Ein neurologischer Schock ist kein medizinischer Schock im eigentlichen Sinne, sondern eine akute psychische Belastungsreaktion. Ein medizinischer Schock ist ein lebensbedrohlicher Zustand, der durch eine Störung des Blutkreislaufs verursacht wird, die zu einer Gewebehypoxie führt. Dies führt zu einem Missverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und Sauerstoffangebot, was zu einer Unterversorgung der Organe führt. Unbehandelt kann ein Schock zu fortschreitendem Herz-Kreislauf-Versagen und schließlich zum Tod führen. Es ist wichtig, die Symptome eines Schocks zu erkennen und sofort zu handeln, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen.
Was ist ein Schock? Eine Beschreibung
Bei einem Schock ist der Blutkreislauf im Körper meist plötzlich massiv gestört. Dadurch mangelt es etwa den Organen an Sauerstoff, der über das Blut dorthin transportiert wird. Dieses Missverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und Sauerstoffangebot ist lebensbedrohlich. Es schädigt die Organe und stört wichtige Stoffwechselvorgänge.
Im Rahmen eines Schocks startet der Körper eine Art Notfallprogramm, die sogenannte "Zentralisation": Die Gefäße in der Körperperipherie, also in Armen und Beinen, verengen sich, so dass dort weniger Blut zirkulieren kann. Das Blutvolumen verlagert sich folglich in die Körpermitte. Dadurch steht mehr Blut für die inneren Organe und das Gehirn zur Verfügung.
In der gering durchbluteten, sauerstoffarmen Körperperipherie verändert sich der Stoffwechsel, wobei saure Stoffwechselprodukte entstehen. Diese bewirken, dass die Arteriolen (kleine Gefäße, die das Gewebe durchbluten und mit Sauerstoff versorgen) sich weiten. Ihre Gegenstücke, die Venolen, weiten sich dagegen nicht. Deshalb können sie das "verbrauchte" Blut aus dem Gewebe nicht wieder vollständig abführen - es kommt zu einem Blutstau (Mikrozirkulationsstörung). Darin bilden sich kleine Blutgerinnsel (Mikrothromben).
Außerdem strömt vermehrt Flüssigkeit aus den kleinsten Gefäßen (Kapillaren, die zwischen den Arteriolen und Venolen liegen) in das Gewebe. So sinkt das zirkulierende Blutvolumen weiter, und das Gewebe wird noch schlechter mit Sauerstoff versorgt - ein Teufelskreis, den Mediziner als Schockspirale bezeichnen.
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Unbehandelt dreht sich diese Spirale immer weiter, mit zunehmend fatalen Folgen. So kann die Bildung von Mikrothromben im Extremfall wichtige Stoffe im Blut verbrauchen, die für die Blutgerinnung zuständig sind (Verbrauchskoagulopathie). Das kann zu Blutungen im Körper führen. Mit der Zeit werden schließlich auch lebenswichtige Organe nicht mehr ausreichend mit Blut bzw. Sauerstoff versorgt. Dann bricht der Kreislauf zusammen - es kommt zu einem multiplen Organversagen.
Ursachen für einen Schock
Die Ursachen für einen Schock sind vielfältig und werden nach der Form des Schocks unterschieden. Ein Schock kann durch bestimmte Erkrankungen sowie durch schwere Verletzungen ausgelöst werden. Abhängig vom betroffenen Organsystem sind die folgenden Schocks zu unterscheiden:
Hypovolämischer Schock: Ausgelöst wird der hypovolämische oder Volumenmangel-Schock durch starken Flüssigkeitsverlust, etwa nach heftigen inneren oder äußeren Blutungen (hämorrhagischer Schock), starkem Durchfall oder Erbrechen.
Kardiogener Schock: Der kardiogene Schock hat seinen Ursprung im Herzen. Ist dieses etwa infolge eines Infarkts geschädigt, fehlt ihm die Kraft, ausreichend Blut in den Kreislauf zu pumpen.
Obstruktiver Schock: Sind das Herz selbst oder große Blutgefäße zusammengedrückt, verlegt oder verstopft, beeinträchtigt das die Herzarbeit und den Kreislauf. Es droht ein sogenannter obstruktiver Schock.
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Distributiver Schock: Bei einem distributiven Schock ist die Blutverteilung gestört. Durch krankhafte Prozesse weiten sich die Gefäße oder können sich nicht mehr verengen. Das Blutvolumen verschiebt sich dadurch und Flüssigkeit tritt meist aus den Gefäßen ins umliegende Gewebe aus. Infolgedessen mangelt es innerhalb des Gefäßsystems und folglich in wichtigen Körperregionen an Blut und damit an Sauerstoff. Der distributive Schock unterteilt sich in drei Gruppen: den anaphylaktischen Schock, den neurogenen Schock und den septischen Schock.
