Multiple Sklerose (MS) ist eine der häufigsten Erkrankungen des zentralen Nervensystems, die meist im jüngeren Erwachsenenalter beginnt. Frauen sind doppelt so oft betroffen wie Männer. MS kann zu vorübergehenden oder bleibenden Behinderungen führen und sich auf verschiedene Lebensbereiche auswirken. Die Behandlungsmöglichkeiten haben sich in den letzten Jahren jedoch rasant weiterentwickelt, wodurch der Krankheitsverlauf günstig beeinflusst und die Lebensqualität verbessert werden kann. Die Diagnostik und Behandlung von Multipler Sklerose sind wichtige Schwerpunkte in spezialisierten Kliniken.
Um eine MS-Diagnose zu stellen und den Krankheitsverlauf zu beurteilen, sind verschiedene neurologische Tests unerlässlich. Da es nicht den einen MS-Test gibt, der eine zweifelsfreie Diagnose ermöglicht, ist eine Kombination verschiedener Untersuchungen notwendig. Am Anfang steht immer die Anamnese, ein ausführliches Gespräch mit dem Arzt über die Krankengeschichte.
Die Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte
Die Anamnese ist ein längeres Gespräch mit dem Arzt, in dem die Krankengeschichte des Patienten erhoben wird. Dabei werden viele Fragen gestellt, die ehrlich beantwortet werden sollten. Es geht um frühere oder bestehende Erkrankungen des Patienten und seiner Familie, die Art der Beschwerden, was der Patient dagegen unternimmt und ob dies Linderung bringt.
Die neurologische Untersuchung: Funktionsbeeinträchtigungen erkennen
Mit der sogenannten neurologischen Untersuchung kann der Arzt Funktionsbeeinträchtigungen des Nervensystems erkennen, auch solche, die der Betroffene selbst vielleicht noch gar nicht bemerkt hat. Bei einer Multiplen Sklerose können Muskelkraft, Koordination, Gleichgewicht, Sensibilität und Reflexe Auffälligkeiten aufweisen. Die neurologische Untersuchung erlaubt mit Hilfe unterschiedlicher Techniken und der Untersuchung der unterschiedlichen neurologischen Funktionssysteme einen umfassenden Überblick über die vorliegenden Defizite. Dies ist wichtig im Rahmen der Erstdiagnostik, aber auch in der Verlaufsuntersuchung spielt die neurologische Untersuchung eine wichtige Rolle.
Wenn ein Patient erstmals zum Neurologen kommt bzw. der Neurologe die MS im Verlauf beurteilen will, führt er neben einer ausführlichen Erhebung der Krankengeschichte die neurologische Untersuchung durch. Mit Krankengeschichte und Untersuchung soll festgestellt werden, welche neuroanatomischen Strukturen im Bereich des Rückenmarks und des Gehirns durch die MS-Veränderungen im Gewebe betroffen sind. Somit benötigt der erfahrene Neurologe vielfach keine Bildgebung, um MS-Entzündungsherde an bestimmten Orten zu identifizieren.
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Untersuchung von Muskelkraft und Feinmotorik
Die grobe Kraft und Feinmotorik lassen sich mit gezielten Untersuchungen testen. Handdrücken, Fingerspreizen gegen einen Widerstand, Beugung und Streckung in Ellenbogen und Knien sowie Arm- und Beinvorhalteversuche können besonders im Seitenvergleich auffällig sein.
Reflexprüfung
Der Arzt testet zudem verschiedene Reflexe und beurteilt deren Stärke.
Sensibilitätstests
Tests der Sensibilität lassen sich mit einfachen Hilfsmitteln ausführen. Mit der Spitze und dem Kopf einer Nadel, mit kalten und warmen Gegenständen, mit dem Finger, einem Wattebausch oder Pinsel lassen sich Schmerz-, Temperatur- und Berührungssensibilität untersuchen.
Koordinationstests
Untersuchungen der Koordination sind mit Testungen von Zielbewegungen möglich. Beispielsweise muss man versuchen, mit dem Zeigefinger an die Nasenspitze zu tippen (Finger-Nase-Versuch), wobei man die Augen geschlossen hält.
Beurteilung des Gangbildes
Das Gangbild lässt sich ebenfalls beurteilen. Der Arzt beobachtet dann z.B.
