Neurologische Nebenwirkungen von Cortison: Ein umfassender Überblick

Cortison, umgangssprachlich für Glukokortikoide, ist ein Medikament, das in der Medizin weit verbreitet ist. Es wirkt entzündungshemmend und immunsuppressiv und wird bei verschiedenen Erkrankungen eingesetzt, bei denen Entzündungen oder eine Überreaktion des Immunsystems eine Rolle spielen. Obwohl Cortison sehr wirksam sein kann, ist es wichtig, sich der möglichen Nebenwirkungen bewusst zu sein, insbesondere der neurologischen. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die neurologischen Nebenwirkungen von Cortison und soll Patienten und medizinisches Fachpersonal gleichermaßen informieren.

Was ist Cortison?

Cortison ist ein Hormon, das zur Gruppe der Glukokortikoide gehört. Es wird in der Nebennierenrinde produziert und hat vielfältige Funktionen im Körper. Es ist an der Regulation verschiedener physiologischer Prozesse beteiligt; so wirkt es zum Beispiel stark entzündungshemmend und wird oft zur Behandlung von entzündlichen Erkrankungen wie Asthma, rheumatoider Arthritis oder entzündlichen Hauterkrankungen eingesetzt. Auch spielt es eine Rolle im Kohlenhydrat-, Protein- und Fettstoffwechsel und kann den Blutzuckerspiegel erhöhen. Künstlich hergestellte Kortisonpräparate (auch: Kortikoide) haben eine ähnliche Wirkung wie das körpereigene Hormon. Sie helfen bei vielen allergischen Erkrankungen und sind entzündungshemmend. Das vom Körper in der Nebennierenrinde gebildete Kortison (auch: Cortison) ist eine biologisch inaktive Vorstufe und wird von der Leber in das aktive Cortisol (auch: Kortisol) umgewandelt. Es beeinflusst eine Vielzahl von Prozessen im Körper, vor allem den Kohlenhydratstoffwechsel und den Fettstoffwechsel. Weil Cortisol vom Körper ausgeschüttet wird, um leistungsfähig zu sein, gilt es auch als Stresshormon.

Anwendungsgebiete von Cortison

Cortison wird zur Unterdrückung des Immunsystems und zur Behandlung von Entzündungsreaktionen verabreicht. Kortisonsprays gibt es zum tiefen Einatmen. Sie werden eingesetzt zur Behandlung von Atemwegserkrankungen wie Asthma, Allergien oder der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Kortison bewirkt ein schnelles Abschwellen der Bronchialschleimhaut, es verringert die Schleimproduktion, die allergische Reaktion und die Überempfindlichkeit der Bronchien. Kortisonhaltige Nasensprays helfen lokal gegen Entzündung, allergische Reaktionen und Schleimhautschwellung, zum Beispiel bei starkem Heuschnupfen oder chronischer Nasennebenhöhlenentzündung (Sinusitis). Sie lassen die Schleimhäute in der Nase und den Nebenhöhlen abschwellen. Betroffene können besser durch die Nase atmen. Die meisten kortisonhaltigen Nasensprays sind rezeptpflichtig. Salben, Cremes und Lotionen mit Kortison dienen zur Behandlung allergischer und entzündlicher Hauterkrankungen wie Neurodermitis, Ekzeme oder Schuppenflechte. Der Wirkstoff bremst die überschießende Immunreaktion und lindert Juckreiz und Entzündungen. Rezeptfreie Kortisonsalben gibt es in der Apotheke gegen Juckreiz, entzündete Insektenstiche oder Sonnenbrand. Mittelstarke bis sehr starke Präparate werden vom Arzt oder von einer Ärztin verschrieben. Kortison kann Akne, Rosazea und Hautpilz verstärken. Kortisontabletten werden bei allergischen Reaktionen eingesetzt sowie bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie Multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis und entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Sie dienen dazu, Schübe zu behandeln, wenn andere Medikamente nicht ausreichen.

Wirkweise von Cortison

Wie genau Kortison Entzündungen dämpft, wurde 2024 an der Berliner Charité vom Forschungsteam um Prof. Gerhard Krönke entdeckt. Im Fokus standen dabei Makrophagen, also Fresszellen des Immunsystems. Sie beseitigen Eindringlinge im Immunsystem, begünstigen aber gleichzeitig Entzündungen. Kortison programmiert die Immunzellen um und beendet ihren "Kampfmodus".

