Die neurologische Frührehabilitation (NFR) spielt eine entscheidende Rolle bei der Versorgung von Patienten mit schweren neurologischen Erkrankungen. In Niedersachsen und Bremen hat sich eine aktive Arbeitsgemeinschaft (AGNFR) gebildet, die sich der stetigen Qualitätsverbesserung und der Entwicklung übergreifender Konzepte widmet. Dieser Artikel beleuchtet die Strukturen, Angebote und therapeutischen Ansätze der neurologischen Frührehabilitation in Niedersachsen, insbesondere unter Berücksichtigung der Arbeit der AGNFR und ausgewählter Zentren.
Einführung in die Neurologische Frührehabilitation
Die neurologische Frührehabilitation ist ein integraler Bestandteil der akutstationären Krankenhausbehandlung. Ziel ist es, eine frühestmögliche Kombination aus rehabilitationsmedizinischer und akutmedizinischer Behandlung schwerstbetroffener Patienten aller Fachgebiete zu gewährleisten. Sie schließt die Lücke zwischen der Akutversorgung und der weiteren Rehabilitation und trägt maßgeblich zur Vermeidung von Sekundärschäden und zur Verbesserung der langfristigenFunktionsfähigkeit der Patienten bei.
Arbeitsgemeinschaft Neurologische Frührehabilitation Niedersachsen/Bremen (AGNFR)
Die Arbeitsgemeinschaft Neurologische Frührehabilitation Niedersachsen/Bremen (AGNFR) ist ein Zusammenschluss von Kliniken und Einrichtungen, die sich auf die neurologische Frührehabilitation spezialisiert haben. Sie dient als Plattform für den regelmäßigen Austausch und die Entwicklung von Qualitätsstandards. Ein Beispiel für die erfolgreiche Zusammenarbeit ist der "Katalog therapeutischer Pflege", der zentrale Inhalte der Rehabilitationspflege in der neurologischen Frührehabilitation definiert. Die Neurologische Frührehabilitation der Klinik in Osnabrück ist Gründungsmitglied der AGNFR. Hierdurch besteht ein enger fachlicher Austausch von ärztlicher wie auch von pflegerischer Seite für die Entwicklung von Standards für die therapeutisch-rehabilitative Pflege.
Patientengruppen und Indikationen
Typischerweise werden Patienten mit akut aufgetretenen neurologischen Erkrankungen in die Frührehabilitation aufgenommen. Dazu gehören:
- Schlaganfall
- Gehirnblutungen
- Schädel-Hirn-Trauma
- Guillain-Barré-Syndrom
- Hypoxie (Sauerstoffmangel)
- Hirnhaut- und Hirnentzündungen
Auch Patienten, die eine Intervallrehabilitation zur Entwöhnung von Beatmungsunterstützung oder Trachealkanülen benötigen, können von der Frührehabilitation profitieren.
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Nicht versorgt werden können Patienten mit akuter Weglaufgefahr, Fremdgefährdung oder Adipositas per magna.
Ziele der Neurologischen Frührehabilitation
Die wichtigste Aufgabe der NFR ist die Vermeidung von Sekundärschäden. Zu den zentralen Zielen der neurologischen Frührehabilitation gehören:
- Verbesserung der Mobilität und Selbstständigkeit
- Wiederherstellung oder Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit
- Behandlung von Schluckstörungen (Dysphagie)
- Förderung der kognitiven Fähigkeiten (Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Konzentration)
- Bewältigung emotionaler Störungen und Verhaltensauffälligkeiten
- Vermeidung von Komplikationen wie Pneumonie, Thrombosen oder Kontrakturen
- Ermöglichung einer bestmöglichen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben
- Unterstützung der Angehörigen
Multidisziplinäres Team und Therapieansätze
Ein multidisziplinäres Team, bestehend aus Ärzten, Pflegekräften, Therapeuten (Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden) und Psychologen, ist das Herzstück der neurologischen Frührehabilitation. Das Team gestaltet eine individuelle Rehabilitation, die die Fähigkeiten und Bedürfnisse des Patienten in den Mittelpunkt stellt.
