Herzchirurgische Eingriffe sind lebensrettend, bergen aber auch Risiken für neurologische Komplikationen. Angesichts der steigenden Lebenserwartung und der Zunahme von Operationen bei älteren Patienten mit Begleiterkrankungen gewinnt das Verständnis und die Prävention dieser Komplikationen zunehmend an Bedeutung. Das Gehirn, als sauerstoffempfindlichstes Organ, ist besonders anfällig.
Häufige neurologische Komplikationen
Im Zusammenhang mit herzchirurgischen Operationen treten verschiedene neurologische Komplikationen auf:
- Akute Enzephalopathie: Eine akute, diffuse Hirnfunktionsstörung.
- Ischämische und hämorrhagische Insulte: Schlaganfälle, die durch Mangeldurchblutung oder Blutungen im Gehirn verursacht werden.
- Chronische kognitive Beeinträchtigung: Langfristige Probleme mit Gedächtnis, Aufmerksamkeit und anderen kognitiven Funktionen.
Kognitive Beeinträchtigungen nach Bypass-Operationen
Bypass-Operationen, bei denen verengte oder verstopfte Herzkranzgefäße umgangen werden, sind in Deutschland mit etwa 75.000 Eingriffen pro Jahr sehr häufig. Obwohl verbesserte Operations- und Narkoseverfahren die Risiken reduziert haben, rücken kognitive Einschränkungen zunehmend in den Vordergrund.
Ursachen und Risikofaktoren
Als Ursache werden Mikroembolien vermutet, die beim Abklemmen der Hauptschlagader oder durch Shuntsysteme entstehen können. Auch das steigende Alter der Patienten spielt eine Rolle.
Eine Studie des Duke University Medical Center untersuchte den Verlauf kognitiver Einschränkungen nach Bypass-Operationen. Die Ergebnisse zeigten:
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- Häufigkeit: Mehr als die Hälfte der Patienten (53%) litten bei der Entlassung aus dem Krankenhaus unter kognitiven Störungen. Nach sechs Wochen waren es noch 36%, nach sechs Monaten 24%.
- Langzeitverlauf: Nach fünf Jahren litten sogar 42% der Patienten unter neuropsychologischen Defiziten.
- Risikofaktoren: Höheres Alter, geringerer Bildungsgrad und bereits bei Entlassung bestehende Störungen erhöhten das Risiko für langfristige kognitive Beeinträchtigungen.
Bedeutung der Ergebnisse
Die Ergebnisse der Studie stellen die Sinnhaftigkeit von Bypass-Operationen nicht in Frage, zeigen aber den dringenden Bedarf an neuroprotektiven Begleitbehandlungen.
Postoperatives Delir: Akute Verwirrtheit
Ein Delir ist ein akuter Verwirrtheitszustand, der nach Operationen auftreten kann, insbesondere bei älteren Menschen. Schätzungen zufolge ist in der Altersgruppe ab 65 Jahren fast jeder Dritte, der stationär versorgt werden muss, von einem Delir betroffen.
Ursachen und Risikofaktoren
Das Delir kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden, darunter Operationen unter Vollnarkose. Auch Vorerkrankungen, Alter und kognitive Einschränkungen erhöhen das Risiko. Operationen am Herz-Kreislauf-System unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine sind besonders häufig mit einem postoperativen Delir verbunden.
Symptome
Die Symptome eines Delirs sind vielfältig und umfassen:
- Verminderte Aufmerksamkeit
- Schwierigkeiten beim Nachdenken
- Desorientierung (bezüglich Ort, Zeit, Person)
- Halluzinationen
- Gedächtnisschwäche
- Unruhe oder Teilnahmslosigkeit
- Schlafstörungen
- Emotionale Veränderungen (Ängstlichkeit, Reizbarkeit, Depression)
Dauer und Verlauf
Ein akutes postoperatives Delir dauert in der Regel nur Stunden oder wenige Tage, kann aber auch chronisch werden, insbesondere bei vorerkrankten Menschen oder bei bestehender Demenz.
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Prävention und Behandlung
Um postoperative Delire frühzeitig zu erkennen und ihnen vorzubeugen, wurden Empfehlungen von medizinischen Fachgesellschaften herausgegeben. Diese beinhalten:
- Frühes Screening: Menschen über 65 Jahre sollten bei Aufnahme in ein Krankenhaus auf kognitive Störungen untersucht werden.
