Neurologische Erkrankung Stiff-Person-Syndrom: Diagnose, Symptome und Leben mit der Krankheit

Das Stiff-Person-Syndrom (SPS) ist eine seltene neurologische Erkrankung, die durch Muskelsteifheit, Krämpfe und erhöhte Schreckhaftigkeit gekennzeichnet ist. Die Erkrankung ist autoimmunologisch bedingt, was bedeutet, dass der Körper sich selbst angreift. SPS ist nicht heilbar, aber die Symptome können mit Medikamenten, Physiotherapie und anderen Behandlungen behandelt werden. Die kanadische Sängerin Céline Dion ist eine der bekanntesten Persönlichkeiten, bei denen SPS diagnostiziert wurde. Ihre Offenheit über ihren Kampf mit der Krankheit hat dazu beigetragen, das Bewusstsein für diese seltene Erkrankung zu schärfen.

Was ist das Stiff-Person-Syndrom?

Das Stiff-Person-Syndrom (SPS) ist eine seltene Autoimmunerkrankung, die das zentrale Nervensystem betrifft, insbesondere das Gehirn und das Rückenmark. Es ist gekennzeichnet durch eine extreme Steifigkeit der Muskeln, insbesondere im Rumpfbereich, in den Beinen und im Rücken. Die Muskeln haben eine erhöhte Spannung und sind verhärtet. Betroffene können dann nur schlecht gehen, stolpern häufig und stürzen.

Die Häufigkeit liegt in Deutschland bei etwa einer Neuerkrankung pro eine Million Einwohner. Experten rechnen jedoch mit einer Dunkelziffer von bis zu 300 Betroffenen. Dies liegt vor allem daran, dass die Krankheit nicht leicht zu erkennen ist und manche Ärzte nie einen solchen Patienten gesehen haben. Auch können psychische Symptome in eine falsche Richtung lenken.

Ursachen

Das Stiff-Person-Syndrom ist autoimmunologisch bedingt. Das bedeutet, dass der Körper Antikörper bildet, die ein Enzym angreifen, das für die Entspannung der Muskulatur zuständig ist. Am häufigsten finden sich im Blut bzw. Liquor Autoantikörper gegen die Glutamat-Decarboxylase (GAD). Dieses Enzym katalysiert die Synthese des hemmenden Botenstoffs Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Die autoimmune Störung führt zu einer Übererregbarkeit der Muskulatur. Die Folge: Verschiedene Muskeln im Körper können nicht mehr entspannen. Während andere Enzyme die Muskeln weiterhin aktivieren, fällt die erregungshemmende, entspannende Funktion aus. Das führt dazu, dass die Muskeln verhärten und verkrampfen.

Weil SPS häufig mit Diabetes sowie anderen Autoimmunkrankheiten wie einer Schilddrüsenentzündung, der Hautkrankheit Vitiligo und perniziöser Anämie, einer Form von Blutarmut, einhergeht, vermuten Forschende eine autoimmune Komponente.

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Symptome

Charakteristisch für die Krankheit ist eine extreme Steifigkeit der Muskeln - vor allem rund um den Rumpf, in den Beinen und im Rücken. Die Muskeln haben eine erhöhte Spannung und sind verhärtet. Betroffene können dann nur schlecht gehen, stolpern häufig und stürzen. So hat auch Céline Dion Schwierigkeiten beim Laufen. Zusätzlich sind ihre Stimmbänder betroffen, weshalb die Sängerin die für 2023 geplanten Europa-Konzerte verschieben bzw. absagen musste.

Weitere Symptome des Stiff-Person-Syndroms sind:

  • Einschießende Muskelkrämpfe, die zu einem kurzzeitigen Erstarren führen können. Auch im Brustbereich oder im Kehlkopf können die Muskeln versteifen. Das kann Probleme beim Sprechen und Schlucken verursachen.
  • Erhöhte Schreckhaftigkeit
  • Sensibilitätsstörungen
  • Skelettdeformierungen
  • Vegetative Symptome wie starkes Schwitzen oder beschleunigter Puls
  • Angstattacken bei motorischer und emotionaler Belastung
  • Psychische Symptome. So bereitet es vielen Betroffenen Angst, über große Plätze zu gehen.

