Neurologische Untersuchung bei Ischias: Ursachen, Diagnose und Behandlung

Ischias, im Volksmund oft als "Hexenschuss" bezeichnet, ist ein weit verbreitetes Leiden, das durch Schmerzen im unteren Rückenbereich gekennzeichnet ist, die bis ins Bein ausstrahlen können. Es handelt sich dabei nicht um eine Krankheit an sich, sondern vielmehr um ein Symptom, das auf eine Reizung oder Schädigung des Ischiasnervs zurückzuführen ist. Dieser Artikel beleuchtet die neurologische Untersuchung bei Ischias, um die Ursachen zu ermitteln und geeignete Behandlungsstrategien aufzuzeigen.

Was ist Ischias?

Der Ischiasnerv (Nervus ischiadicus) ist der längste und dickste Nerv im menschlichen Körper. Er entspringt im unteren Rücken, genauer gesagt im Bereich der Lendenwirbelsäule und des Kreuzbeins (zwischen dem vierten Lendenwirbel L4 und dem zweiten Kreuzbeinwirbel S2), verläuft über das Gesäß und die Rückseite des Oberschenkels bis in die Kniekehle, wo er sich verzweigt. Dieser Nerv ist für die motorische und sensorische Versorgung der unteren Extremitäten verantwortlich, indem er Bewegungssignale zu den Muskeln und Empfindungssignale zum Rückenmark leitet.

Ursachen von Ischias

Ischiasschmerzen entstehen durch eine Einengung, Reizung oder Schädigung des Ischiasnervs oder seiner Wurzeln. Die häufigste Ursache ist ein Bandscheibenvorfall (Diskusprolaps), bei dem der Gallertkern der Bandscheibe austritt und auf den Nerv drückt. Es gibt jedoch auch andere mögliche Ursachen:

  • Bandscheibenvorfall (Diskusprolaps): Hierbei reißt der Faserknorpel der Bandscheibe, und der gallertartige Kern tritt in den Wirbelkanal aus, wodurch er auf einen Rückenmarksnerven drückt.
  • Spinalkanalstenose: Eine Verengung des Wirbelkanals (Spinalkanalstenose) kann ebenfalls zu Druck auf den Ischiasnerv führen. Ursache dafür sind vor allem degenerative Prozesse, wobei Knochenanbauten oder verdickte Bänder in den Spinalkanal hineinragen und auf Rückenmark und Nervenwurzeln drücken.
  • Muskelverspannungen: Insbesondere Verspannungen im Piriformis-Muskel (Piriformis-Syndrom) können den Ischiasnerv einklemmen, da dieser unterhalb des Muskels verläuft. Vom Piriformis-Syndrom spricht man, wenn der in der tiefen Hüftmuskulatur lokalisierte Piriformis-Muskel verkürzt oder verspannt ist.
  • Verletzungen eines Wirbelkörpers oder Entzündungen: Auch Verletzungen oder Entzündungen im Bereich der Wirbelsäule können den Ischiasnerv beeinträchtigen.
  • Fehlhaltungen: Eine länger andauernde Fehlhaltung der Wirbelsäule, z. B. beim Sitzen mit gekrümmtem Rücken, oder eine Fehlbelastung beim Anheben schwerer Lasten kann zu einer kurzfristigen Einklemmung der Nervenwurzel führen.
  • Übergewicht und Bewegungsmangel
  • Blockaden oder Fehlstellungen der Wirbelkörper
  • Länger anhaltender Druck auf das Gesäß, z. B. durch langes Sitzen auf hartem Grund
  • Infektionskrankheiten
  • Spondylolisthesis (Wirbelgleiten)

Symptome von Ischias

Ischiasbeschwerden werden von Betroffenen als plötzlich auftretend, brennend, reißend oder stechend beschrieben. Ausgehend vom unteren Rücken strahlen die Schmerzen meist über das Gesäß bis ins Bein und sogar den Fuß aus. Auch Taubheitsgefühle, Kribbeln und Lähmungserscheinungen können die Ischialgie begleiten. Die Symptome können sowohl in Umfang als auch Stärke deutlich von Person zu Person variieren, selbst wenn der Bandscheibenvorfall selbst gleich stark ausgeprägt ist.