Prednisolon ist ein synthetisches Glukokortikoid, das seine Wirkung durch verschiedene Mechanismen auf zellulärer und molekularer Ebene entfaltet. Es bindet an spezifische Glukokortikoid-Rezeptoren im Zytoplasma der Zellen, woraufhin der Rezeptor-Liganden-Komplex in den Zellkern transloziert wird. Diese Genmodulation führt zur Synthese antiinflammatorischer Proteine und zur Hemmung proinflammatorischer Zytokine und Mediatoren wie Interleukin-1, Interleukin-2, Interferon-gamma und Tumornekrosefaktor-alpha. Zusätzlich inhibiert Prednisolon die Phospholipase A2, ein Schlüsselenzym im Metabolismus der Arachidonsäure, was die Produktion von entzündungsfördernden Eikosanoiden wie Prostaglandinen und Leukotrienen reduziert.

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Darreichungsformen und Dosierung

Kortison gibt es als Nasenspray, Tabletten oder Salben. Die empfohlene Dosierung hängt immer von der Art und Schwere der Erkrankung ab. Für Erwachsene liegen sehr niedrige Dosen bei 1,5 mg pro Tag, hohe Dosen bei bis zu 100 mg täglich. Tabletten sollten nach Mahlzeiten unzerkaut mit Flüssigkeit eingenommen werden. Ratsam sind hohe Initialdosen, vor allem im Rahmen der Notfalltherapie. Bei chronischen Erkrankungen empfiehlt sich eine Langzeitbehandlung. Bei Kindern, die noch wachsen, ist eine alternierende oder intermittierende Therapie ratsam.

Neurologische Nebenwirkungen von Cortison

Cortison kann verschiedene neurologische Nebenwirkungen verursachen, die von leichten Störungen bis hin zu schweren psychischen Erkrankungen reichen können. Diese Nebenwirkungen können sowohl bei kurzzeitiger als auch bei langfristiger Anwendung auftreten, wobei das Risiko mit der Dosis und der Dauer der Behandlung steigt.

Häufige neurologische Nebenwirkungen

  • Schlafstörungen: Schlafstörungen als mögliche Nebenwirkung bei der Einnahme von Cortison lassen sich schon durch die Klassifikation von Cortison als Stresshormon erklären. Cortison beeinflusst also den Schlaf-Wach-Rhythmus und kann somit Schlafstörungen verursachen. In der Regel klingen die Schlafstörungen nach dem Absetzen des Medikaments oder bei Reduzierung der Dosis wieder ab. Cortison sollte, wenn medizinisch möglich, möglichst morgens eingenommen werden, um seine wachmachende Wirkung nicht in den Abend zu verlagern.
  • Stimmungsveränderungen: Eine weitere unerwünschte Nebenwirkung können Stimmungsveränderungen sein. Cortison wirkt auf das Gehirn und das Nervensystem ein, was sich in einer möglichen Veränderung der Stimmung und des emotionalen Wohlbefindens zeigt. Die Stimmungsveränderungen äußern sich durch Reizbarkeit, Angst und Nervosität, Euphorie und Stimmungsschwankungen. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jeder, der Cortison einnimmt, zwangsläufig Stimmungsveränderungen / innere Unruhe erfährt. Die Auswirkungen können von Person zu Person variieren, und nicht alle Menschen erleben diese Nebenwirkung in gleicher Weise.
  • Innere Unruhe: Cortison kann innere Unruhe verursachen, die sich als Nervosität, Anspannung und allgemeines Unwohlsein äußern kann.

