Neurologie: Eine verständliche Erklärung

Die Neurologie ist ein faszinierendes und zugleich komplexes Feld der Medizin, das sich mit dem Nervensystem und seinen vielfältigen Erkrankungen befasst. Dieser Artikel soll eine einfache und umfassende Definition der Neurologie bieten, ihre wichtigsten Bereiche beleuchten und aufzeigen, wie Neurologen arbeiten, um die Gesundheit des Nervensystems zu erhalten und wiederherzustellen.

Was ist Neurologie? Eine Definition

Die Neurologie (altgriechisch “neuron” = Nerv, “logie” = Lehre) ist die Lehre von den Krankheiten des Nervensystems. Sie ist ein Zweig der Medizin, der sich mit der Diagnose und Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems befasst. Das Nervensystem ist ein komplexes Netzwerk, das unseren Körper steuert und koordiniert. Es besteht aus dem Gehirn, dem Rückenmark und den peripheren Nerven. Die Neurologie befasst sich mit dem Aufbau, der Funktion und den Erkrankungen des Nervensystems. Neurologen sind Fachärzte, die sich auf die Erkennung und Behandlung von Erkrankungen des Gehirns, der Sinnesorgane, des Rückenmarks, der peripheren Nerven einschließlich der Nervenwurzeln und der Muskeln spezialisiert haben.

Früher wurden Neurologen auch als "Nervenärzte" oder "Facharzt für Nervenheilkunde" bezeichnet, was verdeutlichte, dass diese Ärzte sowohl für neurologische als auch für psychiatrische Erkrankungen zuständig waren. Heute sind Neurologen jedoch spezialisierte Fachärzte für Neurologie.

Die Bestandteile des Nervensystems

Das Nervensystem lässt sich in verschiedene Bereiche unterteilen, die alle eine wichtige Rolle spielen:

  1. Zentrales Nervensystem (ZNS): Hierzu gehören das Gehirn und das Rückenmark. Das Gehirn ist das Steuerzentrum des Körpers, während das Rückenmark als Hauptübertragungsweg für Informationen zwischen Gehirn und Körper dient.
  2. Peripheres Nervensystem (PNS): Dieses umfasst alle Nerven, die außerhalb des ZNS liegen, einschließlich der Nervenwurzeln und Nervengeflechte. Das PNS verbindet das ZNS mit den Gliedmaßen und Organen und ermöglicht so eine bidirektionale Kommunikation.
  3. Vegetatives Nervensystem (autonomes Nervensystem): Dieser Teil des Nervensystems reguliert die inneren Organe und unbewussten Körperfunktionen wie Atmung, Verdauung und Herzschlag.

Auch die Muskeln fallen zu einem Teil in das Fachgebiet der Neurologie, weil Muskeln und Nerven eine untrennbare Einheit bilden.

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Aufgaben und Schwerpunkte der Neurologie

Die Neurologie umfasst ein breites Spektrum an Aufgaben und Schwerpunkten, darunter:

  • Diagnostik: Die Erkennung und Abklärung von neurologischen Erkrankungen.
  • Therapie: Die Behandlung von neurologischen Erkrankungen mit Medikamenten,Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie oder chirurgischen Eingriffen.
  • Rehabilitation: Die Wiederherstellung von Funktionen und Fähigkeiten nach neurologischen Erkrankungen.

Neurologen behandeln eine Vielzahl von Krankheitsbildern, die sowohl den Alltag der Patientinnen und Patienten stark beeinflussen als auch in akuten medizinischen Notfällen lebensrettende Maßnahmen erfordern können. Zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen gehören:

  • Kopfschmerz-Erkrankungen wie Migräne
  • Gefäßerkrankungen des Gehirns (neurovaskuläre Erkrankungen), die zu Durchblutungsstörungen und Schlaganfall führen können
  • Neurodegenerative Erkrankungen wie die Alzheimer- und die Parkinson-Krankheit
  • Infektionserkrankungen des Nervensystems, ausgelöst z. B. durch Bakterien oder Viren
  • Hirntumore
  • Epilepsien
  • Multiple Sklerose
  • Muskeldystrophien, ALS oder spastische Lähmungen

Insgesamt kennt die Neurologie über 200 häufige und rund 5.000 seltene Erkrankungen.