Typische Symptome sind:

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  • Einseitiger Schmerz, der vom unteren Rücken über das Gesäß bis ins Bein ausstrahlt
  • Kribbeln oder Taubheitsgefühle im Bein oder Fuß
  • Muskelschwäche im Bein
  • Schmerzen, die sich beim Husten, Niesen oder Pressen verstärken
  • Einschränkungen beim Sitzen oder Gehen

In seltenen Fällen kann es zu Störungen der Blasen- oder Darmfunktion kommen, was ein Zeichen für eine schwerwiegendere Schädigung der Nerven ist und sofortige ärztliche Hilfe erfordert (Kaudasyndrom).

Neurologische Untersuchung bei Ischias

Die neurologische Untersuchung ist ein wichtiger Bestandteil der Diagnose von Ischias. Sie hilft, die Ursache der Schmerzen zu identifizieren und den Schweregrad der Nervenbeeinträchtigung zu beurteilen. Die Untersuchung umfasst in der Regel folgende Schritte:

Anamnese

Am Anfang des Diagnoseprozesses erfolgt ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten, über dessen Beschwerden und die bisherige Krankengeschichte (Anamnese). Der Arzt wird Fragen zu folgenden Punkten stellen:

  • Art und Lokalisation der Schmerzen: Wo genau treten die Schmerzen auf? Sind sie stechend, brennend oder ziehend? Strahlen sie aus?
  • Auslöser und verstärkende Faktoren: Gibt es bestimmte Bewegungen oder Aktivitäten, die die Schmerzen auslösen oder verstärken?
  • Begleitsymptome: Treten Taubheitsgefühle, Kribbeln oder Muskelschwäche auf?
  • Vorerkrankungen: Gibt es Vorerkrankungen der Wirbelsäule oder andere Erkrankungen, die die Beschwerden verursachen könnten?
  • Lebensstil: Gibt es Risikofaktoren wie Übergewicht, Bewegungsmangel oder eine sitzende Tätigkeit?

Körperliche Untersuchung

Die körperliche Untersuchung umfasst verschiedene Tests, um die Funktion des Ischiasnervs zu überprüfen:

  • Inspektion: Der Arzt beurteilt die Körperhaltung und die Beweglichkeit der Wirbelsäule.
  • Palpation: Der Arzt tastet die Wirbelsäule und die umliegenden Muskeln ab, um Verspannungen oder Verhärtungen festzustellen.
  • Neurologische Tests:
    • Lasègue-Test: Der Patient liegt auf dem Rücken, und der Arzt hebt das gestreckte Bein langsam an. Ein positiver Lasègue-Test liegt vor, wenn bei einem Winkel von weniger als 45 Grad Schmerzen im Gesäß und auf der Rückseite des Oberschenkels auftreten. Dies deutet auf eine Reizung oder Einengung des Ischiasnervs hin. Klagt der Patient bei einem Winkel von 60-70 Grad über Schmerzen, spricht man von Pseudo-Lasègue. In diesem Fall handelt es sich vermutlich um einen Dehnungsschmerz der rückseitigen Oberschenkelmuskulatur.
    • Bragard-Test: Dieser Test wird im Anschluss an einen positiven Lasègue-Test durchgeführt. Dabei wird das Bein gesenkt, bis der Schmerz nachlässt, und anschließend der Fuß gebeugt. Eine erneute Schmerzzunahme deutet ebenfalls auf eine Reizung des Ischiasnervs hin.
    • Reflexprüfung: Der Arzt überprüft die Reflexe an den Beinen, um festzustellen, ob Nervenschädigungen vorliegen.
    • Sensibilitätsprüfung: Der Arzt testet die Sensibilität der Haut an den Beinen und Füßen, um Taubheitsgefühle oder Kribbeln festzustellen.
    • Kraftprüfung: Der Arzt testet die Kraft der Muskeln in den Beinen, um Muskelschwäche festzustellen. Der Arzt testet Motorik, Sensorik und Reflexe.

