwurzel L5

Bildgebende Verfahren

Ergänzend zur neurologischen Untersuchung kommen bildgebende Verfahren zum Einsatz, um die Diagnose zu sichern und andere Ursachen für die Beschwerden auszuschließen.

Röntgenuntersuchung: Eine Röntgenuntersuchung kann helfen, das Krankheitsbild des Wirbelgleitens (Spondylolisthesis) auszuschließen. Außerdem kann der Arzt indirekt Auskunft über die Bandscheiben erhalten, indem er die Zwischenwirbelräume beurteilt. Sind diese stark verengt, kann dies ein Hinweis auf eine Bandscheibenschädigung sein.

Magnetresonanztomographie (MRT): Die MRT ist ein verbindlicher Bestandteil der Diagnostik und ermöglicht den direkten Nachweis eines Bandscheibenvorfalls. Sie liefert detaillierte Bilder der Bandscheiben, Nerven und des umliegenden Gewebes. Auch andere Erkrankungen wie Spinalkanalstenose, entzündliche Erkrankungen oder Tumoren können im MRT sichtbar gemacht werden.

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Computertomographie (CT): In bestimmten Fällen kann eine CT-Untersuchung durchgeführt werden, insbesondere wenn eine MRT nicht möglich ist.

Konservative und operative Behandlungsmöglichkeiten

Die meisten Bandscheibenvorfälle (ca. 90%) können erfolgreich konservativ behandelt werden. Ziel der konservativen Therapie ist es, Schmerzen zu lindern, Entzündungen zu reduzieren und die Funktion der Wirbelsäule wiederherzustellen.

Konservative Behandlung

  • Schmerzmittel: In der akuten Phase werden entzündungshemmende Schmerzmittel (nicht steroidale Antirheumatika wie Diclofenac, Ibuprofen oder Etoricoxib, bei starken Beschwerden Kortison) und ggf. zentral wirksame Schmerzmittel (Opioide) eingesetzt.
  • Stufenbettlagerung: Die Stufenbettlagerung kann zur Entlastung der Wirbelsäule beitragen.
  • Physiotherapie: Gezielte Übungen zur Stärkung der Muskulatur, Verbesserung der Haltung und Beweglichkeit.
  • Manuelle Therapie: Manuelle Techniken zur Lösung von Blockaden und Verspannungen.
  • Lokale Wärme: Wärme kann die Muskulatur entspannen und Schmerzen lindern.
  • Infiltrationstherapie: Gezielte Injektion von Medikamenten in die Nähe der betroffenen Nervenwurzel, um Schmerzen und Entzündungen zu reduzieren.
  • Osteopathie: Sanfte, manuelle Techniken, um Spannungen zu lösen, die Mobilität zu verbessern und die natürliche Balance des Körpers wiederherzustellen.

Operative Behandlung

Eine Operation ist in der Regel nur erforderlich, wenn konservative Maßnahmen nicht ausreichend helfen oder neurologische Ausfälle (z.B. Lähmungen) auftreten.

Minimalinvasive Nukleotomie: Bei diesem Eingriff wird das vorgefallene Material der Bandscheibe entfernt, um die Nervenwurzel zu entlasten. Der Zugang erfolgt über einen kleinen Schnitt in Bauchlage.

Bandscheibenprothese: Bei jüngeren Patienten ohne wesentliche Verschleißerscheinungen kann die Implantation einer Bandscheibenprothese eine Option sein, wenn viel Substanz der Bandscheibe entfernt werden muss und eine Instabilität droht.

RF-Nukleoplastie: Bei einer Vorwölbung oder einem Vorfall einer Bandscheibe kann die RF-Nukleoplastie zum Einsatz kommen. Dabei wird über eine Kanüle eine Sonde in die betroffene Stelle eingeführt, um eine Bandscheibenentlastung und/oder thermische Verödung der Nervenenden zu erreichen.

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