Ursachen neurologischer Erkrankungen

Die Ursachen neurologischer Erkrankungen sind äußerst vielseitig. Sie können genetisch bedingt sein, durch Autoimmunprozesse, Entzündungen, Verletzungen oder neurodegenerative Vorgänge ausgelöst werden. Auch Durchblutungsstörungen, bakterielle oder virale Infektionen können neurologische Erkrankungen verursachen.

Einige Beispiele für spezifische Ursachen sind:

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  • Vaskuläre Neurologie: Durchblutungsstörungen des Gehirns, die zum Beispiel zu einem Schlaganfall führen können.
  • Neuroimmunologie: Entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems, wie die Multiple Sklerose oder andere Autoimmunerkrankungen.
  • Neurotraumatologie: Diagnostik und Folgen von Schädel-Hirn-Traumen oder Verletzungen des Rückenmarks und der peripheren Nerven.
  • Neuroonkologie: Tumorerkrankungen des Nervensystems.

Symptome neurologischer Erkrankungen

Neurologische Erkrankungen können sich durch vielfältige Symptome äußern. Einige der häufigsten Symptome sind:

  • Kopfschmerzen: Migräne, Spannungskopfschmerzen, Kopfschmerzen durch Hirntumore oder Hirninfarkte.
  • Wirbelsäulenschmerzen: Bandscheibenvorfälle, Engstellen des Wirbelkanals.
  • Schwindel: Schlaganfall, Hörnervtumor.
  • Schlafstörungen: Schlaferkrankung, Depression.
  • Ohnmacht oder kurze Black-outs: Epilepsie, Gehirntumor.
  • Bewegungsstörungen: Parkinson-Krankheit, Ticstörung.
  • Vergesslichkeit und Konzentrationsstörungen: Alzheimer-Krankheit, Depression.
  • Sehstörungen, taubes Gefühl: Multiple Sklerose.
  • Muskelfehlfunktionen: Zittern (Tremor), Lähmung von Extremitäten (Paresen) und Koordinationsstörungen.
  • Veränderte Sinneswahrnehmungen: Umschriebenes Taubheitsgefühl, Kribbelgefühl, Überempfindlichkeit gegenüber Berührungen sowie Verlust des Tast-, Kälte-, Wärme- und Schmerzempfindens.

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Symptome auch andere Ursachen haben können und nicht zwangsläufig auf eine neurologische Erkrankung hinweisen müssen. Bei Auftreten solcher Beschwerden sollte jedoch ein Arzt aufgesucht werden, um die Ursache abzuklären.

Diagnostische Verfahren in der Neurologie

Um neurologische Erkrankungen präzise zu erkennen, stehen Neurologen verschiedene diagnostische Methoden zur Verfügung. Zentrales Element ist zunächst eine gründliche Befragung (Anamnese) der Patientinnen und Patienten. Dabei erkundigt sich die Ärztin oder der Arzt der Neurologie nach Beschwerden, Vorerkrankungen und Medikamenteneinnahmen. Im Anschluss erfolgen spezifische neurologische Untersuchungen, darunter:

  • Neurologische Untersuchung: Diese umfasst eine Reihe von Tests, etwa der Muskelkraft, der Koordination und des Gedächtnisses.
  • Laboruntersuchungen von Blut und Liquor: Die Analyse von Gehirn- oder Nervenwasser hilft bei der Diagnostik von durch Erreger ausgelösten Erkrankungen des Nervensystems. Der Liquor wird durch eine Punktion im Rückenmark entnommen.
  • Ultraschalluntersuchungen: Mit einem Ultraschall der hirnversorgenden Gefäße können mögliche Durchblutungsstörungen und die Versorgung des Gehirns überprüft werden.
  • Elektrophysiologische Diagnostik (EEG, EMG, ENG): Diese Methoden messen die Hirnströme, Muskelströme und Nervenleitgeschwindigkeit und werden beispielsweise bei Epilepsie, Muskel- und Nervenerkrankungen eingesetzt.
  • Evozierte Potentiale (VEP, AEP, SSEP, MEP): Diese Methoden beurteilen die Leit- und Funktionsfähigkeit von Nervenbahnen durch Reizung von Sinnesorganen oder peripheren Nerven.
  • Bildgebende Verfahren (CT, MRT): Diese Verfahren erlauben eine detaillierte Darstellung der Gehirnstrukturen und werden sowohl bei Schlaganfällen oder Hirnblutungen als auch zur Diagnose degenerativer Erkrankungen genutzt.