Bildgebende Verfahren

In einigen Fällen können bildgebende Verfahren erforderlich sein, um die Ursache der Ischiasschmerzen zu ermitteln. Dazu gehören:

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  • Röntgenaufnahmen: Röntgenaufnahmen sind geeignet, um knöcherne Strukturen darzustellen und beispielsweise Wirbelbrüche oder Arthrose zu erkennen. Sie sind jedoch weniger geeignet, um Bandscheibenvorfälle oder andere Weichteilveränderungen zu beurteilen.
  • Magnetresonanztomographie (MRT): Das MRT ist dasStandardverfahren zur Darstellung von Bandscheibenvorfällen, Spinalkanalstenosen und anderen Weichteilveränderungen.
  • Computertomographie (CT): Das CT erstellt horizontale Schichtaufnahmen, was sich besonders zur Darstellung knöcherner Strukturen eignet.

Elektrodiagnostische Untersuchungen

Wenn sich neurologische Ausfälle zeigen oder die Symptome länger als sechs Wochen andauern, sollten elektrodiagnostische Untersuchungen erfolgen. Diese umfassen:

  • Elektromyographie (EMG): Eine Messung der Nervenimpulse in der Muskulatur (Elektromyografie) lässt sich das Ausmaß der eingetretenen Nervenfaserschädigung ermitteln.
  • Nervenleitgeschwindigkeitsmessung (NLG): Die NLG misst die Geschwindigkeit, mit der elektrische Signale entlang der Nerven verlaufen. Eine Verlangsamung der Nervenleitgeschwindigkeit kann auf eine Nervenschädigung hindeuten.

Behandlung von Ischias

Die Behandlung von Ischias richtet sich nach der Ursache und dem Schweregrad der Beschwerden. In den meisten Fällen können die Schmerzen konservativ behandelt werden.

Konservative Behandlung

  • Schmerzmittel: Bei leichten bis mittelschweren Schmerzen können Schmerzmittel wie Ibuprofen, Paracetamol oder Diclofenac eingenommen werden. Bei starken Schmerzen können Opioide eingesetzt werden, jedoch nur kurzfristig und unter ärztlicher Kontrolle.
  • Muskelrelaxantien: Muskelrelaxantien können helfen, Muskelverspannungen zu lösen.
  • Entzündungshemmer: Kortikosteroide können Entzündungen reduzieren und Schmerzen lindern. Sie sollten jedoch nur erwogen werden, wenn andere medikamentöse und nichtmedikamentöse Behandlungen nicht ausreichen.
  • Physiotherapie: Physiotherapie zielt darauf ab, Schmerzen zu lindern, Muskeln zu stärken und natürliche Bewegungsabläufe wiederherzustellen.
  • Wärme- oder Kälteanwendungen: Wärme kann helfen, Muskelverspannungen zu lösen, während Kälte Entzündungen reduzieren kann.
  • Injektionen: Injektionen mit schmerzstillenden und entzündungshemmenden Wirkstoffen (z. B. Kortikosteroide) in den unteren Rücken können bei starken Schmerzen Linderung verschaffen.
  • Manuelle Therapie: Eine sanfte Selbstmassage mit einem Tennisball oder einer Faszienrolle kann Verspannungen im Gesäß lösen. Alternativ eignet sich auch ein Gymnastikball, der vor allem bei Frauen in der Schwangerschaft sehr beliebt ist. Das einfache und langsame Kreisen des Beckens auf dem Ball kann die Muskulatur lockern und den Lendenbereich wieder mobilisieren.
  • Bewegung und Entlastung: Bewegung und Alltagsaktivitäten sollten so gut es geht weitergeführt werden, denn das fördert die Durchblutung und kann dazu beitragen, Muskelverspannungen zu lösen. Soweit die Schmerzen es erlauben, ist es also sinnvoll, weiter den normalen Tätigkeiten nachzugehen. Zudem ist nachgewiesen, dass ein Bewegungstraining erneuten Beschwerden wirksam vorbeugen kann.
  • Entspannungsübungen: Auch Entspannungsübungen können bei Rückenschmerzen einen Versuch wert sein. Denn wie jemand Schmerzen empfindet und wie gut es einem Menschen gelingt, mit Schmerzen zurechtzukommen, kann von der Psyche bzw. einer angespannten Grundhaltung beeinflusst werden.