- Schonende Narkose: Bei Risikopatienten sollte eine schonende Narkose mit kurzer Narkosedauer angestrebt werden.
- Optimale Behandlungsumgebung: Eine Umgebung, die Orientierung und Erinnerung fördert, ist zentral für Prävention und Therapie. Dazu gehören:
- Große, gut lesbare Uhren mit Datum und Wochentag
- Vertraute Gegenstände (Brille, Hörgerät)
- Vermeidung von Hektik und Lärm
- Förderung des natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus (Aktivierung tagsüber, schlaffördernde Maßnahmen nachts)
- Flexible Besuchszeiten und bekannte Gesichter
- Lektüre, Musik, Wortspiele und empathische Gespräche
- Optimale Schmerztherapie und gute Nachtruhe
Neuere Ansätze
Es wird intensiv daran gearbeitet, Vollnarkosen durch individualisierte Anästhesiekonzepte verträglicher zu machen und eine Übersedierung zu vermeiden. Ein anderer Ansatz ist die Kontrolle der Gehirnfunktion und eine davon abhängige Verabreichung der Narkose. Eine Studie konnte jedoch keinen Unterschied bei der Häufigkeit von Delirien mit EEG-gesteuerter Anästhesie feststellen.
Psychische Belastungen nach Herzoperationen
Nicht selten treten nach Herzinfarkt oder Herz-OP Depressionen oder Ängste auf. Eine Herz-Operation ist für viele Betroffene angsteinflößend und kann zu psychischen Belastungen bis hin zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) führen.
Psychokardiologie
Die Psychokardiologie untersucht, wie Herz und Psyche aufeinander reagieren und wie dieses Zusammenspiel Betroffenen vor oder nach einer schweren Herz-OP oder nach einem Herz-Infarkt nützen kann.
Bedeutung der psychologischen Unterstützung
Studien legen nahe, dass psychologische Unterstützung vor einer Herz-OP den Heilungsverlauf verbessern, Ängste reduzieren und den Schlaf fördern kann.
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Selbstwirksamkeit
Betroffene sollen zu der inneren Überzeugung gelangen, dass sie dank ihrer eigenen Kraft die schwierige Situation gut bewältigen können (Selbstwirksamkeit). Dies kann den Heilungsverlauf verbessern und dabei helfen, eine schwere Herz-OP besser zu überstehen.
Umgang mit Ängsten und Sorgen
Es ist wichtig, die eigenen Ängste, Sorgen und Bedenken ehrlich auszusprechen. Eine Studie zeigt, dass ein besseres Bewusstsein für die eigenen Gefühle das Herz schützen kann. Umgekehrt lässt sich die Herzfunktion günstig beeinflussen, wenn das Wahrnehmen von Emotionen therapeutisch gefördert wird.
Kardiologische Rehabilitation (Reha)
Nach einem Herzinfarkt ist eine kardiologische Rehabilitation (Reha) für Betroffene wichtig. Sie verbessert die Überlebenschancen, hilft Komplikationen vorzubeugen und ermöglicht es den Betroffenen, ihren Lebensstil zu ändern (regelmäßige Bewegung, herzgesunde Ernährung, Umgang mit Risikofaktoren). Zusätzlich werden sie psychokardiologisch betreut.
Blended Collaborative Care (BCC)
Eine weitere Form der Nachsorge ist die Blended Collaborative Care (BCC), eine telefonische Betreuung, die nicht-ärztliche Pflegekräfte mit einbezieht und sowohl die psychischen als auch die körperlichen Faktoren berücksichtigt.
Weitere neurologische Komplikationen
Neben den genannten Komplikationen können nach Herzoperationen auch weitere neurologische Probleme auftreten:
- Plexusschäden: Schädigung des Plexus brachialis (Nervengeflecht im Arm) oder des Grenzstranges (Teil des vegetativen Nervensystems). Die Prognose von Plexusschäden ist günstig.
- Metabolische Störungen und Nebenwirkungen von Medikamenten: Diese können ebenfalls neurologische Symptome verursachen.
- Schlaganfälle und Krampfanfälle: Sind seltene, aber schwerwiegende Komplikationen.
Es ist wichtig zu beachten, dass das Auftreten einer Karotisstenose (Verengung der Halsschlagader) nach Herzoperationen wahrscheinlich nicht erhöht ist.
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