Die Wahl der geeigneten diagnostischen Verfahren hängt von den individuellen Beschwerden und der vermuteten Diagnose ab.

Behandlung neurologischer Erkrankungen

Die Behandlung neurologischer Erkrankungen erfolgt individuell und orientiert sich an der jeweiligen Ursache sowie den Symptomen. Viele Krankheitsbilder, wie Migräne, Myopathien oder Epilepsie, lassen sich heute durch moderne medikamentöse Therapien gut behandeln. Welche Maßnahmen für die Patientin oder den Patienten geeignet sind, wird gemeinsam mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt für Neurologie individuell auf die Krankengeschichte abgestimmt.

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Weitere Behandlungsmöglichkeiten umfassen:

  • Physiotherapie: Zur Verbesserung der Beweglichkeit und Koordination.
  • Ergotherapie: Zur Unterstützung bei der Bewältigung alltäglicher Aktivitäten.
  • Logopädie: Zur Behandlung von Sprach- und Schluckstörungen.
  • Psychotherapie: Zur Behandlung psychischer Begleiterscheinungen neurologischer Erkrankungen.
  • Chirurgische Eingriffe: In einigen Fällen, z.B. bei Hirnblutungen oder Tumoren, kann eine Operation erforderlich sein.

Erkrankungen wie ein Schlaganfall oder eine Hirnblutung gehören zu den medizinischen Notfällen, die eine sofortige Behandlung erfordern. Die Schlaganfallmedizin hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Schlaganfälle und Hirninfarkte werden heute schwerpunktmäßig in spezialisierten Schlaganfallstationen, den sogenannten Stroke Units, behandelt. Diese bieten eine engmaschige Überwachung und ermöglichen eine schnelle Reaktion bei Komplikationen.

Neurologische Rehabilitation

Die neurologische Rehabilitation spielt eine wichtige Rolle bei der Wiederherstellung von Funktionen und Fähigkeiten nach neurologischen Erkrankungen. Sie wird in spezialisierten Kliniken oder Reha-Zentren angeboten und umfasst individuell abgestimmte Therapieprogramme, die Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie umfassen. Ziel der neurologischen Reha ist es, den Patientinnen und Patienten zu helfen, ihre Selbstständigkeit wiederzuerlangen und ein möglichst normales Leben zu führen.

Spezialgebiete innerhalb der Neurologie

Innerhalb der Neurologie unterscheidet man verschiedene Schwerpunkte und Spezialgebiete, die sich individuell mit neurologischen Erkrankungen sowie deren Diagnostik und Behandlung beschäftigen. Dazu gehören:

  • Neurovaskuläre Erkrankungen: Behandlung von Schlaganfällen und anderen Gefäßerkrankungen des Gehirns.
  • Neuroimmunologie: Behandlung von entzündlichen Erkrankungen des Nervensystems wie Multiple Sklerose.
  • Epileptologie: Behandlung von Epilepsie und anderen Anfallserkrankungen.
  • Bewegungsstörungen: Behandlung von Parkinson-Krankheit, Tremor und anderen Bewegungsstörungen.
  • Demenz: Behandlung von Alzheimer-Krankheit und anderen Demenzformen.
  • Neuromuskuläre Erkrankungen: Behandlung von Muskeldystrophien, ALS und anderen Erkrankungen der Muskeln und Nerven.
  • Neuroonkologie: Behandlung von Hirntumoren und anderen Krebserkrankungen des Nervensystems.
  • Neuroradiologie: Diagnostische Darstellung und Beurteilung von Gehirn und Nervensystem mithilfe von bildgebenden Verfahren.
  • Neurochirurgie: Operative Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems.
  • Neuropädiatrie: Diagnostik und Therapie neurologischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen.