- Anaphylaktischer Schock: Hierbei ist der Schock auf eine extrem übersteigerte allergische Reaktion des Immunsystems zurückzuführen.
- Septischer Schock: Auslöser des septischen Schocks ist eine lokale oder den gesamten Körper betreffende Infektion.
- Neurogener Schock: Hierbei fällt ein Teil des Nervensystems aus, sodass sich die Blutgefäße nicht mehr verengen können und der Kreislauf zusammenbricht. Dabei kann auch unkontrolliert Flüssigkeit austreten.
Symptome eines Schocks
Typische Anzeichen für einen Schock sind ein oder mehrere der folgenden Symptome:
- Blutdruckabfall
- Beschleunigter Herzschlag (Gefühl von Herzrasen)
- Schneller, aber schwacher Puls
- Flache Atmung
- Blasse, kühle, schweißnasse, marmorierte Haut (Ausnahme: Beim hyperdynamen septischen Schock ist die Haut warm und gerötet)
- Frieren und/oder Zittern
- Bläuliche Lippen und/oder Fingernägel
- Bewusstseinsstörungen wie Benommenheit oder Schläfrigkeit
- Bewusstseinsveränderungen wie Unruhe, Nervosität, Angst oder Verwirrtheit
Erste Hilfe bei einem Schock
Handeln Sie sofort, wenn Sie glauben, dass eine Person in einem Schockzustand ist. Ergreifen Sie bei einem Schock diese Maßnahmen:
- Notruf wählen (112)
- Bewusstsein kontrollieren: Sprechen Sie die betroffene Person an, fassen Sie sie an - rütteln Sie zum Beispiel vorsichtig an ihrer Schulter.
- Bei Bewusstlosigkeit: Rufen Sie laut um Hilfe, damit andere Menschen in der Nähe den Notfall erkennen und helfen können. Kontrollieren Sie die Atmung. Ist diese normal, bringen Sie die betroffene Person in die stabile Seitenlage und decken Sie sie zu, zum Beispiel mit einer Jacke oder einem großen Schal. Wenn keine Atemgeräusche und Brustkorbbewegungen wahrnehmbar sind, beginnen Sie sofort mit einer Herz-Lungen-Wiederbelebung (30 Mal Herzdruckmassage, 2 Mal beatmen) und führen Sie diese bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes fort. Achtung: Bei Säuglingen und Kindern gibt es bei Wiederbelebungsmaßnahmen Besonderheiten zu beachten.
- Bei vorhandenem Bewusstsein: Betroffenen hinlegen, Beine erhöht lagern, zudecken.
Behandlung eines Schocks im Krankenhaus
Kündigt der Rettungsdienst einen Schockpatienten oder eine Schockpatientin an, wird in der Notaufnahme der sogenannte Schockraum (Reanimationsraum) vorbereitet. Ein Team aus mehreren Fachdisziplinen bespricht und koordiniert mögliche diagnostische und therapeutische Schritte. Weil die Schockursachen bei Einlieferung des Patienten oder der Patientin meist nicht klar sind, ist die Erstdiagnose oftmals ein undifferenzierter Kreislaufschock. Bei jedem Schockpatienten und jeder Schockpatientin werden deshalb immer auch folgende Maßnahmen vorbereitet:
- Beatmungsmöglichkeiten
- Medikamente und Instrumente für Atemwegs- und/oder Gefäßzugänge (zum Beispiel Arterienkatheter oder Venenkatheter)
- Kreislaufstabilisierende Medikamente wie Noradrenalin
- Blut- und Gerinnungsprodukte zur Wiederherstellung beziehungsweise Stabilisierung der Blutgerinnung
Es gilt: Je kürzer der Schockzustand andauert, desto weniger Schaden nehmen Gewebe und Organe.
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Während der Behandlung sollte versucht werden, die Ätiologie anhand der Erkenntnisse aus der Anamnese, körperlichen Untersuchung, hämodynamischen Überwachung und Laboruntersuchungen zu ergründen. Die Betreuung erfolgt am besten in einem multidisziplinären Team in einer gut ausgestatteten Umgebung, z. B. Ggf. Ggf. Ggf. Ggf. Passive Leg Raising Test. CO, Herzzeitvolumen; SV, Schlagvolumen.