Therapeutisch-aktivierende Pflege
Die therapeutisch-aktivierende Pflege zielt darauf ab, die größtmögliche Eigenständigkeit und Unabhängigkeit des Patienten zu erreichen. Es werden spezielle Pflegekonzepte angewendet, wie z. B.:
- Kinästhetik
- Bobath-/LIN-Konzept
- Basale Stimulation
- Facio-orale-Trakt-Therapie (F.O.T.T.)
Grundlage ist der Rehagedanke: Fordern um zu fördern ohne zu überfordern! In der neurologischen Frührehabilitation pflegen wir angelehnt an den FRP-Katalog (Katalog über zentrale Inhalte der Rehabilitationspflege in der neurologischen Frührehabilitation der Arbeitsgemeinschaft neurologische Frührehabilitationspflege Niedersachsen/ Bremen (AGnFP)).
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Logopädie
Die Logopädie behandelt Menschen, die in ihren Möglichkeiten zur Kommunikation und zur Nahrungsaufnahme beeinträchtigt sind. Durch verschiedene Diagnostik- und Therapieverfahren werden Schluckstörungen, Sprech- und Sprachstörungen behandelt und Fähigkeiten weitest möglich wieder hergestellt. Ein Schwerpunkt der Logopädie liegt in dem gemeinsam mit der Ergotherapie strukturiert durchgeführten Dysphagie- und Trachealkanülenmanagement.
Ergotherapie
In der Ergotherapie haben wir das Ziel, die Selbständigkeit und Lebensqualität der Patienten in alltagspraktischen Fähigkeiten größtmöglich zu verbessern, wiederherzustellen und zu erhalten. In einem klientenorientierten Behandlungsansatz kommen verschiedene Therapiekonzepte zum Einsatz. So arbeiten wir mit den Patienten im Alltagstraining (Wasch- und Anziehtraining, Frühstückstraining, Haushaltstraining) an der Verbesserung von Körperfunktionen, der Handlungsplanung und machen die Patienten kompetent im Umgang mit Hilfsmitteln. Hirnleistungstraining zur Verbesserung der Konzentration und der Gedächtnisleistungen gehört ebenfalls zur ergotherapeutischen Therapie. Zur Vorbereitung auf den nachstationären Alltag geben wir Unterstützung und beraten bei der Anpassung von Wohn- und Lebensbereichen und organisieren gemeinsam mit anderen Berufsgruppen die Hilfsmittelversorgung. Im Bereich der neurologischen Frührehabilitation spielt die Dysphagietherapie (Schlucktherapie) eine wichtige Rolle. In einem Team aus Ergotherapie und Logopädie trainieren wir die Fähigkeiten der Patienten im Sekretmanagement.
Physiotherapie
In der Physiotherapie steht die Wiederherstellung der Mobilität im Vordergrund. In der ersten, oft noch intensivmedizinisch überwachten Phase liegt der Fokus auf einer vorsichtigen Mobilisierung an die Bettkante, später Rollstuhl. Im weiteren Verlauf können wir auch unter Einsatz modernster Geräte eine Therapie zur Verbesserung der Beweglichkeit und Wiedererlangung normaler Bewegungen anbieten. Wir arbeiten nach anerkannten Therapiekonzepten wie z.B.
Neuropsychologie
Die meisten schwerkranken neurologischen Patienten leiden unter Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen sowie Sprachstörungen, insbesondere nach Gehirnverletzungen. Aber auch Verhaltensveränderungen und Probleme in der Krankheitsbewältigung sind Gegenstand der Therapie. Es stehen Therapieprogramme, Computer-Training, transkranielle Gleichstromtherapie, Neurofeedback, Prismenbrillen u.a. zur Verfügung. Für die Behandlung des Neglekts, haben wir in der Vergangenheit mehrere Therapieverfahren wissenschaftlich evaluiert und publiziert. Bei emotionalen Störungen intervenieren wir durch Gespräche, Biofeedback und Beratung. Angehörige werden bei Bedarf über den zu erwartenden Verlauf der kognitiven und emotionalen Störungen aufgeklärt.