Operative Behandlung

Eine Operation ist nur in seltenen Fällen erforderlich, wenn die konservative Behandlung nicht erfolgreich ist oder wenn neurologische Ausfälle wie Lähmungen auftreten. Mögliche Operationsverfahren sind:

  • Mikrodiskektomie: Bei einem Bandscheibenvorfall wird der ausgetretene Gallertkern der Bandscheibe entfernt, um den Nerv zu entlasten.
  • Laminektomie: Bei einer Spinalkanalstenose wird ein Teil des Wirbelbogens entfernt, um den Wirbelkanal zu erweitern und den Nerv zu entlasten.

Selbsthilfemaßnahmen

Neben der ärztlichen Behandlung können Betroffene auch selbst einiges tun, um die Beschwerden zu lindern:

  • Regelmäßige Bewegung: Regelmäßige Bewegung ist essenziell für einen gesunden Rücken, insbesondere für den Ischiasnerv. Durch gezielte Aktivität werden die Rückenmuskeln gestärkt, die Durchblutung gefördert und Verspannungen gelöst. Bewegung hilft, Druck von der Wirbelsäule zu nehmen und die Bandscheiben mit Nährstoffen zu versorgen, wodurch das Risiko für Ischiasbeschwerden sinkt.
  • Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung: Achten Sie auf eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung mit einem gut eingestellten Stuhl und einer korrekten Körperhaltung.
  • Vermeidung von Übergewicht: Übergewicht belastet die Wirbelsäule und kann zu Ischiasbeschwerden beitragen.
  • Stressabbau: Stress kann Muskelverspannungen verstärken. Entspannungsübungen wie Yoga oder Meditation können helfen, Stress abzubauen.
  • Stufenlagerung: Vor allem bei akuten Ischias-Beschwerden kann die Stufenlagerung der Beine im 90-Grad-Winkel Linderung bringen. Dafür legen Sie sich rücklings auf den Boden und die Unterschenkel auf eine erhörte Fläche, wie einen Stuhl. Diese Haltung entspannt die Rückenmuskulatur, reduziert Druck auf den Ischiasnerv und kann Schmerzen lindern.
  • Dehnübungen: Gezielte Übungen und Dehnungen, wie der Hüftöffner oder die Schulterbrücke, können helfen, Verspannungen zu lockern und den Druck auf den Ischiasnerv zu reduzieren.

Vorbeugung von Ischias

Um Ischiasbeschwerden vorzubeugen, können folgende Maßnahmen ergriffen werden:

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  • Regelmäßige Bewegung und Sport: Stärken Sie Ihre Rückenmuskulatur und halten Sie Ihre Wirbelsäule beweglich.
  • Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung: Achten Sie auf eine korrekte Körperhaltung und vermeiden Sie langes Sitzen in einer Position.
  • Vermeidung von Übergewicht: Halten Sie Ihr Gewicht im Normalbereich, um Ihre Wirbelsäule zu entlasten.
  • Richtiges Heben: Heben Sie schwere Gegenstände aus den Beinen und halten Sie den Rücken gerade.
  • Stressabbau: Sorgen Sie für ausreichend Entspannung und Stressabbau.

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