Typisch für die neurologische Erkrankung ist ein Wechsel von guten und schlechten Phasen. Der Verlauf ist nur schwer einzuschätzen. Das Gemeine an der Erkrankung ist, dass auch in guten Phasen anfallsartig eine massive Steifigkeit auftreten und Stürze verursachen kann. Vor allem bei plötzlichen Reizen wie Geräuschen, Berührung, Schreck oder Stress ziehen sich die Muskeln blitzartig zusammen und werden steif wie ein Brett. Bei solchen Muskelkrämpfen erstarren Betroffene kurzfristig zur Bewegungslosigkeit. Langfristig kann es zu Gelenk-Fehlstellungen kommen.

Diagnose

Die Diagnose des Stiff-Person-Syndroms kann schwierig sein, da die Symptome denen anderer neurologischer Erkrankungen ähneln können. Häufig wird es zunächst als Parkinson-Krankheit, Multiple Sklerose oder Fibromyalgie fehlgedeutet. Es dauert oft mehrere Jahre, bis Betroffene die richtige Diagnose erhalten.

Für die Diagnose sind neurologische Tests und elektrophysiologische Untersuchungen wichtig. Bei einer Elektromyographie (EMG) wird mit feinen Untersuchungsnadeln die andauernde elektrische Aktivität in den betroffenen Muskeln gemessen. Die Untersuchung von Nervenwasser kann weitere wichtige Hinweise auf die Erkrankung geben. Auch bestimmte Antikörper im Blut oder Nervenwasser geben Aufschluss auf die Krankheit.

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Behandlung

Das Stiff-Person-Syndrom lässt sich nicht heilen, aber mit einer dauerhaften Behandlung können stabile Phasen über Monate oder Jahre erreicht werden. Ziel der Behandlung ist es, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Die Behandlung des Stiff-Person-Syndroms umfasst in der Regel eine Kombination aus:

  • Medikamenten: Muskelentspannende und beruhigende Medikamente wie Diazepam oder Clonazepam, Muskelrelaxantien wie Baclofen oder Tizanidin werden eingesetzt, um die Muskelsteifheit und Krämpfe zu reduzieren. In Einzelfällen kommt Botulinumtoxin zum Einsatz. Gegen das Stiff-Person-Syndrom helfen Medikamente, die das fehlgeleitete Immunsystem dämpfen. Zum Einsatz kommen Kortisonpräparate (zum Beispiel Prednisolon, Methylprednisolon).
  • Physiotherapie: Gezielte Physiotherapie und Krankengymnastik können die Muskeln lockern und die Bewegungsfähigkeit verbessern.
  • Immuntherapie: Bei der Immunglobulin-Therapie erhalten Betroffene verschiedene Antikörper aus Spenderblut. Das sind in erster Linie IgG-Antikörper, die zu den wichtigsten Abwehrstoffen im Blut gehören. Sie sollen die "schädlichen" Antikörper verdrängen und das Immunsystem regulieren. In akuten Fällen können auch Antikörper (intravenöse Immunglobuline) gespritzt oder per Infusion verabreicht oder eine Blutwäschebehandlung (Plasmapherese) durchgeführt werden. Bei der Plasmapherese, eine Art Blutwäsche, werden die "schädlichen" Antikörper aus dem Blut der Betroffenen herausgefiltert. Doch der Körper kann immer wieder neue bilden. In Einzelfällen kommen Rituximab oder Plasmapheresen (außerhalb des Körpers stattfindende Blutreinigungsverfahren) zum Einsatz.
  • Vermeidung von Auslösern: Wichtig sei es auslösende Faktoren wie Lärm, Stress und Situationen, die Angst hervorrufen, zu meiden. Außerdem sollen auslösende Reize wie Lärm oder Stress bestmöglich vermieden werden, um Anfälle zu verhindern.