Seltenere, aber schwerwiegendere neurologische Nebenwirkungen

  • Psychosen: Synthetische Glukokortikosteroide können psychische Störungen verschiedenster Art verursachen. Nach Steroidtherapie auftretende, substanzinduzierte Psychosen und Delirien, die die DSM-IV-Kriterien erfüllen, werden in der Literatur selten erwähnt. Der Begriff "Steroid-Psychose" ist fast zum Synonym für psychische Nebenwirkungen der Corticosteroid-Therapie geworden.
  • Depressionen: Nach Steroidgabe traten in zahlreichen Studien erhöhte Werte auf den Depressivitäts-Skalen auf. In einer prospektiven Untersuchung kam es gegenüber einer Kontrollgruppe zu einer um das Dreifache erhöhten Wahrscheinlichkeit für depressive Symptome. Bei einem Teil der Patienten setzten diese innerhalb von fünf Tagen ein. Die Auslösung depressiver Erkrankungen ist hingegen weniger gut belegt. Nicht selten beginnen depressive und andere psychische Symptome auch nach Absetzen oder Dosisreduktion der Medikamente (Steroidentzugs-Syndrom). In einigen Studien wird von einer Abnahme der Depressivität nach Steroiden berichtet.
  • Manie: Isolierte Symptome wie Euphorie, hypomanische oder manische Episoden, gemischte Episoden treten offenbar relativ häufig auf. In einer Studie an 50 ophthalmologischen Patienten trat bei 13 eine Manie auf. Auch bei MS- und LE-Patienten wurde nach Prednison eine gehobene Stimmung bis hin zur vollausgebildeten Manie beobachtet. Die euphorisierende Wirkung der Corticosteroide birgt einigen Berichten zufolge ein nicht unerhebliches Missbrauchspotenzial.
  • Kognitive Defizite: Eine seltene Komplikation der Therapie mit Kortikosteroiden hingegen stellen persistierende kognitive Defizite, insbesondere des Gedächtnisses, der Konzentration und der Aufmerksamkeit dar. In neuropsychologischen Untersuchungen können schwere Beeinträchtigungen von Konzentration, Aufmerksamkeit, Lernen und Gedächtnis sowie allgemeiner Problemlösefähigkeit festgestellt werden.
  • Delir: Die medikamentöse Versorgung älterer Krebskranker ist oft komplex - viele nehmen bereits vor der Tumordiagnose mehrere Arzneimittel ein. Diese Polypharmazie birgt Risiken, insbesondere für die Entwicklung eines Delirs.

Faktoren, die das Risiko neurologischer Nebenwirkungen beeinflussen

  • Dosis und Dauer der Behandlung: Je höher die Dosis und je länger die Behandlungsdauer, desto höher ist das Risiko für Nebenwirkungen.
  • Art der Verabreichung: Wird Kortison lokal, also nur begrenzt auf eine Stelle des Körpers, angewendet, beispielsweise als Spray oder Salbe, treten seltener Nebenwirkungen auf. Anders als bei Tabletten gelangt dabei der Wirkstoff nicht oder kaum ins Blut. In Tablettenform hat Kortison stärkere Nebenwirkungen, da es im ganzen Körper wirkt.
  • Individuelle Faktoren: Einige Menschen sind anfälliger für neurologische Nebenwirkungen von Cortison als andere. Psychische Vorerkrankungen scheinen die Inzidenz nicht zu erhöhen, aber die Symptom-Häufigkeit nimmt mit der Höhe der Steroiddosis bzw. der Serumkonzentration an ungebundenem Wirkstoff zu.

Umgang mit neurologischen Nebenwirkungen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit neurologischen Nebenwirkungen von Cortison umzugehen:

  • Frühzeitige Erkennung: Informieren Sie Ihre Ärztin/Ihren Arzt, wenn Sie nach Therapiebeginn Beschwerden bemerken, insbesondere Veränderungen der psychischen Gesundheit wie depressive Verstimmung oder Schlafstörungen.
  • Dosisreduktion: Die erste Maßnahme bei steroidinduzierten psychischen Symptomen besteht, wenn möglich, in Dosisreduktion oder Absetzen der Medikamente, beim Steroidentzugs-Syndrom in deren erneuter Gabe.
  • Medikamentöse Behandlung: In der Prävention manischer und depressiver Symptome scheinen Lithium, Carbamazepin oder Valproinsäure anwendbar zu sein. Kontrollierte Studien hierzu fehlen. Einzelfallberichten zufolge können affektive Symptome erfolgreich mit Lithium, dem SSRI Fluoxetin und dem trizyklischen Antidepressivum Imipramin behandelt werden. Auch das atypische Neuroleptikum Olanzapin soll wirksam sein.
  • Begleitende Maßnahmen: Achten Sie auf einen regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus, eine gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung. Vermeiden Sie Stress und Alkohol.

Alternativen zu Cortison

Es ist wichtig zu beachten, dass die Entscheidung für eine bestimmte Behandlung immer in Absprache mit einem Facharzt getroffen werden sollte. Bei Autoimmunerkrankungen wie Rheumatoider Arthritis oder Morbus Crohn gibt es verschiedene Immunmodulatoren, die das Immunsystem regulieren und gute Behandlungserfolge erzielen. Die Auswahl der besten Behandlung hängt von der spezifischen Diagnose, dem Schweregrad der Erkrankung, den individuellen Bedürfnissen und der Krankengeschichte ab.

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