Physikalische Therapie
Die Physikalische Therapie lindert in erster Linie Schmerzen am gesamten Bewegungsapparat und sorgt somit für eine verbesserte Beweglichkeit von Gelenken.
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Bedeutung der Angehörigen
Die Einbeziehung der Angehörigen ist ein wichtiger Bestandteil der neurologischen Frührehabilitation. Durch Angehörigenberatung erhalten sie feste Ansprechpartner bei Fragen und Sorgen während der Frührehabilitation. Angehörige werden bei Bedarf über den zu erwartenden Verlauf der kognitiven und emotionalen Störungen aufgeklärt.
Zentren für Neurologische Frührehabilitation in Niedersachsen (Beispiele)
Klinikum Osnabrück - Klinik für Neurologie und Neurologische Frührehabilitation
Die Sektion Neurologische und fachübergreifende Frührehabilitation am Klinikum Osnabrück stützt sich auf über 30 Jahre Behandlungserfahrung. Sie bietet eine professionelle und vollumfassende Therapie von der Akutbehandlung bis zur Entlassung. Die Neurologische Frührehabilitation verfügt über 33 Normalbetten (Station 39) und 12 Überwachungsbetten (Station 09.2 IMC) für schwerstbetroffene Patienten. Ergänzend werden bis zu 3 Betten auf der neurologischen Intensivstation belegt. Die Einrichtung befindet sich in einem modernen Gebäude direkt am Standort Finkenhügel in unmittelbarer Nähe zur Akutneurologie sowie sämtlichen Einrichtungen des Klinikums Osnabrück.
Schwerpunkte:
- Neurovaskuläre Erkrankungen und Schluckstörungen (PD Dr. Kellinghaus, Prof. Dr. Dziewas, Prof. Dr. Dr. Dziewas)
- Epilepsie und andere Anfallserkrankungen (PD Dr. Kellinghaus)
- Neuroimmunologie / Multiple Sklerose (Dr. med. Susanne Windhagen, Dr. med. Bettina Gräfe)
- Parkinson-Syndrome und andere Bewegungsstörungen (Dr. med. Michael Nagel)
- Neurovaskuläre Erkrankungen (Dr. med. Lars Krause)
- Neuroonkologie (in Kooperation mit Klinik für Neurochirurgie)
- Neuromuskuläre Erkrankungen (Dr. med. Frank Neumann)
- Schluckstörungen (Prof. Dr. Dziewas)
- Neuroinfektiologie (Dr.)
Weitere Zentren
Neben dem Klinikum Osnabrück gibt es weitere Kliniken und Einrichtungen in Niedersachsen, die neurologische Frührehabilitation anbieten. Diese sind in der AGNFR organisiert und gewährleisten somit einen hohen Qualitätsstandard.
Ablauf der Frührehabilitationsbehandlung
- Aufnahme: Die Patienten werden in der Regel direkt von der Intensivstation oder Stroke-Unit übernommen.
- Diagnostik: Umfassende neurologische, neuropsychologische und physiotherapeutische Untersuchungen.
- Therapieplanung: Erstellung eines individuellen Therapieplans auf Grundlage der Diagnose und der individuellen Bedürfnisse des Patienten.
- Therapie: Durchführung der verschiedenen Therapieangebote (Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Neuropsychologie, etc.).
- Regelmäßige Teambesprechungen: Wöchentliche Fallbesprechungen des gesamten Reha-Teams zur Anpassung der Therapie.
- Entlassungsplanung: Beratung und Unterstützung bei der Organisation der nachstationären Versorgung.
Nach der Rehabilitation
Der Sozialdienst berät die Patienten und ihre Angehörigen umfassend im Hinblick auf die nachstationäre Versorgung. In der Region Osnabrück besuchen Mitarbeiter der Ergotherapie zusammen mit dem Patienten die Wohnung, um zusammen mit den nahen Angehörigen die Entlassung nach Hause so gut wie nur möglich vorzubereiten.
Technische Unterstützung
Klinik-Smartphone: Patienten können in unserer Klinik per Smartphone direkt Textnachrichten, Audio-/Videobotschaften in die Klinik schicken. Wichtig ist der Patientenname, an den die Nachricht gehen soll.
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