Wann sollte man einen Neurologen aufsuchen?

Es ist ratsam, einen Neurologen aufzusuchen, wenn Beschwerden auftreten, die auf Erkrankungen des Gehirns, des Rückenmarks, der Nerven oder der Muskulatur hinweisen könnten. Dazu zählen Symptome wie:

  • Anhaltende Kopfschmerzen
  • Schwindel
  • Lähmungen
  • Kribbeln oder Taubheitsgefühle
  • Sehstörungen
  • Sprachprobleme
  • Plötzliche Anfälle
  • Gedächtnisverlust
  • Bewegungsstörungen

Auch bei unklaren Beschwerden, die das Nervensystem betreffen könnten, ist ein Besuch beim Neurologen sinnvoll, um die Ursache abklären und eine geeignete Behandlung einleiten zu lassen.

Die Rolle der Forschung in der Neurologie

Die neurologische Forschung spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung neuer diagnostischer und therapeutischer Verfahren. Durch intensive Forschung werden die Ursachen und Mechanismen neurologischer Erkrankungen besser verstanden, was zur Entwicklung gezielterer und wirksamerer Behandlungen führt. Aktuell ist besonders auf dem therapeutischen Sektor (z. B. der Interferontherapie bei MS oder der medikamentösen Frühbehandlung bei M. Alzheimer) eine enorme Verbesserung eingetreten.

Historischer Kontext der Neurologie

Die neurologische Forschung begann Anfang des 19. Jahrhunderts. Da sich viele neuro­lo­gische Erkrankungen in Form von körperlichen Beschwerden äußern, war die Neurologie in ihrer einen Quelle ein Teilgebiet der inneren Medizin. Die Behandlung der Erkrankun­gen von "Geisteskranken" stellte hingegen schon im 18. Jahrhundert eine selbstständige Fach­rich­tung dar und führte zur Gründung der Psychiatrie.

Heinrich-Moritz Romberg (1799-1873), Nicolaus Friedreich (1825-1882), Wilhelm Heinrich Erb (1840-1921) und Heinrich Quincke (1842-1922) gehörten Mitte des 19. Jahrhunderts zu den ersten Ärzten, welche die Neurologie als von der inneren Medizin unabhängige Disziplin beschrieben. Andere Forscher wie Wilhelm Griesinger (1817-1866) und Carl Westphal (1833-1890) strebten eine Verbindung der Neurologie mit der Psychiatrie an. Unter Medizinern blieb die Frage bis Anfang des 20. Jahrhunderts umstritten, ob die Neurologie als Teilgebiet der inneren Medizin oder der Psychiatrie einzuordnen ist bzw.

Mit der Gründung der "Gesellschaft Deutscher Nervenärzte" trennte sich die Neurologie 1906 erstmals offiziell als Spezialgebiet von der inneren Medizin. Hintergrund war die Überzeugung der Gründungsmitglieder, zu denen u.a. der Berliner Hermann Oppenheim (1858-1919) und Erb aus Heidelberg gehörten, dass die Internisten aufgrund der Vielfalt ihrer Aufgaben nicht mehr in der Lage seien die Nerven­krankheiten weiterhin mit abzudecken. Erb wurde zum ersten Vorsitzenden (bis 1911) der Gesellschaft gewählt, in den Jahren 1918 bis 1924 leitete der Hamburger Max Nonne (1861-1959), ein Schüler Erbs, die Gesell­schaft. Schließlich verfügte aber die national­sozialistische Regierung 1935 die Auflösung der Gesellschaft und ihre Vereinigung mit der Psychiatrie zu einer "Gesellschaft Deutscher Neurologen und Psychiater". Nach dem Krieg leitete Heinrich Pette die neurologische Sektion der Gesellschaft Deutscher Neurologen und Psychiater bis zu deren Auflösung im Jahre 1955 weiter. 1950 gelang es Pette in Bonn die alte Gesellschaft Deutscher Nervenärzte als "Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN)" wiederzugründen.

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