Die intravenöse Verabreichung von hochdosierten Kortikosteroiden (z.B. Die Gabe von Adrenalin (i.m. Kasper DL, Fausi AS, Hauser SL, Longo DL, Lameson JL, Loscalzo J. Harrison’s Principles of Internal Medicine. Gaieski DF, Mikkelsen ME. Evaluation of and initial approach to the adult patient with undifferentiated hypotension and shock. Baenkler H, Bals R, Goldschmidt H, Hahn J, Hinterseer M, Knez A, Möhlig M, Pfeiffer A, Schäfer J et al. Kurzlehrbuch Innere Medizin. ed. 4., vollständig überarbeitete Auflage. Thieme; 2021.
Spezielle Schockformen und ihre Behandlung
Neurogener Schock
Beim neurogenen Schock handelt es sich um einen distributiven Schock aufgrund einer Imbalance zwischen sympathischer und parasympathischer Regulation der Herzaktion und der Gefäßmuskulatur. Im Vordergrund steht eine ausgeprägte Vasodilatation mit relativer Hypovolämie bei zunächst unverändertem Blutvolumen. Es handelt sich um ein lebensbedrohliches Notfallbild, welches eine besonders fokussierte Versorgung und einen schonenden Transport des Patienten benötigt.
Häufigste Ursache für einen neurogenen Schock im Rettungsdienst ist die traumatische Durchtrennung des Rückenmarks beispielsweise nach Stürzen aus großer Höhe. Im Bereich unterhalb der Läsion kommt es zur fehlenden Regulation des Sympathikus, weshalb es zu einer peripheren Gefäßweitstellung und einem einhergehenden Blutdruckabfall kommt. Durch den Sympathikus gesteuerte Kompensationsmechanismen wie die Freisetzung von Katecholaminen, wodurch eine Vasokonstriktion sowie ein Anstieg der Herzfrequenz ausbleibt, entfallen.
Gekennzeichnet ist der neurogene Schock durch einen plötzlichen SRR-Abfall auf < 100 mmHg und einer Herzfrequenz von < 60/min, einhergehend mit Bewusstseinseintrübungen. Hinzukommt der inkomplette oder komplette Verlust von Sensibilität und Motorik im Bereich unterhalb der Verletzung. Beispiel: Die Durchtrennung im Bereich Th 1 - 4 sorgt für einen Ausfall des Sympathikus im Bereich des Herzens, durch den überwiegenden Parasympathikus kommt es zu einer Bradykardie.
Therapie: Die Therapie erfolgt symptomorientiert mithilfe des ABCDE-Schemas. Sie muss je nach Höhe der Läsion des Rückenmarks individuell auf den Patienten angepasst werden. Zwingend sollte eine hochdosierte O2-Gabe mittels Maske mit Reservoir und eine Volumentherapie über bestenfalls zwei großlumige i.v.-Zugänge erfolgen. mind. Querschnitt markieren (z.B. Der Transport muss unter vollständiger Immobilisierung mittels Vakuummatratze erfolgen. Frühzeitig sollte an einen schonenden luftgebundenen Transport bei längeren Fahrtstrecken gedacht werden.
- Infusionslösung 1500 - 2000 ml i.v.
- Norepinephrin
- Push Dose Pressor 10 - 20 μg i.v.
- Esketamin 0,125 - 0,25 mg/kgKG i.v.
- Midazolam < 60J = 2 - 2,5 mg i.v.(max. 7,5 mg) ≥ 60J = 0,5 - 1 mg i.v.(max.
Spinaler Schock
Auf eine traumatische Querschnittlähmung folgt meist ein vorübergehender Zustand, der als spinaler Schock bezeichnet wird. Unabhängig davon welches Ausmaß die Schädigung des Rückenmarks langfristig haben wird, tritt als direkte Folge fast jeder akut eintretenden Querschnittlähmung zunächst der spinale Schock auf.
Der spinale Schock ist vorrübergehend. Er tritt meist innerhalb von 30-60 Minuten nach der Verletzung des Rückenmarks ein und kann innerhalb weniger Tage vorüber sein. Möglich ist aber auch eine längere Dauer von bis zu sechs Wochen. In dieser Phase kann über das tatsächliche Ausmaß der Querschnittlähmung keine Aussage gemacht werden. Erst wenn der spinale Schock abgeklungen ist, wird klar, welche Funktionen evtl. erhalten geblieben sind.