Man muss bei jedem einzelnen Patienten die optimale Kombination der Behandlung erst herausfinden. Für alle Therapien gilt: Was dem einen hilft, kann bei dem anderen wirkungslos sein. Die "eine" wirksame Therapie gibt es nicht. Wobei manche Patienten auch positive Erfahrungen mit Cannabis gemacht haben.

Leben mit dem Stiff-Person-Syndrom

Menschen mit dem Stiff-Person-Syndrom müssen lebenslang behandelt werden, erlangen aber dadurch häufig eine gewisse Stabilität im Alltag. Viele Fälle, die ich kenne, führen mit der Krankheit ein nahezu normales Leben mit Familie und Beruf.

Bei entsprechender Behandlung muss die Erkrankung selbst nicht zu einer geringeren Lebenserwartung führen. Ausschlaggebend dafür sind eher die Folgen von Begleiterkrankungen und von Stürzen. In manchen Fällen kann die Beweglichkeit so eingeschränkt sein, dass Betroffene auf den Rollstuhl angewiesen sind. Bei eingeschränkter Bewegungs- oder Gehfähigkeit verwenden Erkrankte häufig Gehhilfen oder einen Rollstuhl.

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Es ist wichtig, dass Betroffene und ihre Familien Unterstützung suchen, um mit den Herausforderungen der Krankheit umzugehen. Es gibt verschiedene Selbsthilfegruppen und Organisationen, die Informationen und Unterstützung anbieten. Eine davon ist die SPS-Vereinigung Deutschland, die von Ursula Metze geleitet wird.

Céline Dion und das Stiff-Person-Syndrom

Die kanadische Sängerin Céline Dion gab Ende 2022 bekannt, dass bei ihr das Stiff-Person-Syndrom diagnostiziert wurde. Schon seit längerer Zeit leide sie an gesundheitlichen Problemen, erklärte die 54-Jährige. Sie leide an Muskelkrämpfen und habe dadurch manchmal Probleme beim Gehen und beim Singen. Deshalb hatte die „My Heart Will Go On“-Sängerin alle für 2023 und 2024 geplanten Termine ihrer „Courage World Tour“ in Europa abgesagt.

Dion hat offen über ihren Kampf mit der Krankheit gesprochen und sich für die Aufklärung über SPS eingesetzt. In einem Interview mit der amerikanischen „Today Show“ hatte sie 2024 über ihr extremes Leiden gesprochen - nachdem sie jahrzehntelang darüber geschwiegen hatte, dass sie am sogenannten „Stiff-Person-Syndrom“ erkrankt ist. In dem Gespräch erzählte die Sängerin auch von den schweren Symptomen, die die Krankheit mit sich bringt. Das Singen fühle sich etwa ganz anders für sie an: So, „als würde dich jemand erwürgen. Es ist, als würde jemand auf deinen Kehlkopf drücken.“ Die Krankheit könne überall im Körper zu Muskelkrämpfen führen, so dass etwa ihre Hände oder Füße erstarren würden. Bei schweren Anfällen habe sie sich auch schon Rippen gebrochen, sagte die gebürtige Kanadierin.

Trotz ihrer Erkrankung hat Céline Dion ihren Kampfgeist nicht verloren. Mit Physiotherapie, Gesangstraining und Medikamenten kämpft sie gegen die Krankheit an. „Ich werde auf die Bühne zurückkehren, selbst wenn ich kriechen muss, selbst wenn ich mit meinen Händen sprechen muss“, sagte Dion. Sie vermisse ihre Fans sehr. Für eine mögliche Rückkehr auf die Bühne nannte sie aber keinen Zeitpunkt. Zuletzt trat sie bei der Eröffnungsfeier der olympischen Spiele in Paris auf.

Ende Juni kommt der Dokumentarfilm „I Am: Céline Dion“ heraus, in dem sie den Kampf gegen ihre Krankheit festhält. Regisseurin Irene Taylor Brodsky erlebte bei den Dreharbeiten einen schweren Anfall mit. In einem Moment habe die Sängerin noch gelacht, dann folgte ein Krampf im Fuß. Nur wenige Sekunden später konnte Dion nicht mehr sprechen und die Muskeln in ihrem ganzen Körper versteiften sich.

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