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Objektivierung der neurologischen Untersuchung mit dem EDSS
Die neurologische Untersuchung kann objektiv mit dem sog. EDSS (expanded disability status scale) quasi quantitativ beurteilt werden, wobei einzelne Funktionssysteme jeweils einen Subscore erhalten, aus dem dann der Gesamtscore zwischen 0 und 10 gebildet wird. 0 bedeutet keinerlei neurologische Störung, 10 bedeutet Tod durch MS.
Bildgebende Verfahren: Die Magnetresonanztomografie (MRT)
Die Magnetresonanztomografie (MRT) erlaubt eine sehr genaue und frühe Diagnostik. Durch ein starkes Magnetfeld werden Signale aus unterschiedlichen Geweben des Gehirns und Rückenmarks aufgefangen und mit sehr hoher Auflösung in Schichtbilder umgewandelt.
Untersuchung des Nervenwassers: Die Lumbalpunktion
Gehirn und Rückenmark sind von Nervenwasser umspült. Die Lumbalpunktion ist eine neurologische Routine-Untersuchung dieses Nervenwassers. Sie dient zum Nachweis einer Entzündung des Nervensystems.
Evozierte Potentiale
Bestimmte Eingänge in das Nervensystem lassen sich durch minimale elektrische, akustische oder visuelle Reize anregen.
Blutuntersuchungen
Den einen Blutwert oder den einen Test gibt es für die MS-Diagnose nicht. Gleichwohl können über Untersuchungen des Blutes andere Erkrankungen ausgeschlossen werden. Auch können Standardbluttests, beispielsweise die Leber-, Nieren- oder Schilddrüsenwerte prüfen und Hinweise auf andere Erkrankung als MS geben.
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MS-Symptome und ihre Vielfalt
MS-Symptome sind sehr vielfältig. Sie können sich innerhalb von Stunden oder Tagen entwickeln und teilweise oder vollständig wieder zurückbilden. An erster Stelle stehen die Erhebung der Vorgeschichte und die körperlich-neurologische Untersuchung. Die entzündlichen Veränderungen bei der Multiplen Sklerose, die sog. Demyelinisierungsherde, können an den unterschiedlichsten Orten im Gehirn und Rückenmark auftreten. Dies führt dazu, dass sich bei der Multiplen Sklerose sehr vielfältige unterschiedliche klinische Krankheitsbilder mit vielfältigen Symptomen zeigen können. Der Volksmund bezeichnet die Erkrankung deswegen auch als die Erkrankung der 1000 Gesichter.
Meist tritt die MS mit einem innerhalb von Stunden bis Tagen sich entwickelnden Symptom auf, wie zum Beispiel einer Lähmung, einer Sehstörung oder einem Sensibilitätsverlust eines Körperteils. Dieses rasche Auftreten nennt man „Schub“. Typisch bei MS ist, dass die Entzündung in unterschiedlichen Zeitabständen erneut an anderen Stellen des Nervensystems auftreten kann. Der Name „Multiple Sklerose“ leitet sich davon ab, dass sich an vielen (multiplen) Stellen in Gehirn und Rückenmark verhärtete Vernarbungen (Sklerosen) bilden. 85 Prozent aller Betroffenen haben einen schubartigen Verlauf mit unterschiedlicher Symptom-Rückbildung und zwischenzeitlicher Ruhe. Bei der Hälfte dieser Patienten kommt es nach mehreren Jahren jedoch zu einer schleichenden Verschlechterung, der sogenannten „sekundären Progression“.
Ursachen und Risikofaktoren
Der Krankheitsprozess ist zumindest teilweise durch eine Entzündung bedingt. Dabei greift das fehlgeleitete Immunsystem eigene Nervenzellen in Gehirn und Rückenmark an. Man spricht auch von einer Autoimmunerkrankung.
Es ist bekannt, dass Multiple Sklerose genetisch bedingt sein und deshalb in einer Familie gehäuft auftreten kann. Auch bestimmte Umwelteinflüsse und geografische Bedingungen können das Risiko für MS beeinflussen. Je näher ein Mensch in Richtung Äquator aufwächst, desto geringer ist sein MS-Risiko. Weiter südlich und nördlich steigt das Risiko. Nordeuropa und Nordamerika haben die höchste Erkrankungsrate.
Bedeutung der neurologischen Untersuchung für die Therapie
Mit der neurologischen Untersuchung ist man auch sehr nah an den Symptomen des Patienten. Somit kann nach der Identifikation von Störungen wie Spastik - das ist eine erhöhte Muskelspannung - direkt eine symptomatische Therapie begonnen werden. Bis zu 80 Prozent aller MS-Erkrankten entwickeln eine Spastik.
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