Wenn der spinale Schock sich löst, ist dies meist gekennzeichnet durch eine ausgeprägte Hyperreflexie, d. h. durch eine ungewöhnlich starke Reflexantwort mit leichterer Auslösbarkeit von Muskeleigenreflexen.
Bei einer Lähmungshöhe von Th 6/Th 7 oder darüber kann die autonome Dysreflexie eine mögliche Begleiterscheinung einer Querschnittlähmung sein. Ausgelöst wird sie durch Reize unterhalb der Lähmungshöhe.
Kardiogener Schock
Komplexes Krankheitsbild, in der Früherkennung auch oft übersehen, hohe Letalität insb. bei verzögerter Diagnostik und Therapie: Frühzeitige Rücksprache und Zusammenarbeit mit Kardiologie und Intensivmedizin!
Klinische Formen des kardiogenen Schocks (vereinfacht):
- "Klassiker": verminderte Pumpleistung, Hypotonie, Tachykardie → Typisch: Akuter Myokardinfarkt plus Hypotonie und/oder Perfusionsdefizit (z.B. Oligurie, verlängerte Rekap.-Zeit, hohes Laktat, Wesensveränderung)
- „Spezialfall“: Normotensiver/kryptogener Schock (ca. 25% der Patient:innen): Periphere Vasokonstriktion bei reduziertem Herzzeitvolumen - deutlich erhöhte Nachlast belastet den linken Ventrikel zusätzlich. Schock mit Minderperfusion kann trotz MAP > 65mmHg / RRsyst > 90mmHg vorliegen!
Ursachen des kardiogenen Schock:
- Kardiogen: Okklusiver Myokardinfarkt (z.B. STEMI), Postinfarktkomplikationen (hochgradige Mitralklappeninsuffizienz bei Papillarmuskelabriss, Ventrikelseptumruptur), Herzrhythmusstörung (Brady- und Tachykardien), (Akute) Vitien (hochgradige Mitralklappeninsuffizienz, hochgradige Aortenklappenstenose etc.), Perikardtamponade
- "Nicht kardiogen" (de facto eigene Schockformen): Septische Kardiomyopathie (wichtig: Überschneidungen möglich bzw. gemeinsame Endstrecke: Patient:innen mit kardiogenem Schock können ein ausgeprägtes SIRS mit Multiorganversagen, Pat. mit Sepsis können eine septische Kardiomyopathie entwickeln), Intoxikation mit Betablockern / Trizyklischen Antidepressiva / Calciumantagonisten, Lungenembolie, Pneumothorax
Checkliste Kardiogener Schock:
- Kontakt Kardiologie / Intensivmedizin → gemeinsame Absprache bei Therapie (falls keine Kardiologie verfügbar: Kontaktaufnahme nächstes Zentrum)
- Diagnostik / Monitoring: EKG (Tachykardie? Bradykardie? Ischämiezeichen?), Labor (inkl. BGA/Laktat, Troponin, BNP, Nieren- und Leberwerte), Arterielle Blutdruckmessung, Echokardiografie: Orientierend / "Basis-Echo": Linksventrikuläre Pumpfunktion? Rechtsherzbelastung? Perikardtamponade? Infarktkomplikationen: neue Vitien? Ventrikelruptur? Bei Erfahrung: Bestimmung Cardiac Index (CI) / Cardiac Power Index (CPI), peripherer Widerstand (SVRI)
Therapie - Stabilisierung (Ziel ist kausale Therapie!):
Volumenchallenge erwägen (z.B. 200ml VEL iv.), zuvor ggf. Passive Leg Raise und/oder engmaschige Überwachung von Monitoring, vorher/nachher Echo (s. Volumentherapie oben)
Katecholamine (Ziel MAP 65-75mmHg, rückläufiges Laktat) s. Perfusoren
- Vasopressor: Noradrenalin insb. bei peripherer Gefäßdilatation / hyperdynamen LV
- Inotropikum: Dobutamin (alternativ z.B. Levosimendan) insb. bei eingeschränkter LV-EF
Frühzeitig invasive Beatmung erwägen Narkose-Einleitung = Hochrisiko-Situation (physiologisch schwieriger Atemweg), Bedingungen vorab optimieren! Überbrückend ggf. NIV-Beatmung
Therapie - Kausal Primäres Ziel: Ursachenbehebung z.B. Revaskularisierung durch Herzkatheter, Therapie der Rhythmusstörung oder operative Revaskularisierung / Behandlung des Vitiums Möglich keine / geringestmögliche Zeit-Verzögerung - ohne kausale Therapie ist kein positives Outcome zu erwarten!
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